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Hamid erinnert sich

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Meine kläglichen Anfänge . . .

An einem sommerlichen Tag im Dezember, es war genau der Dreissigste, verließ ich den dunklen, warmen Bauch meiner Mutter, um mich in einem ebenfalls dunklen, aber kalten Raum wiederzufinden. Irgendwie erschreckend !

Dabei hatte ich noch Glück, dass es nicht der erste Januar war, an dem viele Marokkaner ihren Geburtstag feiern, weil sie das wirkliche Datum nicht kennen.

Die ersten Jahre gestalteten sich friedlich. Das sollte sich an mei- nem fünften Geburtstag schlagartig ändern. Mein Vater hatte entschieden, dass ich alt genug sei, die Ziegen zu hüten. So zog ich Tag für Tag in die spärlichen Wälder, immer in Angst, eine der Ziegen zu verlieren.

Mit sieben schien ich reif für die schulische Grundausbildung. Ich war überglücklich. Klein, aber sehr willig, machten mir die acht Kilometer zur Schule nichts aus. Gerade mal drei Jahre hatte meine Schulzeit gedauert. Mein Vater war der Auffassung, dass mein Kopf intelligent genug wäre, um Hodscha, also so etwas wie Priester, zu werden.

So nahm ich das angesparte Geld, das für die Bücher der nächs- ten Jahre gereicht hätte, um mich zu verschicken, wie das wohl heißt. Ich wehrte mich mit Händen und Füssen, da ich wirklich gern in die Schule gegangen war. Und ich hatte Erfolg gehabt. Mit meiner Gegenwehr dagegen leider nicht.

Also landete ich in einem kleinen, staubigen Dorf im Atlas, und wurde dort in die Hände eines Moscheevorstehers gegeben. Als

Berber war Arabisch eine Fremdsprache für mich, die ich in den drei Schuljahren relativ gut gelernt hatte. Dort aber wurde ich mit Versen aus dem Koran konfrontiert, aber auch mit schmut- zigen Böden und der schweißgetränkten Wäsche meines Herrn und Meisters.

Es folgten viele Nächte der Angst, der Tränen und auch der Wut. Auch heute kann ich nicht über alles sprechen. Nach zwei- einhalb Jahren war die Zeit gekommen, einen schweren Schritt zu machen, der mich in die vermeintliche Freiheit führen wür- de. Eines Morgens war das Fass übergelaufen. Ich packte meine Sachen und schlich mich aus dem Haus. Ich rannte, so schnell mich meine kleinen Füße trugen. Da ich keine normale Straße gehen konnte, folgte ich den Ziegenwegen durch die Wälder, die damals noch von Wölfen und - man glaubt es kaum - von Kleinelefanten bevölkert waren.

Mein Hunger zwang mich irgendwann, ein kleines Dorf an- zusteuern. Mein Klopfen hatte Erfolg und ein alter, gebückter Mann öffnete die blaue Tür. Auf meine Frage nach Arbeit, bat er mich zuerst herein, um mir dann etwas Essen und zu Trin- ken anzubieten.

Das war der glücklichste Tag seit Langem. Die bohrenden Fragen des Alten musste ich ausweichend beantworten. Ich hatte pani- sche Angst, wieder zurückgeschickt zu werden. Nach kurzem Besinnen offerierte man mir 300 Dirham (circa € 30,-) im Monat und ein Zicklein am Ende des Jahres, nach erfolgreicher Arbeit. Ehrlich gesagt, war mein Ziel ein anderes. Ich wollte in die Stadt, obwohl ich keinen richtigen Begriff hatte, was das heißen sollte. Nolens volens sagte ich zu, um schon endlich meinen

Schlaf nachholen zu können. Dieser war tief und traumreich, aber auch angstvoll.

Am nächsten Tag, noch vor Sonnenaufgang, nahm ich meine Sachen, schlich mich aus dem Haus und ging einfach. Nach ein paar Metern erspähte mich die Tochter des Hauses und schrie:

„ Vater, Vater, komm schnell, Hamid läuft weg! “ Aber, ich war bald über alle Berge und rannte keuchend in die Richtung, in welcher ich die Hauptstraße vermutete. Wieder führte mich mein Weg durch Arganwälder mit fressenden Ziegen auf den Bäumen. Wieder hatte ich weder zu essen noch zu trinken.

Trotz meiner Angst war ich bis zur Route Taroudante gelaufen, um dort erschöpft nieder zu fallen. Nach einer kurzen Pause erhob ich mich und versuchte, einen Wagen anzuhalten.

Mein Horror vor der Moschee und die Furcht vor meinem un- beugsamen Vater trieb mich vorwärts. Irgendwann hatten meine Bemühungen Erfolg und ich saß auf der Ladefläche eines Peu- geots, der mich meinem Ziel ein Stück näher bringen würde . . . “

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