Читать книгу Glanz und Untergang der Familie Napoleons - Gertrude Aretz - Страница 10
II.
ОглавлениеAls das Kaiserreich errichtet wurde, fand Napoleon anfangs keinen größeren Widerspruch als bei Joseph. Er wollte weder den Titel »Kaiserliche Hoheit« noch »Prinz« annehmen und weigerte sich zuerst hartnäckig, zu den Krönungsfeierlichkeiten zu erscheinen. Nichtsdestoweniger wurde seine Eitelkeit einigermaßen befriedigt, als er und seine männlichen Nachkommen zu Thronerben bestimmt wurden. Es war ja nicht anzunehmen, daß Napoleon mit der alternden Josephine Kinder zeugen würde. Joseph führte nun den Titel »Kaiserlicher Prinz« und ward Großwahlherr. Das hinderte ihn jedoch nicht, Napoleons Monarchenwürde bei jeder Gelegenheit lächerlich zu machen. Seine Töchter nannten den Kaiser beharrlich »Erster Konsul«. Die Million Apanage verschmähte Joseph indes nicht. Auch ließ er sich die Einkünfte gefallen, die ihm seine Sinekure als Großwahlherr brachte; sie beliefen sich auf 333.000 Franken im Jahr! Ferner schenkte der Kaiser ihm wiederum 350.000 Franken und das Luxembourgpalais. Und wie gern sah sich der anspruchslose Joseph in dem prunkvollen Galakostüm des Großwahlherrn! Wie gern schmückte er sich mit der weißen, goldbestickten Atlastunika, dem langen, schleppenden, hochroten Mantel, der ebenfalls goldbestickt und mit Hermelin gefüttert war. Beinahe sah er wie ein Krönungsmantel aus!
Die größte Beleidigung aber sah Joseph darin, daß Napoleon Frau Julie zumutete, bei der Krönung mit den Schwestern des Kaisers die Schleppe Josephines zu tragen. Joseph meinte darüber zu Fouché, daß ein solcher Dienst für eine tugendhafte Frau »äußerst peinlich« wäre. Und als Fouché erwiderte, man habe nicht einmal bei Marie Antoinette solche Schwierigkeiten gemacht, sagte Joseph, das sei etwas ganz anderes gewesen. Er hielt also Josephine einer solchen Ehre nicht für wert.
Napoleon hingegen glaubte seinen Bruder groß genug, einer Krone würdig zu sein. Nach den Krönungsfeierlichkeiten bot er ihm die lombardische Königskrone an. Doch ein solcher Plan paßte nicht in Josephs Politik. Er wollte lieber der Erbe des französischen Kaiserreichs als ein lombardischer Fürst und seines Bruders Lehnsmann sein. Außerdem schien ihm die Verpflichtung, die er eingehen sollte, 30 Millionen Hilfsgelder an Frankreich zu zahlen, für die Lombardei zu ungerecht. Schließlich überwog bei ihm wohl auch die Furcht vor der Verantwortlichkeit. Joseph zog ein gemächliches Privatleben vor, in dem er ungestört seinen Neigungen nachgehen konnte. Es war ihm daher höchst unbequem, als nach der Erhebung Napoleons auf den Thron der vertrauliche Ton aufhörte, den der Erste Konsul im Verkehr mit seiner Familie aufrechterhalten hatte. Alles wurde jetzt dem Zeremoniell untergeordnet. Joseph sah sich anfangs eine Zeitlang sogar, infolge seines bescheidenen Ranges, in das entferntest gelegene Vorzimmer versetzt, während die Kinder der verhaßten Josephine, Eugen und Hortense, alle Vorteile kaiserlicher Sprossen genossen. Das kränkte Joseph tief, und er rächte sich dafür. Anstatt, wie Napoleon es wünschte, sich mit der alten Aristokratie zu umgeben, wählte er für seinen Haushalt meist Leute aus der Bürgerklasse oder aus dem einfachen Adel, seine Freunde von früher. Napoleon wußte genau, wo der Wind her wehte. »Sie (seine Familie) sind auf meine Frau, auf Eugen und Hortense, auf meine ganze Umgebung eifersüchtig!« sagte er eines Tages, »Nun, meine Frau hat Diamanten und Schulden, das ist alles. Eugen hat kaum 20.000 Franken Rente. Ich hebe diese Kinder, weil sie immer bemüht sind, mir zu gefallen ... Man behauptet, meine Frau sei falsch, der Eifer der Kinder sei einstudiert. Gut! Es sei. Sie behandeln mich wie einen alten Onkel, und das versüßt mir doch immerhin das Leben. Ich werde alt; ich bin 36 Jahre alt; ich will mich ausruhen.«
Eugen Beauharnais. Nach einem Gemälde von Andrea Appiani
Nichtsdestoweniger bewahrte auch der Kaiser seinem ältesten Bruder, mit dem er die schönsten Jahre seiner Jugend verbracht hatte, die größte Zuneigung. Auf Josephs Haupte sollte, wenn nicht die lombardische, so eine andere Königskrone prangen!
