Читать книгу Das neue Herz der Weisheit - Geshe Kelsang Gyatso - Страница 22

Оглавление

DIE ERKLÄRUNG DER TIEFGRÜNDIGKEIT DES ENDGÜLTIGEN DER ANHÄUFUNG VON FORM

«Form ist leer»

Die Tiefgründigkeit des Endgültigen der Anhäufung von Form ist die Leerheit von Form. Das bedeutet, dass Form leer von inhärenter Existenz ist. Die Leerheit von Form ist die endgültige Natur von Form und wird, weil es ein sehr tiefgründiges Thema ist, «die Tiefgründigkeit des Endgültigen der Anhäufung von Form» genannt.

Zuerst sollten wir genau verstehen, was die fünf Anhäufungen sind. Wie zuvor erwähnt, sind die fünf Anhäufungen Form, Gefühl, Unterscheidung, zusammensetzende Faktoren und Bewusstsein. Sie werden «Anhäufungen» genannt, weil sie jeweils aus vielen Elementen zusammengesetzt sind.

Form enthält alle Objekte der fünf Arten von Sinnesbewusstsein – alles, was unsere Augen sehen und unsere Ohren hören können, was unsere Nase riechen, unser Zunge schmecken und unser Körper fühlen oder berühren kann. Deshalb sind alle groben physischen Objekte, wie Berge, Tische und Bücher, wie auch alle Farben und Formen, Klänge, Gerüche, Geschmack und Tastobjekte, in der Anhäufung von Form enthalten. Die Anhäufung von Form einer Person ist der Körper der Person.

Gefühl ist ein Teil des Bewusstseins, dessen Funktion es ist, Glück, Unglück oder Gleichgültigkeit zu erfahren. Es ist ein geistiger Faktor, der alle Arten des Bewusstseins begleitet. Kommt ein primärer Geist mit seinem Objekt in Kontakt, hat Gefühl die Funktion, das Objekt als angenehm, unangenehm oder neutral zu erfahren. Deshalb gibt es drei Arten von Gefühlen: angenehme Gefühle, unangenehme Gefühle und neutrale Gefühle.

Unterscheidung ist ein Teil des Bewusstseins, dessen Funktion es ist, die besonderen Zeichen oder Merkmale eines Objektes zu erkennen. Mit Unterscheidung können wir ein Objekt von einem anderen, richtig von falsch usw. unterscheiden. Ohne Gefühl und Unterscheidung könnte unser Geist nicht funktionieren und wir wären nicht imstande, irgendetwas zu tun.

Zusammensetzende Faktoren umfassen zwei Arten von Phänomenen: geistige Faktoren und nichtassoziierte zusammengesetzte Phänomene. Insgesamt gibt es einundfünfzig geistige Faktoren. Außer Gefühl und Unterscheidung sind alle in der Anhäufung der zusammensetzenden Faktoren enthalten. Diese Anhäufung enthält die anderen allesbegleitenden geistigen Faktoren, wie Aufmerksamkeit, Absicht und Kontakt; die tugendhaften geistigen Faktoren, wie Vertrauen und Bemühen; die geistigen Faktoren, die Verblendungen sind, wie Wut und Neid; und die geistigen Faktoren anderer Art, wie Achtsamkeit und Bedauern. Die nichtassoziierten zusammengesetzten Phänomene enthalten alle unbeständigen Phänomene, die weder Form noch Geist sind, wie Personen, Leben, Zeit und Potenziale. Personen sind in dieser Kategorie enthalten, weil sie unbeständig sind und weil das Phänomen Person, obwohl es Geist und Form besitzt, selbst weder Geist noch Form ist. Die Anhäufung der zusammensetzenden Faktoren einer Person beinhaltet alle zusammensetzenden Faktoren innerhalb des Kontinuums der Person.

Bewusstsein ist ein primärer Geist, dessen Funktion es ist, den allgemeinen Aspekt eines Objektes zu erkennen. Die Anhäufung von Bewusstsein beinhaltet die sechs Arten von primärem Geist, nämlich das Augenbewusstsein, das Ohrenbewusstsein, das Nasenbewusstsein, das Zungenbewusstsein, das Körperbewusstsein und das geistige Bewusstsein.

