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WIE VIEL VERDIENTE MOZART? Die finanzielle Situation des Komponisten
Оглавление»So bitte ich Sie, mir wenigstens bis morgen ein paar hundert Gulden zu leihen.«
Aus einem Bettelbrief Wolfgang Amadeus Mozarts an seinen Freund Michael Puchberg, Juni 1788
Eine ganze Industrie lebt heute von Mozart, von den nach ihm benannten Kugeln und Schokoladetalern, von Büsten, Shops, Ausstellungen, Ansichtskarten, Fernsehrechten. Und von seiner Musik. Und wie ging’s Mozart?
Wenn das Genie auch keineswegs sein ganzes Leben lang Not leidend war, wie es oft fälschlich dargestellt wird, steht doch fest, dass er zeitweise nicht wusste, wie er sich und seine Familie ernähren sollte. Der Bettelbrief an den Kaufmann Michael Puchberg stammt aus einer besonders schöpferischen Phase des hoch verschuldeten Musikers: Der 32-jährige Mozart hatte gerade Don Giovanni fertiggestellt und mehrere Symphonien geschrieben (deren Originalnotenblätter bei Sotheby’s-Versteigerungen in London Millionen erzielten). Er war durch Konzertreisen und als Komponist der Hochzeit des Figaro oder der Entführung aus dem Serail längst in ganz Europa berühmt geworden.
Trotzdem: Mozart hat – vor allem in seinen letzten drei Lebensjahren – Dutzende solcher Bettelbriefe geschrieben. Wir können, dokumentiert durch seinen Nachlass, sehr genau feststellen, wie viel der so verklärt als »Wolferl« dargestellte Komponist verdiente. Mozart lebte in den 1780er-Jahren in Wien, wo er am Hof Kaiser Josephs II. als k. k. Kammer-Kompositeur angestellt war und ein jährliches Salär von 800 Gulden* erhielt. Seine soziale Stellung lag zwischen der eines Stallmeisters und der eines Kammerdieners. In seinen guten Jahren verdiente er mehr als ein Arzt oder Universitätsprofessor, und doch war er fast immer hoch verschuldet.
»Es ist schröcklich«, schreibt er 1778 an seinen Vater Leopold Mozart, »wie geschwind ein thaller weg ist«, und zehn Jahre später ersucht er seinen Freund und Logenbruder Puchberg, ihm sofort unter die Arme zu greifen, »weil mein hausherr auf der Landstraße so indiscret war, dass ich ihn gleich auf der stelle auszahlen musste«. Auch aus diesem Brief geht seine Verzweiflung hervor: »Ich bitte Sie bey unserer Freundschaft um diese gefälligkeit, es müsste augenblicklich etwas geschehen. Verzeihen Sie meine Zudringlichkeit, aber sie kennen meine Lage …«
Bekanntlich war Mozart als »Wunderkind« am Hof Maria Theresias aufgetreten. Der Sechsjährige hatte schon damals sein erstes Honorar erhalten: gemeinsam mit Schwester Nannerl »je ein Galakleid und die Familie ein Ehrengeschenk von 100 Dukaten«, einen relativ stolzen Betrag also.
In seinen Jugendjahren wurde Mozart vom sparsamen Vater dazu angehalten, stets auf die pekuniäre Situation zu achten, denn »aufs Geld einnehmen muss alle Bemühung gehen, und aller Bedacht aufs wenig ausgeben, so viel es möglich ist; sonst kann man nicht mit Ehre reisen; ja sonst bleibt man gar sitzen, und setzt sich in Schulden« (Leopold an Wolfgang, 15. Oktober 1777).
Verdiente gut, war aber dennoch fast immer verschuldet: Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang antwortet von einem Aufenthalt in Paris: »Ich werde nun mein möglichstes thun, um hier so viel wie möglich geld zu machen – ich thu es itz in der süssen hoffnung, dass bald eine veränderung geschieht, denn lection geben ist hier kein spass, man muss sich ziemlich abmatten damit; und nimmt man nicht viele (Schüler, Anm.), so macht man kein geld; sie därfen nicht glauben, dass es faulheit ist – Nein! – sondern weil es ganz wider mein genie, wider meine lebensart ist – Sie wissen, dass ich so zu sagen in der Musique stecke.«
Es war also für Mozart alles andere als angenehm, ans Geldverdienen zu denken. Statt sich aufs Komponieren konzentrieren zu können, musste er sich mit großteils unbegabten Schülern abplagen.
