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Einleitung
ОглавлениеKinder wachsen in einer Umwelt auf, die durch ein umfangreiches Angebot medialer Möglichkeiten gekennzeichnet ist. Die Palette der Medien reicht von Büchern und anderen Schreib- bzw. Druckmedien über auditive, visuelle und audiovisuelle Medien bis zu den digitalen Möglichkeiten. Aufgrund der digitalen Technik sind Medien praktisch an jedem Ort und zu jeder Zeit mit attraktiven Angeboten und Werkzeugen verfügbar. Als Beispiel dafür kann das Smartphone gelten. Es hat sich vom mobilen Telefon zu einem Universalgerät entwickelt, das auch für viele Kinder zu einem wichtigen Begleiter geworden ist. Mit seinen akustischen und optischen Möglichkeiten spricht es Kinder in vielfältiger Weise an. Dabei kommt es – wie auch andere Medien – den kindlichen Bedürfnissen nach Sinneserregung und Erkundung der Umwelt, nach Spannung und Entspannung sowie nach Orientierung und nach sozialem Eingebundensein entgegen. Aus der Wechselbeziehung von medialen Möglichkeiten und kindlichen Bedürfnissen ergeben sich mannigfaltige Formen der Mediennutzung. Beispielsweise lassen sich Medien zum Anschauen lustiger und spannender Geschichten, zur Suche nach interessanten Informationen und zum Lernen, zum Spielen und zu weiteren Formen der Unterhaltung, zur Herstellung eigener Fotos oder Videos und zum Austausch mit Freundinnen oder Freunden nutzen. In solchen Zusammenhängen entstehen einerseits Chancen, andererseits aber auch Risiken für die kindliche Entwicklung. Deshalb ergibt sich schon in der Familie und in der Kita und dann besonders in der Grundschule die Anforderung, Kinder zu einem verantwortlichen Medienhandeln anzuregen und sie auf dem Weg dorthin zu unterstützen. Dies umfasst sowohl Bemühungen, Kinder vor Gefährdungen durch problematische Medienangebote zu schützen, als auch Bestrebungen, Kinder zum Erwerb von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten anzuleiten, die es ihnen ermöglichen, vorhandene Angebote sinnvoll zu nutzen und eigene mediale Beiträge zu erstellen. Mit Blick auf die gegenwärtige und zukünftige gesellschaftliche Situation ist davon auszugehen, dass es für die Persönlichkeitsentwicklung und für die Teilhabe am sozialen Leben immer wichtiger wird, die »Sprache« der Medien angemessen zu verstehen und sich in dieser »Sprache« ausdrücken zu können sowie Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten und die Medienlandschaft mit ihren digitalen Grundlagen und ihren Bedingungen – soweit es jeweils in entwicklungsbezogener Hinsicht möglich ist – zu durchschauen.
Insgesamt bedürfen der Erwerb eines entsprechenden Wissens und Könnens sowie die Entwicklung eines förderlichen Umgangs mit den medialen Möglichkeiten einer erzieherischen und bildungsbezogenen Begleitung und Einflussnahme durch Eltern, Erzieherinnen, Erzieher und Lehrpersonen. So ergeben sich auch für die Grundschule bedeutsame Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Feld der Medien. Dies gilt umso mehr, als Erziehung und Bildung mit der Weltbegegnung und Weltaneignung von Kindern verbunden sind und wesentlich durch Medien beeinflusst werden. In diesem Sinne gehören Medienerziehung und Medienbildung zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Grundschule. Dabei lässt sich Medienerziehung schwerpunktmäßig durch den Versuch einer Einflussnahme auf die Bereitschaft bzw. den Willen zu einem sozial verantwortlichen Verhalten in Medienzusammenhängen kennzeichnen, während bei der Medienbildung die Förderung der geistigen Entwicklung im Zusammenhang mit der Aneignung medienbezogenen Wissens und Könnens und eines entsprechenden Handelns im Mittelpunkt steht. Allerdings gibt es zwischen beiden Bereichen vielfältige Überschneidungen und Übergänge. Beispielweise sollten Bemühungen um ein sozial verantwortliches Verhalten damit verbunden sein, für Kinder Einsichten in medienrelevante Zusammenhänge zu ermöglichen, und gleichzeitig ist es wünschenswert, dass sich medienbezogenes Wissen und Können auch in sozial verantwortlichem Verhalten ausdrückt. Wegen der Überschneidungen und Übergänge zwischen beiden Begriffen – die sich im Übrigen auch in der allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Diskussion widerspiegeln – erfolgt in diesem Buch keine strikte Trennung zwischen Erziehungs- und Bildungsaufgaben. Vielmehr werden beide Begriffe gemeinsam verwendet, ebenso wie die Bezeichnungen Medienerziehung und Medienbildung.
