Читать книгу Schatten über Fehmarn - Gerda M. Neumann - Страница 10
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ОглавлениеZwei Uhr mittags. Burgtiefe. Die Wiese. Die beiden Engländerinnen standen auf grünem Rasen, etwas abseits der vielen redenden, rufenden und lachenden Menschen, die sich um das weißverhüllte Ding am Ufer sammelten. Ebenfalls abseits, nah an der Wasserkante, stand ein großgewachsener Mann, dessen sichtliche Neugier auf die zusammenströmenden Leute seinem abgesonderten Standort widersprach. Auch hier Wasser ringsum, Olivia stellte es eher beiläufig fest, dieses Mal das gegenüberliegende Ufer sehr nah, es war die andere Seite der Bucht, also auch Fehmarn. Sie sah dort einen großen roten Speicher mit Treppengiebel, ansonsten nicht viel, denn die Wasserfläche zwischen den beiden Inselufern trug eine Flotte von Fischkuttern, mit hoch hinauf gespannten Wimpelketten, als liefen sie noch unter Segeln.
Irgendwo schlug eine Schiffsglocke vier Glasen. Das Stimmengewirr verebbte. Ein barhäuptiger Mann in dunkelblauem Mantel, weißes Hemd und Krawatte leuchteten hochoffiziell daraus hervor, räusperte sich. »Liebe Freunde, wir haben uns hier im Zeichen der Brücke versammelt. Nicht im Zeichen der Belt-Brücke, die als zukunftsweisender Schatten am anderen Ende unserer Insel für kontroversen Diskussionsstoff sorgt, sondern im Gegenteil und am entgegengesetzten Ufer im Zeichen gegenwärtiger und vergangener Brücken. Vergangen ist die Künstlervereinigung ›Die Brücke‹, deren herausragendster Vertreter Ernst Ludwig Kirchner vor achtzig Jahren vier Sommer auf unserer Sonneninsel verlebte. Zahlreiche seiner bedeutendsten Bilder entstanden hier und zeugen heute in den Museen der Welt von Fehmarns Schönheit. Von ihm führt eine Brücke der Tradition zu unseren gegenwärtigen Malern Juro Kienhardt, Felix Picard und Alexander Hyde.« Auf seine einladend auffordernde Geste hin traten Kienhardt und Picard neben ihn. Freundlicher Applaus grüßte die beiden Künstler. Fest griff Amandas Hand in Olivias Ärmel.
»Eine Gruppe weltoffener Fehmaraner, die sich den Namen ›Brücken – heute‹ gab…« Olivias Augen flogen über die Menschen und umkreisten Felix Picard und Juro Kienhardt. Beide starrten in das Gras schräg vor ihren Schuhspitzen und hörten aufmerksam zu. Allerdings blieben ihre Mienen unbewegt bei jeder Anspielung, die die anderen Zuhörer zum Schmunzeln oder Lachen brachte. Der Griff in ihrem Ärmel wurde noch fester. »Er ist nicht gekommen.« Olivia schüttelte bestätigend den Kopf.
»Auf Fehmarn zu leben, bedeutet, Brücke zu sein zwischen den Völkern Europas. Als Insel in der Ostsee zwischen den Ländern des Kontinents und Skandinaviens ist Fehmarn mehr als ein Schatten unter der Vogelfluglinie, es ist eine handelnde und verbindende Realität. Damit diese Bedeutung sowohl uns selbst als auch unseren zahllosen Gästen immer vor Augen steht, gab unsere Bürgervereinigung ›Brücken – heute‹ bei unserem großen Künstler Alexander Hyde eine Skulptur in Auftrag, die dies aufs Schönste darstellt – davon bin ich überzeugt und so gespannt wie wir alle auf das, was sich nun enthüllen wird!« Der Bürgermeister zog mit leichtem Grinsen eine Polizeipfeife aus der Manteltasche und blies kräftig hinein.