Kurz nach dem glänzenden Siege bei Austerlitz und dem Vertrage von Preßburg, am 31. Dezember 1805, befahl er Joseph, an der Spitze einer Armee in das Königreich Neapel einzufallen. Der König Ferdinand IV. hatte den Vertrag gebrochen, der ihn mit Frankreich verband. Vor ganz Europa hatte Napoleon durch das berühmte Manifest von Schönbrunn am 27. Dezember 1805 erklärt, daß die Bourbonen von Neapel aufgehört hätten, über diesen Teil in Italien zu regieren.6 Er war fest entschlossen, diesen Thron seinem Bruder zu verleihen. Denn bereits am 19. Januar 1806 schrieb er an Joseph: »Ich will auf diesem Thron einen Prinzen meines Hauses haben; am liebsten Sie, wenn es Ihnen zusagt; wenn nicht, dann einen andern.«
Vorläufig ernannte der Kaiser seinen Bruder Joseph zum Divisionsgeneral und zu seinem »Lieutenant général«, ein Titel, der ganz neu geschaffen wurde und ihm den Oberbefehl über Napoleons Marschälle verlieh. Masséna, der bis dahin das Kommando über die Armee in Italien geführt hatte, war über diese Maßnahme des Kaisers außer sich vor Ärger. Jetzt sollte er sich den Befehlen eines Mannes unterordnen, der noch bis vor kurzem Oberst eines Linienregiments gewesen war! Aber Joseph war diesmal so einsichtsvoll und folgte den klugen Ratschlägen eines so erfahrenen Soldaten wie Masséna; des Kaisers Bruder ließ es sich gefallen, nur dem Namen nach den Oberbefehl zu führen, übrigens erforderte auch der Marsch nach Neapel keine allzu schwierige Strategie. Es war mehr ein militärischer Spaziergang, den Joseph am 8. Januar mit 40.000 Franzosen in das Königreich unternahm. Der Papst unterstützte ihn dabei nach Möglichkeit. Joseph hatte Pius VII. am 25. Januar in Rom persönlich gesprochen und von ihm das Versprechen erhalten, seinen Truppen den Durchzug durch die römischen Staaten zu erleichtern. Auf diese Weise ging alles glatt von statten. Capua öffnete ihm nach schwachem Widerstand die Pforten. Nachdem Reynier bei San Lorenzo, Lago Negro und Campo Jenese gesiegt, und die königliche Familie sich nach Leerung aller öffentlichen Kassen nach Sizilien eingeschifft hatte, zog Joseph am 15. Februar 1806 unter den Klängen der Musik, dem Läuten aller Glocken und dem Donner der Kanonen in die neapolitanische Hauptstadt ein. Nur die Festung Gaeta hielt noch unter den Befehlen des tapferen Prinzen Ludwig von Hessen-Philippsthal stand.
Die Bewohner Neapels begrüßten Joseph wie einst die Italiener den General Bonaparte als den Befreier von fremdem Joche. Im Lande selbst waren die Meinungen geteilt. Die höheren Stände waren ihm günstig gesinnt, die Patrioten freuten sich auf die Repressalien, die sie nun ausüben konnten, und die Volksmenge zeigte sich entweder mißtrauisch oder gleichgültig.
Joseph hielt sich nicht lange in der Hauptstadt auf. Er wollte sich persönlich von dem Zustande des Landes überzeugen und gegebenenfalls einen Ausfall nach Sizilien unternehmen. Er setzte sich daher mit einem vom General Lamarque befehligten Korps in Marsch, überall aber mußte er Verfall und Elend sehen. Der reiche, fruchtbare Boden lag brach, und die Bewohner dieses sonnigen Landes waren in Lumpen gehüllt. Die Kassen waren leer, die militärischen Vorräte weggeschleppt und die Beamten entflohen. Es gab hier vieles zu ordnen, vieles besser zu machen. Joseph hatte jetzt wirklich den besten Willen dazu. Aber es fehlte ihm die große Tatkraft, die sein Bruder in so hohem Maße besaß, und die unbedingt nötig gewesen wäre, um wirklich Ordnung zu schaffen.
Während dieser Reise durch das eroberte Land erhielt Joseph den Beschluß vom 30. März, der ihn zum König von Neapel ernannte. Und diesmal weigerte er sich nicht, die Krone anzunehmen. Er verfehlte jedoch nicht, bei dieser Gelegenheit ganz besonders hervorzuheben, daß seine Neigungen viel mehr dem ruhigen Bürgerleben zustrebten.
Napoleon gab seinem Bruder mit dieser Krone, der besten, die er zu jener Zeit zur Verfügung hatte, einen neuen Beweis seines Vertrauens. »Ich gebe«, sagte er zu Miot de Mélito, »meinem Bruder eine schöne Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Möge er weise und mit Festigkeit in seinen neuen Staaten regieren! Möge er sich allem, was ich ihm gebe, würdig zeigen!« Neapel nahm in der Tat damals einen Hauptplatz in den Plänen des Kaisers ein. Es sollte die Grundlage großer Projekte werden, die bereits seit Ägypten in dem Hirn des Eroberers gärten. Neapel sollte ihm die Möglichkeit verschaffen, das Mittelmeer zu beherrschen, um dann auf Ägypten, Persien und Indien zu wirken.
Es schien, als wolle der neue König sich die Ratschläge Napoleons ernstlich angelegen sein lassen. Als er am 11. Mai in seine Hauptstadt zurückgekehrt war, beschäftigte er sich vor allem damit, die Ordnung in der Verwaltung des Landes herzustellen und den Wohlstand zu fördern. Dabei gedachte er dies möglichst ohne Schädigung des Volkes selbst zu tun, indem er sich die nötigen Gelder von Napoleon vorschießen ließ. Der Kaiser war natürlich anderer Meinung und wollte, daß Joseph alle Hilfsquellen aus dem Lande selbst zöge. In seinen Augen verfuhr der neue König von Neapel viel zu milde und gutmütig als Herrscher. Napoleon kannte die Völker: wünschte man ihre Liebe zu erringen, so mußte man sie mit Strenge regieren. »Nicht mit Schmeicheleien und Sanftmut gewinnt man die Völker«, schrieb er ihm einmal; und ein andermal riet er ihm, alle widerspenstigen Lazzaroni niederschießen zu lassen. Damit aber war Josephs sanfter Sinn nicht einverstanden. Er wollte ein gütiger König sein und sich die Liebe seines Volkes durch Milde erringen.
Endlich hatte sich auch am 18. Juli die Festung Gaeta ergeben, aber von einer Expedition nach Sizilien mußte Joseph vorläufig absehen. An der Straße von Messina hatten sich alle feindlichen Kräfte gesammelt. Alle Fahrzeuge bis auf die kleinsten Boote, lagen dort kampfbereit. Ein Durchdringen wäre unmöglich gewesen. Er mußte daher dieses Unternehmen auf einen günstigeren Augenblick verschieben.
