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Sie werden vor Schreck erstarren

Hendrix und die Elite der britischen Gitarristen

Obwohl die Theorie des „Exzeptionalismus“ für gewöhnlich auf Nationalstaaten angewandt wird, kann sie auch auf bestimmte Musiker zutreffen, Instrumentalisten wie Keith Moon oder Jimi Hendrix. Sie waren Künstler, die sich „in lebhafter Art und Weise deutlich von anderen Musikern unterschieden und oftmals weit über ihnen standen“, wie es ein Wörterbuch definiert.

Michael Bloomfield zählte zu den talentierten und stilistisch deutlich erkennbaren Gitarristen und wurde in der Rubrik „100 Greatest Guitarists of All Time“ des Rolling Stone (2002) auf Platz 22 gewählt. Als man ihm 1966 den Tipp gab, sich gemeinsam mit John Hammond Jr. einen Gitarristen im Café Au Go Go anzuschauen, leuchte sein Stern schon auf. Das geschah während des bereits angesprochenen einwöchigen Engagements von Hendrix, zu einer Zeit, in der Chandler noch den Verpflichtungen mit den Animals nachkommen musste. „Direkt vor meinen Augen hat er mir die Schamesröte ins Gesicht getrieben, mich regelrecht verbrannt.“ Das zu hören, mag für Hendrix wohl sehr angenehm gewesen sein, denn obwohl Jimi nicht wusste, wem er da gegenübertrat, kannte er die Arbeit des Gitarristen von dem Bob-Dylan-Album Highway 61 Revisited.

Jimi Hendrix lässt sich als ein äußerst großzügiger und kollegialer Mensch beschreiben, der nach dem ersten Erfolg freimütig Gitarren verschenkte, bei Jams Bass spielte, damit sein frustrierter Bassist wieder zur E-Gitarre greifen konnte, und es seinen Blues-Helden wie zum Beispiel Albert King ermöglichte, bei Konzerten vor ihm aufzutreten. Doch er hatte auch eine konkurrierende Seite an sich und wollte anderen beweisen, dass er der Beste war. Wie lässt es sich sonst erklären, dass Jimi Eric Clapton, Pete Townshend, Mike Bloomfield und andere in Grund und Boden spielte, wenn er ihnen erstmalig begegnete oder es um einen hohen Einsatz ging? Hatte er sich gegenüber einem Rivalen aber erst mal durchgesetzt, verhielt er sich überaus freundlich und unterstützend.

Der Konkurrenzgedanken in beinahe schon athletischen Dimensionen bestimmte auch das harte und beschwerliche Leben während der sogenannten „Ochsentouren“. Auf seinem Weg zum Ruhm war Hendrix selbst einmal in eine Falle getappt, die ihm von Johnny Jones von den Imperials gestellt wurde. Junior Wells wiederum hatte Hendrix einmal auf die Bühne eingeladen, die Muddy Waters’ Mundharmonika-Spieler dann allerdings schnell verließ. Zur größten Verwirrung von Hendrix kehrte Wells kurz danach aber wieder zurück, beleidigte ihn und unterstellte ihm, seine Band abzuwerben. Es war ein mehr als peinlicher Augenblick.

Bloomfields beeindruckende Erfolgsgeschichte bis zu seinem Tod 1981 beinhaltet die Mitgliedschaft in der legendären Paul Butterfield Blues Band und die Rolle als Leader von Electric Flag. (Bei Electric Flag trommelte Buddy Miles, der neben Mitch Mitchell der Drummer war, der immer in Zusammenhang mit Jimi Hendrix genannt wird.) Der Einfluss von Electric Flag überdauerte die Zeit der in Chicago gegründeten Gruppe, die bei der Einspielung des Debüts gerade mal ein Jahr zusammenspielte. Bloomfield machte später noch mit Al Kooper Musik (zum Beispiel auf dem erfolgreichen Album Super Session), mit Janis Joplin, John Cale und Dr. John.

