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Betrunken auf der Titanic

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Es war der 14. April 1912, und Charles Joughin lag nach einem harten Arbeitstag endlich in seiner Koje und schlief. Plötzlich wurde er von einem massiven Stoß aus dem Schlaf gerissen. Er spürte, wie das Schiff unter ihm erzitterte. Dann, nach einer kurzen Pause, fuhr es weiter.

Joughin wunderte sich, machte sich aber keine weiteren Gedanken. Er wusste, dass man Eisberge im Wasser gesichtet hatte, und dass Kapitän Edward Smith einen anderen Kurs angeordnet und die Titanic auf eine weiter südlich gelegene Route gelenkt hatte, um eine mögliche Katastrophe zu vermeiden. Da Joughin davon ausging, dass die Gefahr vorüber war, versuchte er wieder einzuschlafen. Doch gegen 23.35 Uhr, nur wenige Minuten nach dem Stoß, wurde er auf die Brücke gerufen und erhielt äußerst unwillkommene Informationen.

Kapitän Smith hatte ein Team unter Deck geschickt, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Die Männer waren mit der schrecklichen Nachricht zurückgekehrt, dass das Schiff einen Eisberg gerammt und die Heftigkeit des Aufpralls den Schiffsrumpf massiv eingedellt hatte. Über eine Länge von gut neunzig Meter waren die Nieten aus der Außenwand gedrückt worden, durch die nun Tonnen von Meerwasser ins Schiff eindrangen.

Man hätte erwartet, dass diese Nachrichten Panik auslösten. Das taten sie aber nicht. Man hielt die Titanic für unsinkbar. Sie verfügte über wasserdicht abzuschottende Abteilungen, was bedeutete, das selbst ein ernster Schaden am Schiffsrumpf eingedämmt werden konnte. Doch wie sich nun im Augenblick der Krise zeigte, waren diese wasserdichten Abteilungen falsch konstruiert worden. Als sie sich füllten, drückten sie den Bug des Schiffes unter Wasser, was dazu führte, dass Letzteres nun auch in andere Teile des beschädigten Schiffes eindringen konnte. Eine vierte, fünfte und sechste Abteilung waren bereits vollgelaufen, und Kapitän Smith erkannte, dass die Titanic untergehen würde.

Jetzt wurde Joughin, der Erste Bäcker des Schiffes, aktiv. Er weckte seine Kollegen, und gemeinsam begannen sie, alle Brote, die sie finden konnten, zusammenzutragen und jeweils vier Laibe in jedes der Rettungsboote zu legen. Ihnen war bereits klar, dass es nicht genug Boote für alle Passagiere gab. Auf der Titanic befanden sich 2223 Menschen, doch auf den Rettungsbooten war nur Platz für 1178.

Charles Joughin erkannte, dass er als Mitglied der Crew keinen Platz in einem der Boote bekommen würde. Als das Schiff sich gefährlich zur Seite neigte, beschloss er deshalb, sich bewusstlos zu trinken. Er stieg nach unten in seine Kabine, trank eine enorme Menge an Whiskey (einem Bericht zufolge leerte er zwei Flaschen) und kehrte dann an Deck zurück, wo er mit alkoholgetränkter Energie begann, Frauen in die Rettungsboote zu schieben. Als das erledigt war, wankte er über das bereits extrem schräg stehende Promenadendeck und überlegte, wie lange es wohl dauern würde, bis das Schiff unterging. Er warf gut fünfzig Liegestühle sowie einige weitere Stühle und Kissen über Bord in der Hoffnung, dass die Menschen im Wasser sie möglicherweise als Floß verwenden konnten.

Bald darauf fand auch er sich im eisigen Atlantik wieder. »Ich gelangte auf die Steuerbordseite des Poopdecks«, erinnerte er sich später, »und war im Wasser. Ich glaube nicht, dass mein Kopf überhaupt unter Wasser kam. Ich glaubte, Wrackteile zu sehen.« Joughin arbeitete sich in Richtung der schwimmenden Wrackteile, wobei er dank des Alkohols in seinem Blut die Kälte nicht spürte, und »stieß auf ein Notboot B mit Lightoller und fünfundzwanzig Mann drin«. Doch es gab keinen Platz mehr für Joughin. »Ich versuchte hinaufzuklettern«, sagte er, »doch sie stießen mich wieder runter. Aber ich blieb in der Nähe. Ich schwamm rüber auf die andere Seite, und Koch Maynard, der mich erkannte, half mir und hielt mich fest.«

Es war ein Wunder, dass Joughin zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch lebte. Die Wassertemperatur lag bei minus zwei Grad Celsius. Die meisten anderen Passagiere und Crewmitglieder im Wasser waren innerhalb von einer Viertelstunde an Unterkühlung gestorben. Doch Joughin hielt es noch vier weitere Stunden aus, bevor er endlich auf ein Rettungsboot gezogen wurde. Gemeinsam mit den anderen Überlebenden wurde er schließlich von der RMS Carpathia gerettet, die um 4.10 Uhr die Unglücksstelle erreichte. Joughin war sich sicher, dass er sein wundersames Überleben dem hohen Alkoholgehalt in seinem Blut verdankte. 1517 andere Passagiere und Crewmitglieder hatten weniger Glück und starben nüchtern in den kalten Fluten.

Der Untergang der Titanic war nicht Joughins einziges Schiffsunglück. Er war auch an Bord der SS Oregon, als diese vor Long Island sank, und überlebte auch das. Allerdings ist nicht bekannt, ob er sich auch damals mit ein oder zwei Flaschen Whiskey gestärkt hat.

Vom Mann, der mit zwei Flaschen Whiskey den Untergang der Titanic überlebte

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