In Wien lebte Mozart seit 1781, nachdem er sich mit Salzburgs Erzbischof, für den er als Hofkonzertmeister tätig war, überworfen hatte. »Seyen Sie versichert«, beruhigte er den besorgten Vater, »dass ich mein absehen nur habe, so viel möglich geld zu gewinnen; denn das ist nach der gesundheit das beste.«
»Erschwerend« kam hinzu, dass Mozart, wie seine Schwester Nannerl nach seinem Tod sagte, mit Geld nicht umgehen konnte und im Kartenspiel sein Glück versuchte – und natürlich nicht fand.
Der Komponist hat in Wien 14 Wohnungen bewohnt, die er meist wieder verließ, weil er die Miete nicht zahlen konnte. Im September 1784 mietete er sich im Haus Domgasse 5 ein, in dem er länger bleiben sollte als in jedem anderen. Aus einem Brief seines Vaters wissen wir, wie viel er für die Vier-Zimmer-Wohnung zu zahlen hatte. Leopold Mozart schrieb 1785 an Tochter Nannerl: »Dass Dein Bruder ein so schönes Quartier mit aller zum Haus gehörigen Auszierung hat, möget Ihr daraus schließen, dass er 480 Gulden* Zins zahlet.«
Obwohl die Wohnung die größte und teuerste war, die Mozart je bewohnt hat, blieb ihm auch hier das Wort »Komfort« fremd. Die bürgerlichen Zinshäuser waren auf katastrophalem hygienischem Niveau, jedes Stockwerk hatte nur eine Toilette, und im Hof befand sich ein Ziehbrunnen, aus dem meist mit Typhus verseuchtes Wasser geschöpft wurde. Das war einer der Hauptgründe, warum die Menschen damals so früh starben.
Bis zum Jahre 1788 – in dem die ersten Bettelbriefe auftauchen – verbesserte sich Mozarts finanzielle Situation zusehends. Als gern gesehener Gast in adligen Häusern, durch Kompositionsaufträge, Klavierstunden und Konzertreisen konnte er sich weitere Einnahmen verschaffen, doch war er andererseits durch den Umgang mit Aristokraten auch verpflichtet, an erster Adresse zu wohnen und teure Kleider zu tragen. Seinem Nachlass ist zu entnehmen, dass er je einen weißen, blauen und roten Tuchrock mit Manchester-Weste, einen roten Tuchrock aus China-Seide, einen Rock aus Atlas-Seide, acht Gardehosen, Halsbinden und 18 Schnupftücher besaß.
Das Entwürdigende an der Lage Mozarts – wie auch Schuberts oder Haydns – war, dass diese Genies von Gunst und Laune ihrer Mäzene abhingen, ja in vielen Fällen sogar gezwungen wurden, Lakaienuniform zu tragen.
1790 hatte der Kompositionsauftrag für Così fan tutte zwar 900 Gulden gebracht, aber mit Datum 1. Oktober desselben Jahres findet sich eine »Schuld Verschreibung« in Höhe von 1000 Gulden, die Mozart sich vom Frankfurter Handelsmann Heinrich Lackenbucher geliehen hatte. 1790 war überhaupt sein schlechtestes Jahr, Österreich steckte in einer Krise, die Konzerte waren nicht gut besucht, Noten wurden kaum nachgedruckt, das alles ging Mozart auch psychisch nahe, vor allem, dass er für sein Darlehen von Lackenbucher sein gesamtes Mobiliar verpfänden musste.
Eines der Hauptübel für Mozart und seine Zeitgenossen bestand darin, dass sie von Auftraggebern zwar entlohnt wurden, ihre Werke in der Folge aber ungeschützt waren. Jeder Veranstalter konnte geistiges Eigentum verwerten, ohne dafür bezahlen zu müssen. Mozarts Hochzeit des Figaro-Librettist Beaumarchais war der Erste, der für sich und andere Künstler Abhilfe zu schaffen verstand. Im Zuge der Französischen Revolution setzte er 1791 den Schutz geistigen Eigentums durch. Zu spät für Mozart, der im kalten Dezember dieses Jahres in seiner Wohnung in der Wiener Rauhensteingasse an »hitzigem Frieselfieber« verstarb.
Aus »G’schichten aus Österreich, Zwischen gestern und heute« (1987)
*Entspricht laut Statistik Austria im August 2019 rund 12 000 Euro.
*Entspricht laut Statistik Austria im August 2019 rund 8000 Euro/Jahr.