Читать книгу Gesammelte Werke - Gertrude Aretz - Страница 23
Drittes Kapitel. Erste Heiratspläne
ОглавлениеInzwischen hat Heinrich VIII. bereits seit zwei Jahren sowohl für seinen jungen Sohn als auch für seine damals erst neunjährige Tochter Elisabeth Heiratspläne im Sinn. Im Jahre 1542 starb Jakob V., König von Schottland, und fast gleichzeitig war ihm eine Tochter geboren, die spätere Maria Stuart, die nun Königin von Schottland ist. Die Religionskämpfe der Schotten und Engländer bei Solway, nach denen Jakob von seinem Adel verlassen wurde und er die größte Niederlage seines Lebens erlitt, brachen ihm das Herz. Heinrich VIII. gedachte sofort die ganze Insel unter seine Herrschaft zu bringen. Er glaubte das am besten zu erreichen, wenn er die eben erst geborene schottische Königin Maria mit seinem Sohn Eduard verlobte. Mit achtzehn Jahren oder früher konnte der Prinz heiraten, dann war die kleine Braut zwölf oder dreizehn. Aber schon jetzt verfolgte Heinrich seinen Plan. Um sich die schottischen Großen gefügig zu machen, schenkte er allen in der Schlacht gefangenen vornehmen Schotten die Freiheit. Sie sollten in ihre Heimat zurückkehren und seinen Plan nach Kräften unterstützen. Einige gingen sogar sofort nach London, um dem jungen Prinzen von Wales als zukünftigen Gemahl ihrer noch in den Windeln liegenden Königin zu huldigen.
Für die kleine Elisabeth hält Heinrich VIII. gleichfalls einen dem schottischen Königsthron nahestehenden Mann bereit. Graf Arran wird allgemein als der nächste Erbe der Krone von Schottland betrachtet, obwohl über die Rechtmäßigkeit seiner Geburt Zweifel bestehen. Immerhin führt er nach Jakob des V. Tod die Regentschaft. Es ist indes nicht klar, ob Heinrich damals die Hand seiner Tochter dem jungen oder dem alten Grafen Arran zugedacht hat. Später tritt der junge Arran als Bewerber der Königin Elisabeth auf und wird, wie so viele, von ihrer Politik hin und hergeschoben, ohne dem Ziele näher zu kommen. Jedenfalls berühren sich hier zum erstenmal die Schicksale zweier Königstöchter, deren gegenseitiger Eifersucht später schließlich die eine zum Opfer fiel. Und wie verschieden die Lage der beiden Fürstenkinder, damals und später! Maria Stuart, als Kind mit der höchsten Würde einer Königin geschmückt, die sie dann durch eigene Mißgriffe und Fehler verliert! Elisabeth, die nichtanerkannte, immer noch illegitime Tochter Anna Boleyns, deren Lage damals höchst unbedeutend, ja niedrig ist, die sich indes durch ihren Geist, ihre Klugheit und ihr Glück zur größten Herrscherin Englands emporschwingt.
Es wurde jedoch weder aus der Verlobung des Thronfolgers mit der kleinen schottischen Königin noch aus der Heirat Elisabeths mit dem Grafen Arran etwas. Franz I. von Frankreich vereitelte diese Pläne. Maria Stuart kam schon als Kind an den französischen Hof, und Heinrich II. von Frankreich vermählte die junge Fürstin mit seinem Sohn, dem späteren Franz II. James IV., Graf von Arran aber dachte jedenfalls nicht daran, sich mit der englischen Prinzessin Elisabeth zu verloben. Auch er schloß sich der französischen Partei an. Die kleine Prinzessin blieb unverlobt und hatte später Gelegenheit, selbst Heiratsanträge in Massen abzulehnen, darunter auch James Hamilton, dritten Grafen Arran.
Heinrich VIII. nahm die Kränkung vonseiten des französischen Königs höchst übel. Er beschloß, sich zu rächen. Dazu brauchte er indes einen starken Verbündeten. Er wandte sich sofort an den Kaiser, ungeachtet er lange mit ihm in Feindschaft gelebt hatte, wegen der Scheidung von Katharina von Aragon, die eine Tante Kaiser Karls V. war. Heinrich hatte mit dieser Tat die ganze Familie von Spanien beleidigt. Wenn er jetzt an Karl V. mit einem Bündnis gegen Frankreich herantrat, so war es nicht zu verwundern, daß der Kaiser erst seine Bedingungen stellte. Er verlangte vor allem die förmliche Anerkennung Marias, der Tochter Heinrichs und der spanischen Katharina. Logischerweise konnte Heinrich auf einen solchen Vorschlag gar nicht eingehen, denn er gab dadurch der katholischen Partei seines Landes die Bestätigung, daß seine erste Ehe gültiger sei als die zweite. Da ihm jedoch sehr an dem Bündnis mit dem Kaiser lag, willigte er ein und setzte seine älteste Tochter Maria wieder in die Rechte der Erbfolge ein. Für seine Tochter Elisabeth verwendete sich besonders die Königin in dieser Angelegenheit. Auf alle Fälle trug ihre Fürsprache viel dazu bei, daß auch Elisabeth begünstigt und von diesem Augenblick an ihrem Range gemäß behandelt wurde. Die Einsetzung Marias und Elisabeths zur Thronfolge nach Eduard VI. wurde durch Parlamentsbeschluß im Jahre 1544 bestätigt.
