Читать книгу Die Kammer hinter dem Spiegel - Gerhard Gemke - Страница 7

Blume

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FERIENJOB stand in fetten roten Buchstaben auf dem Plakat. Aushilfen gesucht ab Montag, 5. 7., Brötchen austragen, Werbung verteilen, Partys beliefern, gute Bezahlung, ideal für Schüler.

Frau Blume riss einen weiteren Klebestreifen von der Rolle und pappte ihn über eine Plakatecke. Jetzt war der Aufruf im Schaufenster der Bäckerei Blume weithin zu sehen. Und zeigte auch gleich Wirkung. Die Zeigefinger zweier Breselner Bengel hinterließen deutliche Fettflecken auf der Scheibe. Frau Änne Blume schluckte ihren Ärger herunter. Bäckereischaufenster waren nun mal die mit den meisten Fingerabdrücken.

„Gute Bezahlung hört sich brauchbar an“, meinte Freddie.

„Partys auch.“ Jan zog seinen Finger über sie Scheibe. „Aber Brötchen austragen klingt verdammt früh.“

„Egal“, brummte Freddie. „Ich brauche das Geld.“

„Ich weiß nicht“, sagte Jan während sie zum Kunibald-Brunnen schlenderten. „Ich will doch nicht die ganzen Ferien um sechs aufstehen.“

„So früh?“ Freddie war ehrlich erstaunt.

„Was denkst du denn. Um sieben wollen die Leute frühstücken.“

Ritter Kunibald reckte seine Lanze in den wolkenlosen Himmel. Der erste wirklich heiße Tag in diesem Sommer. Die berühmte goldene Schlange wand sich um den Schaft und streckte angriffslustig die gespaltene Zunge in die Juniluft.

„Eine Woche“, schlug Freddie vor. „Höchstens zwei. Das hält man doch aus.“

Jan verzog die Mundwinkel. „Ich überleg's mir noch bis morgen.“

Sie hatten sich auf den Brunnenrand gesetzt. Die Turmuhr von Sankt Urban zeigte zwanzig vor vier. Das konnte ungefähr stimmen.

„Gleich muss ich zum Kommissar.“ Freddie gähnte und tat, als wäre das ganz normal.

„Wenn ich bloß mitgekommen wäre. Bis zu eurer Haustür“, sagte Jan.

„Dann säßen wir jetzt beide in der Patsche.“

„Wieso? Du hast doch nichts …“

„Immerhin bin ich in die Wohnung rein.“

Jan weiß ja nichts von der Kette, dachte Freddie mit einem schnellen Seitenblick. Zum Glück. Der Kommissar hatte sein Wort gehalten, und diese blöde Sache vor der Presse verschwiegen.

„Wieso eigentlich?“ Jan sah Freddie forschend an. „Was zum Teufel wolltest du da drin?“

Oder wusste er doch was? Freddie wurde augenblicklich unruhig. Aber Jan würde ihm so was doch nicht zutrauen? Einen Diebstahl!

„Nur so“, sagte Freddie und starrte möglichst gelangweilt auf das Marktpflaster.

„Mmh“, machte Jan.

Dann schwiegen sie. Freddie fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Jan war immer sein Freund gewesen. Schon seit der Grundschule. Hatten sie nicht alle Geheimnisse geteilt? So'n Quatsch! Freddie starrte auf die Rathausfenster. Das Spiegelbild der Domuhr zeigte zehn nach acht. Das sagte man doch nur so. Alle Geheimnisse teilen. Stimmte doch eigentlich nie, oder?

Freddie hatte auf einmal einen Kloß im Hals. „Ich muss jetzt“, sagte er.

Jan nickte nur und sah Freddie hinterher, bis er rechts neben dem Rathaus verschwand. Zum Kommissariat.

Kommissar van der Velde war gerade damit beschäftigt, Kaugummireste von der Schreibtischplatte zu kratzen, als es schellte. Verärgert über seinen erfolglosen Kampf mit dem klebrigen Zeug, knallte er das Breselner Volksblatt darauf und stemmte sich aus dem Drehstuhl. Hinrich war schon gegangen. Typisch. Als Assistent konnte er auf die geregelte Wochenarbeitszeit pochen. Wenn er selbst das täte, was würde da alles liegen bleiben! Unerledigt! Nahm jemand darauf Rücksicht?

