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Die Kleinstadt Hachenburg im Westerwald bot ein Bild des Friedens. Fleißige Einzelhändler dekorierten ihre Schaufenster, die örtlichen Taxibetriebe wickelten die Fahrten der Dialysepatienten ab, im Forstlichen Bildungszentrum wurde ein Rezept für Wildkraftbrühe mit Rehnudeln ausgearbeitet, und in der hochklassigen Hähnelschen Buchhandlung in der Wilhelmstraße gingen zwei Dutzend Kriminalromane von Frieder Lindenthal über den Tisch: »Blutiger Westerwald«, »Der Westerwald-Killer« und »Spiel mir das Lied vom Westerwald«.

In diesen Romanen ging es etwas härter zu als im wirklichen Leben. Lindenthal, ein gebürtiger Hachenburger, hatte seine Heimatstadt zum Schauplatz internationaler Bandenkonflikte erkoren, und der Erfolg gab ihm recht: Selbst den Schußwechsel zwischen der GSG 9 und der Todesschwadron eines kolumbianischen Drogenkartells im Hachenburger Seniorenwohnpark hatten die Leser ihm abgekauft.

Jetzt heizte er seine Kellersauna an. »Ich bin ein Genießertyp«, hatte er in einer Talkshow verkündet. »Ich gehe gern mal mit mir allein in die Sauna. Dann weiß ich wenigstens, daß ich mich in guter Gesellschaft befinde. Denn ich mag mich! Wer sich selbst nicht leiden kann, der ist auf dem falschen Dampfer …«

Dieser Satz war sogar in der Washington Post zitiert worden:

Those who do not like themselves are on the wrong steamer, as Mr. Lindenthal said, a prominent German novelist.

Ein treuer Leser hatte ihm diese Zeitungsseite zugeschickt. Lindenthals Blick ruhte jedesmal wohlgefällig darauf, wenn er sie wieder hervornahm, und das tat er oft.

Doch nun war eine Runde Schwitzen angesagt. Er hatte an der Gürtellinie etwas zugelegt und wollte Fett verbrennen.

Die Kohlen glühten gemütlich, und er streckte sich auf seinem saugstarken, in pfiffigen Pastelltönen kolorierten Badehandtuch aus gekämmter ägyptischer Baumwolle aus und dachte über seinen nächsten Kriminalromantitel nach. Denn der Titel war ja das eigentliche Tittenpaket. Der mußte Goldstandard haben. Vielleicht »Westerwaldgift« oder »Tod im Westerwald« oder »Den Westerwald sehen und sterben« oder etwas in dieser Richtung …

Wenn Lindenthal ein feineres Gehör besessen hätte, wäre er bereits aufgeschreckt, als die Terrassentür aufgebrochen wurde. Das erste Geräusch, das er bewußt wahrnahm, war eine Art Scharren. Als würde jemand etwas Schweres durch die Diele schleifen. Aber konnte das sein?

Lindenthal stand auf und öffnete die Saunatür.

Stille.

»Ist da wer?«

Eine blöde Frage. Wer hätte da schon sein sollen? Die Putzfrau kam jeden Donnerstagmittag, und heute war Montag. Außerdem hatte sie keinen Schlüssel. Und es besaß auch sonst niemand einen Schlüssel.

Nachdem er lange genug ins Nichts gehorcht hatte, zog Lindenthal die Tür wieder zu und begab sich in die Rückenlage. Und dann kam der Geistesblitz: »Westerwaldsterben«, das war der Titel, nach dem er gesucht hatte! Eine Melange aus Western, Waldsterben und als Jagdunfälle getarnten Auftragsmorden. Chapeau! Ein würdiger Nachfolger seines Debütwerks »Oh, du tödlicher Westerwald«, das demnächst vom ZDF verfilmt werden sollte. Die Verträge waren noch nicht in trockenen Tüchern, doch man hatte ihn wissen lassen, daß Heiner Lauterbach und Veronica Ferres die Hauptrollen bekleiden wollten. Zwei absolute Superstars. Aber man wußte ja nie. Schon gar nicht im Filmgeschäft. Kein Grund, dachte Lindenthal, sich bereits jetzt die Sahne auf den Lachs zu gießen. Das konnte er später noch tun …

Aus diesen Gedanken riß ihn ein Mann, der in die Sauna eindrang und ihm an den Händen und den Füßen Plastikfesseln anlegte, bevor er überhaupt verstand, wie ihm geschah. Mit einer weiteren Fessel fixierte der Einbrecher Lindenthals Hals an der Saunabank.