Im großen und ganzen war Josephs Regierung in Neapel, trotz mancher Fehler, die dem unerfahrenen König unterliefen, eine gute. Wenigstens zeigte er jetzt den besten Willen, zum Wohle seines Landes zu handeln. Er war in Neapel auch nicht ganz so abhängig von Napoleon, wie man es immer dargestellt hat. Er war weder ein Scheinkönig noch ein bloßer Präfekt. Er wählte stets seine Minister nach eigenem Gutdünken; niemals hat Napoleon ihm einen Beamten aufgedrungen. Der Kaiser hatte trotz manchen Tadels Vertrauen zu Joseph. Natürlich verlangte er auch viel von ihm. Immer wieder rüttelte er ihn aus seiner Güte und Nachsicht auf. Immer wieder warnte er ihn, seinen neapolitanischen Beamten zuviel Vertrauen zu schenken. So schrieb er ihm am 30. Juli 1806: »Ganz Europa wird Sie als König von Neapel und Sizilien anerkennen. Wenn Sie aber keine strengeren Maßnahmen treffen als die bisherigen, so werden Sie in dem ersten Kontinentalkriege schändlich entthront werden. Sie sind zu gut, besonders für das Land, in dem Sie sich befinden ... Wenn Sie sich zu einem schwachen König machen, wenn Sie nicht mit fester und entschlossener Hand die Zügel der Regierung führen, wenn Sie auf die Meinung des Volkes hören, das nur das weiß, was es wissen will, wenn Sie die alten Mißbräuche nicht auf eine Weise abschaffen, daß Sie dabei zu Reichtum gelangen, wenn Sie nicht derartige Auflagen erheben, daß Sie in ihren Diensten Franzosen, Korsen, Schweizer und Neapolitaner unterhalten können, so werden Sie im ganzen Leben nichts erreichen. Und in vier Jahren, anstatt mir nützlich zu sein, werden Sie mir schaden!« Leider beging Joseph sowohl in Neapel als auch in Spanien den Fehler, zu glauben, er habe mit dem Titel »König« schon seine Pflicht als solcher erfüllt. Napoleon hingegen wußte nur zu gut, daß das eben nur ein Titel war und man sich den Thron auf ganz andere Weise, durch Taten und Arbeit erhalten mußte.
In militärischen Fragen, die der Kaiser besser verstand als der unerfahrene Joseph, wollte Napoleon natürlich, daß seine Ratschläge unbedingt befolgt würden. Aber gerade darin maß der neue König sich Kenntnisse bei, die er nicht besaß, und richtete so die heilloseste Verwirrung an. Am meisten empörte es den Kaiser, wenn Joseph, der sich in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber zu Befehlen berechtigt glaubte, solche erteilte, die denen Napoleons oder seiner Politik entgegen waren. »Ich kann Ihnen nur meine Unzufriedenheit beweisen«, zürnte er am 31. Juli 1807, »daß Sie in meine Armee neapolitanische Offiziere einreihen ... Es ist eine seltsame Politik, meinen Feinden Waffen in die Hände zu geben!«
Den schlimmsten Tadel Napoleons zog sich Joseph zu, als er eines Tages die römischen Kardinäle wieder umkehren hatte lassen. In diesem Zornesbrief des Kaisers vom 25. März 1808, der sich weder in den Memoiren Josephs noch in der Korrespondenz Napoleons befindet, heißt es unter anderem: »Wenn Sie Europa Ihre Unabhängigkeit zeigen wollten, so haben Sie eine sehr dumme Gelegenheit dazu gesucht ... Sie können wohl König von Neapel sein, aber ich habe auch ein wenig das Recht dazu, da zu befehlen, wo ich 40.000 Mann stehen habe. Warten Sie, bis Sie keine französischen Truppen mehr in Ihrem Königreich haben. Dann können Sie Befehle erteilen, die den meinigen entgegen sind. Aber ich rate Ihnen, dies nicht oft zu tun!«
Nach solchen Wutausbrüchen könnte man allerdings meinen, Joseph habe immer die Knute des Bruders fürchten müssen. Aber gerade als er König von Neapel war, trifft diese Behauptung nicht zu. Joseph war kein selbständiger Charakter; er mußte in gewisser Beziehung geleitet werden. Und dennoch war er freier als irgendeiner seiner Brüder und Schwäger auf seinem Throne. Immer wieder gab der Jüngere und Mächtigere dem Älteren und Schwächeren nach. Man lese nur auch, was Napoleon Lobenswertes über die Regierung seines Bruders in Italien schreibt, und wie er seinen Tadel begründet. »Ich bitte Sie, überzeugt zu sein«, heißt es in einem Briefe aus dem Jahre 1806, »daß ich, wenn ich auch Ihre Handlungen bisweilen tadele, doch vieles anerkenne, was Sie getan haben. Mit Vergnügen sehe ich, welch großes Vertrauen Sie dem vernünftigen Teile des Volkes einflößen.« Oder, wenn Joseph sich beklagte, für ihn nicht mehr der Bruder von ehedem zu sein, so schrieb ihm Napoleon wohl: »Es ist sehr natürlich, daß man mit 40 Jahren nicht mehr so empfindet wie mit 12 Jahren. Aber ich habe für Sie jetzt echtere, stärkere Gefühle: meine Freundschaft für Sie kommt aus der Seele.«
Joseph hatte es in der Tat verstanden, sich das Vertrauen seiner Untertanen zu gewinnen. Sogar die vorher Bevorzugten, wie der Adel und die Geistlichkeit, waren über die mäßige und gerechte Regierung des Königs des Lobes voll. Sein erster Minister Roederer schrieb im Jahre 1808 an seine Gattin: »Das Ergebnis seiner Regierung wird ein für ihn ehrenvolles sein. Er hat in allen großen Dingen Festigkeit, in allen nützlichen Unternehmungen Beständigkeit gezeigt und hier den Keim zu neuem Gedeihen, zu neuer Größe gelegt!« Wenn auch ein wenig zu begeistert, so sind doch die Aussprüche Roederers zum Teil gerecht. Selbst Napoleon gab in jener stürmischen Unterredung mit diesem Minister vom 11. Februar 1809 zu, daß Joseph in Neapel sein Bestes geleistet hätte.
