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2. §. Vom Ursprunge der Gespenster.

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Die Sündfluth ergoß sich über das ganze schuldige menschliche Geschlecht, um dessen Bosheit zu bestrafen. Sie hat sich wiederum gesetzet, aber die Bosheit der Menschen schwang sich nach selber noch höher empor. Wollen wir dem Alexandriner Bischofen Cyrillus a)[6] glauben, so war die Abgötterey vor dem Sündfluße eine unbekannte Sache. Nach demselben aber hat die undankbare Welt ihren Schöpfer verlassen, und sich GOttheiten erdichtet, die Undinge sind. Starke Finsternissen und scheußliche Wolken bedeckten die Welt, unter welchen der rohe Mensch seinen Sinnlichkeiten nachlief, und sogar das Licht der Natur unterdrückete.

Die Egyptier glaubten, die GOttheit regiere die Welt nicht unmittelbar, sondern durch untergeordnete Götter, die ihren Sitz in der Sonne, im Mond und Meer, und auf der Erde hatten; die den Einfluß aus dem Gestirne herabschicketen, und Gnaden austheilten, worauf das menschliche Schicksal beruhe. Diese war die Denkensart, diese waren die irrige Begriffe jener Völker, nach welchen sie sich selbsten Bildnissen entwarffen, oder am mindesten Sinnbilder vorstelleten, von denen man in der Folge der Zeiten das Sinn- und Lehrreiche wegließ, und sich selbsten GOttheiten daraus schuf. Die herrschende Neigung zum Sinnlichen trug sehr viel bei, um die gesetzte Schranken niederzureissen. Der sinnliche Mensch fand mehr Vergnügen an einem leeren Gegenstand, es gelüstete ihm mehr nach den eitlen Bildern als nach dem ächten Wege der Gerechtigkeit: er ließ also das Kernnichte der Religion fahren, und hielt sich an die Hülse. Er dachte bei seiner Anbethung weiter an nichts, als an die Bilder, die er aufgestellet sah; diese erklärte er sich nach seinen eigenen Gelüsten. Daher entstunden in Egypten die Fabeln, die Erscheinungen der Götter, die Verwandlungen nebst der ganzen Krame der verwirrten Götterlehre.

Nicht geringere Irrthümer enthielt die verworrene Lehre von der menschlichen Seele bei den Egyptiern. Sie glaubten, daß zwo Seelen in dem Körper wohnten. Eine sey die Triebfeder des thierischen Lebens, der Sitz der Gelüsten, und könnte zernichtet werden. Die andere sey eine vernünftige Seele, ihre Wesenheit sey aus Luft und allein den Göttern bekannt; sie könnte nicht zernichtet werden, weil sie unsterblich ist. Beide seyen miteinander enge verschwesteret, solange der Mensch lebe, nach dessen Tod stelle die Seele das Bildniß des Menschen noch vor, welches er im Leben hatte, würde aber wie ein Rauch verschwinden, wenn man es umfassen sollte. Homer b)[7] und viele andere geben dessen sicheres Zeugniß. Die erhabenen Seelen der Helden, und großen Männern, welche die Begierden besieget, und ihr Gemüth von den sinnlichen Gelüsten abgehalten haben, würden bei ihrem Tode von dem Bande der thierischen Seele aufgelöset, und unter die Reihe der Götter übersetzet. Niederträchtige Seelen aber, die den sinnlichen Gelüsten nachgelebet haben, hätten sich mit der thierischen Seele so enge vereiniget, daß sie sich von selber nicht losbinden könnten: sie müßten also nach dem Urtheile der Götter entweders mit ihrer Seele in die Hölle hinunterrollen, oder aber, wie Plato und Plutatch c)[8] vermeinen, bei ihren Gräbern auf dieser Erde herumschwärmen, bis gleichwohl die unsterbliche von der thierischen Seele rein, und befreyet wäre. Da nun sowohl die zu reinigende, als die ewig zu peinigende Seelen (welche unter dem Worte Larven vorkommen) sich zur Strafe bei ihren Gräbern auf der Erde aufhalten, wären sie öfters den Menschen erschienen, und hätten sich sichtbar dargestellet. d)[9] Doch stimmete die Lehre, welche die Heyden von der Seele hatten, nicht überein. Einige glaubten, daß die Seele den Leib so sehr liebe, daß sie von ihm nicht anders als durch die Fäule könne getrennet werden. Weil sie aber auch der groben Lehre der Seelenwanderung, e)[10] welche sie für eine Strafe der Götter hielten, beipflichteten, so haben sie die Leiber der Verstorbenen einbalsamirt, wie uns Servius bezeuget. f)[11] Diese einbalsamirten Körper werden heute zu Tage noch Mumien genennet. g)[12] Andere hielten dafür, daß diejenigen, welche eines gewaltsamen Todtes gestorben, bei den Gräbern so lange herumirren, erscheinen, und die Menschen schrecken müßten, als sie wurden gelebt haben, wenn sie ein gewaltsamer Tod aus der Zahl der Lebendigen nicht entrissen hätte. h)[13] Daher kommen annoch