Bloomfields Karriere wurde durch Schlafprobleme und seine Heroinabhängigkeit stark beeinträchtigt. (Bei einer Party setzte er sich eine Überdosis, und wie in einer Szene aus Lou Reeds „Street Hassle“ beförderte man den leblosen Körper an einen anderen Ort.) Jedoch attestierten ihm Journalisten und Musikerkollegen ein herausragendes Talent für das E-Gitarrenspiel. Trotz des eigenen Könnens erkannte Bloomfield Hendrix’ überragendes Talent sofort, als er ihn im Café Au Go Go hörte. Er wird in Jerry Hopkins Buch The Jimi Hendrix Experience wie folgt zitiert: „Er kreierte jedes Klangbild, das ich je von ihm hören sollte, in diesem Raum, mit einer Stratocaster, einem Twin (Verstärker der Marke Fender) und einem Maestro Fuzztone [Verzerrer; Anm.] – das war schon alles. Hauptsächlich spielte dabei die große Lautstärke eine Rolle. Ich wünschte, ich würde verstehen, wie er das genau machte. Er schlug mir die Gitarre quasi ins Gesicht. Ich wollte ein Jahr lang nicht mehr spielen.“

Schon bald sollten die Gitarristen im Swinging London ähnlich wie Bloomfield reagieren und mit ihm übereinstimmen.

Jeff Beck

Als Jeff „Beckson“ – ein Spitzname, den ihm Hendrix aufdrückte – am 21. Dezember 1966 aus dem in Kensington gelegenen Blaises Club stürmte, traf er auf den Who-Gitarristen Pete Townshend und meinte mit sich überschlagender Stimme: „Der knallt seine Gitarre gegen den Verstärker. Du musst ihm sagen, dass das dein Ding ist!“ In der empfehlenswerten Who-Biografie Anyway, Anyhow, Anywhere von Andrew Neill und Matthew Kent ist zudem eine Aussage von Curtis Knight verzeichnet, dem Townshend erzählte, dass er an dem Abend, an dem er das Blaises mit Eric Clapton besucht habe, einen Jimi Hendrix vorfand, „der vieles von dem machte, was ich auch tat. Er schleuderte seine Gitarre in der Gegend herum und nutzte oft höhenreiche Rückkopplungen. Aber er spielte auf eine Art, der ich niemals nahekommen würde.“

Chas Chandler erklärte hingegen gegenüber Chris Welch: „Jimi hatte das nicht von Pete Townshend. Die einzigen Gitarristen, von denen er etwas vor seiner Ankunft in England gehört hatte, waren Eric Clapton und Jeff Beck. Er wusste nicht, was Pete mit den Rückkopplungen anstellte, denn die Who standen zu der Zeit in den USA noch vor dem großen Durchbruch.“ Jeff Beck war der einzige britische Gitarrist, dessen Stil Hendrix’ Spiel beeinflusste, als dieser noch in den Staaten lebte. Das mag Becks erste Reaktion erklären: Hendrix drang in sein Territorium ein, woraufhin Becks Selbstschutz-Mechanismus die Technik des Musikers einem anderen Gitarristen zuschrieb.

Bei einer Diskussion ihrer Spieltechnik und der Rückkopplungen erwähnte Hendrix gegenüber Mike Bloomfield seinen Einfluss. Jimi spielte immer laut, meinte, er wolle aus seiner Gitarre den gleichen Sound herauskitzeln, den er wahrgenommen habe, als er als Fallschirmjäger der 101st Airborne der U.S. Army aus dem Flieger gesprungen sei. Nachdem er aus Versehen wegen der extremen Lautstärke einen Lautsprecher zerstört hatte, faszinierte ihn der verzerrte Klang, den der Verstärker über die Box wiedergab. Als er die Yardbirds-Singles „I’m A Man“ und „Shapes Of Things“ mit Jeff Beck hörte, stieß er auf einen weiteren Gitarristen, der dasselbe klangliche Feld beackerte, und muss ähnlich wie Jeff Beck empfunden haben, als dieser Hendrix erstmalig sah. Beck erklärte gegenüber dem Daily Telegraph in einem Interview 2010: „Als er kam, erschütterte mich das wie ein Erdbeben. Ich musste lange und konzentriert darüber nachdenken, was ich als Nächstes machen würde.“ Das ist auch völlig verständlich, bedenkt man, dass sich Beck gerade für eine Solokarriere entschieden und bei Mickey Most unterschrieben hatte. „Tatsächlich gab es da tiefe Wunden, und ich musste sie auf meine eigene Art und Weise lecken. Ich suchte ständig nach Ausdrucksmöglichkeiten, die ich mit der Gitarre umsetzen konnte, neuen klanglichen Territorien.“