Nichtsdestoweniger aber schalt und tadelte er unaufhörlich den König; er wußte, daß Joseph, wenn er ihm die Zügel zu locker ließ, nicht mehr das gleiche leisten würde. Unaufhörlich drängte er ihn auch, sich Siziliens zu bemächtigen, sowie Korfu durch eine Flotte zu decken. Solche Rüstungen kosteten viel Geld, das der König nicht aus dem Lande erheben konnte. Dadurch war er immer wieder gezwungen, Napoleons Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der kaiserliche Schatz, der Kronschatz und die Amortisierungskasse Frankreichs bezahlten jährlich mehrere Millionen an Neapel. Dazu kam noch das eigene Luxusbedürfnis des Königs, das sich von Tag zu Tag steigerte. Er leistete sich eine äußerst kostspielige Leibgarde, stiftete aus Eitelkeit gern Orden und Schenkungen usw. Im Februar 1808 gründete er den Orden beider Sizilien mit einer Rente von 100.000 Dukaten, obgleich er Sizilien nie besaß. Er war allerdings ganz König und wußte vornehm aufzutreten. Nichts verriet an ihm den Emporkömmling. Sein Luxus, seine Prachtentfaltung waren nicht aufdringlich. Joseph selbst war von Natur aus liebenswürdig, huldvoll, nicht hochmütig; kurz er benahm sich so, als hätte er sein ganzes Leben lang auf dem Throne gesessen. Seine Ritterlichkeit den Frauen gegenüber war wie die der alten Könige von Frankreich: etwas gekünstelt und geziert, aber vornehm und taktvoll. Jeden Abend empfing er in seinem Salon die schönsten, jüngsten und anmutigsten Damen der alten Aristokratie von Neapel. Sie brauchten Seiner Majestät nicht, wie die Etiquette es vorschrieb, die Hand zum Gruße zu küssen, sondern der König selbst begrüßte sie zuerst mit einem huldvollen Neigen des Kopfes und ein paar liebenswürdigen Worten für eine jede. Er war ein großer Frauenliebhaber, aber seine Liebschaften entbehrten nicht, wie so oft bei Fürsten, des Idealen. Er wußte seine Gefühle in zarte Worte zu kleiden und seine Wünsche taktvoll zu umschreiben. Er befahl nicht wie ein König, sondern bat wie ein Mensch. So schreibt er an eine seiner Freundinnen, wahrscheinlich an die Herzogin von Atri: »Seit ich Dich kenne, sind ebenso viele Monate wie Tage vergangen. Seit gestern scheint mir jede Stunde aus 60 Monaten zu bestehen ... Es ist für meine Ruhe unbedingt nötig, daß ich Dich nicht sehe, ehe Du mir geantwortet hast. Ich muß, wenn ich zum erstenmal wieder die Augen zu Dir erhebe, mich unbefangen gegen die Beleidigungen und den Verdacht verteidigen können, und zwar ganz allein vor Dir, meine einzige, unumschränkte Herrin!«
Ein König, der so demütig mit den Frauen redete, mußte ihnen gefallen. Aber sie kosteten ihn auch viel Geld, denn Joseph war freigebig gegen seine Freundinnen. Nichtsdestoweniger war er ein guter Familienvater. Seine Ehe mit Julie war glücklich, und er liebte seine Kinder zärtlich. Die Königin war endlich im März 1808 mit ihren Töchtern zu dem Gatten gereist und erwarb sich bald die Liebe und Achtung der Neapolitaner. Leider ward ihre Ankunft in Neapel durch einen Mordanschlag auf den König, den zweiten während seiner Regierung, getrübt, der jedoch noch rechtzeitig verhindert wurde.
Julie war nicht geeignet, eine königliche Rolle zu spielen. Sie fühlte sich auf dem Throne nicht wohl. In der Öffentlichkeit war sie schüchtern und zaghaft, so daß manche sie für dumm und ungebildet hielten. Das aber war sie keineswegs; im Gegenteil, sie hatte einen sehr scharfen Geist, viel Witz und konnte außerordentlich lustig sein. Aber sie scheute die Etikette und das Hofzeremoniell. Sie wußte, daß sie in den prunkvollen, diamantenbehangenen Hofkleidern nicht gut aussah; sie fühlte sich unbehaglich darin. In der Jugend schon war sie nicht schön gewesen, jetzt aber, als 35jährige Frau, war sie es noch viel weniger. Ihre kleine unscheinbare Gestalt schien wie verwachsen. Um so besser und gütiger war ihr Herz. Sie gab den Armen jährlich aus ihrer eigenen Tasche 20.000 Franken. Ihrem Mann war sie herzlich zugetan. Sie übte einen guten Einfluß auf ihn aus. Trotz ihres häßlichen Äußern war sie doch immer die erste Frau in seinem Herzen, die Mutter seiner Kinder.
Es ist sicher, daß Joseph und Julie gemeinsam in Neapel viel Gutes hätten vollbringen können, wenn ihnen dieser Thron länger beschieden gewesen wäre. Schon begann der König die Früchte seines Wirkens zu ernten. Da rief Napoleon ihn nach Spanien.