Wir sollten wissen, dass unsere eigenen fünf Anhäufungen unser Körper, unsere Gefühle, Unterscheidungen, zusammensetzende Faktoren und unser Bewusstsein sind. Sie sind die Grundlagen für die Zuschreibung unseres Selbst. Nehmen wir irgendeine dieser fünf Anhäufungen wahr, entwickeln wir aus Unwissenheit den Gedanken «ich» oder «mein». Tatsächlich ist aber keine dieser fünf Anhäufungen unser Selbst.

In diesem Sutra wird die Anhäufung von Form als erste Grundlage verwendet, um Leerheit festzulegen. Auch im Sutra der Vollkommenheit der Weisheit in einhunderttausend Zeilen, in dem einhundertacht Objekte des Wissens von Form bis zu Allwissenheit als Grundlage für die Festlegung von Leerheit verwendet werden, wird Form als erstes genommen. Wenn wir Leerheit durch die Verwendung einer Grundlage wie Form einmal realisiert haben, ist es nicht schwer, die Leerheit anderer Phänomene festzulegen.

Leerheit wird in den verschiedenen buddhistischen Schulen auf unterschiedliche Weise interpretiert. Diese Darstellung steht in Übereinstimmung mit dem Madhyamika-Prasangika System von Lehrsätzen, Buddhas endgültiger Sicht, wie sie in den Sutras der Vollkommenheit der Weisheit dargelegt wird. Den unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten seiner Anhänger entsprechend lehrte Buddha verschiedene philosophische Systeme. Seine Absicht war es jedoch, schließlich alle Wesen zur endgültigen Sicht der Madhyamika-Prasangika Schule zu führen. Dies ist die höchste Sicht.

Gemäß der Madhyamika-Prasangika Schule ist Leerheit das bloße Fehlen von inhärenter Existenz. Wenn Avalokiteshvara sagt, Form sei «leer», meint er daher, dass Form wie unser Körper leer von inhärenter Existenz ist, oder dass Form nicht inhärent existiert. Um die Bedeutung dieser Aussage zu verstehen, müssen wir die Bedeutung von inhärenter Existenz kennen. Wir müssen verstehen, welche Merkmale ein Objekt hätte, wenn es inhärent existieren würde.

Wenn etwas inhärent existierend wäre, besäße es eine Existenz in sich selbst, unabhängig von anderen Phänomenen. Gemäß der Madhyamika-Prasangika Schule würde ein Objekt wahrhaft existieren, von seiner eigenen Seite her existieren, wenn es inhärent existierend wäre. Ein Objekt wäre wahrhaft existierend, wenn es wahrhaft so existierte, wie es erscheint und durch Untersuchung gefunden werden könnte. Etwas existiert von seiner eigenen Seite her, wenn seine Existenz von Seiten des Objektes selbst festgelegt wird, ohne von einem erfassenden Bewusstsein abhängig zu sein.

Uns, als gewöhnlichen Wesen, erscheinen alle Objekte, als ob sie inhärent existieren würden. Objekte scheinen unabhängig von unserem Geist und unabhängig von anderen Phänomenen zu sein. Das Universum scheint aus einzelnen Objekten zu bestehen, die eine Existenz von ihrer Seite her besitzen. Diese Objekte erscheinen, als würden sie an sich als Sterne, Planeten, Berge, Menschen usw. existieren und darauf «warten», von bewussten Wesen erfahren zu werden. Normalerweise kommen wir nicht auf die Idee, dass wir in irgendeiner Weise an der Existenz dieser Phänomene beteiligt sind. Stattdessen scheint jedes Objekt eine Existenz zu haben, die völlig unabhängig von uns und allen anderen Objekten ist.

Mit seinen Worten «Form ist leer» sagt Avalokiteshvara, dass es Objekten, die in der Anhäufung von Form enthalten sind, in Wirklichkeit gänzlich an inhärenter Existenz fehlt, obwohl sie inhärent zu existieren scheinen. Die Art und Weise, wie diese Objekte tatsächlich existieren, ist jedoch völlig verschieden von der Art und Weise, wie sie zu existieren scheinen.

