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Wort und Sakrament, Evangelium und Berufung

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Eine der wichtigeren Publikationen, die die Überlegungen des Zweiten Vatikanischen Konzils prägten, war das Buch, Christ the Sacrament of the Encounter with God (»Christus, Sakrament der Gottbegegnung«), des flämischen Dominikanerpaters Edward Schillebeeckx.23 Pater Schillebeeckx’ spätere Auseinandersetzungen mit dem kirchlichen Lehramt sollten niemanden daran hindern, die tiefe Erkenntnis zu würdigen, die er in diesem Frühwerk darlegt: dass nämlich Jesus Christus das grundlegende oder das »Ur-Sakrament« ist. Denn als Ganzes genommen sind Leben, Lehre, Dienst, Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi das definitive »äußere Zeichen« (wie der Baltimore-Katechismus es wohl formulieren würde), durch das die Christen die Wahrheit sowohl über Gott als auch über sich selbst – dass sie von Gott geliebt und von Gottes Sohn erlöst worden sind – erkennen. Die Sakramente der Kirche sind weit mehr als nur sieben Rituale, mit denen die Kirche verschiedene Schlüsselmomente des Lebens markiert. Die sieben Sakramente – Taufe, Firmung, Beichte (Versöhnung), Eucharistie, Priesterweihe, Ehe und Krankensalbung – sind sieben privilegierte Begegnungen mit Christus, der seinerseits der sakramentale Ausdruck des lebendigen Gottes in der Welt und in der Geschichte ist.

Jesus ist kein »achtes Sakrament«. Jesus, der Herr, dem wir im Evangelium begegnen, ist die sakramentale Wirklichkeit Gottes, der sich selbst seiner Schöpfung offenbart. Durch diese »Sakramentalität« des Mensch gewordenen Gottessohnes macht Christus die Gottesbegegnung in den Sakramenten der Kirche überhaupt erst möglich. »Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen«, sagt Jesus beim Letzten Abendmahl zum Apostel Philippus (Joh 14,9). Alle, die in dem rettenden Wasser der Taufe Jesus, dem Herrn, begegnet sind, haben die Gabe dieses christlichen Sehens empfangen, der uns im Sohn den Vater erkennen lässt. Alle, die Jesus, dem Herrn, in der Gabe des Geistes bei der Firmung oder in den Worten der Absolution im Beichtstuhl, in den Salbungen und Gebeten der Priesterweihe oder im Austausch des Gelöbnisses und wechselseitigen Geschenks der Liebe bei der Trauung begegnen, haben durch den Sohn den Vater gesehen. Und das gilt auch für alle, die bei der Krankensalbung geistliche und zuweilen auch physische Heilung erfahren haben. Vor allem aber werden alle diejenigen eins mit dem Vater, die, dem Sohn gehorsam, in der heiligen Eucharistie seinen Leib und sein Blut empfangen. Ihr Einswerden mit dem Vater geschieht in der Kraft des Heiligen Geistes, der vor der Wandlung auf Brot und Wein herabgerufen wird.24

Der evangelikale Katholizismus ist also eine Wirklichkeit aus Wort und Sakrament, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Das Wort des Evangeliums, das verkündet wird, ist gleichzeitig das Wort Gottes, es ist Jesus, der Herr: das Sakrament, das durch die sieben Sakramente in der Kirche gegenwärtig ist. Die Begegnung mit dem Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift enthalten ist, vollzieht sich durch die Sakramente, die niemals ohne Schriftbezug gefeiert werden. Wachstum in Glauben, Hoffnung und Liebe – Wachstum in der Freundschaft mit Christus – wird durch den regelmäßigen und häufigen Empfang der Sakramente gespeist, und dieses Wachstum wiederum trägt dazu bei, dass sich uns das Wort Gottes im Alten und im Neuen Testament in Aspekten erschließt, die uns zuvor vielleicht rätselhaft, unklar oder gänzlich verborgen waren. Das alles ist ein Gesamtpaket, eine einzige evangelikale katholische Wirklichkeit. Wort und Sakrament sind ebenso wenig voneinander zu trennen wie Evangelium und Kirche, Schrift und apostolische Tradition, Mission und Dienst.

Evangelikale katholische Männer und Frauen, die – durch die tägliche Bibellektüre und den regelmäßigen Empfang der Eucharistie und des Bußsakraments – sowohl im Wort als auch im Sakrament gestärkt werden, werden durch den Gehorsam des Glaubens so geformt, dass sie zu echter Freiheit fähig sind.25 Diese echte Freiheit ist Freiheit für die Wahrheit und in der Wahrheit der Freundschaft mit Christus sowie Freiheit von unserer ungezügelten Eigenliebe, die auf dem Weg zur Begegnung mit Gott immer und überall das größte Hindernis darstellt. Deshalb führt der Glaubensgehorsam nicht etwa in die Unterdrückung, sondern in die radikale Freiheit: die Freiheit, sich frei für das Gute, Wahre und Schöne zu entscheiden und daraus eine moralische Gewohnheit zu machen.26 Das ist allerdings ein zutiefst gegenkultureller Lebensstil und basiert – zumindest nach den Maßstäben des 21. Jahrhunderts – auf einer zutiefst gegenkulturellen Realitätswahrnehmung.

Die Erneuerung der Kirche

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