Vor diesem Hintergrund wird in Kapitel 1 – ausgehend von der Mediennutzung von Kindern – der Blick auf Medienausstattungen und auf Nutzungszusammenhänge gerichtet. Dabei kommen generelle Chancen und Risiken der Mediennutzung zur Sprache. In Kapitel 2 geht es um die Frage, durch welche Bedingungen das Medienhandeln von Kindern beeinflusst wird. Als Bedingungen werden situative Gegebenheiten im Rahmen der Lebenssituation, Bedürfnisse von Kindern und damit verbundene Emotionen, Erfahrungen und Wissen sowie der Entwicklungsstand in intellektueller und sozial-moralischer Hinsicht angesprochen.
In Kapitel 3, 4 und 5 sollen diese Bedingungen des Medienhandelns entfaltet und hinsichtlich ihrer Bedeutung für Erziehungs- und Bildungsaufgaben in der Grundschule besprochen werden. Die Überlegungen münden in Kapitel 6 in den Entwurf eines Konzepts für die Medienerziehung und Medienbildung ein. Bisherige Konzepte werden thematisiert und zu einem tragfähigen Konzept weitergeführt. Das entsprechende Konzept wird – mit Bezug auf die vorhergehenden handlungs- und entwicklungstheoretischen Überlegungen – hinsichtlich seiner Zielvorstellungen und Inhaltsbereiche sowie bezüglich zu bedenkender Formen und Bereiche der Mediennutzung sowie im Hinblick auf wünschenswerte Vorgehensweisen ausgefächert.
In Kapitel 7 und 8 sollen verschiedene nutzungs- und inhaltsbezogene Aufgabenfelder von Medienerziehung und Medienbildung und ihre Umsetzung in Unterrichtseinheiten und Projekte thematisiert werden. Dabei geht es zugleich um Konkretisierungen im Sinne eines erkundungs-, problem-, entscheidungs-, gestaltungs- und beurteilungsorientierten Vorgehens.
Da Medienerziehung und Medienbildung als fächerübergreifende Aufgaben der Grundschule gelten, sollen in Kapitel 9 Anregungen für die Entwicklung schulspezifischer medienpädagogischer Konzepte unter Beteiligung mehrerer Fächer gegeben werden. In der Fortführung sind in Kapitel 10 Überlegungen zur notwendigen medienpädagogischen Kompetenz und zu Konsequenzen für die Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen zu diskutieren.
Da die Grundschule in den meisten Bundesländern vier Jahre umfasst, ist das Buch schwerpunktmäßig an der vierjährigen Grundschule orientiert. Allerdings gelten die meisten Überlegungen gleichermaßen für die sechsjährige Grundschule. Gegebenenfalls können Beispiele, die für die Jahrgangsstufen drei und vier möglich sind, auch an die Bedingungen der Jahrgangsstufen fünf und sechs angepasst werden.
Mit dem inhaltlichen und formalen Aufbau werden wichtige Intentionen der Reihe »Grundschule heute« aufgenommen – geht es in der Reihe doch um drängende Zukunftsfragen, die sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung und aus dem Wandel der kindlichen Lebenswelt für die Didaktik und Pädagogik der Grundschule sowie für die Professionalisierung von Grundschullehrkräften ergeben (vgl. das Vorwort der Herausgeberinnen). Dass solche Fragen u. a. mit der Mediatisierung und Digitalisierung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen verknüpft sind, wird sich in den Kapiteln des Buches immer wieder zeigen.
Das Buch ist sowohl für die Ausbildung von Grundschullehrkräften als auch für die Fortbildung gedacht und soll zur Auseinandersetzung mit den behandelten Themen anregen und dabei Hilfen geben. Darauf zielt auch der formale Aufbau des Buches. Jedes Kapitel beginnt mit einem Eingangsbeispiel. Von dort ausgehend werden jeweils grundlegende bzw. wichtige Inhalte behandelt. Am Ende jedes Kapitels finden sich »Hinweise für die Weiterarbeit«, die dazu anregen, das erworbene Wissen zu erproben, anzuwenden und/oder zu vertiefen. Insofern kann das Buch von Studierenden, Referendarinnen und Referendaren sowie Lehrkräften – falls sie möchten – auch als Arbeitsbuch genutzt werden.
Für Anregungen und Unterstützungen beim Schreiben des Buches danke ich zunächst Anna Marie Hauf-Tulodziecki, die mir stets eine wichtige Gesprächspartnerin war und mich bei den Korrekturlesungen unterstützt hat. Besonderer Dank gilt auch Susanne Klingelhöfer für die Durchsicht des Bandes und ihre äußerst hilfreiche Rückmeldung aus schulpraktischer Sicht. Darüber hinaus sage ich Silke Grafe und Bardo Herzig großen Dank. Mit ihnen stehe ich seit vielen Jahre in einem stets anregenden Austausch zu Fragen von Medienerziehung und Medienbildung. Des Weiteren bedanke ich mich sehr herzlich bei Sanna Pohlmann-Rother und Sarah Désirée Lange (als Herausgeberinnen der Reihe) für viele wertvolle Anregungen bei der Überarbeitung des Manuskripts. Auch Alexa Strittmatter sei (als Betreuerin vonseiten des Verlags) für die stets konstruktive Begleitung beim Schreiben dieses Buches vielmals gedankt.
Über Rückmeldungen zum Buch freue ich mich.
Paderborn, im März 2021
Gerhard Tulodziecki