Читать книгу Abhandlung des Daseyns der Gespenster - Gerald van Swieten - Страница 5
Оглавление1. §. Was ist ein Gespenst?
Durch Worte pflegen wir andern unsere Gedanken zu erklären. Sie sind Zeichen, daraus ein anderer unsere Begriffe abnehmen kann. Wir müssen also vor allen nach der schönen Lehre des Freyherrn von Wolf a)[4] mit dem Worte Gespenst einige Begriffe verknüpfen, damit man weis, von wem wir reden, und was wir dadurch verstehen. Die Gespensterfreunde sagen uns, Gespenster sind Erscheinungen verstorbener Personen. Andere erklären sich also: Gespenster sind geistige Substanzen, die von dem Menschen mit Furcht und Schrecken empfunden werden. Der ersten Erklärung kann ich meinen Beifall nicht geben. Christus der HErr ist zehnmal nach seinem Tode erschienen; wer wird aber den Erlöser, der von sich selbsten sagt: Ich bin kein Gespenst: in die Reihe der Gespenster setzen? Es ist wahr, so oft ein Gespenst dem Menschen sich sichtbar darstellen würde, müßte selbes erscheinen: es könnte also kein Gespenst ohne Erscheinung geben. Ich läugne aber, daß, so oft eine Erscheinung vorkomme, auch ein Gespenst sich darstelle. Es ist zwischen einem erscheinenden Geiste und einem Gespenste ein Unterscheid zu machen. b)[5]
Der zwoten Erklärung kann ich ebenfalls nicht beipflichten. Man sagt, ein Gespenst sey eine geistige Substanz, die mit Furcht und Schrecken empfunden wird. Man sagt, der Vater des Samsons hat die Gegenwart des Engels mit Furcht und Zittern empfunden. Wer wird aber einen erscheinenden Engel unter die Gespenster zählen? Was ist dann also ein Gespenst? die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, als man sich einbildet, und wir finden um so größere Beschwerniß, je mehr wir überzeuget sind, daß es keine Gespenster gebe. Wie sollen wir eine Sache erklären, die wir nicht für wirklich erkennen? Damit wir aber doch was sagen, obwohlen wir nichts eigentliches sagen können, und damit man doch wisse, mit was sich diese Abhandlung beschäftige, so sagen wir: ein Gespenst ist dasjenige, was die Menschen mit Angst und Entsetzen empfinden, ohne davon die nahe wirkende Ursache zu erkennen.
Ich will nicht läugnen, daß diese Erklärung die Gränzen einer vollkommenen Erklärung überschreite: mir ist genug, daß ich selbe auf alle Falle biegen, und anwenden könne. Einen wahren vollkommenen Begriff von einem Gespenste zu liefern, zu welchem sich in der besten Welt kein Urbild findet, deucht mir unmöglich zu seyn. Ich schmeichele mir dahero nicht ohne Grund, daß der Leser, der etwas höher sieht, und Vernunft mit Bescheidenheit in seinen Urtheilen paaret, diesen Fehltritt des Verstandes uns verzeihen werde. Denn dieser Unvollkommenheit in Bestimmung einer ächten Erklärung eines Gespenstes müssen sich die gelehrtesten Männer unterwerfen.