Van der Velde öffnete die milchige Glastür und durchquerte den Flur. Die Haustür klemmte, wie üblich bei heißem Wetter. Als ob an diesem Tag der Wurm nagte. Ein Glas Wasser war das einzige, was van der Velde Freddie anbieten konnte. Wie im Gefängnis, dachte der Kommissar und versuchte, sich auf das Verhör zu konzentrieren.

„Ist dir irgendwas Besonderes aufgefallen?“, begann er fantasielos.

„Was denn?“ Freddie stellte sich ein Stück trockenes Brot neben dem Wasserglas vor.

Der Kommissar zuckte mit den Achseln. „Irgendetwas Merkwürdiges. Abgesehen von der Pappfigur.“

„Nee“, sagte Freddie gedehnt.

Was eierte der Kommissar herum? Die Fragerei würde sowieso früher oder später bei der Kette enden. Wie gestern Abend, als der Kommissar ihn anrief und hierher bestellt hatte. Freddie hatte natürlich ganz richtig getippt.

„Vielleicht lag ja was auf dem Tisch. Oder in einer Schublade.“

„Sie meinen die Kette.“

„Zum Beispiel.“

„Herr Kommissar, ich habe doch gestern schon gesagt …“

„Freddie! Es ist wichtig!“ Van der Velde beugte sich weit über den Schreibtisch. „So eine Kette aus lauter Diamanten und einem feuerroten Herz in der Mitte. Die muss dir doch aufgefallen sein!“

Freddie starrte van der Velde mit offenem Mund an. „Ich dachte … Amethyst-Perlen sind doch violett.“

Van der Veldes Augen wurden schmal. „Wie kommst du auf Amethyst?“

Freddie schluckte. In was für eine Falle war er jetzt getappt?

„Sie haben doch selbst …“ Flüstern ist Mist, dachte Freddie. Also lauter. „Das haben Sie selbst gesagt. Gestern. Am Telefon.“

„So?“ Van der Velde lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. Die Rückenlehne quietschte. „Hab ich das. Woher weißt du eigentlich, wie Amethyst aussieht?“

„Weiß ich halt“, sagte Freddie trotzig und hielt dem Blick des Kommissars stand.

Van der Velde drehte einen Bleistift zwischen den Fingern. „Freddie.“ Der Bleistift flog auf das Volksblatt. „Versteh mich nicht falsch.“ Was gab es daran falsch zu verstehen? „Wir müssen jedem Hinweis nachgehen. Und jeden Irrweg ausschließen.“

„Ich habe die Kette nicht geklaut. Ich habe gar nichts geklaut.“ Freddie war lauter geworden, als er beabsichtigt hatte.

„Schon gut.“ Der Kommissar erhob sich. „Trotzdem muss ich deine Fingerabdrücke nehmen.“

Freddie kam sich nun endgültig wie ein Verbrecher vor, als van der Velde ihn ins Nebenzimmer führte, und seine Fingerkuppen erst auf ein Stempelkissen, dann auf die nummerierten Felder einer Karteikarte drückte.

„Noch was, Freddie“, knurrte van der Velde, als er ihm ein Küchentuch zum Abwischen reichte. „Ihr vier steckt eure Nasen da nicht rein!“

Freddie wusste genau, von welchen vier die Rede war. Der Kommissar hatte ja schon häufiger mit Lisa, Jo, Freddie und Jan zu tun gehabt. Freddie sah stumm aus dem Fenster.

„Hast du mich verstanden?“ Van der Velde klang plötzlich unangenehm. Freddie drehte den Kopf und blickte ihm offen in die Augen.

„Herr Kommissar, Sie müssen mir glauben!“

Van der Velde nahm das schwarz beschmierte Papiertuch und ließ es in den Mülleimer fallen. Dann schob er Freddie wortlos zur Tür. Freddie spürte seine schwere Hand auf der Schulter.

