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Druckfehler

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Von Druckfehlern, die selbst in seriösen Büchern, trotz vieler Korrekturprogramme vorkommen, will ich nicht erzählen. Ich meine hier jene Fehler, die ich mit dem Druck auf den Abzug meiner Büchse machte.

Die Zeit liegt noch gar nicht so lange zurück, da ein falscher Abschuss eines Schalenwildes dem Schützen einen Riesenärger einbrachte. In unserem Nachbarland Österreich ist es immer noch der erzieherische Brauch, dass die „Sünder“, die z. B. einen zu schonenden Hirsch erlegt haben, namentlich im Mitteilungblatt der Jägerschaft mitsamt der oft gehörigen Geldstrafe erwähnt werden. Felix Austria, du hast die besseren Gesetze.

Bei uns sind im Zuge der Wildfeindlichkeit vielerorts alle Schranken gefallen. Ganz besonders beim Gams- und Rehwild. Speziell die Staatsjagdreviere mit ihrer Parole „Wald vor Wild“ haben jede Hemmung, auch einmal einen Druckfehler zu machen, beseitigt. Ich habe es selbst erlebt, als ich, ohne Revier, mich um einen Pirschbezirk beim „Vater Staat“ bewarb.

Der mich einweisende Förster blickte missbilligend auf mein umgehängtes Fernglas: „Das brauchen Sie hier nicht, wenn’s rot kommt, dann passt’s schon, da müssen Sie nicht lange schauen.“

Ich war so perplex, dass ich eine ganze Zeitlang brauchte, um dann zu fragen: „Was dann, wenn’s das Rotkäppchen ist?“ Da war’s dann am Förster, perplex zu sein.

Bei den Drückjagden in eben diesem Staatsjagdrevier liegen regelmäßig etliche abgeworfen habende Böcke auf der Strecke. Mit einem Achselzucken wird über dieses Schonzeitvergehen hinweggegangen.

Doch zurück zu der lang vergangenen Zeit, da ich als Sechzehnjähriger mit druckfrischem Jugendjagdschein einen Rehbockabschuss geschenkt bekam. Ich war damals Mitglied der Jagdhornbläsergruppe des Münchner BJV, und man wollte mir für die vielen Einsätze eine Freude machen. Man hatte mir zur Belohnung einen Bockabschuss gekauft. Voller Freude fuhr ich mit dem Rad die etwa 40 km in das Revier im Dachauer Hinterland. Das Gewehr hatte ich im Futteral an der Fahrrad-Mittelstange festgebunden, und auf dem Buckel drückte der grüne Rucksack mit meinen Siebensachen.

Im Orte Langenpettenbach angekommen, meldete ich mich beim Sepp, dem Jagdaufseher.

Dieser, ein freundlicher Austragsbauer, zeigte mir das Revier und meinen vorgesehenen Wirkungsbereich. Wir saßen am Abend noch gemeinsam an, hatten zwar keinen Anblick, aber der Sepp vertröstete mich: „Da gehst am Morgen alloa naus, da kannst garnix falsch machen! Um Schlag Fünfe kommt von der Talsenke herauf ein semmelgelber Bock. Rechts zeigt er auf Sechser, links hat er nur eine Gabel. Der ist so pünktlich, nach dem kannst dei’ Uhr stellen!“

Hurra, endlich alleine jagern!

Die Nacht in dem Bauernhof, in dem auch der Sepp in seinem Austragsstüberl hauste, war kurz. Noch im Finsteren hörte ich die Bäuerin im Stall unter meiner Stube die Kühe zum Melken aufmüden: „Auf zu Gott!“ rief sie ihren Viechern zu.

Ich schwang mich auf meinen Drahtesel, und ab ging’s zu meinem Ansitz. Der junge Tag dämmerte herauf, und tatsächlich, als die Kirchturmuhr die fünfte Morgenstunde schlug, zog vom Talgrund der semmelgelbe Bock auf meinen Hochsitz zu. Ein kurzer Blick durch’s Glas, ja pfeilg’rad, rechts zeigt er auf Sechser. Das ist er! Als er in Schussentfernung heran war, hatte ich längst den Hahn der von einem Freund ausgeliehenen Büchsflinte gespannt. Über Kimme und Korn gut zusammengeschaut, und schon brach der Schuss mit der alten Försterpatrone 9,3 x 72R. Der Semmelgelbe versank im taunassen Klee.