Die Frage, ob Objekte inhärent existieren oder nicht, ist äußerst wichtig, weil alle unsere Leiden und unsere Unzufriedenheit auf das Sichklammern an die eigene und die inhärente Existenz anderer Phänomene zurückzuführen sind. Um Befreiung von Leiden und volle Erleuchtung zu erlangen, müssen wir erkennen, dass Phänomene keine inhärente Existenz besitzen.

Wie zuvor erklärt, müssen wir uns, bis wir den Pfad des Sehens erreichen, auf logische Begründungen stützen, um Leerheit zu verwirklichen. Dieses Sutra gibt keine expliziten Begründungen, die die Leerheit der inhärenten Existenz von Form beweisen, aber in den längeren Sutras der Vollkommenheit der Weisheit werden viele Begründungen gegeben. Diese Begründungen können übernommen und hier verwendet werden. Die Erklärungen von Leerheit, die im Sutra der Vollkommenheit der Weisheit in einhunderttausend Zeilen gegeben werden, sind in den zwei kürzeren Sutras der Vollkommenheit der Weisheit, die fünfundzwanzigtausend und achttausend Zeilen enthalten, wie auch im Zusammengefassten Sutra der Vollkommenheit der Weisheit, verkürzt dargestellt. Trotz der zusammengefassten Erklärungen in den kürzeren Sutras werden alle wesentlichen Begründungen des ausführlichen Sutras bewahrt.

Im Zusammengefassten Sutra der Vollkommenheit der Weisheit sagt Buddha, dass Form und die anderen Anhäufungen leer von inhärenter Existenz sind, weil wir sie nicht finden können, wenn wir sie mit Weisheit untersuchen. So wie die Tiefe des Ozeans nicht durch Abschießen eines Pfeiles gemessen werden kann. Es ist klar, dass wir die Tiefe des Ozeans nicht ermitteln können, wenn wir einen Pfeil in den Ozean schießen. Auf ähnliche Weise werden wir, wenn wir die Anhäufungen mit scharfer Weisheit untersuchen, nichts finden, worauf wir zeigen und wovon wir sagen können: «Das ist die Anhäufung von Form» usw. Wenn wir nicht zufrieden sind mit dem bloßen Namen «Anhäufungen», sondern versuchen die Anhäufungen selbst zu entdecken, werden wir sie nicht finden. Die Tatsache, dass die Anhäufungen nicht gefunden werden können, wenn wir sie mit Weisheit suchen, benutzte Buddha als Begründung, um zu zeigen, dass es den Anhäufungen an inhärenter Existenz fehlt.

Deshalb kann unsere Unfähigkeit, Form durch analytische Untersuchung zu finden, verwendet werden, um die Leerheit von Form aufzuzeigen. Wir können unseren Körper als Beispiel für die Anhäufung von Form nehmen, um zu veranschaulichen, wie diese Begründung angewendet wird. Wenn wir gewöhnliche Wesen sind, nehmen wir unseren Körper als inhärent existierend wahr. Er scheint eine einzelne Wesenheit zu sein, die vom Rest des Universums unabhängig ist und sich nicht auf irgendeinen begrifflichen Prozess stützen muss, um zu existieren. Er erscheint uns als ein solides, eigenständiges Objekt, das aus eigener Kraft existiert. Weil wir unseren Körper auf diese Weise wahrnehmen, schätzen wir ihn und reagieren entsprechend auf Kälte, Hunger, sanfte Liebkosungen usw.

Würde unser Körper wirklich inhärent existieren, so wie er uns erscheint, könnten wir erwarten, ihn durch eine Untersuchung zu finden. Das müsste so sein, weil unser Körper aus eigener Kraft, unabhängig von anderen Phänomenen, existieren würde. Folglich könnten wir durch physisches Handeln oder in der Vorstellung alle Objekte entfernen, die nicht unser Körper sind. Unser Körper würde dennoch, für sich allein existierend, zurückbleiben. Besäßen wir also einen inhärent existierenden Körper, sollten wir auf ihn zeigen können, ohne dass wir auf ein Phänomen zeigen, das nicht unser Körper ist.