Hendrix und Beck jammten häufig bis spät in die Nacht und bei Benefiz-Veranstaltungen, doch sie teilten sich nie die Bühne, wie Hendrix und Clapton es machten. Auch gab es kein „Battle of the Bands“ wie im Fall der Experience und von The Who, die sich während zweier denkwürdiger Veranstaltungen begegneten. (Einmal traten sie sogar in derselben Episode von Top of the Pops auf.) Jedoch schlossen Hendrix und Beck eine innige Freundschaft. Als etwa der Basset namens Ethel Floon, den Kathy Etchingham Hendrix zu seinem 25. Geburtstag geschenkt hatte, zu groß geworden war und zu laut bellte, „übernahm“ ihn Jeff Beck.

Beck stand dem Bassisten der Experience sogar noch näher. Er und Redding hatten an den Alben von Lord Sutch and Heavy Friends gearbeitet und beinahe sogar in einer gemeinsamen Band gespielt. (Es war die Formation, in die der Bassist nach der Bekanntmachung, dass er nicht mehr zur Experience zurückkehre, um die sogenannten Cry-of-Love-Wochenend-Auftritte im Frühjahr 1970 zu absolvieren, einsteigen wollte.) Redding erhielt sogar von Beck und Carmine Appice eine Einladung, um die Gruppe in die Welt zu rufen, die schließlich als Beck, Bogert & Appice an den Start ging. Kleine Anekdote am Rande: Jeff Beck benutzte auch Reddings Küche, um sich die Schinken-Sandwiches zu brutzeln, die er zu Hause nicht machen durfte, da seine Frau Vegetarierin war …

Hendrix hörte Becks Musik weiterhin mit Hochachtung, mochte besonders Truth und nannte Beck-Ola als Lieblingsalbum. („Beck’s Bolero“ inspirierte Hendrix vermutlich selbst, eine Art Bolero zu kreieren, ein Instrumental, vorgesehen als Einleitung zu „Hey Baby“, das erst 2010 auf den Markt kam.) Zudem wurde „In From The Storm“ von dem Track „Rice Pudding“ inspiriert.

Nach Hendrix’ Tod erwies sich Beck als einer der bedeutendsten Pioniere des Fusion, was – in meinen Ohren – Jimis Jams wie bei „Jam 292“ stark ähnelt, der posthum auf offiziellen Alben und Bootlegs erschien. Jeff Beck beweist seine Achtung vor dem Kollegen regelmäßig in zahlreichen Interviews und nahm sogar an Patti Smiths „Songs of Experience“ teil, einer Veranstaltung im Rahmen des Meltdown-Festivals in London im Juni 2005.

„Songs of Experience“ war ein der Musik von Jimi Hendrix gewidmeter Abend, an dem Beck als Letzter die Bühne betrat. Der Independent schrieb damals: „Smith sagte ‚unser Kronjuwel‘ an, Jeff Beck – der einzige anwesende Mann an diesem Abend, der Hendrix etwas lehrte. Beck und seine Gruppe spielten fünf Nummern, darunter als Highlights eine erstaunliche Darbietung entspannter Beck’scher Blues-Gitarre bei ‚Red House‘ und eine lärmende und triumphierende Ausarbeitung von ‚Manic Depression‘. Beck verließ die Bühne unter tumultartigem Applaus, voll und ganz verdient.“

Pete Townshend

Keith Moon nannte Hendrix einen „Wilden“, und Townshend gab zu, dass sein Rivale bei der ersten Begegnung in den IBC Studios, in denen The Who arbeiteten, „gammelig“ gewirkt habe. Die beiden unterhielten sich über Verstärker. Angeblich sollte Hendrix von einem der besten E-Gitarristen Großbritanniens einen Tipp zum Verstärkerkauf erhalten, doch es war im Grunde genommen eine Finte Chandlers, um die Aufmerksamkeit eines wichtigen Musikers auf den Neuankömmling zu richten. Townshend erklärte, er nutze Sound City, doch ein Marshall sei wahrscheinlicher geeigneter für Hendrix, woraufhin Jimi von Chandler forderte, beide Marken zu bekommen. Hendrix’ eher reservierte Persönlichkeit und ein „lauwarmer“ Handschlag bereiteten Townshend wohl kaum auf das vor, was er bei einem Auftritt des Jahrhundertgenies dann erleben sollte.