Bereits im Dezember 1807 hatte Joseph während der Zusammenkunft mit seinem Bruder in Venedig erfahren, in welch politischer Verlegenheit sich das spanische Königshaus befand. Es war sogar von Napoleon die Möglichkeit ausgesprochen worden, daß Joseph diesen Thron bekommen sollte. Damals hatte sich jedoch der König von Neapel geweigert. Er wollte in seinem Königreich bleiben. Jetzt im Mai 1808, erhielt er von Bayonne aus, wo Karl IV. mit der Königin bei Napoleon weilte, von diesem den Befehl, sich sofort auf Bayonne in Marsch zu setzen. Schweren Herzens brach Joseph am 23. Mai auf. Er trennte sich nur ungern von seiner Familie, die er seit so kurzer Zeit erst wieder bei sich hatte. Wenige Stunden vor Bayonne traf er mit Napoleon zusammen. Der Kaiser setzte ihm die ganze politische Notwendigkeit, die spanische Dynastie vom Throne zu stürzen, auseinander und sagte ihm jetzt unumwunden, daß er ihn für diesen Thron bestimmt habe. Er sei der Junta und auch dem spanischen Volke willkommen. Er dürfe ein solches Angebot nicht abschlagen. Auf einem Thron wie dem spanischen wären zwar viele Hindernisse zu überwinden, aber man könne auch unendlich viel Gutes tun und große Ehren erwerben. Als dann auch die Mitglieder der Junta, die Joseph alle einzeln während seines Aufenthaltes in Bayonne empfing, ihn beschworen, die Krone anzunehmen, siegte des Königs schwacher, gutmütiger Charakter. Er willigte ein. Er gab den Thron von Neapel auf, um den spanischen zu besteigen. Eins, aber machte er sich zur Bedingung: seine Einrichtungen und Reformen in seinem ehemaligen Reiche mußten bestehen bleiben. Die Neapolitaner behielten die Verfassung bei, die der König Joseph ihnen gegeben hatte. Dieser selbst übte, obgleich er König von Spanien war, noch einen Monat lang die Funktionen des Königs von Neapel aus und verfügte über die neapolitanischen Kassen zu seinen Zwecken. Und Murat, der nach ihm diesen Thron einnahm, mußte sich das gefallen lassen!
Es wird oft behauptet, Joseph habe auf seinem Marsch nach Bayonne keine Ahnung gehabt, daß er den spanischen Königsthron besteigen sollte. Dem widerspricht jedoch nicht allein die Tatsache, daß er mit Napoleon, wie bereits erwähnt, schon in Venedig darüber gesprochen hatte, sondern auch eine Unterhaltung des Königs von Neapel mit Girardin in Italien. »Der Kaiser beabsichtigt, mir die spanische Krone aufs Haupt zu setzen«, sagte damals Joseph. – »Und werden Sie sie annehmen?« fragte Girardin. – »Ohne Zweifel. Warum nicht? Aber ich vertraue Ihnen das ganz im geheimen an. Sie dürfen es keinem Menschen verraten.«
Bereits am 6. Juni, obwohl Joseph noch nicht in Madrid angelangt war, hatte Napoleon ihn in der Hauptstadt zum König von Spanien und von Indien proklamieren lassen. Als aber der König am nächsten Tage eintraf, fand er die Bewohner Madrids wegen der Ereignisse des 2. Mai aufs höchste erregt. Das Volk verabscheute diesen aufgedrungenen Herrscher aus tiefstem Grunde seines Herzens. Es herrschte ein aufrührerischer Geist unter der spanischen Bevölkerung. Auf den Landstraßen ermordete man die Franzosen meuchlings. Am 14. Juli schrieb Joseph an seinen Bruder: »Es sind Mörder auf den Landstraßen.« Und einige Tage später, als er Besitz vom Escurial genommen hatte: »In den königlichen Marställen befanden sich 2000 Angestellte. Alle haben zur gleichen Stunde dieselbe Meinung abgegeben und sich zurückgezogen. (Sie wollten dem neuen Könige nicht dienen.) Von gestern morgen 9 Uhr an habe ich nicht einen einzigen Kutscher in allen Ställen auftreiben können. Die Bauern verbrennen die Räder ihrer Wagen, damit sie nicht zu irgendwelchen Transporten genötigt werden können. Sogar die Bedienten, Leute, von denen ich vermutete, daß sie bei mir bleiben würden, haben ihren Dienst verlassen ...« Napoleon wollte die Gefahr nicht sehen. Er tröstete den Bruder mit Phrasen. »Sie haben in Spanien eine große Anzahl Anhänger«, schrieb er ihm am 19. Juli 1808 als Antwort auf die Klagen; »nur sind sie noch zu sehr eingeschüchtert. Aber es sind alles rechtschaffene Leute ... Sie sollten es nicht so außerordentlich finden, Ihr Königreich zu erobern. Philipp V. und Heinrich IV. waren ebenfalls genötigt, das ihrige zu erobern. Seien Sie heiter und lassen Sie sich nicht betrüben. Zweifeln Sie nicht einen Augenblick, daß die Dinge schneller und besser enden werden, als Sie denken.«
Joseph konnte nur hoffen. Auf seine guten Absichten bauend, berief er gleich am nächsten Tage seiner Ankunft in Madrid eine Versammlung aller Stände zusammen. Es erschienen die Abgeordneten der spanischen Granden, die Oberhäupter religiöser Orden, die Mitglieder des Tribunals, die Befehlshaber des Heeres, Kapitalisten und Vertreter der arbeitenden Klasse. Alle Säle des Schlosses waren von einer ungeheuren Menschenmenge angefüllt. Der neue König sprach sich frei und offen über die Ereignisse aus, die ihn nach Spanien führten. Er machte den besten Eindruck auf die Versammelten, obgleich sie nicht alle mit den freundschaftlichsten Gefühlen zu ihm gekommen waren.
Leider wurde dieser erste günstige Eindruck bald darauf durch die Niederlage, die die Franzosen am 22. Juli bei Bailen erlitten, wieder vernichtet. Joseph war darüber wie zerschmettert. Er befand sich beim Heere Bessières', als der Rückzug auf Burgos unternommen wurde.
Inzwischen hatte General Junot Portugal räumen müssen. Nun, da alle englischen und portugiesischen Streitkräfte zur Verfügung standen, fluteten die spanischen Heere von allen Seiten gegen die französischen Armeen. Der König schrieb die verzweifeltsten Briefe an seinen Bruder und beklagte sich, daß er hier in Spanien mit Elementen zu kämpfen habe, die über seine Kraft gingen. Napoleon fand immer wieder Worte des Trostes; nie machte er Joseph wegen der Ereignisse Vorwürfe. Die Niederlagen des Heeres waren die Schuld der Führer; nur auf diese fiel der Zorn des Kaisers.