Schauen wir nun, ob wir unseren Körper auf diese Weise finden können. Worauf zeigen wir, wenn wir auf unseren Körper zeigen wollen? Wir zeigen vielleicht auf das Zentrum unseres Körpers in der Gegend unseres Brustkorbs oder auf unseren Kopf, einen Arm, ein Bein usw. Zeigen wir auf unseren Körper, wenn wir auf unseren Brustkorb zeigen, dann folgt, dass unser Brustkorb unser Körper sein muss. Wenn dem so ist, müssen auch unser Kopf, unser Arm usw. unser Körper sein. Es ist klar, dass diese Objekte Teile unseres Körpers sind, aber sie sind nicht der Körper selbst. Wären sie es, dann hätten wir folglich viele Körper, weil es viele Teile des Körpers gibt. Das ist offensichtlich Unsinn. Wenn andererseits die Teile unseres Körpers unser Körper selbst sind, folgt daraus, da wir nur einen Körper haben, dass die Teile unseres Körpers ein einzelnes Objekt sind. Auch das ist Unsinn. Die Schlussfolgerung muss deshalb sein, dass wir, wenn wir auf einen Teil unseres Körpers wie unseren Brustkorb zeigen, auf ein Phänomen deuten, das nicht unser Körper selbst ist. Deshalb können wir sicher sein, dass wir unseren Körper nicht durch Untersuchung innerhalb seiner einzelnen Teile finden können.

Nun denken wir vielleicht, dass die Ansammlung der verschiedenen Teile unseres Körpers unser Körper ist. Wir haben vielleicht das Gefühl, unseren Körper gefunden zu haben, wenn wir auf die Ansammlung unseres Brustkorbes, unseres Kopfes, unserer Arme usw. zeigen. Diese Möglichkeit müssen wir sorgfältig untersuchen. Wir haben schon festgestellt, dass jeder einzelne Teil unseres Körpers nicht unser Körper ist. Die Ansammlung der Teile unseres Körpers ist folglich eine Ansammlung von Objekten, die kein Körper sind. Wir können sagen, dass es eine Ansammlung von «Nichtkörpern» ist. Nun ist es für die bloße Ansammlung von Nichtkörpern unmöglich ein Körper zu sein, genauso wie es für eine Ansammlung von Nichtschafen, z.B. Ziegen, unmöglich ist, Schaf zu sein. Eine Ansammlung von Schafen sind Schafe und eine Ansammlung von Büchern sind Bücher. In gleicher Weise ist eine Ansammlung von Nichtkörpern Nichtkörper. Sie kann unmöglich ein Körper sein. Daraus können wir schließen, dass die Ansammlung der Teile unseres Körpers Teile unseres Körpers sind, aber nicht unser Körper selbst.

Es gibt noch einen anderen Weg zu erkennen, dass die Ansammlung der Teile unseres Körpers nicht unser Körper ist. Wenn wir auf die Ansammlung der Teile unseres Körpers zeigen und sagen, dass diese Ansammlung an sich unser Körper ist, dann muss die Ansammlung der Teile unseres Körpers unabhängig von allen Phänomenen existieren, die nicht unser Körper sind. Daraus würde folgen, dass die Ansammlung der Teile unseres Körpers unabhängig von den Teilen selbst existiert. Das ist zweifellos absurd. Wenn es wahr wäre, könnten wir alle Teile unseres Körpers entfernen und die Ansammlung der Teile würde übrig bleiben. Wieder schließen wir daraus, dass die Ansammlung der Teile unseres Körpers nicht als unser Körper selbst identifiziert werden kann.

Bis jetzt gelang es uns also nicht, unseren Körper innerhalb der einzelnen Teile unseres Körpers oder in der Ansammlung dieser Teile zu finden. Die einzige noch verbleibende Möglichkeit ist, ihn gänzlich getrennt von den Teilen zu suchen. Wenn unser Körper auf diese Weise existieren würde, könnten wir alle Teile unseres Körpers entfernen und unser Körper würde trotzdem übrig bleiben. Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Daraus müssen wir schließen, dass wir getrennt von den Teilen unseres Körpers nichts finden, auf nichts deuten können, das unser Körper ist.

