Читать книгу Rot - Die Farbe der Nacht - Gillian Simon - Страница 10

Nacht 6

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Er schreckte hoch, schob das Mädchen, das immer noch auf seinem Arm lag herunter und richtete sich auf. Einige getrocknete, rote Tränen klebten an seinem Arm, die er weg kratzte. Was ihn geweckt hatte wusste er im ersten Moment nicht, aber da alles um ihn her still war, stand er auf und verließ sein Zimmer. Die Sonne war bereits untergegangen, doch er war weiterhin so unruhig wie er auch geschlafen hatte. Nervös ging auf und ab, während er die Umgebung mit seinen Sinnen absuchte, die sich auch durch Wände erstrecken ließen, wie sein Gehör. Als er Abigail gewahr wurde, die unten stand, wusste er, das sie der Grund dafür war. Anscheinend wollte sie nicht hoch kommen. Ihr Herzschlag klang nervös, also machte er sich auf den Weg nach unten, um noch ein wenig Zeit mit ihr zu verbringen. Als er das Haus verließ, fing sie an zu strahlen.

„Ich wusste, dass du kommst.“ hauchte sie leise „Dein Bruder... geht es ihm etwas besser?“

Er schloss sie in die Arme und gab ihr einen langen Kuss, der auf ihrer beiden Lippen prickelte, ehe er nickte „Zum Glück. Ich habe ihm heute etwas Ruhe versprochen, da er aber noch nicht wach ist, haben wir noch ein wenig Zeit für uns, nur nicht oben fürchte ich, mein Zimmer ist besetzt.“ er lächelte sie entschuldigend an.

„Macht doch nichts, dein Bruder wäre doch ohnehin wieder wenig begeistert davon, wir nehmen einfach dein Auto, wenn du die Heizung anmachst ist es dort drin sowieso wärmer als in eurer Wohnung.“ sie zwinkerte ihm zu und warf ihm den Autoschlüssel zu, den er geschickt auffing. „Die hatte ich gestern vergessen dir zurückzugeben und da du tagsüber nicht raus kommst...“ Als er seinen Wagen sah stockte sein Gang kurz. Die Kratzer waren zwar weg, aber statt dem vorherigen Mitternachtsblau, das er so geliebt hatte, hatte das Auto nun die gleiche Farbe, wie Abigails Haare. „Damit du dich immer an mich erinnert fühlst.“

Er konnte nicht anders, als sie zu küssen. Ihm fehlten einfach die Worte und das nicht unbedingt vor Begeisterung.

Nach kurzem Zögern fragte er dann allerdings „Willst du wirklich im Auto? Ich hätte da noch eine tolle Idee im Park.“

„Ähm... na gut.“ meinte sie unsicher und er griff ihre Hand um sie in den kleinen Park auf der anderen Straßenseite zu führen.

Er war schon früher hier gewesen und kannte daher eine kleine abgeschiedene Wiese, die die meisten Menschen nicht kannten, da sie brav auf den Wegen blieben und insbesondere Nachts wagte sich niemand dorthin. Es war nicht weit und bald standen sie auf dem Gras unter einem klaren Sternenhimmel. Der Mond war schon beinahe voll, aber auch ohne dessen Licht hätte er schnell eine moosbewachsene Stelle gefunden, auf der er sich niederlassen konnte. Als sie sich neben ihn auf das warme Moos setzte, griff er ihre Hand und küsste diese zärtlich, was ihr einen angenehmen Schauer über den Körper sandte. Bei ihm reichte allein ihre Anwesenheit aus, dass das Brennen in seinen Zähnen wieder stärker wurde und so konnte und wollte er es nicht verhindern, dass sie beim nächsten Kuss ihre Haut durchdrangen und er einige Tropfen ihres Blutes auf seiner Zunge schmeckte, doch nahm er nur einen winzigen Schluck ehe er ihren bebenden Körper umfasste und sie näher an sich zog um sie sanft zu küssen. Einen Kuss, den sie mit der gleichen Begierde erwiderte, während er langsam ihr Bein nach oben strich, bis unter ihren Rock. Jeder einzelne ihrer Muskeln schien bei seiner Berührung aufzuflammen und als er ihren Po erreichte, stellte er fest, dass sie heute nichts darunter trug. Dann drückte sie ihn bestimmt ins Moos und begann langsam die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen, wobei sie ihm unablässig brennende Küsse auf Brust und Bauch drückte. Seine Hosen zog sie ihm ganz aus, wobei sie ihn mit sanfter Gewalt unten hielt, als er sich aufrichten wollte. Kurz darauf landete ihre Jacke neben seiner Hose, so dass er sehen konnte, dass sie nur ein dünnes, halb durchsichtiges Top darunter trug. Zärtlich strich er mit seinen Fingern über ihren Bauch, bis zu ihren Brüsten, was ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte, das das Brennen in seinen Zähnen, so wie seine Gier noch weiter verstärkte. Fordernd zog er sie wieder dichter an sich heran, so dass er besser in sie eindringen konnte. Es kam ihm vor, als würde sich jede Fasern seines Körpers nach ihr sehnen, ihren geschmeidigen, kraftvollen Bewegungen, die seine Erregung noch weiter verstärkten. Gierig ließ er seine Fingern weiter über ihren Körper gleiten, genoss das Gefühl ihrer weichen Haut und die Weichheit ihrer Lippen. Langsam wurden ihre Bewegungen wilder und ihre Küsse fordernder und seine spitzen, brennenden Zähne drangen in ihre Lippen. Blut quoll heraus, das er gierig ableckte, was ihr ein leises Stöhnen entlockte. Es fühlte sich beinahe an, als würde er explodieren, als sie wieder gemeinsam zum Höhepunkt kamen. Ihr Körper schien unter seinen Händen in einem Feuerball zu verglühen. Danach löste sie sich von ihm und legte sich neben ihn. Er konnte hören, wie ihr Herzschlag beständig ruhiger wurde, bis er wieder seinen normalen Rhythmus erreicht hatte.