In der allgemeinen Überraschung hörte niemand das Flügelschlagen eines großen Schwarmes weißer Vögel, der aus dem Nirgendwo kommend über die Köpfe dahin schwirrte und sich auf das weiße Ding hinab senkte. Eine halbes Hundert dressierter weißer Tauben streckte seine Krallen nach dem leichten Schleier aus und flog mit ihm davon. Gleichzeitig tönten die Nebelhörner aller Fischkutter so laut und so fabelhaft disharmonisch, dass der Rest der Feierlichkeit in lauten Jubel überging. Die Vorsitzende der Bürgervereinigung trat an die nun allen sichtbare Skulptur, sie strich über einen himmelstürmenden Stahlbogen und wandte sich um. Die Nebelhörner tuteten weiter und weiter, Jubel und Zurufe hielten an, bis sie lachend mit den Karteikarten ihrer vorbereiteten Rede winkte, sie in ihre Jackentasche versenkte und mit weitausgreifenden Armbewegungen einlud, näherzukommen und anzuschauen, was es da nun Neues gab.
Die Menschen stürmten nach vorn, der Bürgermeister schüttelte Hände und die Flucht von Kienhardt und Picard wurde vereitelt. Amanda und Olivia standen nun noch ein wenig weiter abseits.
»Wer hat sich bei diesem Festakt durchgesetzt, Hyde oder die Fehmaraner, was glaubst du?« Olivia sah noch hinüber. »Die Skulptur wirkt sich wie die Flöte des Rattenfängers von Hameln auf die Menschen aus und das nahe Wasser bietet sich an, die Höhle zu ersetzen.«
»Du vergisst, das die Menschen hier mit Wasser bestens vertraut sind. Sie lassen sich nicht einfach hinein locken und Kinder sind sie auch nicht. Als Engländerin oder zumindest als halbe solltest du dem Meer geneigter gegenüberstehen.«
Olivia lachte: »Ich liebe das Meer, wenn ich auf den Kreidefelsen von Kent oder an der Küste von Cornwall stehe. Du weißt das. Das Problem hier ist eher das Land, es ragt nicht wirklich aus dem Meer auf. Ich spüre noch immer die Sorge, dass die Ostsee einmal vergessen könnte, das es da ist und einfach darüber hin spült.«
Amanda sah die Freundin nachdenklich an und nickte zustimmend. Sie wandte sich von den Menschen ab und schaute über den flachen Strand aufs Wasser: »Bevor wir Fehmarn entdeckten, verbrachten wir, meine Eltern und ich, einen Sommer in der Romney Marsh. Sie ist mindestens so flach wie das Land hier und durch einen schmalen, aber schiffbaren Kanal von Kent getrennt. Ich stellte mir gern vor, sie sei eine Insel, die zeitweilig an Englands sicherem Ufer festgemacht hatte. Folgerichtig, wie Kinder sein können, empfand ich Fehmarn wie ein Schiff, das jederzeit die Leinen kappen und sich ins freie Meer hinausbewegen kann, wenn es das denn will.« Nach kurzer Pause ergänzte sie: »Auf einer Insel, einer echten Insel, kann man sich enorm frei fühlen. Eigentlich weiß das jeder Engländer, auch wenn die meisten darüber wohl nicht nachdenken. Ich selbst habe dieses Freiheitsgefühl hier auf dieser Insel entdeckt. Auch dafür liebe ich Fehmarn!« Sie richtete sich noch etwas gerader auf und der zwischenzeitlich weiche Ausdruck in ihren Augen wich einem ernsten: »Die Kindheit ist vorbei! Der Regenbogen ist durchscheinend geworden. Komm – ich will Felix Picard nach Alexander fragen!«
Die Nebelhörner schwiegen. Das stellten sie als erstes fest. Ein Fischkutter löste sich aus der hinteren Gruppe und steuerte den Sund an, mit all seinen bunten Wimpeln. »Irgendetwas dort drüben hat sich verändert, seit wir hier miteinander sprechen… merkwürdig,« Amanda beschleunigte ihren Schritt. Sie hatte Picard in einer Gruppe neben der Skulptur entdeckt, von der er sich mit einer leichten Verbeugung trennte, als er sie kommen sah.
»Alexander ist nicht gekommen!« stellte Amanda statt einer Begrüßung fest.