Der Krieg mit Frankreich brachte weder Heinrich VIII. noch Karl V. viel Nutzen. Er endigte mit einem Separatfrieden zwischen Karl V. und Frankreich. Aber die alte Feindschaft wegen der Scheidung Heinrichs von Katharina von Aragon war behoben. Als England im Jahre 1546 mit Frankreich endlich Frieden schloß, dachte Heinrich VIII. an eine Verbindung seiner Tochter Elisabeth mit einem spanischen Prinzen. Es wurden Unterhandlungen angeknüpft wegen einer Heirat der Prinzessin mit Philipp, der später ihr Schwager, in schwieriger Zeit ihr Beschützer, nach Maria Tudors Tod ihr Brautwerber und endlich ihr gefährlichster Feind fürs Leben wurde.
Von allen diesen Heiratsplänen erfährt das Kind Elisabeth gewiß kaum etwas. Sie sind nur in den Köpfen der Diplomaten und Herrscher entstanden und werden wieder fallen gelassen, wenn sich eine andere politische Chance bietet. Elisabeth verlebt nach ihrer Verbannung vom Hofe wieder zwei glückliche Jahre mit ihrem Bruder, bis die Kinder im Dezember 1546 von neuem getrennt werden. Prinz Eduard wird zum Zweck seiner männlichen Ausbildung – er ist neun Jahre alt – nach Hertford in Middlesex gesandt, Prinzessin Elisabeth kommt nach Enfield. Sie wird jetzt ganz auf den Lebensstandard einer königlichen Prinzessin gestellt. Sie hat eine neue Aja, oder besser Gesellschafterin und Freundin, in Lady Ashley erhalten, an die sie ihr ganzes Herz hängt. Beide Kinder leiden indes maßlos unter der neuen Trennung, besonders Eduard. Er vermißt die reizende Gespielin und Schulkameradin. Beim Abschied hat sie ihn getröstet: »Wir schreiben uns oft.« Und es beginnt zwischen den Kindern ein eifrig geführter Briefwechsel in lateinischer oder italienischer Sprache. Die kleinen Prinzenbriefe sind herzlich. Eduard bewundert die Schwester, ihre Kenntnisse, ihre Klugheit, ihre körperliche Gesundheit, ihren sich bereits bemerkbar machenden Willen, ihren vor nichts zurückschreckenden Mut und ihr Selbstbewußtsein, während er selbst körperlich schwach, widerstandslos und zart bleibt.
Da tritt ein Ereignis ein, das über Eduards Schicksal entscheidet und Elisabeth dem Throne wieder ein Stück näher bringt. Heinrich VIII. stirbt in der Nacht vom 27. zum 28. Januar des Jahres 1547. Wenige Wochen sind seit der Trennung der Kinder verflossen, nun vereint sie der Tod des Vaters aufs neue. Man weiß nicht, ob der Verlust des Vaters auf das dreizehnjährige Mädchen erschütternd gewirkt hat. In einem Briefe an den Bruder hofft sie, ihn mit »philosophischer und christlicher Ergebenheit« zu tragen. Stärker scheint bei ihr die Freude des Wiedersehens mit Eduard zu sein. Der junge König wird vorerst zu seiner Schwester nach Enfield gebracht, ehe er in London den Tower bezieht, wo er gekrönt wird. Als König ist sein erster Gedanke: Elisabeth, die Lieblingsschwester! Er ruft sie und sie eilt zu ihm, nicht mehr als die vom Throne Verstoßene, sondern als beinahe Gleichberechtigte, ebenso wie die älteste, Maria. Denn Heinrich hat nicht nur seine beiden Töchter für die Erbfolge wieder anerkannt, sondern auch in seinem Testament einer jeden eine Jahresrente von 3000 Pfund zugesprochen und ihnen eine Ausstattung von 10.000 Pfund zugesichert. Doch es ist eine Bedingung an dieses Vermächtnis geknüpft: beide Prinzessinnen dürfen sich nur mit Zustimmung des Königs und seiner Räte verheiraten! Über die legale Geburt Elisabeths steht nichts im Testament.