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ОглавлениеGeotrupes Stercorarius
Mistkäfer
Der Mann stand an der Ecke der Gasse. Er sah sich um. Als er merkte, dass ihn niemand wahrnahm, ging er weiter. Nach einigen Metern kam er zu einer Kreuzung. Hier war der Verkehr recht stark, aber für diesen Morgen auch nicht ungewöhnlich, schließlich handelt es sich um eine Hauptstraße. Der Mann sah nach rechts, dort war ein großes Gebäude zu sehen, indem es einige Geschäfte sich befanden, ein Kaffeehaus und gleich daneben ist eine Bank, die um diese Zeit noch geschlossen ist. Langsam ging der Mann in Richtung Bank. Er zog seinen Hut tiefer in seine Stirn. Vor dem Kaffeehaus blieb er stehen, unschlüssig was er nun machen soll, dann, nach einigen Sekunden hat er sich entschieden, er setzt sich an einen Tisch. Die Kellnerin kommt, fragt ihn was er wünsche. Er bestellt einen Kaffee. Die Kellnerin rauscht ab, mit wiegenden Hüften.
Der Mann steht auf, zahlt, geht. Die Bank wurde soeben geöffnet. Mit entschlossenen Schritt geht er auf den Eingang zu. Vor dem Eingang bleibt er noch kurz stehen, sieht sich um, wirft einen Blick in die Bank, vergewissert sich, dass noch niemand in der Bank ist, öffnet die Tür, geht rasch hinein.
Die Bankangestellten sind noch bei ihren Vorbereitungen. Sie sehen ihn an, ungläubig, dass zu dieser Zeit schon ein Kunde kommt. Eine Bankangestellte kommt auf ihn zu.
"Guten Morgen, mein Herr! Was kann ich für Sie tun?", fragt sie freundlich, so wie sie es gelernt hat.
Der Mann gibt nicht sofort Antwort, er wartet, sieht sich die Bankangestellte genau an. Ihr ist das unangenehm, tritt von einem Fuß auf den anderen.
"Ich brauche Geld", sagt schließlich der Mann, dessen Augen sie durchdringend angesehen haben.
Erleichtert atmet sie auf. Sie hat diesen Kunden noch nie gesehen. In der heutigen Zeit weiß man nie was geschieht, denkt sie.
"Wie viel wollen Sie?", fragt sie.
Er sieht sie wieder an, ein leichtes Lächeln huscht über seine Lippen. "Alles!", sagt er.
"Und wie viel ist das?"
"Wie viel haben Sie denn da?"
Die Bankangestellte versteht nicht. Sie sieht ihn an, als hätte sie ihn nicht verstanden. "Was ... ich ... weiß nicht!", stammelt sie.
Noch immer mit diesen zarten Lächeln sagt der Mann: "Alles was in der Kasse ist! Einfach nehmen und mir geben."
"Mein Herr!", sie hat sich wieder gefangen.
"Gut! Das ist ein Banküberfall! Schreien Sie nicht, machen Sie nichts unbedachtes. Geben Sie nur das Geld her."
Und damit holt er eine Papiertüte aus seiner Tasche, wirft sie ihr hin. Angstvoll siegt sich die Bankangestellte um, niemand scheint sich für sie oder diesen Kunden zu interessieren. Alle arbeiten ruhig, still weiter. Da muss sie erkennen, dass sie keine Hilfe zu erwarten hat. Mit einem tiefen Seufzer nimmt sie die Papiertüte in ihre Hände.
"Die wird nicht halten", meint sie zum Räuber.
"Vielleicht."
Sie zuckt mit ihren Schultern. "Wie Sie wollen."
Sie räumt das Geld in die Tüte.
"Nur das Papiergeld", gibt er Anweisung.
"Wie Sie wünschen, mein Herr."
Der Räuber sieht ihr zu, bewundernd.
"Sie machen das sehr gut", sagt er. "Wie ist Ihr Name?"
"Nadja."
"Nadja, Sie sind ein Naturtalent, so wie Sie diese Situation im Griff haben ist schon einzig! Es gibt wenige Angestellte die so ruhig bleiben. Großartig."
Das letzte Bündel Geldscheine sind in der Tüte verschwunden. Sie hält ihm die Tüte hin.
"Hier! Nehmen Sie."
Der Räuber macht einen Schritt nach vor, nimmt die Tüte.
"Danke, Nadja."
"Bitte, beehren Sie uns bald wieder." Das hat sie in der Schulung gelernt. Sie war eine aufmerksame Schülerin.
