Читать книгу Agadir-Allgäu - Gerd Wenninger - Страница 11

Agadir - Allgäu „ einfacher Flug “ bitte !

Оглавление

Es hatte einige Überzeugungsarbeit bei den Behörden und dem deutschen Konsulat in Rabat bedurft. Bert hatte seine früheren Kontakte zu Kollegen spielen lassen, Klinken im Ausländer- amt geputzt und hatte eine Sprachenschule gefunden, an der Hamid zwölf Monate lang lernen würde, was Bedingung für das Visum war.

Bert Wenner war extra in Agadir angereist, um Eventualitäten auszuschließen. Die monatelangen Bemühungen sollten nicht im letzten Augenblick an einer Formalität oder an der Laune eines marokkanischen Grenzpolizisten scheitern.

Hamid und Bert saßen angespannt vor ihrer „ Henkersmahl- zeit “. Genau in dem kleinen, gemütlichen Restaurant, in dem sie sich kennengelernt hatten.

Irgendwie wollte es nicht so recht schmecken. Am Nebentisch lümmelten zwei finster aussehende Männer, die ab und zu herüberblickten, ohne aber echtes Interesse zu zeigen.

„ Sureté Nationale “, flüsterte Hamid Bert zu. Das sind die all- präsenten Geheimpolizisten, die bei wirklich oder getürkten Gesetzesverstößen blitzschnell zuschlagen können.

Homosexualität ist in islamischen Ländern verpönt (aber praktiziert) und auch verboten. Die Kombination „weißer Mann - dunkler Junge “ riecht in Marokko und speziell in Aga- dir immer nach Prostitution.

Aber, wie so viele Ungereimtheiten in Arabien, wird auch ein Stundenhotel um die Ecke geduldet, in dem überwiegend „wei- ße“ Männer absteigen. Jedenfalls war Hamid vor Bert gewarnt

worden. „Er habe sicherlich nur eines im Sinn!“ Wie dem auch sei, wir wissen, dass es anders war.

Die silberfarbene Uhr an der weiss-blauen Mosaikwand zeigte zehn nach neun. Vor zwei Minuten waren es acht nach neun. Ha- mid erwischte sich, dass er in immer schnelleren Abständen auf die Zeitmaschine starrte. Morgen früh würden sie noch vor Son- nenaufgang in Richtung Flughafen unterwegs sein. Unterwegs in eine unbekannte, ferne Zukunft.

Sie würden in Berts Hotelresidenz übernachten, in der er schon einige Male gewohnt hatte. Auch dies hatte zu Irritationen sei- tens des Hotelpersonals geführt, da die Vergabe eines Zimmers an gemischte Nationalitäten und/oder unverheiratete Paare verboten ist.

Schließlich sahen aber die Hotelleute keine Gefahr, da sie auch Zippi, Berts Frau kannten.

Hamids Nachtruhe wurde von wilden Träumen und länge- ren Wachphasen gestört. Er würde morgen sein gehasst-ge- liebtes Land verlassen, ohne genau zu wissen, was ihn in der Fremde erwartete.

Hätte er gewusst, über wie viele kleinere und größere Steine er stolpern würde, hätte er diesen Schritt gewagt ?

Dazu später mehr.

Aber, kein Stress währt ewig. Der Tag aller Tage war gekom- men, Hamid war zitternd in ein Flugzeug gestiegen, um nach vier Stunden im „ gelobten Land “ anzukommen.

Im Geiste warf er sich nieder und küsste deutschen Boden. Wo- von viele seiner Freunde und Kollegen nur träumen konnten, war Wirklichkeit geworden. „ Bonn, ich komme ! “

Vielleicht ist uns nicht ganz klar, welche Dramatik in dieser Geschichte liegt. Wir sind es gewohnt, beliebige Ortswechsel vorzunehmen, mit einer Portion Bargeld und einer Scheck- karte in der Tasche.

Dieser Junge hatte nichts. Er kam mit Berts getragenen, viel zu großen Kleidern, einem vorausbezahlten Ticket und einer Men- ge Hoffnung, aber auch Angst.

Eine unbekannte Sprache, eine andere Kultur, ein Volk, das, ohne nachzudenken, Berge unreinen Schweinefleisches und dumm machenden Alkohols vertilgt. Was für ein Schock!

Hamid machte sich prächtig. Er paukte Vokabeln und deutsche Grammatik und versuchte herauszufinden, was heißt, „ Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod “.

Es gab in diesem seltsamen Land zwar eine zwanghafte Mülltrennung, aber keine unnatürliche Geschlechtertren- nung. Nicht umsonst warnen islamische Verführer und Re- ligionshüter gebetsmühlenartig vor dem sündigen Westen. Die Verlockung war riesengroß, machte aber zugleich Angst. Schon nach Wochen aß der gelehrige Schüler mit Genuss lecke- ren Fleischkäse und trank ab und an ein kühles Gläschen Bier. Manchmal schaute er sich dabei fragend um, bekam aber keiner- lei protestierende Blicke anderer Gäste, und weder Geheimpoli- zei noch Sittenwächter saßen, wie in Marokko, am Nebentisch. Eine alte Zeitung, unter den Arm geklemmt, machte ihn zum

„ Mann von Welt “ !

Wir brauchen alltäglichen Dialog den äußeren Dialog derer,

die in der selben Strasse wohnen, im selben Dorf leben,

in der selben Fabrik arbeiten oder an der selben Universität studieren.

Den inneren Dialog,

die Auseinandersetzung, die sich in uns selbst, in unserem eigenen Kopf und Herzen abspielt, wann immer wir Fremden begegnen. “

Hans Küng: Projekt Weltethos

Agadir-Allgäu

Подняться наверх