»Es ist viel schlimmer!« Felix Picard wirkte trotz seiner Wetterbräune fahl. »Seid heute Mittag gibt es einen Brief. Darin steht: ›Wir haben Alexander Hyde davon überzeugt, Fehmarn nie wieder zu betreten. Vereinigung Inselschutz.‹ Die Vorsitzende der Bürgervereinigung, die die Plastik in Auftrag gegeben hat, Dora Frese, die Dame, die ihre Rede den Nebelhörnern opferte, fand ihn unter ihrer Post.«
»Das klingt wie ein Drohbrief,« stellte Olivia prompt fest. »Warum sollte jemand einen Künstler davon abhalten wollen, sich feiern zu lassen?« Picard sah sie mit seinem eigentümlich finsteren Ernst an und schwieg. »Wer wagt, einen freien Menschen daran zu hindern, seine Termine einzuhalten? Und wieder: warum?«
»Kommen Sie, Frau Frese soll es Ihnen selbst erzählen. Dann haben Sie es aus erster Quelle.« Zielstrebig wand er sich zwischen den redenden Gruppen hindurch. Der Brief hatte einen anderen Menschen aus ihm gemacht. Die Gäste und Zuschauer rundum waren aufgeregt, nicht mehr angeregt, beobachtete Olivia, bis sie bei Dora Frese ankamen. Bürgermeister Hinrichsen stand bei ihr und noch zwei Fehmaraner, wie sich schnell herausstellte.
Frau Frese wandte sich ihnen zu und Picard hielt sich mit Höflichkeiten gegenüber einem Gespräch, das er sichtlich gerade unterbrach, nicht auf: »Frau Cranfield und Frau Lawrence sind Freunde von Alexander Hyde und für das heutige Ereignis aus England nach Fehmarn gekommen. Bitte erzählen Sie Ihnen, was Sie mir erzählt haben.«
Die so Angesprochene drückte ihnen stumm die Hand, sah zu Picard hinauf und suchte fast hilflos nach den richtigen Worten. Die anderen schwiegen, sogar der Bürgermeister.
»Wir haben den kurzen Text des Briefes gehört, den Sie heute bekommen haben,« kam Olivia ihr zu Hilfe. »Ist es dieser eine Satz, der die Stimmung hier so dramatisch umschlagen ließ?«
Frau Frese nickte: »Der Brief und die Tatsache, dass Herr Hyde wirklich nicht gekommen ist.«
»Zu Beginn der Veranstaltung wusste es niemand?«
»Nur wir zwei,« schaltete sich der Bürgermeister ein, »wir wollten uns von einem Drohbrief die festliche Enthüllung nicht verderben lassen, uns nicht und unseren Gästen nicht. Die Fehmaraner leben zu einem ganz wesentlichen Teil vom Tourismus.«
»Ja, so ist es,« bestätigte Frau Frese. »Aber dann fragten die Leute nach dem Künstler und als Ärger aufkam über sein Fernbleiben, hielt ich es für richtig, die Situation zu erklären.« Sie sah den Bürgermeister herausfordernd an: »Rufmord zuzulassen ist ganz schlechte Tourismuswerbung, glauben Sie mir!«
»Die Leute hier sind offensichtlich aufgeregt und bedrückt zugleich,« fuhr Olivia unbeirrt fort, »was steckt hinter dem Brief? Was ist das für eine ›Vereinigung Inselschutz‹?«
»Wir wissen es nicht, niemand kennt sie…«
»Und weiter!« drängte Olivia. Sie sah von Frau Frese zu Bürgermeister Hinrichsen, ihr war es gleich, wer antwortete, nur sollten sie endlich zum Kern des Falles kommen.
»Also,« Dora Frese raffte sich auf, »dieser Brief ist der dritte seiner Art. Von den anderen habe ich nur gehört. Der erste kam vor einem Jahr und betraf einen Immobilienmakler, der hier und in Heiligenhafen eine Agentur hat. Er kam nicht nur nicht wieder auf die Insel, er wurde überhaupt nicht wieder gesehen. Der zweite Brief fällt in das letzte Frühjahr und war an einen Tischlermeister adressiert. Der Brief bezog sich auf einen Lübecker Architekten, der bei uns auf der Insel einige Projekte laufen hat, unter anderem in Zusammenarbeit mit jenem Tischlermeister.« Sie schwieg.
»Und der Lübecker Architekt wurde ebenfalls nicht wieder gesehen?«
»Nein.«
»Weder hier noch in Lübeck?« drängte Olivia voran.
»Entsetzlich, nicht?«
Amandas Augen klammerten sich an den Maler: »Alexander ist tot. Deswegen war er nicht in London. Deswegen überwachte er die Aufstellung der Plastik nicht selber. Und deswegen ist er jetzt nicht hier. Sie glauben das auch, nicht wahr?« Felix Picards dunkle Augen stimmten ihr zu.