Wir haben nun alle möglichen Orte, an denen wir unseren Körper finden können, in Betracht gezogen und es ist uns nicht gelungen, ihn zu entdecken. Wenn unser Körper wirklich inhärent existieren würde, wie er erscheint, müssten wir ihn finden können, indem wir ihn von allen anderen Phänomenen trennen. Da wir dabei keinen Erfolg hatten, gelangen wir zu der gesicherten Schlussfolgerung, dass unser Körper, den wir normalerweise sehen, überhaupt nicht existiert.

Sofern wir es nicht auf diese Weise untersuchen, haben wir ganz natürlich die Sicht, dass wir einen Körper haben, der seine eigene, unabhängige Existenz hat. Wir haben das Gefühl, dass wir diesen selbstexistierenden Körper sehen und auf ihn zeigen können. In Wirklichkeit ist es aber so, dass wir, wann immer wir unseren Körper sehen oder auf ihn zeigen, Teile unseres Körpers, die nicht unser Körper sind, sehen oder auf sie zeigen. Wir sollten über diesen Punkt sorgfältig nachdenken. Was sehen wir tatsächlich, wenn wir sagen, dass wir unseren Körper sehen? Wir sehen nur die Teile unseres Körpers: unsere Arme, Beine usw. Wenn wir unseren Körper betrachten, gibt es nichts zu sehen, das nicht ein Teil unseres Körpers ist. Und wenn etwas ein Teil unseres Körpers ist, ist es zwangsläufig nicht unser Körper. Wie bereits erwähnt: Wäre jeder Teil unseres Körpers unser Körper, würde daraus folgen, dass wir viele Körper hätten. Wir erwägen vielleicht, dass die Ansammlung der Teile unseres Körpers unser Körper ist, aber die Ansammlung der Teile unseres Körpers ist und bleibt nur Teile unseres Körpers. Auch wenn wir die Ansammlung der Teile unseres Körpers sehen, sehen wir nur Teile unseres Körpers.

Nehmen wir einen Körper wahr, der etwas anderes ist als die Teile des Körpers, dann ist dieser wahrgenommene Körper das, was man den «inhärent existierenden Körper» nennt. Dies ist das verneinte Objekt der Leerheit unseres Körpers. Wie sehr wir auch suchen, wir werden niemals einen solchen Körper finden. Wenn wir unseren Körper suchen, nehmen wir nur die Teile unseres Körpers wahr. Abgesehen von diesen Teilen gibt es keinen Körper, der gefunden werden kann.

Suchen wir nach unserem Körper, können wir ihn nicht finden. Nun denken wir womöglich, dass wir, wenn es uns mit unserem Körper selbst nicht gelingt, wenigstens seine Teile, den Kopf, die Arme usw. finden können. Untersuchen wir dies jedoch sorgfältig und nehmen als Beispiel unseren Kopf, dann haben wir erneut Schwierigkeiten, das Objekt unserer Untersuchung zu finden. Zeigen wir auf unseren Kopf, dann zeigen wir auf unsere Nase, Augen, Wangen usw. Dieselben Argumente, die bewiesen, dass die Teile unseres Körpers nicht unser Körper sind, können verwendet werden, um aufzuzeigen, dass die Teile unseres Kopfes nicht unser Kopf sind. Ebenso ist die Ansammlung der Teile unseres Kopfes nicht unser Kopf und unser Kopf kann auch nirgendwo sonst gefunden werden. Auf diese Weise erkennen wir, dass unser Kopf nicht inhärent existiert. Wir können die gleiche Argumentation anwenden, um zu zeigen, dass unsere Nase, die lebenden Zellen unserer Nase und sogar die Moleküle und Atome, aus denen die Zellen bestehen, alle leer wie Raum sind.

