Читать книгу Das Dorf - Gerhard Henkel - Страница 24
ОглавлениеDie Magdeburger Börde bietet mit ihren fruchtbaren Böden beste Voraussetzungen für hochwertigen Ackerbau.
Von schlechtem Wetter und guten Böden
Die natürlichen Voraussetzungen der Landwirtschaft
Kaum ein Wirtschaftszweig ist so stark von den Wechselfällen der Natur abhängig wie die Landwirtschaft. Was kann der Landwirt anbauen auf sandigen, steinreichen, feuchten oder extrem trockenen Böden, was an steilen Hängen? Wie reagiert er auf ungünstiges Klima und Wetter? Wann ist der ideale Zeitpunkt zum Säen oder Ernten, wenn eine Schlechtwetterperiode angesagt ist? Welche Möglichkeiten hat die Landwirtschaft heute, die vielfältigen Abhängigkeiten ihrer Produktion von natürlichen Widrigkeiten zu verringern?
Die Landwirtschaft ist generell von zahlreichen natürlichen sowie sozialen, ökonomischen und politischen Bedingungen abhängig. Damit haben sich mehrere Wissenschaftsdisziplinen schon seit über 200 Jahren ausführlich beschäftigt und einige Regalmeter Lehrbücher verfasst. Viele Wissenschaftler fanden Interesse an der grundsätzlichen Frage, ob die Landnutzung mehr durch Naturfaktoren oder durch die politische, kulturelle und technische Inwertsetzung des Menschen geprägt wird. Allgemein kann man heute feststellen, dass der Einfluss der Natur- gegenüber den Kulturfaktoren in den modernen Industrieländern wie Deutschland – vor allem durch den technischen Fortschritt – ständig abgenommen hat.
Aber auch heute setzt die Natur der Landwirtschaft noch Grenzen. Ein steiler Gebirgs- oder Talhang bleibt nur begrenzt nutzbar. Und es macht schon einen Unterschied, ob ein Bauer in Börden- und Gäulandschaften auf den besten Böden Deutschlands wirtschaftet oder auf den kargen, steinreichen Böden der Mittelgebirge. Gegen längere Dürre- oder Nässeperioden ist auch der beste Landwirt oft machtlos. Immer wieder hat die Landwirtschaft daher versucht, ihre Abhängigkeit von Boden und Klima bzw. vom Wetter durch technischen Fortschritt zu verringern. Allerdings stellt sich gerade in der hoch entwickelten Landwirtschaft häufiger auch die Frage nach den Grenzen der Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen. Der Mensch merkt, dass er durch seine Wirtschaftsweise nicht selten z.B. die Böden schädigt. Die zunehmenden Bemühungen um eine ökologische bzw. nachhaltige, d.h. vor allem bodenschonende, Landbewirtschaftung sind daher zu einem neuen Arbeitsschwerpunkt für Politik, Wissenschaft und Praxis geworden.
Zu den natürlichen Grundlagen der Landwirtschaft gehören vor allem das Klima, der Boden und das Relief. Das großräumige Klima ist zunächst der wichtigste, weil kaum veränderbare Naturfaktor der Agrarproduktion. Deutschland liegt in den gemäßigten Breiten, d.h. extreme Hitzeoder Kälteperioden sind hier eher selten. Der konkrete jahreszeitliche Rhythmus des Wettergeschehens, den man Witterung nennt, ist jedoch von großer Unbeständigkeit geprägt. Niederschläge, Wärme- und Kältephasen wechseln nicht nur von Region zu Region, sondern sind auch von Jahr zu Jahr erheblichen Schwankungen ausgesetzt. Sowohl Trocken- als auch Nässeperioden führen nicht selten zu erheblichen Missernten gerade bei Sonderkulturen wie Wein- oder Obstbau, aber auch im Getreidebau. Die permanente Wetterbeobachtung gehört deshalb zu den wichtigsten Voraussetzungen einer erfolgreichen Landnutzung. Trotzdem bleibt jedem Landwirt, Wein- und Obstbauern das witterungsbedingte Risiko.