Stolz und überglücklich konnte ich die Wartezeit nach dem Schuss kaum ertragen und eilte dann mit raschen Schritten zum Kleefeld. Als ich voller Freude das Haupt des Erlegten emporhob, traf mich fast der Schlag. Ja, beim schwarzen Samiel! Das war ein wunderbar regelmäßiger, blutjunger, beidseitiger Sechserbock, ich konnte das Gwichtl drehen und wenden, wie ich wollte, aus der linken Stange wurde keine Gabel. Die Welt drohte zusammenzustürzen. Ganz benommen schleppte ich den Erlegten in den Wald und brach ihn erst einmal auf. Dann hockte ich mich völlig fertig auf einen Baumstumpf und überlegte: Es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder ich brach ihm links ein Ende ab, oder ich erschoss mich hier auf der Stelle. Allen Ernstes überlegte ich, Schrot oder Kugel zu nehmen, für so groß hielt ich die Schande meines Vergehens. Oh Gott, was würden meine Gönner beim BJV zu meiner Verfehlung sagen? Ich dachte an meine entehrten Eltern. Doch dann, nach schrecklichen Minuten, entschloss ich mich für die dritte Möglichkeit: Ich wollte zu meinem Fehler stehen und mein Versagen voller Scham bekennen.

Als nach einiger Zeit der alte Sepp, der den Schuss vernommen hatte, nach mir schauen kam, kratzte er sich sorgenvoll den Stoppelkopf: „O mei, da wird der Herr Dokter schön schimpfen! Aber, Bua, denk’ dir nix, an Kopf wird’s net kosten!“

Der „Herr Dokter“ hat sich dann auch gebührend beschwert, bei meinem Mentor, dem alten Wildmeister Scheumann. Doch der gütige, erfahrene Waidmann tröstete mich: „Ich sehe ja, wie dich das wurmt. Was glaubst du, wie viel falsche Böcke ich in meinem Leben schon geschossen habe? Wer noch nie einen Falschen erlegt hat, der hat noch nie richtig gejagt.“

Dieser, früh in meiner jägerischen Laufbahn gemachte Druckfehler hat mich sehr sorgfältig im Ansprechen werden lassen. Doch unfehlbar? Wer ist das schon?

Der zweite Fall, den ich gerne ungeschehen gemacht hätte, passierte mir als Pächter eines großen Niederwildreviers. Rehe gab es genügend in den verstreut liegenden kleinen Waldstücken. Die Qualität der Gehörne ließ nichts zu wünschen übrig, obwohl der vorherige Pächter nur Sechserböcke geschossen hatte. Alle anderen waren bei ihm keine „G’scheiten Böck’“.

Im Westen des Reviers hatten wir einen abgelegenen Waldteil, das Köllinger Holz. Es grenzte an die Nachbarjagd, deren Pächter ein tadelloser Jäger war, mit dem man auch Schon-Vereinbarungen treffen konnte, an die er sich auch hielt. Dort hatte neben anderen Rehen auch ein Jahrling seinen festen Einstand. Eigentlich war er der ideale Abschussbock. Ein Stangerl war etwa zwei, das andere fünf Zentimeter hoch. Jeder hätte ohne zu Zögern diesen Jüngling erlegt und damit auch Recht getan. Doch da er so vertraut war und pünktlich bei Morgen- und Abendansitz erschien und einem einen immer sicheren Anblick bescherte, was von meinen Kindern freudig begrüßt wurde, sprach ich ein Tabu über ihn aus. Niemand durfte ihm was tun. Die Kinder hatten dann auch bald einen Namen für ihn: „Mäxchen“. Sie waren ganz versessen, auf den Ansitz mitzukommen, weil da mit Sicherheit immer was zu gucken war und ihr Liebling zuverlässig auftauchte.

Der Sommer ging dahin, die Brunft war auch schon vorbei. Mäxchen wurde zwar einige Male von stärkeren Böcken „ausgeteufelt“, aber er blieb immer in der Nähe seines ursprünglichen Einstandes und wir waren alle gespannt, wie er sich im nächsten Jahr entwickelt haben würde.

Der Oktober kam und mit ihm rückte das Ende der Schusszeit näher. Ich war in einem anderen Revierteil auf Geißen angesessen und wollte am Waldrand an einem Wiesenstreifen zu einer Anhöhe hochpirschen. Da zeigte sich im Morgennebel droben auf der Höhe die Silhouette eines geringen Bockes. Ich sank in die Knie und trug dem Verhoffenden die Kugel an.

Als ich dann oben ankam, ich schäme mich nicht, habe ich bitterlich geweint: Ich hatte Mäxchen gemeuchelt. Was, zum Teufel, hatte er hier, fast einen Kilometer von seinem Einstand, zu suchen? Doch was bedeutet einem Reh eine so geringe Entfernung! Es gab keine Entschuldigung. Und den Kindern habe ich es, Feigling, der ich war, verschwiegen.

Nach einigen Jahren hatte ich im gleichen Revierteil, wo weiland Mäxchen seine Fährte gezogen hatte, einen Ausnahms-Bock stehen. Er prahlte ungemein mit einer hochgezackten Krone und schien auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung zu sein. Das, so sagte ich mir, wäre für meinen Freund Peter der Rechte. Dieser Starke trug ein Gehörn, das sich auch der verwöhnteste Jäger gerne an die Wand hängen würde. Der Peter, der mich mit Gamseinladungen reichlich bedachte, würde sich freuen. Peter kam, sah und schoss nicht.