»Ich nehme an, die Polizei ist bereits an der Arbeit?« Olivia sah Herrn Hinrichsen abwartend an.
»Sie weiß noch nichts von dieser Entwicklung. Ich hatte gehofft, die Presse könne morgen erst einmal in Ruhe vom heutigen Tag berichten. Frau Frese wird mir den Brief jetzt geben und ich fahre von hier direkt zur Polizeistation.« Er sah auf die Uhr. »Das sollte innerhalb der nächsten Stunde passieren. Wenn Sie mir den Brief aushändigen wollen,« er streckte die Hand vor und trachtete gleichzeitig, Olivia zu übersehen.
Klein genug war sie dazu mit ihren ein Meter dreiundsechzig, aber für ihn unerwartet zupackend. Mit einem leichten Lächeln und einer höflichen Bitte hatte sie den Brief an sich gebracht. Die Adresse war mit Schreibmaschine geschrieben, genauso der Brief, den sie jetzt herauszog: ein einfaches weißes Din A 5-Blatt, quer beschrieben. Sie drehte den Umschlag noch einmal in der Hand: »Der Stempel ist von gestern, sagt Ihnen der übrige Aufdruck etwas?« Sie reichte ihn an Frau Frese zurück.
Die brauchte ihn aber nicht erst in die Hand zu nehmen. »Er wurde auf dem Festland eingeworfen.«
Olivia reichte Brief und Umschlag Herrn Hinrichsen: »Sahen die anderen Briefe genauso aus?« wollte sie von ihm wissen.
»Ich glaube ja, Genaueres wird die Polizei feststellen. Dazu muss sie diesen Brief aber erst einmal bekommen. Ich mache mich jetzt auf den Weg.«
»Sollte ich Sie nicht begleiten?« Frau Frese sah Brief und Bürgermeister kritisch an.
»Meiner Überzeugung nach müssen Sie hier die Stellung halten. Sehen Sie die vielen Leute, das Fest ist noch nicht vorbei.« Damit querte er die grüne Wiese Richtung Parkplatz. Olivia sah seinem steifen Gang und dem rudernden linken Arm kurz nach. In dem Augenblick hatten sich auch die beiden schweigenden Fehmaraner zurückgezogen, nur Frau Frese stand noch neben Amanda. Picard sah sich um und löste damit Olivias nächste Frage aus: »Wo ist Juro Kienhardt?«
»Ich sehe ihn nicht. Viele Leute wollten mit ihm reden. Die Gelegenheit ist günstig für sie. Juro lebt auf der Insel und ich glaube, die Leute akzeptieren ihn als einen der Ihren und sind stolz auf ihn. Aber er lebt sehr zurückgezogen und sie müssen diese Gelegenheit nutzen. Außerdem haben sie jetzt aufregenden Gesprächsstoff.«
»Das ist leider wahr. Frau Frese, haben Sie noch etwas Zeit für uns?« Die Vorsitzende nickte widerstrebend, Olivia übersah das Widerstrebende: »Sie sprachen von zwei Fällen in Zusammenhang mit einem ähnlichen oder gleichen Brief. Im ersten Fall traf es einen Immobilienmakler. Ist er der einzige auf Fehmarn?«
»Bei weitem nicht, es gibt eine ganze Reihe Makler.«
»Worin unterschied er sich von den anderen?«
»Er bemühte sich, Touristen, die schon mehrmals hier Urlaub gemacht hatten, vom Nutzen einer eigenen Immobilie auf der Insel zu überzeugen. Das betrieb er sehr systematisch und er war dabei erfolgreicher als irgendein anderer.«
»Stieß er denn damit hier auf Widerstand? Der Bürgermeister ist auf seine Weise auch nicht gerade zimperlich, wenn es um erfolgreichen Tourismus geht.«
»Er hätte erst zur Polizei gehen müssen und dann hierher kommen, das ist meine Meinung. Ich fand den Brief im Kasten, als ich heute Mittag nach Hause kam, gegen ein Uhr, und bin sofort ins Rathaus gefahren.« Frau Frese fand es sichtlich notwendig, sich wenigstens teilweise von den Handlungen ihres Bürgermeisters abzugrenzen. Olivia verstand das, blieb aber bei ihrem ersten Faden.