Neben Klima und Witterung prägt das Relief (Hangneigung, Höhenunterschiede, geschützte oder offene Geländelage, Lage zu Sonne und Wind) die Landnutzung. Grundsätzlich sind große, ebene Flächen am besten für die Landnutzung geeignet. Sie finden sich in Deutschland einmal in den weiten, zusammenhängenden Ebenen oder Fastebenen des Norddeutschen Tieflands. Aber auch im reliefreicheren Süddeutschland sind größere regionale Ebenheiten in Beckenlandschaften oder auf Hochebenen anzutreffen. Selbst auf den relativ ebenen Hochflächen der Schwäbischen und Fränkischen Alb ist in 700 m Höhe noch ackerbauliche Nutzung anzutreffen. Mit wachsender Hangneigung werden zunächst die Möglichkeiten des Ackerbaus eingeschränkt, der in der Regel bis etwa 18 % Neigung betrieben wird. Einen etwas größeren Spielraum bis etwa 30 % Hangneigung besitzt hingegen die Grünlandnutzung. Steillagen ab 30 % sind dem Waldbau sowie in warmen Regionen – bei guter Sonnenexposition – dem Weinbau vorbehalten. Für die Agrarnutzung ungünstige Reliefverhältnisse finden sich vor allem in den deutschen Mittel- und Hochgebirgen.
Die Böden sind die unmittelbarste Produktionsgrundlage der Landwirtschaft und stellen zugleich Standort und Nährstoffträger der Vegetation dar. Für die Bodenqualität entscheidend sind der Humusgehalt, der Mineralgehalt sowie die gute Durchlüftung und Durchwässerung. Um verschiedene Böden miteinander vergleichen zu können, drückt man die eigentlich sehr komplexe Bodenfruchtbarkeit in Zahlen aus. Das erste brauchbare Klassifizierungssystem schuf der berühmte Agrarwissenschaftler Albrecht Daniel Thaer bereits im Jahr 1813.49 Auf dessen Basis entstand in Deutschland seit der Reichsbodenschätzung von 1935 flächendeckend eine amtliche Schätzung bzw. Bonitierung aller Kulturböden. Die Bodengüte wurde mit Zahlen von 1 bis 100 angegeben, wobei man sich an dem fruchtbarsten Schwarzerdeboden der Magdeburger Börde orientierte, der die Bodenzahl 100 bekam. Durch zusätzliche Berücksichtigung der Faktoren Klima, Relief und Wasserverhältnisse erhielt man schließlich eine Bodenklimazahl, die ebenfalls für jede landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland vorliegt und deren konkrete durchschnittliche Bodenfruchtbarkeit anzeigt. Ein paar Beispiele: Die Lössböden der Börden haben im Durchschnitt die Bodenklimazahl 60–90, Kalkverwitterungsböden etwa 30–60, Sandböden 10–40. Böden mit geringeren Bodenklimazahlen als 30 werden als Grenzertragsböden bezeichnet. Dies soll ausdrücken, dass eine rationelle Bewirtschaftung dieser Böden unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum für sinnvoll gehalten wird.
Standortgüte der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland nach Bodenklimazahlen
Die Naturfaktoren Klima, Relief und Boden zeigen ihre unmittelbarste Wirkung in der Vegetation. Die ursprünglichen natürlichen Pflanzengesellschaften (wie Wälder oder Grassteppen) sind auf der Erde durch die intensiven Landnutzungen weitgehend beseitigt und in Kultur- bzw. Wirtschaftslandschaften umgewandelt worden. Dennoch prägt die jeweilige Naturausstattung immer noch in hohem Maße die Bodennutzung. So lassen sich die wichtigsten Bodennutzungsarten in Deutschland (Ackerbau, Grünlandwirtschaft, Waldbau sowie Sonderkulturen) in ihrer regionalen Verbreitung »natürlich« erklären. Generell gilt: je hochwertiger die Böden wie z.B. in den Börden, umso mehr dominiert der Ackerbau, während die Grünlandnutzung im feuchten Tiefland und in Bergregionen vorherrscht.