Erst im November konnten die Franzosen wieder die Offensive ergreifen. Napoleon war selbst Anfang dieses Monats nach Spanien geeilt, um den Oberbefehl über seine Heere zu übernehmen. Nachdem er mit seinem Bruder am 5. November in Vitoria zusammengetroffen war, wußte er, was er von ihm als Feldherrn zu erwarten hatte. »Ich habe den König vollkommen verändert gefunden«, sagte er. »Er hat den Kopf verloren. Er ist ganz König geworden. Er wünscht, daß man ihm schmeichle. Er hat Geist und schätzt mich sehr, das weiß ich; dennoch verzeiht er es mir nicht, wenn ich ihm die Wahrheit sage. Ich habe ihm gesagt, er wäre kein Soldat, und es ihm sogar bewiesen. Er konnte den Beweisen nicht standhalten, und doch ist er im Grunde seines Herzens beleidigt. Er ärgert sich über das, was ich ihm gesagt habe. Sein Generalstabschef Jourdan gibt ihm schlechte Ratschläge... Der König meint, daß man General ist, sobald man sich anschickt, es zu sein. Er spricht fortwährend von der Laienhaftigkeit des Kommandos ... Der König hat viel Verstand, aber er ist unentschlossen ... Er kennt nicht einmal die Anfangsgründe des Soldatenberufs. Er weiß nicht, was Situationspläne sind.« Hätte sich das der Kaiser nicht früher überlegen müssen, ehe er seinem Bruder einen so verantwortungsreichen Posten übergab?
Sobald Napoleon selbst die Angelegenheiten in die Hand genommen hatte, taten sich nach den Schlachten von Burgos, Judella und Somo Sierra die Tore Madrids wieder auf, und der König Joseph konnte am 22. Januar 1809 von seiner Hauptstadt wieder Besitz nehmen. Auf seine inständigen Bitten hin hatte ihm Napoleon von neuem das Kommando über das Heer erteilt, denn er selbst mußte sich eiligst nach Deutschland begeben, um den Österreichern die Spitze zu bieten.
Die ersten militärischen Ereignisse unter den Befehlen des Königs waren vom Glück begünstigt. Mit Generalen wie Victor, Soult, Sébastiani, Mortier, Junot, Ney, Gouvion Saint-Cyr, Lannes, Kellermann u. a. war es schließlich auch nicht schwer, Siege zu erringen. Lannes hatte Zaragoza erobert. Victor schlug den Feind bei Medelin, und Joseph selbst zwang die Spanier unter Venegas, hinter die Sierra Morena zurückzugehen. Dann folgte die blutige, aber unentschiedene Schlacht bei Talavera, der zufolge der Feind den Zug nach Madrid aufgab. Der Erfolg der Franzosen bei Almonacid am 11. August vernichtete noch vollends alle Pläne der Spanier.
Josephs Eitelkeit hatte jetzt den höchsten Grad erreicht. Er machte aus jedem Gefecht eine blutige Schlacht, aus dem geringsten Erfolg den glänzendsten Sieg. Nachdem er einen großen Teil der Provinz La Mancha durcheilt hatte, konnte er getrost in seine Hauptstadt zurückkehren. Den französischen Soldaten dankte er nach dem Vorbilde seines Bruders mit den Worten: »Soldaten! Ihr habt meine Hauptstadt gerettet. Der König von Spanien dankt euch dafür. Ihr habt mehr getan: der Bruder eures Kaisers sieht vor euren Adlern den Erbfeind der Franzosen fliehen!« Das war ganz napoleonisch.
Nichtsdestoweniger zeigte er die besten Absichten, wie einst in Neapel, so auch in Spanien Ordnung zu schaffen. Es lag ihm daran, die vielen geistlichen Orden zu unterdrücken, die allen Fortschritt und alle Aufklärung des Landes lähmten. Er beschäftigte sich mit dem stark in den Kinderschuhen steckenden öffentlichen Unterricht, suchte die zerrütteten Finanzen aufzubessern, den Handel und die Wissenschaften zu beben und traf viele Neueinrichtungen. Dabei vergaß er nicht, sein Augenmerk auf die Vorgänge in Österreich zu richten. Im Fall der Kaiser auf dem Schlachtfelde fiel, war Joseph der mutmaßliche Erbe. Ohne gerade offen zu wünschen, daß dieser Fall eintrete, verfolgte Joseph doch die Kriegsvorgänge sehr aufmerksam.
Aus diesen Betrachtungen wurde er durch die Nachricht gerissen, daß 55.000 Spanier unter Venegas und d'Arizaga von den Höhen der Sierra Morena herab La Mancha bedrohten. Der König entschloß sich, ihnen mit dem Heere Soults entgegenzutreten. Mit 34.000 Franzosen schlug der Marschall den Feind bei Ocana.
Fast zur selben Zeit trugen auch Kellermann bei Alba de Tormes, Suchet in Aragonien und Augereau in Katalonien Siege davon. Josephs Stellung in Spanien schien sich ein wenig zu bessern. Da beschloß der Kaiser durch ein Dekret vom 8. Februar 1810, in Spanien eine Militärregierung einzuführen, d. h. jede Provinz sollte durch einen General verwaltet werden. So regierte Suchet in Aragonien, Soult in Andalusien, Macdonald in Katalonien und Massena in Portugal. Der König selbst blieb gewissermaßen ohne Armee und ohne Macht. Nur in der kleinen Provinz Madrid hatte er noch etwas zu sagen. Das Heer, das er befehligte, belief sich auf kaum 19.000 Mann!