die vielen Geister-Erscheinungen und Gespenstermärchen bei den Richtplätzen, Schlachtfeldern etc.

Eben so viele dergleichen Erzählungen stammen von der Meinung ab, welche behauptete, daß die Seele solange bey dem Körper und Gebeinern herumschwärmen müßte, bis sie begraben wurde. i)[14] Andere endlich haben die Gräber als einen beständigen Wohnsitz den Seelen angewiesen; daher kommen die prächtigen Grabstätte, als die Piramiden, Mausoläen, etc. welche Plinius k)[15] umständlich beschreibet. Diesen haben wir auch so viele Innschriften zu danken, welche die Gräber ewige Häuser nennen. Aus sehr vielen dergleichen will ich die kürzeste anfügen.

MANLIA. PAULA.

DE. PATRIMONIO. SUO

SIBI. ET

AURELIO. PAULINO.

DOMUM. AETERNAM. P.

In einigen dieser ewigen Häusern setzten sie auch ewige Lichter, weil sie die Seele aus Feuer zu seyn glaubten. Durch diesen Gebrauch

befahlen sie zugleich die Seele, die im Grabe wohnete, dem Pluto an, dem sie die Herrschaft über die Todte zueigneten, und bei ihnen Urago hieß. Mehrers meldet davon der belesene Fortunatus Licetus l.[16]

Aus diesem Irrthume, daß die Seelen bei den Gräbern sich aufhalten, und mit ihrer Gegenwart die Häuser belästigen sollten; entsprang die Kunst die Geister zu beschwören, und selbe zu verbannen, m)[17] Eben daher kommt die Necromantie ein Theil der eiteln Zauberkunst, welche von den Todten unterschiedliche Sachen erforschen, sie beschwören, und erwecken will. All ihre Verehrer wollten sich diese Gewalt durch ihre blutige Opfer und Zauberbände beilegen. Die Poeten konnten nimmermehr satt werden, uns dergleichen Schauspiele vorzustellen, und bald einen Schatten, bald eine Zauberinn auftretten zu lassen. [18] Diese Künsten sind aus Egypten in Griechenland hinübergewandert.