Laut Aussagen des Who-Gitarristen sah er alle frühen London-Gigs der Experience. Seine Version des Treffens mit dem aus dem Blaises stürmenden Jeff Beck unterscheidet sich von Curtis Knights Erzählung. Johnny Black zitiert Townshend in seiner Sammlung von O-Tönen: „Eric Clapton rief mich an und schlug vor, ihn mal anzuschauen. Es war so eine Art, die Konkurrenz im Auge zu behalten. Wir kamen ein wenig später zum Auftritt, da ich zuvor noch im Studio steckte. Bei unserer Ankunft kam Beck gerade heraus. Ich fragte Jeff: ‚Was ist los, Kumpel? Ist er so schlecht?‘ Beck verdrehte nur noch die Augen nach oben und entgegnete: ‚Nein, Pete. Er ist so gut!‘ Als Eric und ich seine Show sahen, wussten wir, was er meinte.“

(Ich habe beide Versionen zitiert, da sie gleichermaßen bunt und lebendig in der Darstellung wirken und darüber hinaus ein Beleg dafür sind, wie schwammig die Wahrheit werden kann, gräbt man sich durch die Karriere von Jimi Hendrix. Curtis Knight lässt sich als eine wankelmütige Person beschreiben, womit jedes ihm zugeschriebene Statement sorgsam abgewogen werden muss. Dennoch klingt seine Version von Becks Aussage glaubwürdig, bedenkt man die kampfeslustige Persönlichkeit des Gitarristen. Bei intensiver Recherche mag Townshends Erinnerung zuerst fehlerhaft erscheinen: Die Who hatten zwei Auftritte im Upper Cut an genau demselben Abend, an dem die Jimi Hendrix Experience das Blaises unsicher machte. Die Shows im Upper Cut waren jedoch auf 19:30 Uhr und 22:30 Uhr angesetzt, und so kann es durchaus sein, dass Townshend nach dem zweiten Auftritt (The Who spielten sieben Songs) in ein Taxi sprang und sich zum Blaises chauffieren ließ, wo die Gigs zwischen 22 Uhr und 4 Uhr morgens festgesetzt worden waren. [Chris Welch, der eine oftmals abgedruckte Besprechung des Hendrix-Auftritts verfasste, hatte die Who auch an dem Abend gesehen.] Möglicherweise traf er Clapton außerhalb des Clubs.)

A Quick One, das zweite Album der Who, war gerade, begleitet von begeisterten Besprechungen, veröffentlicht worden, aber dennoch fühlte sich ihr Gitarrist am Boden zerstört: „Ich verfügte nicht über das emotionale Rüstzeug, die physische Konstitution oder den angeborenen medialen Genius eines Menschen wie Jimi Hendrix“, erinnerte er sich 1989 in einem Interview mit Matt Resnicoff vom Guitar Player. „Mir wurde klar, dass ich mit einigen [Zirkus]-Tricks aufwarten konnte, die er mir wegnahm. Er verknüpfte sie nicht nur mit dem schwarzen R&B, von dem er kam, sondern erschuf noch eine ganz neue Dimension. Ich fühlte mich splitterfasernackt und suchte im Schreiben von Songs Zuflucht.“ Townshend zog damit eine interessante und richtige Schlussfolgerung: Gibt es einen klar erkennbaren Unterschied zwischen Hendrix und Townshend sowie Beck und Clapton, dann ist es das überragende Talent zum Songwriting der beiden Erstgenannten.