Der Räuber nickt ihr zu. "Auf wiedersehen, Nadja", grüßt er freundlich. Er dreht sich um und geht.
Nadja steht hinter der Kassa, sieht ihm nach, weiß jetzt nicht, was sie zu tun hat, wartet, bis der Räuber um die Ecke gebogen ist, erst jetzt drückt sie den Alarmknopf.
Plötzlich sehen alle Angestellte auf, sehen zu Nadja, schütteln den Kopf. Der Direktor der Bank kommt aus seinem Büro. Mit wichtigen, wuchtigen Schritten kommt er auf Nadja zu.
"Was ist jetzt wieder los?", fragt er streng. "Wieder an die Klingel gekommen? So wie schon letzte Woche? Wieder muss ich die Polizei trösten, dass wieder einmal kein Bankraub stattgefunden hat."
"Herr Direktor ...!"
Weiter kommt sie nicht.
"Sie sind entlassen!", schreit der Direktor. Die Angestellten sehen zu, verbeissen sich ein Lachen. Schadenfroh sind sie alle.
"Aber Herr Direktor ...!", versucht es Nadja noch einmal.
Der Herr Direktor hört nicht. Ein Polizeifahrzeug bleibt vor der Türe stehen. Polizisten springen heraus, einer stolpert, fällt hin. Der andere stürmt zur Bank. Der Direktor tritt vor die Tür.
"Nur langsam meine Herren!", ruft er ihnen zu. "Falscher Alarm."
Der Polizist, der hingefallen war, rappelt sich wieder auf.
"Wieder ..?", fragt der eine Polizist den Direktor.
"Ja, leider. Diesmal habe ich sie gefeuert."
"Gut gemacht. Belastet nicht so unsere Nerven."
Der Räuber ist schon verschwunden. Von ihm ist nichts mehr zu sehen. Nur Nadja ist noch da. Sie sucht ihre Sachen zusammen, macht sich fertig zugehen, die Bank zu verlassen. Der Direktor sagt nicht einmal auf wiedersehen zu ihr. Und Nadja sagt auch nichts, sie lächelt nur, sie weiß warum. Der Direktor denkt, dass Nadja jetzt komplett blem blem geworden ist, so wie lächelnd aus der Bank schreitet ... Sie hat ihren Kopf verloren, die Arme, denkt er.
Der Räuber ist in einer Seitenstraße verschwunden. Er läuft nicht, er geht etwas schneller als sonst, unauffällig die Straße entlang. Viele Leute sind unterwegs, so wie er, sie gehen rasch, einige laufen, alle sind in Eile, so wie der Räuber in Eile ist. Viele sind auf dem Weg zur Arbeit, müssen sich beeilen, damit sie nicht zu spät kommen. Er schüttelt den Kopf, weiß nicht, warum sich diese Leute so einspannen lassen, sich so versklaven lassen, es kann doch so einfach sein, Geld zu verdienen! Die Bank hat es, man muss es sich nur holen. Für ihn gibt es nur zwei Berufe die sich auszahlen, warum er überhaupt am Morgen aufsteht: das ist der Beruf als Bankräuber oder Politiker. Wobei ihm der Unterschied nicht wirklich einleuchtet. Ein Politiker ist auch ein Bankräuber, er bestiehlt das Volk, genau wie ein Bankräuber, da ja nicht die Bank bestiehlt, sondern das Volk, denn das Geld, das er raubt, gehört ja nicht der Bank, es gehört dem Volk. So gesehen sollte er Volksräuber heißen und nicht Bankräuber oder noch besser Politiker.
Er stellt sich bei der Straßenbahnhaltestelle an, so wie viele andere auch. Er hält ein Papiersackerl unter seinem Arm, das unterscheidet ihn von den anderen, denn die tragen Taschen, Aktentaschen mit sich herum.
Er hört die Sirene des Polizeiwagens, der an ihm vorbei saust, in die Gasse einbiegt, wo sich die Bank befindet.
"Die werden dich nicht die Bank überfallen haben?", stellt ein Mann neben ihm nüchtern fest.
"Kann schon sein, wir leben in einer gefährlichen Zeit", antwortet der Räuber. "Heute ist dich nichts mehr sicher!"
"Da haben Sie wohl recht", sagt der Herr.
Die Straßenbahn kommt, alle stürzen zu den Türen, drängen sich hinein. Der letzte der einsteigt ist der Räuber. Er ist einer der wenigen, die es nicht eilig haben.