Epikur hat in seiner Jugend die Geister verbannen wollen [19] Die vernünftigen Griechen haben diese Lehre von der Seele und den herumschwärmenden Geistern von den Egyptiern geholet. Thales und Pythagoras (wie Clemens Alexander. Stromat. L. I. bezeuget) haben sich in Egypten in der Weltweisheit unterrichten lassen, und damit ihnen alle Geheimnissen geoffenbaret wurden, haben sie sich so gar der schmerzhaften Beschneidung unterworfen. Auch Eudoxus hat sich dem Unterricht der egyptischen Magiern anvertrauet. Plato, den man nachmals wegen seiner Scharfsinnigkeit und Lehre den Göttlichen nennete, hat zu Heliopolis (heute Alcairo) 13. Jahre, wie Strabe Geograph. L. 17. schreibet, mit selben einen vertrauten Umgang gepflogen. Diese und andere griechische Weltweise haben die Lehre von der Seele und von den Gespenstern in ihr Vaterland überbracht. Die Priester des Heydenthums und die Poeten haben sie mit neuen Zusätzen vermehret und ausgeschmücket. Sie erdichteten Gottheiten, wie es ihre zügellose Einbildungskraft ihnen einflößete. Sie fanden um somehr Anbether, je größer das Ansehen der Erstern, je besser die Erfindung der Zweyten war. Vorzüglich hat der dichterische Witz der Poeten das Götter- und Gespensterreich ansehnlich erweiteret. Sie wußten sehr geschickt ihre Erfindungen mit Worten einzukleiden, die erdichtete Gottheit zwischen den Inhalt ihrer Gedichte einzuflechten, und voll des Witzes und Reitzung zu mahlen, zu rühren, und ohne Schwulst erhaben vorzustellen. Sowohl die alten als neuen Götter müßten den Himmel verlassen. Nur der gute Momus hüttete beständig den Himmel. Man raumte ihm zwar das Vergnügen ein, daß er ohne Scheu die Fehler der Götter mit einer beissenden Spötterey beschnarchen darfte. Sie sind den Menschen erschienen, und es war schier kein Gott, keine Göttinn in dem Himmel, welche nicht auf der Erde eine Liebesbegebenheit hatte; woher alsdenn die Halbgötter, Menschen, die von Göttern mit Menschen gezeuget, oder von Göttinnen gebohren worden, entsprungen sind. p)[20] Diese Halbgötter begleitete allzeit der Schutz ihrer himmlischen Eltern. Sie erschienen öfters denselben, und brachten ihnen thätigen Beistand, oder sie erschreckten die Feinde durch ihre Erscheinung. Ich würde zu weitläuftig fallen, wenn ich meinen Vortrag mit den Stellen aus Homer, Virgil, Ovid und Tibull beleuchten wollte. Die Juden waren ebenfalls nicht rein von dieser Thorheit, mit welcher sie die Egyptier beflecket hatten. In der babilonischen Gefängniß haben auch sie dieß Gift von den Chaldäern eingesogen. Man findet davon überflüßige Zeugnissen bei Joseph Flavius l. 2. c. 12. von dem jüdischen Kriege, und l. 18. c. 1. von den jüdischen Alterthümern, bei Budäus Introduct. in Philosoph. hebrae., bei Johann Spencerus lib. de legibus hebrae. ritual. fol. 492. Selbst Rabi Menasse ben Israel in Nischmath Chaiim p. 152. berufft sich bei seiner Lehre auf den Pythagoras, Plato, Virgil, und zeiget genugsam an, aus was für trüben Quellen er geschöpfet habe.

Da endlich das Licht und die Wahrheit auf dieser Erde erschienen, und der vermenschte GOtt seine göttliche Lehre der Welt geschenket, sind zwar diese Irrthümer verschwunden. Allein, obschon die neubekehrten Juden und Heyden ihre irrige Begriffe von der Mehrheit der Götter, und die falsche Meinung von der Seele abgeleget, so sind ihnen doch die Schlacken derselben noch angeklebet. Die Philosophen haben ebenfalls viele Irrthümer von den Geistern bei ihrer Bekehrung zum wahren Glauben mit sich zur christlichen Religion hinüber gebracht. Einige Väter, welche der Philosophen Grundsätzen anhiengen, haben ihre Lehre verfechtet, in soweit sie dem Glauben nicht entgegen stunde, Geister und Gespenster zugelassen, ja sogar das Daseyn der Waldgötter und die Buhlschaften derselben mit den Menschen behauptet. Gregorius, der Große, in seinen Gesprächen, q)[21] der ehrwürdige Beda in seiner Historie von Engelland, haben in den mittlern Zeiten der Gespenstergeschichte einen neuen Zuwachs ertheilet, da sie alles nachgeschrieben, was die gemeine Sage verbreitete, r)[22] Johann a Voragine, Cäsarius ab Heisterbach, und andere mehr haben in den neuern Zeiten neue Zusätze geschmidet. Zu unseren Zeiten endlich hat der bekannte Cochem, ein vortreflicher Herold der Gespenster, s)[23] der noch manchem Buchhändler das Brod geben muß, und sehr viele Exempelbüchlein, t)[24] die die sogenannten Grechsenträger verkaufen, denen der Ort des Druckes, die Erlaubniß, der Name des Verfassers, mit einem Worte alle Bescheidenheit abgehet, die Meinung von der Wirklichkeit der Gespenster sorgfältig unterstützet. Ich würde unmöglich ein End gewinnen, wenn ich auch von der Fortpflanzung der Geistermeinung von einem Jahrhundert in das andere genauere Betrachtung anstellen wurde. Es ist genug, daß ich in der Kürze den Ursprung derselben bei dem Heydenthum gefunden, und vorgezeiget habe. Sie ist auf eben die Weise, wie die irrige Meinung von der thätigen Hexerey bis auf unsere Zeiten fortgeführet worden.

Abhandlung des Daseyns der Gespenster

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