Am 29. Januar 1967 knallten die Experience und The Who im Saville Theatre aufeinander, das dem Beatles-Manager Brian Epstein gehörte. Beide Bands in einem Programm zu vereinen, war ein vom Who-Manager Kit Lambert eingefädelter Kunstgriff. Lambert hatte die Experience bei Track Records unter Vertrag genommen, seiner sich gerade im Aufbau befindlichen Plattenfirma. Die Who traten als Headliner auf, wohingegen The Koobas und die Thoughts das zusätzliche Programm bestritten.

Townshends Gruppe konnte sich später im Jahr in Monterey gegen die Experience zumindest behaupten und übertrumpfte eindeutig Hendrix’ Gypsy Sun and Rainbows Line-up beim Woodstock-Festival 1969, nicht zu vergessen die schlecht vorbereitete Cry-of-Love-Band auf der Isle of Wight 1970. Dort führten The Who Tommy komplett auf, wo das von Townshend angesprochene Songwriting eindeutig Früchte trug.

Eric Clapton

Clapton zählte zu den Anwesenden bei der unter dem Slogan „Schlacht der explosivsten Londoner Bands“ beworbenen Veranstaltung im Saville Theatre. Als er den Experience-Gig als „einfach nur brillant“ beschrieb, stellte das für ihn keine Überraschung mehr dar, denn er hatte das schon zuvor erlebt.

Nichts von Townshends „Auto-Destruktion“ wissend, aber sich möglicherweise Becks kunstvollem Umgang mit Rückkopplungen bewusst, war Hendrix nach London geflogen, klar auf Eric Clapton abzielend. Oft wurde schon darauf hingewiesen, dass Hendrix Chandlers Offerte, mit ihm über den großen Teich zu fliegen, nur annahm, als dieser ihm versprach, Jimi mit dem englischen Blues-Gitarristen bekannt zu machen, den man aufgrund der in London gesprühten Graffiti als „God“ kannte.

Chandler löste sein Versprechen zügig ein, und kaum eine Woche nach Hendrix’ Ankunft jammte er bereits mit Cream auf der Bühne des Regent Polytech College. Drummer Ginger Baker stemmte sich gegen die Idee, einen amerikanischen Eindringling mit Creams Rhythmus-Sektion auftreten zu lassen. Nachdem er aber erfuhr, dass sowohl Clapton als auch Bassist Jack Bruce eingewilligt hatten, gab er nach. Allerdings bestand er darauf, Jimi Hendrix direkt auf der Bühne zu platzieren, woraufhin sich Clapton an den Rand verzog, um sich eine Zigarette anzuzünden. Dann donnerte Hendrix in Howlin’ Wolfs „Killing Floor“. Clapton zog sich in den Backstage-Bereich zurück, wo Chandler seinem Freund begegnete. Er sah, dass Clapton seine Zigarette immer noch nicht angezündet hatte.

Creams Rhythmus-Sektion bestand aus Jazz-Musikern, die versuchten, einige der Konzepte von Ornette Colemans Trio auf die Rockmusik zu übertragen. Clapton hatte auf der E-Gitarre einen hohen Grad an Virtuosität erreicht, war aber trotz seiner britischen Nationalität im Grunde seines Herzens ein Blues-Musiker. So gut zu spielen wie der Delta-Blues-Musiker Robert Johnson stellte seine größte Ambition dar. Er erkannte sofort, welchen Song Hendrix spielte – und er musste sich eingestehen, dass Hendrix ein Stück gemeistert hatte, das er niemals auf diese Art überbieten könnte. Jimi teilte sich schätzungsweise nur acht Minuten die Bühne mit Cream, aber in diesem kurzen Zeitraum hatte er bewiesen, dass er Großbritanniens besten Musiker ausstechen konnte. Clapton stellte es später in der South Bank TV Show: Jimi Hendrix bei ITV wie folgt dar: „Er ging wieder [von der Bühne], und mein Leben hatte sich radikal geändert.“

Hendrix’ Freundin in dieser Woche – Kathy Etchingham (sie führte zuvor Beziehungen mit Keith Moon und Brian Jones) – erzählte danach von der Reaktion ihres Freundes. „Er verließ die Bühne mit einem breiten Grinsen, wusste genau, was er geleistet hatte.“ Nicht ahnend, dass aus ihnen Freunde würden, bedauerte Hendrix später, Clapton bei einem Gig seiner eigenen Band blamiert zu haben, und lobte ihn als seinen „favorisierten“ britischen Lead-Gitarristen. Als er dann Creams „Strange Brew“ im Melody Maker besprach, schwärmte er von dem Titel.