„Ich gebe mir alle Mühe“, sagte er endlich. Dann drückte er dem Jungen seine Visitenkarte in die Hand. Freddie fand, der Kommissar sah müde aus. „Falls dir noch was einfällt.“ Mit langsamen Schritten begleitete er Freddie auf die Straße hinaus.

Drei Minuten später saß van der Velde wieder hinter seinem Schreibtisch. Er zerknüllte das Breselner Volksblatt. Ein Fetzen Zeitungspapier blieb an dem Kaugummirest kleben. Van der Velde warf den Ball und traf nicht mal annähernd den Papierkorb. Lange starrte er auf die Liste der Einbrüche. Auf die Namen. Kraans. Bublanski. Löwenstein. Dann begann er die Höhe seiner Rente auszurechnen.

Dienstag, 29. Juni.

„Heute Abend?“, fragte Lisa.

Jo nickte und sah aus dem Fenster. Der Bus kurvte gerade am Breselner Stadtpark vorbei auf das Theater zu. Die schwarzen Wolken darüber sahen aus wie eine gemalte Kulisse .

„Und wie lange sind deine Eltern weg?“

„Morgen früh fahren sie los. Ins Namloser Tal“, antwortete Jo. „Da wo Ritter Kunibald herkommt. Angeblich.“

„Bevor er im Schwabenland alles plattgemacht und eure Burg gebaut hat“, grinste Lisa, die die Knittelsteiner Geschichte halbwegs drauf hatte. „Ich weiß.“

Jo zuckte mit den Schultern. „Hab ich nichts mit zu tun. Ist tausend Jahre her.“

Über dem Theatereingang hing ein Banner. Der Kaukasische Kreidekreis stand darauf. Bertold Brecht.

„Soll klasse sein“, sagte Lisa.

Jo hatte ihr gar nicht zugehört. „Zehn Tage sind sie weg. Bis nächste Woche Samstag.“

„Und so lange wohnst du bei mir?“

„Wenn's geht?“

„Keine Frage.“

„Schau mal“, sagte Jo und deutete nach vorne. „Wenn jetzt der Bus bremst.“

Drei Bankreihen vor den Mädels drückte sich Jan die Nase an der Fensterscheibe platt. Freddies Gesicht daneben passte zum Wetter. So knapp vor Regen.

„Und dann regnet es jeden Morgen“, quengelte Jan.

„Quatsch!“ Freddie war genervt. Gestern die Verdächtigungen des Kommissars, heute Jans Rumgeeier. „Und wenn schon. Der Mensch an sich ist wasserdicht.“

„Wo hast'n den Spruch wieder her!“ Jan war nicht überzeugt. Bei weitem nicht.

In diesem Moment bremste der Bus so scharf, dass Jans Nase eine Spur über die Scheibe zog und an der Fenstereinfassung hängen blieb.

„Autsch!“

Drei Bankreihen dahinter pressten sich zwei Mädels die Hände vor den Mund. Augsburger Tor, sie mussten raus. Freddie zeigte den Mädels noch seine Zunge in voller Länge, bevor er auf den Bürgersteig sprang. Jan stolperte mit zwei Fingern in der Nase hinterher. Zwei Mädels zogen bedauernde Gesichter und winkten.

„Alle naselang stößt sich der arme Kerl“, meinte Lisa.

„Na so was.“

Jan starrte in den grauen Himmel und presste ein Papiertaschentuch vor sein Gesicht. Freddie reichte ihm ein frisches. So arbeiteten sie sich Taschentuch für Taschentuch bis zum Marktplatz. Das Sonderangebot der Imbissbude vor dem Rathaus war heute Nasi Goreng. Freddie brüllte vor Lachen. Jan blieb der Grund für den Heiterkeitsausbruch völlig schleierhaft, was vielleicht auch besser so war. Für Freddie.

Als sie die Bäckerei Blume erreichten, ließ Jans Nasenbluten allmählich nach. Das Plakat hing immer noch im Schaufenster. Jan stopfte eine Handvoll rotgetupfter Papiertücher in den Mülleimer am Eingang und folgte Freddie in den nach frischen Brötchen duftenden Verkaufsraum. Zumindest sagte Freddie, dass es hier duftete. Jan konnte nur vermuten, dass es so war. Unter der Ladentür legte er noch einmal den Kopf in den Nacken und schniefte. Nur deshalb fiel ihm die Rose auf, die in den Querstein über der Tür gemeißelt war.