Wie vorauszusehen war, entstand aus einer solchen Regierungsweise die größte Mißwirtschaft. Die verschiedenen Gouverneure wollten sich weder gegenseitig beistehen, noch dem König gehorchen. Und da Joseph dem militärischen Beruf vollkommen fremd gegenüberstand, auch keine moralische Gewalt über seine Heerführer, alles erprobte Soldaten, besaß, so konnte er ihnen in keiner Weise seinen Willen auferlegen. »Ihre fortwährenden Uneinigkeiten legten den Grundstock zum Verluste seiner Krone«, sagt Marbot. Des Kaisers prophetische Worte zu Roederer: »Joseph glaubt, er sei bei der Armee beliebt ... Du lieber Gott! Man liebt ihn wie einen Mann, der jeden Monat 500.000 Franken ausgibt, um seine Bekannten zu bewirten«, gingen jetzt in Erfüllung. Des Königs Generale dachten nichts Gutes von ihm. Keiner seiner Befehle wurde ernst genommen, wenn er nicht vom Kaiser bestätigt war. Und die Streitigkeiten nahmen kein Ende. Die Generale gingen so weit, den König öffentlich zu beschimpfen und ihm das Geld zu stehlen, das Napoleon ihm schickte. Zu alledem mußte Joseph schweigen.
Auch in der Verwaltung der Provinzen kamen große Unterschleife vor. Die Gouverneure arbeiteten sich alle, so viel sie konnten, in die Tasche. Sie erhoben ungeheure Steuern, saugten das arme Volk aus und knechteten es entsetzlich. Nichts war ihnen heilig, weder Überlieferungen noch Religion. Sie waren die Herren. Ihr Wille war die Macht!
Unter solchen Umständen wurde die Regierung für den König zur wahren Last. Seine Lage ward immer mißlicher. Nichts konnte ihn, nicht einmal die Frauen, denen er sein ganzes Leben lang gehuldigt hat, darüber hinwegtäuschen. Er sehnte sich, das fanatische Land, wo er seines Lebens nicht sicher war, zu verlassen. Oft beklagte er es, sein schönes Neapel aufgegeben zu haben. »Niemals«, schrieb er bereits von Bayonne aus am 9. Juni 1808 an seinen Freund Roederer, »niemals hat man das Vaterhaus unter größerem Bedauern verlassen, als ich dieses schöne Land.« Und als er über seine wahre Lage in Spanien im klaren war, da verlangte er fest entschlossen, nach jenem Neapel zurückzukehren. Dort hatte er doch wenigstens eine gewisse Macht als Fürst und auch als General besessen, überdies hatte seine Gesundheit in Spanien infolge der Strapazen und Sorgen gelitten, so daß er im März 1811 bettlägerig wurde. Er war entschlossen, dem spanischen Throne zu entsagen.
Zu diesem Zwecke schickte Joseph zwei seiner Minister, den Herzog von Santa-Fé und den Marques d'Almenara, mit einem Briefe vom 25. April 1811 zum Kaiser. Er teilte ihm unumwunden seinen Entschluß mit, abzudanken, wenn keine Änderung in der Regierungsweise getroffen würde. Seine Bedingungen bestanden in folgendem: 1. Daß die französische Armee unter seine Befehle gestellt werde. 2. Daß er das Recht habe, diejenigen Offiziere zu verabschieden, die sich schlecht aufführten. 3. Daß es ihm erlaubt sei, die Nation über die Veränderung in der Regierung und über die Zerstückelung zu beruhigen. 4. Daß er dem Volke sagen dürfe, was er für dasselbe geeignet halte.
Die Abdankung seines Bruders Joseph lag natürlich nicht in den Plänen Napoleons. Sie kam ihm im Gegenteil höchst ungelegen. Seine Lage war um diese Zeit dermaßen kritisch, daß er auf dem spanischen Thron keinen andern als Joseph wünschen konnte, denn er war ihm am meisten von allen seinen Brüdern geneigt und am gefügigsten. Außerdem wußte Napoleon, daß der König nicht, wie er sagte, auf seinem Landgute Mortefontaine still und zurückgezogen leben, sondern so viel wie möglich gegen ihn im Kreise seiner Feinde intrigieren würde. Und dem wollte er vorbeugen. So vertröstete er Joseph, obgleich er seine schiefe Lage genau kannte, – dafür sorgte schon die Königin Julie, die immer noch in Paris weilte – auch diesmal auf bessere Zeiten, ohne ihm jedoch bestimmte Garantien zu geben. Napoleons Politik verlangte, daß Joseph in Spanien bliebe, und daran ließ er nicht rütteln. Der König war freilich nicht damit zufrieden. Da er nur von Schmeichlern umgeben war, hielt er sich für einen Märtyrer, der ein weit besseres Los verdient hätte. Er war fest überzeugt, daß er nicht allein ein großer General, sondern auch ein großer König von Gottes Gnaden sei, der auf einem andern Thron Wunder verrichtet hätte. Das sollte auch sein Bruder anerkennen. Napoleon aber war anderer Meinung.
Am 23. April 1811 begab Joseph sich nach Paris, um persönlich mit dem Kaiser wegen seiner Abdankung Rücksprache zu nehmen. Offiziell wurde bekannt gemacht, daß der König von Spanien nach der französischen Hauptstadt käme, um der Tauffeierlichkeit des Königs von Rom als Pate beizuwohnen. Das war indes nur ein nebensächlicher Grund zu Josephs Reise.
Am 16. Mai traf er in Rambouillet ein, wo der Hof sich befand. Während einer sechsstündigen Unterredung wußte Napoleon ihn zur Rückkehr in sein Land zu bewegen. Er versprach ihm, die Militärregierungen abzuschaffen. Sie hätten ihren Zweck erreicht, denn England sei gesonnen, Portugal zu räumen, sobald die französischen Truppen Spanien verließen. Es wolle auch den König Joseph anerkennen, wenn ihn das spanische Volk anerkenne und Frankreich seinerseits das Haus Braganza in Portugal gelten lasse. Ferner versprach Napoleon seinem Bruder Hilfsgelder von einer Million Franken monatlich bis Ende des Jahres.
So verließ der König von Spanien nach einem Aufenthalt von vier Wochen, am 16. Juni 1811, Frankreich voller Hoffnungen. Er glaubte bereits alles gewonnen zu haben. Aber es erwarteten ihn noch harte Schläge.