Die Leerheit unseres Körpers und seiner Teile kann am Beispiel einer Spielzeugschlange illustriert werden. Wenn jemand eine Spielzeugschlange aus Gummi in unser Zimmer legt und wir sie das erste Mal sehen, glauben wir vielleicht, es sei eine echte Schlange und erschrecken. Obwohl sich keine eigentliche Schlange in unserem Zimmer befindet, erscheint unserem Geist sehr lebhaft eine Schlange. Für kurze Zeit klammern wir uns an diese Erscheinung und entwickeln infolgedessen Angst. Wenn wir jedoch genauer hinsehen, werden wir entdecken, dass die Schlange nicht so existiert, wie sie erscheint. Zweifellos gibt es keine echte Schlange, die von ihrer Seite her existiert; wir haben mit unserem begrifflichen Geist eine Schlange bloß zugeschrieben. Außer der bloßen Erscheinung einer Schlange in unserem Geist gibt es nirgendwo in unserem Zimmer eine echte Schlange. Kaum erkennen wir dies, sind alle unsere Ängste in Bezug auf die Schlange augenblicklich verschwunden.

Wenn wir es sorgfältig prüfen, entdecken wir, dass unser Körper und die Schlange, die unserem Geist im obigen Beispiel erscheint, auf sehr ähnliche Weise existieren. Genauso wie die Schlange erscheint unser Körper unserem Geist sehr lebhaft und scheint aus sich selbst heraus zu existieren. Doch wie bei der Schlange können wir unseren Körper durch Untersuchung nicht finden. Wir entdecken, dass er keine eigene Existenz hat, sondern bloß durch unseren Geist zugeschrieben wird. So wie die Schlange erscheint unser Körper bloß unserem Geist. Solange wir glauben, dass der Körper seine eigene inhärente Existenz hat, kann er eine Quelle von Angst und Schmerzen sein. Erkennen wir aber, dass er bloß durch unseren Geist zugeschrieben wird, verringern sich unsere Ängste usw. und werden schließlich verschwinden. Genauso wie unsere Angst vor der Schlange verschwindet, wenn wir erkennen, dass sie nur zugeschrieben ist.

Obwohl die Schlange und unser Körper auf eine sehr ähnliche Weise existieren, gibt es einen wichtigen Unterschied. Wenn wir entdecken, dass die Schlange in Wirklichkeit eine Spielzeugschlange ist und begreifen, dass die echte Schlange bloß durch unseren Geist zugeschrieben wurde, kommen wir zu dem Schluss, dass in unserem Zimmer keine wirkliche Schlange existiert. Erkennen wir jedoch, dass unser Körper bloß durch unseren Geist zugeschrieben wird, wäre es gemäß der normalen Sicht ein großer Fehler daraus zu schließen, dass unser Körper überhaupt nicht existiert. Es ist wahr, dass der inhärent existierende Körper, der unserem Geist normalerweise erscheint, genauso wenig existiert wie die echte Schlange, die in unserem Zimmer zu sein scheint – beide sind vollkommen nichtexistent. Ein Körper, der leer von inhärenter Existenz ist und bloß auf die Ansammlung der Teile unseres Körpers zugeschrieben wird, existiert jedoch. Ein bloß zugeschriebener Körper existiert, weil die Teile unseres Körpers, da sie die Funktionen eines Körpers ausführen können, aufgrund Übereinkunft eine geeignete Grundlage bilden, um einen Körper zuzuschreiben. Ein gestreiftes Gummiband ist jedoch keine geeignete Grundlage, um eine echte Schlange zuzuschreiben, da es die Funktionen einer Schlange nicht ausführen kann. Deshalb können wir sagen, dass in diesem Fall überhaupt keine echte Schlange in unserem Zimmer existiert. Beide, die Schlange und unser Körper, werden bloß durch unseren Geist zugeschrieben; doch unser Körper ist richtig zugeschrieben, wohingegen die Schlange falsch zugeschrieben ist. Um die mit unserem Körper verbundenen Leiden zu überwinden, müssen wir verstehen, dass der Körper, den wir normalerweise sehen – der inhärent existierende Körper – nicht existiert. Um aber unsere alltäglichen Aufgaben zu erledigen, müssen wir anerkennen, dass der bloß zugeschriebene Körper sehr wohl existiert.

Das neue Herz der Weisheit

Подняться наверх