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2.Kapitel

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Armin Schönfelder schaute auf seine Armbanduhr. Zehn Uhr Fünfzehn. Er nickte unmerklich. Die Zeit begleitete ihn, seit er vor vielen Jahren seinen Dienst als Polizist antrat, als wichtigsten Faktor. Eine, nein, die große Hilfe, seinen Tag zu strukturieren. Auch an dienstfreien Wochenenden.

Durch die Fenster auf dem mit schmucken Häusern bebauten Südhang, in Wallmenroth über der Sieg, strahlte bereits die Vormittagssonne. Sie wärmte kräftig, als wolle sie bereits um diese frühe Zeit, eine wohltuende Sonntagsstimmung zaubern.

Armin Schönfelder, Kriminalhauptkommissar der Inspektion Betzdorf und als Leiter der Mordkommission zuständig für die Städte am mittleren Lauf der Sieg, stand gutgelaunt vom Frühstückstisch auf. Er blinzelte zum offenen Fenster hinaus: Herrliches Wetter und Wochenendbesuch vom Enkel, was brauche ich mehr zur Entspannung?

„Heute Luca, nutzen wir das sonnige Wochenende. Ich zeige dir den einzigartigen Wasserfall der Sieg. Er sprudelt unerwartet breit, über grobe Felskanten“, schwärmte Armin Schönfelder, „er liegt in Windecker Ländchen, in Schladern. Das ist weit außerhalb meines Arbeitsbezirks und so kann auch ich dieses Wochenende schwerelos genießen.“

Der Großvater schaute in die Augen seines Enkels: „Würde dir ein Ausflug dorthin gefallen? Heute, jetzt gleich?“

Luca überlegte, die Einladung in ein Fußballstadion der Profiliga wäre mir lieber. Dann jedoch nickte er freudig, „ja, Opa, ja, ist gut.“

Nach einer kleinen Pause legte Armin Schönfelder nach: „Anschließend schauen wir im Besucherzentrum Videos über die Naturregion Sieg, schlemmen einen leckeren Eisbecher, räkeln uns in eine Hängematte in der Lounge daneben und sehen nach, welche Veranstaltungen demnächst in der alten Backsteinhalle von Kabelmetall stattfinden. Wäre auch dies nach deinem Geschmack?“

„Toll Opa, wird super, echt geil“, war die prompte Antwort. Enkel Luca und Opa Armin strahlten sich glücklich an.

Kaum war das euphorische Lob von Enkel Luca verklungen, da meldete sich unüberhörbar das Handy von Armin Schönfelder.

„Sorry“, beinahe wäre dem allzeit besonnenen Kriminalhauptkommissar das unschöne Schimpfwort mit „Sch...“ über die Lippen gerutscht, „ich muss da mal ran. Leider! Ist dienstlich.“

Lustlos, mit schleppenden Schritten ging Armin Schönfelder in die Diele. Sein Gehirn verknüpfte in einem Bruchteil von Sekunden ein Bild von Pflichtbewusstsein und Ärger darüber, dass der geplante romantische Tag wohl ausfällt und mit traurigen Augen seines Enkels Luca enden wird. Aber denken oder fühlen hilft nicht, wenn sich das mal geliebte, mal verfluchte Diensthandy meldet. Auch nicht am freien Sonntag.

Auf dem Garderobentisch vibrierte und piepte es weiter, unaufhörlich und unangenehm laut. Nichts deutete auf einen Fehlalarm hin. Der Klingelton schrillte ohne Unterbrechung weiter, immer weiter.

Armin Schönfelder, plötzlich nicht mehr lieber Opa, sondern akkurater Kriminalhauptkommissar, nahm ab und nickte mehrfach wortlos mit dem Kopf. Mimik und Gesichtsfarbe zeigten von Sekunde zu Sekunde, dass ihm dieser Einsatz äußerst ungelegen kam.

Gerade heute, an einem der wenigen Wochenende im Jahr, an denen er gemeinsam mit seiner Frau und Enkel Luca einen unterhaltsamen Tag hätte unternehmen können, war die Leiche einer Frau gefunden worden. In seinem Zuständigkeitsbereich, im eher betulichen Städtchen Wissen, ein paar Kilometer weiter unten an der Sieg.

