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Erstaunliches vom Tatort Hotel Vorwort

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Als meine Frau – ich muss es gestehen – die Idee zu diesem Buch hatte, hätte ich nicht gedacht, wie sehr der »Tatort Hotel« die Weltgeschichte beeinflusste. So starben der amerikanische Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy, der Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, die österreichische Kaiserin Elisabeth und der k. u. k. Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh nach Attentaten in Hotels. Auf Präsident Ronald Reagan wurde im Capital Hilton in Washington ein Mordanschlag verübt, dem er – was vom Secret Service lange geheim gehalten wurde – beinahe erlegen wäre. Auf nie ganz geklärte Weise starben der Politiker Uwe Barschel und der Schauspieler Gustaf Gründgens in ihren Hotelzimmern.

Glücklicherweise ereignete sich in den Bars, Suiten und Fremdenzimmern großer Hotels auch weit Erfreulicheres. Marlene Dietrich etwa wurde im Berliner Adlon für die Rolle der kessen Lola in Der blaue Engel entdeckt – für jenen Film, der ihrer Weltkarriere zugrunde liegt. Liebesromanzen in abgeschiedenen Hotels erlebten die Dichter Ernest Hemingway und Arthur Schnitzler, und die Literaturgeschichte verdankt den Hotelaufenthalten von Thomas Mann und Fjodor Dostojewski die Entstehung zweier Jahrhundertromane. Allerdings musste Oscar Wilde sein Ende als Schriftsteller im Londoner Cadogan Hotel erleben, wo er – infolge seiner Homosexualität – verhaftet wurde.

In vielen der in diesem Buch beschriebenen Quartiere kehrte ich zu Recherchezwecken selbst ein, oder ich kenne sie von früheren Aufenthalten. In den meisten Fällen unterstützten mich Besitzer und Mitarbeiter mit großem Engagement dabei, den Geschichten, die sich in ihren Hotels ereignet hatten, nachzugehen. Aus dem vornehmen Beau-Rivage sind gleich zwei – bereits erwähnte – Kriminalfälle zu melden: das Attentat auf »Sisi« und der Tod des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel. Doch während die Geschäftsführung, so hat’s den Anschein, geradezu stolz darauf ist, dass Österreichs Kaiserin in dem Genfer Hotel ihren letzten Atemzug tat, will man dort mit der Affäre Barschel absolut nichts zu tun haben. Das ist mir auch in anderen Hotels aufgefallen: Je länger ein Fall zurückliegt, desto lieber spricht man darüber.

Ich besuchte auch das Adlon, das Waldorf Astoria in New York, das Chateau Marmont in Hollywood und die Colombe d’Or bei Nizza, in der die lebenslange Liebe der Schauspieler Simone Signoret und Yves Montand entbrannte, ich war im Pariser Ritz, in dem die britische Prinzessin Diana die letzten Stunden ihres Lebens verbrachte. Und ich kenne natürlich sehr gut das Wiener Grand Hotel, das Sacher, das Bristol und das Imperial (in dem Hitler seine Residenz in der »Ostmark« aufschlug).

Vor seinem Abbruch erlebte ich eine Show im legendären Sands Hotel in Las Vegas, in dem Frank Sinatra nicht nur auftrat, sondern auch Miteigentümer war – gemeinsam mit ein paar Herren von der Mafia übrigens.

Gut zu kennen glaubte ich weiters das Hotel del Coronado im südkalifornischen San Diego, weil ich den darin gedrehten Billy-Wilder-Film Manche mögen’s heiß schon weiß Gott wie oft gesehen hatte – bis ich wirklich dort war und sich alles ganz anders darstellte. Die größte Überraschung: Die durch den Flirt von Marilyn Monroe und Tony Curtis weltberühmt gewordenen Strandkörbe gibt es in Wirklichkeit gar nicht.

Billy Wilder verkehrte nicht nur im Coronado, sondern auch im Berliner Eden-Hotel, in dem er in jungen Jahren als Eintänzer tätig war – weil er von den Honoraren als Nachwuchsreporter der BZ am Mittag allein nicht leben konnte. Erfreulicherweise hat der spätere Hollywoodregisseur über seine Gigolo-Erlebnisse eine vierteilige Zeitungsserie verfasst, sodass wir auch dieses Kapitel seines Lebens detailreich nachvollziehen können. »Es ist nicht leicht«, berichtete Wilder, »schwergewichtige Damen herumzuschwenken, die das Rhythmusgefühl eines Nilpferds haben.«

Das Eden – in dem auch ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte geschrieben wurde – konnte ich nicht mehr aufsuchen, weil es im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Ebenso wenig wie das einstige Hotel Klomser in Wien, in dem der Spion Oberst Redl vom k. u. k. Generalstab zum Selbstmord gezwungen wurde.

Nicht selten wurden den Hotels historische Ereignisse zum Schicksal: Mit dem Ambassador in Los Angeles, in dem Robert Kennedy tödlich verletzt wurde, ging es nach dem Attentat bergab, bis es 1989 für immer schloss. Das Lorraine Motel in Memphis, in dem der tödliche Schuss auf Martin Luther King fiel, wurde zu einer Gedenkstätte umgestaltet. Und das Appartement im Beverly Hilton Hotel, in dem Whitney Houston an einer Überdosis elend zugrunde ging, erhielt nach ihrem Tod eine neue Zimmernummer, sodass heute nicht mehr nachvollzogen werden kann, wo genau die Popdiva gestorben ist. Ganz anders verhält es sich im früheren Europäischen Hof in Marburg an der Lahn, in dem 1984 Oskar Werner einem Herzinfarkt erlag. Fragt man sich bei den heutigen Hotelangestellten durch, weiß keiner mehr, wer der Schauspielgigant überhaupt war.

Auch einer der größten Politskandale des 20. Jahrhunderts nahm in einem Hotel seinen Anfang: Im Watergate in Washington war die Demokratische Parteizentrale untergebracht, in deren Büros während des Präsidentschaftswahlkampfs 1972 eingebrochen wurde. In der Folge musste Richard Nixon als erster und bisher einziger Präsident der Vereinigten Staaten zurücktreten.

Nixons einstigem Gegenspieler John F. Kennedy ist ein weiteres Kapitel gewidmet. Er und Marilyn Monroe trafen einander regelmäßig im New Yorker Carlyle Hotel, das für intime Rendezvous deshalb besonders geeignet ist, weil man es auch durch einen unterirdischen Tunnel erreichen kann, dessen Eingang einige hundert Meter vom offiziellen Entree entfernt ist. So konnte – selbst bei den beiden bekanntesten Personen Amerikas – niemand »Verdacht schöpfen«.

Üblicherweise lernen wir Hotels, Pensionen und Landgasthöfe als Urlaubs- oder Geschäftsreisende kennen, in diesem Buch sind sie »Tatorte«. Es sind 34 Kapitel, die so unterschiedliche Themen wie Liebe, Sexualität, Mord, Selbstmord, Politik, Filmdreharbeiten, Naturkatastrophen und Drogenmissbrauch behandeln. Und natürlich auch das Wichtigste aus der Historie der betreffenden Hotels.

Ich selbst hätte, wie eingangs erwähnt, vor Beginn meiner Recherchen nicht gedacht, dass in Hotels so viel Erstaunliches passierte und so viel Geschichte geschrieben wurde.

In den allermeisten Fällen: »Hinter verschlossenen Türen«.

GEORG MARKUS

Wien, im August 2016

Hinter verschlossenen Türen

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