Ein Blick auf die Flächennutzungen zeigt, wie sehr das »Industrieland« Deutschland noch immer durch seine Agrarfunktionen geprägt wird. Etwa 83 % der Staatsfläche werden von der Land- und Forstwirtschaft bewirtschaftet. Rund 30 % sind Wald, 52,5 % Landwirtschaftsfläche. Innerhalb der Landwirtschaft dominiert das Ackerland eindeutig mit 70,5 % vor dem Dauergrünland mit 28,3 %. Dem Garten-, Obst- und Weinbau bleiben 1,1 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche, die allerdings sehr intensiv und produktiv bearbeitet wird. Durch den gewachsenen Bedarf an Getreide für Futtermittel und Ernährungsindustrie (Schwerpunkt Schweinemast und Bierherstellung) haben die Ackerflächen in Deutschland zulasten des Grünlandes zugenommen. Ebenfalls angewachsen sind die Anbauflächen für Gartenbau (Gemüse, Beeren, Blumen) und Sonderkulturen (Wein, Obst, Hopfen, Gewürzpflanzen).
Zahlreiche technische und wissenschaftliche Fortschritte haben bewirkt, dass die Landwirtschaft in den zurückliegenden 150 Jahren ihre Abhängigkeit von Klima, Wetter, Boden und Relief verringern konnte: Durch Pflanzenzüchtung wurden Sorten entwickelt, die kürzere Wachstumszeiten benötigen und damit auch in unseren Klimaregionen zur Reife kommen. Durch immer besseren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen Pflanzenkrankheiten und -schädlinge konnten die ackerbaulichen Erträge deutlich gesteigert und stabilisiert werden. Der Einsatz von Mineraldünger verbesserte das Wachstum der Pflanzen erheblich und machte auch »schlechte« Böden ackertauglich. Moderne Sä- und Erntemaschinen beschleunigen die Landnutzung, sodass der Bauer nicht mehr auf so lange Zeitfenster guten Wetters angewiesen ist wie früher. Dennoch bleibt eine starke Abhängigkeit von extremen Wetterlagen und Wetterumschwüngen bestehen. Soll man mit der Getreideernte beginnen, auch wenn das Korn noch nicht ganz reif und trocken ist, aber eine längere Schlechtwetterperiode angesagt ist? Hier hilft dem Landwirt die jahrzehntelange Erfahrung mit dem Wetter und dem lokalen Boden und nicht zuletzt das richtige »Bauchgefühl«. Dennoch lassen sich starke wetterbedingte Ertragsschwankungen bis hin zu Ertragsausfällen nicht ausschließen.
Der Weinbau wird in Deutschland traditionell vor allem in Steillagen an Flusstälern betrieben. Für die beschwerliche Arbeit in den Weinbergen wird heute zunehmend moderne Technik genutzt, wie hier in Kobern-Gondorf an der Mosel.
Manchmal beschäftigen sich Politiker und Wissenschaftler mit der grundsätzlichen Frage der agraren Tragfähigkeit von Räumen, d.h. wie viele Menschen die Landwirtschaft in einer bestimmten Region ernähren kann. Die Tragfähigkeit eines Raumes ist von einer Vielzahl natürlicher, ökonomischer, sozialer und politischer Faktoren abhängig. Generell ist sie in den zurückliegenden 200 Jahren durch Düng ung, Mechanisierung, Züchtungen, Energieeinsatz u.a. stark angestiegen. Eine Landschaft wie die Altmark oder die Wetterau kann heute eine viel größere Menge an landwirtschaftlichen Produkten erzeugen als jemals zuvor.
In den Mittelgebirgen, wie hier im Schwarzwald, betreibt die Landwirtschaft vor allem Grünlandnutzung und Viehhaltung.
Schlechtere Böden, ungünstiges Klima und starke Hangneigung erschweren eine ackerbauliche Bewirtschaftung.