Klar, dachte Jan. Bäckerei Blume.

„Mit euch hab ich schon gerechnet.“ Die dicke Frau in der Bäckerschürze musste Änne Blume sein. „Ihr habt gestern so interessiert eure Fettflecken auf dem Schaufenster hinterlassen.“

Achje, dachte Jan, das beginnt ja herzlich. Vielleicht sollten wir lieber … Aber Freddie schien Ännes strafenden Unterton nicht zu stören.

„Wann können wir anfangen?“

„Nun mal langsam.“ Änne Blume kam hinter dem Tresen hervor. „Bartholomäus!“, schrie sie durch eine halb geöffnete Tür, hinter sich offensichtlich die Backstube befand. „Kannst du mal für'n Moment?“

Irgendwas knallte in der Backstube. Vielleicht ein Blech mit Brötchen. Irgendwer brummte ungehalten. Dann kam Bäckermeister Bartholomäus Blume in den Verkaufsraum gestapft. Mit einer riesigen Bäckermütze und einem mehlweißen Kittel.

„Ich geh mal eben mit den Burschen nach hinten“, erklärte Änne und schob Jan und Freddie rechts an der Ladentheke vorbei. „Den Flur entlang“, befahl sie.

Der Flur machte einen Knick und endete vor einer Tür mit einer Bleiglas-Margerite. Wie passend. Dahinter befand sich die Privatwohnung der Blumes, logisch. Änne Blume bugsierte die Jungs ins Wohnzimmer.

„Setzt euch an den Tisch!“ Sie war es wohl gewohnt, dass man ihr gehorchte. Änne selbst verschwand in einem Nebenraum. Jan und Freddie hörten sie Schubladen aufziehen und wieder zuknallen. Offenbar fand sie nicht, was sie suchte. So hatten die Jungs ein paar Minuten, um sich die Einrichtung anzusehen.

„Fünfziger-Jahre-Scheiß“, sagte Freddie, als verstünde er was davon.

Jan schniefte. Ein ähnlich abgeschabtes Cordsofa und so eine kackbraune Eichenfunier-Kommode hatten seine eigenen Vorfahren vor nicht allzu ferner Zeit aussortiert. Zum Glück! Das einzig Beeindruckende an dem Sortiment war die Wand rechts neben der Wohnzimmertür. Besser gesagt der riesige goldschnörkelgerahmte Spiegel, der diese Wand beinahe komplett ausfüllte und den Raum auf doppelte Größe auszudehnen schien.

„Wao!“, machte Freddie.

„Ja“, plärrte Änne, die jetzt mit zwei Zetteln und einem Kulli bewaffnet das Zimmer betrat. „Den hat mein Schwiegervater gebaut. Bartold Blume.“

Freddie war aufgestanden und fuhr mit dem Zeigefinger über den üppig verzierten Holzrahmen.

„Nicht anfassen!“, schimpfte Frau Blume. Und bevor Freddie nach dem Namen fragen konnte, der unten rechts in den Rahmen geschnitzt war und so gar nicht nach Bartold Blume aussah, machte Änne schon lauthals weiter.

„Hier unterschreiben!“ In einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

„Warum müssen wir denn was unterschreiben?“, traute sich Jan. Als er Ännes Blick sah, bereute er schon die Frage.

„Damit ihr pünktlich seid! Und …“, Frau Blume hob beide Zeigefinger gleichzeitig – wahrscheinlich hatte ihr noch nie jemand gesagt, wie albern das aussah, „… und damit ihr zuverlässig jeden Morgen antanzt!“ Sie hatte deutliche rote Flecken im Gesicht. „Außerdem unterschreibe ich ebenfalls. Dann seid ihr sicher, dass ihr euren Lohn bekommt.“

Freddie schielte auf den Wisch. Er hatte noch nicht viel Erfahrung mit Verträgen, aber die Geldsumme darauf schien ihm okay. Für's Brötchenaustragen.