Massena war bereits im März 1811, nachdem er verschiedene Siege bei Almeida, Ciudad Rodrigo und Busaco davongetragen hatte, gezwungen gewesen, sich aus Portugal zurückzuziehen. Nun schürten die Engländer überall durch Truppen und Geldzufuhr den Aufstand. Schon hatten sich mit Hilfe des englischen Goldes neue, mächtige Guerillabanden gebildet. Dazu stand der Bruch Frankreichs mit Rußland bevor, was jede Hoffnung auf ein Abkommen mit England beseitigte. Das Elend in Spanien war ungeheuer. Durch die Rüstungen im Norden war Napoleon gezwungen, seine besten Kräfte, Offiziere wie Soldaten, aus Spanien herauszuziehen, so daß Joseph, als er wieder im April 1812 den Oberbefehl über die gesamten Heere erhielt, nur einen sehr zusammengeschmolzenen Teil brauchbarer Truppen zur Verfügung hatte. Ferner hatte der Kaiser ihm versprochen, ihn mit Geld zu unterstützen. Es ließ jedoch auf sich warten. Die erste Subsidie traf erst nach drei Monaten ein.
Und bei alledem beging der König ungeheure Fehler sowohl in der Heerführung als auch in der Verwaltung. Es war ihm unmöglich, das Land zu pazifizieren. Er vermochte sich weder in der Armee, noch – trotz seines Aufwandes – beim Volke Ansehen zu verschaffen. Joseph war eben nur König. Eines Tages sagte Napoleon zu Roederer: »Wenn der König befiehlt, so glaubt der Soldat nicht befehligt zu sein. Man hat zu ihm genau so viel Vertrauen, wie man in dieser Hinsicht zur Kaiserin haben würde.« Und darin hatte Napoleon recht. Joseph wollte das Herz der Spanier erringen, verlor aber dabei seinen Thron. Das Unglück, das er um sich herum sah, lähmte vollständig seine Willenskraft. Er konnte nur klagen und immer wieder klagen. »Heute bin ich nur noch auf Madrid beschränkt«, schrieb er am 24. Dezember 1811 an seinen Bruder nach Paris. »Das schrecklichste Elend umgibt mich. Meine ersten Beamten sind so weit, daß sie nicht einmal bei sich heizen lassen können. Ich habe alles hergegeben, alles verpfändet – in Paris für eine Million Besitztum, in Madrid die wenigen Diamanten, die mir geblieben. Ich selbst bin dem Elend nahe. Entweder gestatten mir Eure Majestät, nach Frankreich zurückzukehren, oder Eure Kaiserliche Majestät sorgen dafür, daß die Million, die mir vom 1. Juli an monatlich versprochen worden ist, pünktlich gezahlt werde. Mit dieser Unterstützung kann ich mich noch eine Zeitlang hinschleppen, aber ohnedem kann ich nicht länger hier bleiben. Ja, ich würde sogar in Verlegenheit sein, meine Reisekosten zu bestreiten, denn ich habe alle meine Hilfsquellen erschöpft.«
Alle diese Klagen rührten Napoleon wenig. Er wußte genau, daß es Joseph nicht darauf ankam, das Geld anderweitig zu verschwenden. Er wußte z. B., daß der König gewissen Personen in Paris Gehälter und Renten bezahlte, ohne daß sie ihm Dienste leisteten. Er ließ ihn also jammern, übrigens waren Napoleon die Angelegenheiten in Spanien ziemlich gleichgültig geworden; er sah ein, daß das Übel, an dem auch die Regierung seines Bruders ihren Anteil hatte, nicht wieder gut zu machen war. Noch mehr wurde er davon überzeugt, als die Spanier durch die Niederlage der Großen Armee im russischen Feldzug neuen Mut und neue Tatkraft gewannen. Jetzt begriff er, daß Joseph sich nicht mehr in seiner Hauptstadt halten konnte.
Am 14. Februar 1813 erteilte er ihm daher den Befehl, Madrid zu verlassen und sein Hauptquartier in Valladolid aufzuschlagen. Joseph, der es vor einigen Wochen so eilig hatte, wegzukommen, zögerte jetzt aus Widerspruch. Schließlich aber mußte er sich doch am 17. März dazu bequemen. Kaum war die Hauptstadt preisgegeben, als von allen Seiten die Feinde auf die französischen Truppen eindrangen. In Vitoria nahm der König am 21. Juni eine Schlacht an und erlebte seine letzte glänzende Niederlage. Spanien war für Napoleon und Joseph für immer verloren! Dem König blieb nur noch die Flucht. Ohne sich um das Geschick seiner Armee zu kümmern, nur darauf bedacht, sein eigenes kostbares Leben in Sicherheit zu bringen, reiste er, so eilig wie es die Mittel ermöglichten, nach Paris, oder besser nach seinem Schlosse Mortefontaine.
Napoleon weigerte sich, seinen Bruder zu empfangen, und befahl, ihn wie einen Staatsgefangenen zu behandeln. Der König durfte weder Würdenträger noch Staatsmänner noch Politiker bei sich empfangen. Es war ihm verboten, den Fuß nach Paris zu setzen. Der Kaiser hatte sogar an Cambacérès geschrieben: »Im Fall es nötig ist, können Sie zur Ausführung meiner Befehle Gewalt anwenden.« Diese Maßnahmen Napoleons gegen seinen Bruder mögen manchem hart erscheinen, richtig betrachtet aber sind sie es gewiß nicht. Joseph hatte als Oberbefehlshaber seine Armee im Stich gelassen und war in wilder Flucht nach Frankreich geeilt, ohne sich darum zu kümmern, was mit seinen Soldaten geschehen würde. Er hätte vor ein Kriegsgericht gestellt werden müssen. Einem General wäre das nicht erspart geblieben. Statt dessen lebte Joseph zwar streng beobachtet, aber doch ruhig in Mortefontaine im Kreise seiner Familie, spielte den Märtyrer und schob alle Schuld an seinem Unglück Napoleon in die Schuhe.