Er fand, dass dem Bock noch ein weiteres Jahr der Reife gut täte. Nun gut, dann im kommenden Jahr. Die Absprache mit dem Nachbarn klappte auch, wie es sich gehört. Und dann kam die Schonzeit und die Rehböcke hatten endlich Ruhe.

Der Starke war seinem Einstand treu geblieben und zog, winterlich grau, mit den anderen Rehen weit ins Feld innerhalb meines Reviers hinaus.

Ich hatte noch reichlich Geißen und Kitze zu erlegen. Nach wochenlangen Stürmen und Regengüssen hatte ich wenig Erfolg gehabt. So erlaubte ich mir, ausnahmsweise auch mal am Allerheiligentag auf die Jagd zu gehen. Normalerweise ruht ja an diesem Tag die Jagd, um die Bevölkerung nicht durch Geknalle in ihrer Totenandacht zu stören. Daher ist dieser Tag auch traditionell bei den Wildschützen sehr beliebt, da die Jäger auch bei den Gräbern sind. Doch mir ging’s nicht um’s Wilderer-Fangen, sondern ich musste mich einfach um das Abschuss-Soll kümmern. Außerdem lag dieser Revierteil weit ab vom Dorf, und wer ist denn noch spätabends auf dem Friedhof?

Für den Ansitz wählte ich mir jenen westlichen Waldteil, wo auch der Starke seinen Einstand hatte. Mein Hochstand war dem Felde zugekehrt, am Rande des Waldes, nach Süden blickend. Westlich von mir befand sich ein kleiner, jetzt von herbstlich entblätterten Erlen umstandener Weiher. Im Sommer ertönte aus ihm der stimmungsvolle Chor der Frösche, die nun, tief im Laub vergraben, dem Frühjahr entgegenschlummerten. Hinter dem Weiher mit seiner Erlenzeile lag ein Acker, der mit seiner schwarz-moorigen Erde nun abgeerntet und umgebrochen war.

Im schwindenden Tageslicht zog ein kleiner Sprung Rehe rechts von mir aufs Feld und hinter dem Weiher über den schwarzen Acker. Voller Freude sah ich auch den guten Bock dabei, der noch sein Gehörn aufhatte. Unter diesem Sprung machte ich ein schwaches Geiß-Kitz aus. Als es kurz verhoffend frei stand, fuhr mit blendendem Mündungsblitz der Schuss hinaus. Verschreckt preschten die restlichen Rehe auf die Feldflur. Im schwarzen Acker sah ich das graue Reh daliegen und im Verenden leuchtete der weiße, gespreizte Spiegel.

Ruhig packte ich meine Sachen zusammen und stapfte aufs Feld, um das Kitz zu holen. Doch da blieb mir vor Schreck fast das Herz stehen. Vor mir lag – aus dem Blatt tropfte es rot über seine Decke – der sorgsam geschonte, dem Peter zugedachte Rehbock. Ich verstand mich und die Welt nicht mehr. „Jetzt geb’ ich’s auf! Ja, ist denn alles verhext!? Wer solche Fehler macht, der darf nicht mehr jagen! Aus! Vorbei!“

Wütend brach ich den Bock auf, warf ihn in die Wildwanne und brauste heim. Dort angekommen, übergab ich meiner Frau die Büchse: „Nimm du sie, ich habe heute den letzten Schuss getan! Für mich heißt’s Jagd vorbei! Schau dir an, was ich angerichtet habe!“

Sie konnte das nicht verstehen, als ich ihr den Hergang der Ereignisse geschildert hatte. Zerknirscht hing ich den Erlegten zum Auskühlen auf. Es wurde eine unruhige Nacht. Nicht wegen des Schonzeitvergehens, sondern weil ich bei noch gutem Licht auf ein Kitz geschossen und dafür einen Bock auf die Decke gelegt hatte. Das ging mir nicht in den Kopf. Solch eine Verwechslung darf einem nie, niemals passieren! Wenn’s bei mir so weit gekommen ist, dann ist es Zeit, die Büchse an den Nagel zu hängen.

Anderntags, als ich den Steifgewordenen in den Keller tragen wollte, schaute ich mir nun erstmalig den „Einschuss“ an. Und da wurde mir alles klar. Es war kein einzelnes Einschussloch, es waren fünf. Wie von gehacktem Blei. Und das war es ja auch. Das Geschoss war auf einen, in der Dämmerung nicht mehr sichtbaren Erlenzweig gekommen und hatte sich, nun abgelenkt, zerteilt. Ausgerechnet traf es dann ihn, den streng Geschonten.

Was, so überlegte ich mir später, wäre passiert, wenn ich nur ein Gast gewesen wäre? Welcher Jagdherr hätte einem solch eine abenteuerliche Erklärung geglaubt?

Der Peter hat gelacht, als ich ihm die „Heldentat“ gestand. Zum Glück ist er ein solch erfahrener Jäger, der des „Geschickes Mächte“ kennt.

Im Jahr darauf stand andernorts ein hochinteressanter Abnormer, und der war ihm noch lieber, als, wie er sagte „dein langweiliger Sechser“.

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