„Nächsten Montag also“, sagte Änne Blume zum dritten Mal, als sie die Jungs durch den Bäckerladen zur Tür schob. „Pünktlich um Sechs!“

Freddie und Jan nickten.

„Verdammt früh“, maulte Jan, als die zum Kunibald-Brunnen schlenderten. In ihrem Rücken entfernte Änne Blume schon das Plakat aus dem Schaufenster.

„Hauptsache die Kohle stimmt“, sagte Freddie so cool er konnte.

Die Wolkendecke war aufgerissen und gönnte der Mittagssonne ein Schlupfloch. Die Schlange um Kunibalds Speer glitzerte golden. Der eiserne Helm glänzte, dass man sich darin spiegeln konnte.

„So ein Riesending hab ich noch nie gesehen.“ Freddie war auf den Brunnenrand geklettert und ordnete seine Haare vor Kunibalds Kopfbedeckung. „Den Spiegel“, ergänzte er für den Fall, dass Jan ihm nicht folgen konnte.

„Wer baut bloß so ein Monsterteil.“

Freddie setzte sich neben Jan. „Hans Klein.“

Jan sah Freddie erstaunt an. Schmierte sein Kumpel eigentlich in letzter Zeit Gel in die blonden Locken?

„Nicht Ännes Schwiegervater hat den gebaut. Stand unten auf dem Rahmen.“

Und förderte Gel in den Haaren die Verwirrung des Geistes? „Was stand da?“

Freddie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, obwohl kein Mädchen weit und breit zu sehen war, das er damit beeindrucken konnte.

„Hans Klein“, sagte er und blickte starr geradeaus. Jan folgte seinem Blick. Bingo! Links neben der Rathaustreppe spazierte Sally. Aus der Parallelklasse. „Hans Klein hat den Spiegel gebaut.“

Sally winkte. Freddie nickte nur leicht mit dem Kopf. Zum Glück zogen jetzt wieder Wolken vor die Sonne. Freddie ließ sich vom Brunnenrand auf das Marktpflaster fallen.

„Soll heute noch Regen geben“, sagte er, bevor Jan auf die Idee kam, dumme Fragen zu stellen.

„Jaja, das schmiert dann immer so.“ Jan blickte seinen Freund übertrieben sorgenvoll an.

„Was?“

„Na, wenn der Regen das Gel aus den Haaren spült und so im Gesicht runter in die Augen und dann …“

Jan rannte, als ginge es um sein Leben. Beim Rathaus lang, an den coolen Gelfrisuren in Friseur Fernandels Schaufenster vorbei, bis zum Augsburger Tor. Und wäre Elfriede Sievers nicht mit ihrem Spazierstock dazwischen gegangen …

„Nein, nein, Oma Sievers“, beruhigte Freddie sie, „ich bring ihn nicht um. Nur ein bisschen.“

Auf halbem Weg die Breselner Landstraße raus hatten sich die Wolken schon wieder verzogen. Sowohl Jans Leben als auch Freddies Gelfrisur waren außer Gefahr. Aus Solidarität duckte sich Jan genau wie Freddie unter dem Fenster des Kommissariats durch.

„Sonst will der noch Speichelproben für einen DNA-Test“, knurrte Freddie.

Das mit den Fingerabdrücken wusste Jan längst. Und dass der Kommissar sie gewarnt hatte. Sie sollten ihre Nasen in nichts hineinstecken.

„Besonders deine nicht“, sagte Freddie mitfühlend. „Du weißt selbst wie empfindlich die ist.“

Jetzt musste Freddie beweisen, was er im Hundert-Meter-Sprint drauf hatte. Seine Rettung war die Schulstraße, in die er mit rutschenden Turnschuhen einbog. Jan rannte einfach weiter die Breselner Landstraße hinaus.

„Rache!“, schrie er, dass es zwischen den Häuserwänden hallte und eine Damendoppelkopfrunde, die nach einem Sektfrühstück im Grünen wieder stadteinwärts radelte, entrüstet die Köpfe schüttelte.

Diese Jugend. Wir damals!

Nur Ludmilla Reisch dachte: Wir waren viel schlimmer!

Die Kammer hinter dem Spiegel

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