Aus einer ursprünglich angespannten Beziehung erwuchs allmählich eine enge Freundschaft, während die beiden bedeutendsten Blues-Gitarristen ihrer Generation im Londoner Speakeasy, im Scene oder in anderen New Yorker Clubs in den kommenden Jahren jammten. Falls Claptons Version – im Gegensatz zu anderen Berichten – tatsächlich der Wahrheit entspricht, plante er, Hendrix am Abend vor dessen Tod bei einem Konzert von Sly and the Family Stone im Londoner Lyceum eine Fender Stratocaster für Linkshänder als Geburtstagsgeschenk zu überreichen. Allerdings tauchte Hendrix nicht auf.

Eric Clapton berührte der Tod von Jimi Hendrix am stärksten, verglichen mit den britischen Zeitgenossen. Er ist möglicherweise der nicht genannte Musiker, der während eines nicht verwerteten Interviews für Joe Boyds Doku Jimi Hendrix weinte. Robin Turner, ein Mann aus dem Zeitungsgeschäft, der seinen Job zugunsten dem des Pressesprechers aufgab, erzählte Chris Welch: „Clapton weinte nach seinem Tod drei Tage lang. Er klagte: ‚Wie konnte er nur gehen und mich zurücklassen?‘ Er sah Parallelen zu Robert Johnsons [frühem Tod]. Eric wollte Robert Johnson gleichen – ein paar gute Jahre und dann verscheiden.“

Wieder taucht ein Name auf: Robert Johnson. Er ist der Vater des Delta-Blues des 20. Jahrhunderts. Nur zwei Fotos von ihm haben die Zeit überstanden, doch das ist nicht der Grund, warum aus Johnson ein Mythos wurde, der Stoff, aus dem die Inspiration erblüht – zuerst im ländlichen Teil des Südens der USA bei Schwarzen und dann, eine Generation später, bei britischen Weißen aus der Mittelschicht. Die Legende besagt, dass Johnson den Teufel an einer Kreuzung in Clarksdale, Mississippi, traf und ihm seine Seele verkaufte, damit aus ihm der beste Blues-Musiker der Welt würde. Der Teufel hielt sich an seinen Teil der Vereinbarung. Johnson spielte nach kurzer Zeit besser als seine Mentoren – und überragte Koryphäen wie Son House – doch nach nur 29 aufgenommenen Songs (41 Takes) verstarb er im Alter von 27 Jahren und wurde in einem nicht näher gekennzeichneten Grab beigesetzt. Entweder war er das Opfer eines eifersüchtigen Ehegatten geworden, der ihn vergiftete, oder – vorausgesetzt man glaubt an Mythen – des Teufels, der kam, um seine Seele einzufordern.

Auch Hendrix starb im Alter von nur 27 Jahren. Er hatte einige gute Jahre und verschwand. Johnson und Hendrix sind „Mitglieder“ im berüchtigten „Club 27“. Die Musik von Robert Johnson war für Clapton von höchster Bedeutung, und schon vor dem 18. September [dem Todestag von Jimi Hendrix; Anm.] hatte er den „Cross Road Blues“ des Musikers aus dem Delta zwei Mal aufgenommen. Für einen Gitarristen, der die Meinung vertrat, Hendrix habe ihn bei jeder Gelegenheit in Grund und Boden gespielt (Clapton fühlte sich wie am Boden zerstört, als er Are You Experienced hörte, ein vollendetes Album, auf dem alles verwirklicht wurde, was eigentlich Creams Disraeli Gears hätte leisten sollen), wäre es die größte Herabwürdigung gewesen, falls sein Freund auch noch Johnson interpretiert hätte. Man kann nur spekulieren, welche Rolle dieser Druck bei Claptons Weg in die Drogenabhängigkeit im folgenden Jahr spielte.

Der ultimative Jimi Hendrix Guide

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