Der Sessel quietschte laut als sich Armin Schönfelder in ihn fallen ließ. Bedächtig putzte er seine Brillengläser. „Tut mir leid! Weißt du, Luca, es gibt Situationen, da muss man schleunigst handeln. Alle wichtigen Indizien und Spuren verwischen sich sonst rasend schnell.“

„Was für Inzien oder Spuren, Opa?“ Es gab Worte, mit denen Luca noch nichts anzufangen wusste.

„Das sollten wir besprechen, wenn ich heute Abend zurückkomme. Wir bitten Oma ob sie in der Zwischenzeit mit dir etwas unternimmt“, sagte Armin Schönfelder, stand auf und schaute nach seiner Frau Sybille, die direkt vom Frühstückstisch in den Garten gegangen war.

„Bille, Entschuldigung, ich muss zu einem Eileinsatz, bitte kümmere dich um Luca. Tut mir wirklich sehr leid“, sagte er über die Terrasse hinunter.

Seine Frau reagierte ungehalten: „Wieder eine erfreuliche Wochenendplanung für die Katz! Dass deine Mordkommission meist am Samstag oder Sonntag zum Einsatz gerufen wird, ist verdammt frustrierend. Vielleicht solltest du zu einer Sondereinheit „Steuerhinterziehung oder Wirtschaftskriminalität“ wechseln, die ärgern Staat und Klienten zumeist nur an Werktagen.“

Sybille Schönfelder trat aus dem Garten ins Haus und überlegte laut: „Darfst du mir wenigstens verraten, wohin du zum Einsatz fahren musst?“

„Auf den Alserberg, hoch über der Sieg, in Wissen. In eine Straße, in der große Gärten und einige prachtvolle Einfamilienhäuser auf gut gefüllte Brieftaschen hinweisen. Dort oben, wo aus der Ferne vom hohem, windsicheren Westerwald herüber, fleißig drehende Rotorblätter der Windräder grüßen.“

Dann flüsterte er, sodass es Luca nicht hören konnte, seiner Frau ins Ohr: „Unangenehme Geschichte heute, Suizid einer Frau mittleren Alters.“

„Und was sollst du als Kriminalpolizist bei einem Selbstmord aufklären?“

„Ein hinzugerufener Notarzt wollte das Leben der Frau retten. Vor Ort aber stellten sich ihm durch vielerlei Sachverhalte mehrere Fragen: Suizid, Unfall oder Mord. Er und zwei Kollegen der Polizeiwache Wissen erwarten mich bereits.“

„Wird es wieder lange dauern bis du zurückkommst?“

Armin Schönfelder zuckte mit den Schultern. Mit großen Schritten ging er zur Garderobe und sagte: „Ich hoffe sehr, dass ich heute Nachmittag zu Tee und Kuchen wieder hier sein kann. Sollten sich jedoch die unterschiedlichen Andeutungen des Notarztes bewahrheiten, könnte es länger dauern. Die Hauptarbeit, die Recherchen, beginnen aber erst morgen.“ Er streifte seine Freizeitjacke ab und hing sie in den Garderobenschrank. Dann zog sich er seine karierte Jacke über, die er stets dienstlich trug und deren Schnitt er schon immer mochte: Klassischer, englischer Sakko mit zwei Rückenschlitzen.

Unter der Haustür drehte er sich kurz um und rief bereits gedanklich abwesend: „Also, ich wünsche euch beiden viel Vergnügen. Auch ohne mich. Wir sehen uns hoffentlich zum Nachmittagstee. Tschüss, bis bald.“

„Mögen Touristen diese kurvige Bundesstraße gerne langfahren“, brummelte Armin Schönfelder kurze Zeit später im Dienstfahrzeug vor sich hin, „mir wäre eine gerade, dadurch schnelle Verbindung zum Einsatzort lieber. Ich müsste nicht jeden engen Straßenbogen im Tal der naturbelassenen Sieg ausfahren.“

Gespannt und etwas mürrisch schaute er in einer Rechtskurve zu einem Ausläufer des Westerwaldes hoch, dem markanten Steckensteiner Kopf. Noch leiser als vorher murmelte er: „Der Volksmund nennt diese steil abfallende Felswand den Selbstmörderfelsen. Und ich bin verpflichtet, heute einen Suizid im Städtchen Wissen aufzuklären. Alles keine guten Vorzeichen für diesen Sonntag.“

Auch mit seiner Einschätzung eines zeitlich kurzen Besuches am Tatort lag er vollkommen daneben.

Verfluchte Glückskekse

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