»Wer erhielt den Drohbrief zu dem Makler?«
»Thea Henning, sie war mit ihm befreundet.«
»Was unternahm die Polizei in diesem ersten Fall?«
»Sie stellte fest, dass er in seinen beiden Büros seit Tagen nicht mehr gewesen war und gab den Fall nach Eutin weiter. Da der Mann verschwunden blieb, ging sein Fall weiter nach Kiel, eine internationale Fahndung wurde in Gang gesetzt und läuft bis heute. Milz ist spurlos verschwunden.«
»Dann kam ein zweiter Brief. Wie lange hatte man den Architekten zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr gesehen?«
»Eine knappe Woche. Tischlermeister Bruhn ging umgehend zur Polizei. Die Briefe wurden als identisch erkannt und die Maschinerie lief erneut an. Ohne Ergebnis auch im zweiten Fall.«
»Hatten die beiden Verschwundenen etwas gemeinsam?«
»Ach, es wird sehr viel geredet. Aber man hat nur diese Briefe.«
»Was reden die Leute denn?«
»Nun, Martin Gillhoff hat den Leuten Land abgekauft, hier ein kleines Stück, da ein kleines Stück und plötzlich hingen die kleinen Stücke zusammen und gaben schönes Bauland. Das hat er hier in Burg so gemacht und oben in Gammendorf. Für das Land in Burg legte er im Januar einen Bebauungsplan vor.«
»Den er nun nicht mehr verwirklichen kann. Und wie passt Alexander Hyde zu diesen beiden Männern?«
»Gar nicht! Er hat nicht einmal eine Wohnung hier!«
»Könnte es einen anderen Grund geben, ihn als störend zu empfinden?«
»Na hör’n Sie mal, was soll das denn heißen? Er störte niemanden, all die vielen Jahre nicht. Warum also auf einmal?«
»Das ist die Frage… und wen…« Olivia spürte, dass sich in Dora Frese Widerstand gegen sie aufbaute und hielt es für klüger, sich für den Moment zufrieden zu geben.
Eine junge Frau um die Dreißig, relativ groß, schlank, mit hellen Haaren und blauen Augen, näherte sich raschen Schrittes, fasste Felix Picard freundschaftlich mit beiden Händen am Ärmel und wandte sich an Frau Frese: »Was für eine wunderschöne Zeremonie ist das gewesen, Dora! Da drüben,« sie deutete in die Richtung, aus der sie gekommen war, »ist ein Journalist der ›Lübecker Nachrichten‹ und quält die Leute mit neugierigen Fragen nach Alexander Hyde. Könntest du womöglich versuchen, sein Interesse wieder auf die neue Plastik zu lenken? Deswegen ist er doch schließlich gekommen!«
Die Vorsitzende der Bürgervereinigung ›Brücken – heute‹ zog auf der Stelle ihr Jackett zurecht, das es gar nicht nötig hatte, nickte Olivia zu und machte sich auf den Weg. Die junge Frau sah ihr überrascht nach: »So etwas! Muss ich aber energisch gewirkt haben. Felix, habe ich sie bei einem wichtigen Thema unterbrochen?«
»Die Frage kommt ein wenig verspätet.« Die Andeutung eines Lächelns zeigte sich um die schmalen Lippen des Malers. »Tatsächlich hast du ihr zu einem erwünschten Abgang verholfen. Frau Lawrence hatte sie mit ihren Fragen ein wenig in die Enge getrieben. Wo ist Juro?«
»Genau deswegen komme ich: Er ist auf dem Weg zum Auto, ich möchte dich fragen, ob du mit uns kommen willst. Ich denke, ihr beiden solltet hier verschwinden, bevor ein Journalist euch festnageln kann.«
»Verstehe. Ich komme gern mit. Agnes, diese beiden Damen sind Freundinnen von Alexander, können sie auch mitkommen?«
»Sicher, wenn sie sofort kommen.« Und schon bahnten die vier sich ihren Weg zum nahen Parkplatz. Agnes fuhr mit ihrem Mann davon, Picard kam mit Amanda und Olivia. Sie parkten etwas entfernter.
»Warum diese Eile?« wunderte sich Amanda, während sie rasch zu ihrem Wagen voranschritt. Die Dringlichkeit der jungen Frau, hier wegzukommen, hatte sie miterfasst und sie wehrte sich dagegen.
Picard blickte wieder ganz ernst: »Agnes ist der praktische Verstand von Juro und für mich gleich mit, solange ich allein hier auf der Insel lebe. Sie wird uns den Grund schon noch sagen.«