»Wer sind Sie?« wollte er fragen, doch die Halsfessel engte ihn zu stark ein. Auf der Zunge lagen ihm noch viele weitere Fragen, die er nicht mehr stellen konnte: »Was wollen Sie von mir? Wieso machen Sie das? Geht es um Geld? Muß ich noch beteuern, daß ich dem Phantomzeichner der Polizei gegenüber schweigen werde, obwohl ich Ihr Gesicht gesehen habe? Gehen Sie jetzt weg? Und sind Sie sicher, daß es klug ist, eine Flasche Rapsöl auf die Kohlen zu packen?«

Lindenthal sah richtig: Der Eindringling legte eine Plastikflasche mit einem Liter Rapsöl auf die Kohlen in der Sauna und ging dann hinaus.

Jetzt war Lindenthal klar, was ihm blühte – der gleiche Tod wie einem der Opfer in seinem Roman »Blutiger Westerwald«. Das war in seiner Sauna verbrannt, nachdem der Mörder es gefesselt und von außen einen schweren Grabstein an die Tür gelehnt hatte, damit sie sich von innen nicht mehr öffnen ließ. In Lindenthals Roman hatte der Mörder sich durch das Sichtfenster in der Tür alles freudig angesehen:

»Stirb, du Schwein«, dachte Rogowski und weidete sich daran, wie Leonhards Haut kross wurde und in Flammen aufging. Es war lustig, die einzelnen Feuerstellen aufspringen zu sehen, während das Leben in Leonhards Augen erlosch …

Als Lindenthal die Plastikflasche schmelzen sah, gab er sich selbst noch zwei Sekunden.

Der Plopplaut, mit dem das Öl explodierte, klang bescheiden, aber das Feuer röstete Lindenthals Haut von der Stirn bis zu den Knien, und der Brand, der darauf folgte, verzehrte ihn bis auf die Knochen.

»Das kann kein Einzeltäter gewesen sein«, sagte Hauptkommissarin Elke Farian, als sie das Meßergebnis prüfte. Der Grabstein, den der Mörder an die Saunatür gelehnt hatte, wog neunzig Kilogramm. »Wie soll jemand ganz allein einen derartig schweren Stein die Kellertreppe runtergetragen haben? Und man klaut auf dem Friedhof auch nicht eben mal so einen Grabstein von diesem Kaliber, wenn man nicht mindestens einen Komplizen hat …«

Oberkommissarin Anna Schubert nickte und signalisierte mit zwei Fingern vor dem Mund ihr Interesse an einer Zigarettenpause.

»Gut«, sagte Kommissarin Farian. »Laß uns rausgehen.«

Neben dem Eingang des Gebäudes stand zu diesem Zweck ein sandgefüllter Betonkübel bereit, der nur unregelmäßig geleert wurde. Wer unbedingt rauchen will, schien dieses Ding zu besagen, der kann es zwar tun, doch er soll sich bloß nicht einbilden, daß er oder sie einen hübscheren Aschenbecher verdient hätte.

Die beiden Frauen rauchten eine Weile stumm vor sich hin. Dieser Mordfall bot ihnen viel Stoff zum Nachdenken. Nicht einmal ein Augenbrauenhärchen schienen die Täter in dem Haus zurückgelassen zu haben. Nur den Grabstein und ein paar Scherben auf dem Fußboden vor der Terrassentür. Und was nicht verbrannt war, hatten die von Lindenthals Nachbarn alarmierten Feuerwehrleute geflutet oder zertrampelt. Und kein Mensch hatte irgendwen kommen oder gehen sehen. Es war genau wie in Lindenthals Krimi: eine verkohlte Leiche in der Sauna und keine einzige heiße Spur.

»Und was macht deine Urlaubsplanung?« fragte Kommissarin Schubert. »Mecklenburger Seenplatte oder wieder Schiermonnikoog?«

»Weder noch. Mein Mann will ins Gebirge …«

Dann wurde Kommissarin Farian ans Telefon gerufen.

»Guten Tag, Frau Kollegin. Hauptkommissar Gerold hier aus Uelzen. Ich hab von Ihrem Fall in Hachenburg gehört. Ist Ihnen bekannt, was bei uns in Bad Bevensen passiert ist?«

»Nein. Überraschen Sie mich.«

Er setzte sie ins Bild.

»Das sind wirklich ganz erstaunliche Parallelen«, sagte Kommissarin Farian. »Und wie kommen Sie voran?«

»Keinen Millimeter. Der Kerl ist ein Phantom.«

»Sie gehen davon aus, daß es nur einer ist?«

»Es ist mir bereits ein Rätsel, wie ein einziger Mensch so wenige Spuren hinterlassen kann. Bei zwei oder drei Tätern würde das schon an ein Wunder grenzen.«

»Vielleicht haben wir’s in Hachenburg ja mit einem Nachahmungstäter zu tun.«

»Möglich ist alles. Das mit den Glasaugen haben wir allerdings nicht an die Öffentlichkeit gegeben.«

»Sehr vernünftig. Halten Sie mich bitte auf dem laufenden über Ihre Ermittlungen.«

»Eine Hand wäscht die andere«, sagte Kommissar Gerold.

SoKo Heidefieber

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