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Samstag 02. Juni, Köln-Ossendorf

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Blaschek starrte an die Decke seiner Zelle.

„Drei Wochen noch“, sagte er zu sich selbst.

Er hatte das Angebot, das ihm vorlag, noch mal durchdacht und sich die Zukunft ausgemalt, aber mit einem Mal kamen ihm Bedenken. Was, wenn sich die Welt so verändert hatte, dass er sich nicht mehr zurecht fand. Computer, Handy und Internet kannte er nur aus dem Fernsehen.

"Verdammter alter Narr", raunzte er sich selbst an.

Er war seiner Umwelt immer überlegen gewesen. Immer hatte er schneller begriffen und skrupelloser seinen eigenen Vorteil gesucht als Andere. War dieser Vorteil nun dahin? War die Welt so, wie das Fernsehen sie zeigte?

"Nichts wird anders sein", sagte er, kratzte sich am Bauch und wiederholte es noch einmal.

Wer sich nimmt, was er will und seiner Umwelt zeigt, dass er weiß, was er will, und nichts zu verlieren hat, wird gewinnen. Und manchmal einen hohen Preis zahlen, dachte er sich. Sozialdarwinismus funktioniert, solange es Menschen gibt, auch mit technischem Fortschritt. Er stand auf, schaute in den kleinen Spiegel an der Wand und betrachtete ausgiebig die Falten in seinem Gesicht. Der Knast hatte ihm nicht gut getan. Er fand, dass er grau aussah. Der Haaransatz hatte sich um einige Zentimeter nach oben geschoben. Ansonsten trug er noch immer die Haare wie damals. Vorne kurz, hinten länger. Den Oberlippenbart hatte er sich wegrasiert, dann aber doch wieder wachsen lassen. Er fühlte sich nackt und durchschaubar ohne ihn.

Er zwinkerte seinem Spiegelbild zu und sagte leise:

"Hey Baby, Lust auf ne Nummer?"

Da er mit dem Ergebnis seines Lächelns nicht zufrieden war, murmelte er ein "Scheiße" vor sich hin. War es normal, mit sich selbst zu reden, fragte er sich. Aber im Knast gibt es ja nicht viele zum Unterhalten. Sein Zellennachbar hatte sich vor ein paar Wochen verletzt und war in den Krankentrakt verlegt worden. Vielleicht hatte er etwas nachgeholfen. Aber wen interessierte das schon. Seitdem hatte er die Zelle für sich allein.

"Noch mal kriegen die misch nit", sagte er zu sich und legte sich wieder auf die Pritsche.

Seine Zelle wurde aufgeschlossen. Betont langsam stand Blaschek auf und schloss sich den anderen Gefangenen an, die zum Mittagessen gingen. Einige unterhielten sich. Das Fresstaurant, wie sie es nannten, befand sich im Erdgeschoss. Jeweils zehn Mann passten an einen der Tische, die in ordentlichen Reihen standen. Sie saßen auf Bänken und aßen mit Löffeln. Messer wurden wegen der Verletzungsgefahr nicht ausgegeben. Zur Auflockerung hingen ein paar Poster auf dem grauen Putz der Wände. Blaschek ließ sich seinen Teller mit Leberkäse, Bratkartoffeln und brauner Sauce füllen. Es war Samstag, das bedeutete, es gab Schokopudding als Nachtisch. Einer der wenigen kleinen Höhepunkte der Woche.

Blaschek ging auf den Platz zu, der seit sieben Jahren sein Platz war. Nicht zu nah an den Wärtern, gute Übersicht und am Rand der Bank. Plötzlich wurde er angerempelt. Vor ihm stand der Belgier. Blaschek schaute ihn an, dann auf sein Tablett. Sauce war über seinen Tellerrand geschwappt. Der Belgier war einen halben Kopf größer als Blaschek und gut trainiert. Die Gespräche im Raum verstummten. Blaschek sah dem Belgier in die Augen. Niemand rührte sich. Zeit verstrich. Der Belgier begann zu schwitzen.

„Deinen Schokopudding“, sagte Blaschek endlich.

Der Belgier nahm sein Schälchen, stellte es auf Blascheks Tablett. Blaschek ging zu seinem Platz. Der Belgier blieb noch einen Moment stehen. Die Gespräche gingen weiter.

Blascheks Platznachbar war ein Hüne namens Pewe.

„Und, wie lange noch“, fragte Pewe.

„Willste misch dat jetzt jeden Tag fragen? 23 Tage noch.“

„Und, wirst du den Riemke dann alle machen?“

„Bin isch jemals jemandem wat schuldig geblieben?“

Sie aßen wortlos weiter.

Zehn Minuten später ertönte der Gong. Die Männer erhoben sich und gingen in den Hof. Eine Stunde später waren sie wieder in ihren Zellen.

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