„Ich glaube, du solltest langsam zu deinem Bruder zurück gehen. Er wundert sich vermutlich schon, wo du bist.“ flüsterte Abigail ihm ins Ohr.

Ihr Atem war heiß, erhitzt durch ihre Erregung, die noch nicht wieder völlig abgeklungen war.

Seufzend erhob er sich „Du hast ja recht... Aber morgen sehen wir uns wieder länger“

Er gab ihr noch einen langen Kuss, bevor er sich anzog. Ausreichend Blut für die Nacht war es wohl noch nicht, aber er liebte den Geschmack ihres Blutes auf seinen Lippen und den wollte er sich so lange wie möglich erhalten, auch wenn er merkte, dass sein Körper nach mehr verlangte. Mehr von genau diesem Blut. Sie blieb auf dem Moosbett zurück, als er sich auf den Weg zurück zur Wohnung machte. Bevor er zwischen den Bäumen verschwand warf er noch einen Blick zu ihr zurück. Sie lag noch immer da und schaute in den Himmel. Ihr Körper dampfte in der kalten Herbstluft und dieses Bild begleitete ihn, bis er zuhause ankam. Noch bevor er die Wohnung betrat, konnte er hören, dass Kiran bereits auf war und sich fertig machte während Saskia in der Küche saß und sich langweilte. Sein Treffen mit Abigail hatte vielleicht eine viertel Stunde gedauert, auch wenn es ihm sehr viel länger vorkam. Beschäftigungsmäßig konnten sie ihr nicht all zu viel bieten, was er bedauerte. Immerhin war und blieb sie immer noch ein Kind und das würde sich nun niemals ändern, denn allein die Tatsache, dass sie nun ein Vampir war, machte sie schließlich nicht erwachsen. Sie würden sich etwas überlegen müssen, um sie beschäftigen zu können, solange die Sonne noch nicht untergegangen war. Momentan ging es, aber im Sommer waren die Tage länger und die Nächte deutlich kürzer.

Er setzte sich zu ihr „Geht es dir etwas besser?“

Sie nickte „Ist er eigentlich häufiger so?“

„Nein, normalerweise nicht, aber die letzte Zeit war sehr anstrengend für ihn und so reagiert er leider manchmal, wenn er wütend ist.“

Betrübt starrte sie auf das Glas, das vor ihr stand. „Wird er mir verzeihen?“

„Ach Kleines, du hast doch überhaupt nichts getan und ich bin mir auch sicher, dass er weiß, dass eher du ihm verzeihen müsstest.“ er lächelte sie an und sie erwiderte das Lächeln unsicher.

Kiran stand in der Tür, was Alister bisher nicht bemerkt hatte, Saskia hingegen wusste, dass er dort stand. „Es tut mir leid.“ murmelte er leise.

Das Mädchen zögerte einige Sekunden, bevor es aufstand und zu ihm ging und ihn umarmte „Ich verzeihe dir.“ sie versuchte erwachsen zu klingen, aber Kiran wusste, dass ihr diese Zuneigungsbekundung äußerst schwer fiel.

Sanft drückte er sie von sich weg „Ist schon gut.“ er schenkte ihr ein Lächeln „Was hältst du davon, wenn du heute den Tag mal ohne uns verbringst? Sophie würde sich freuen, wenn du ihr heute ein wenig Gesellschaft leistest.“

„Nein, sie ist mir unheimlich.“

„Sie wird dir nichts tun, keine Sorge. Weißt du, so wie ich dich, hat sie uns geschaffen.“ er hockte sich hin um mit ihr auf Augenhöhe zu sein „Na gut, nicht genau so, aber annähernd. Sie wird dir einige Dinge beibringen und zeigen können, die für uns nicht so einfach sind und außerdem wird es Zeit, dass du mal ein paar andere Vampire kennen lernst.“

„Okay...“ sie konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen „Aber versprecht mir, dass ihr mich vor Sonnenaufgang wieder abholt!“

„Natürlich.“ er gab ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn und wandte sich dann an seinen Bruder, der immer noch auf dem Stuhl saß und sie nicht hatte stören wollen „Können wir dann los?“

„Sicher.“ Alister stand auf und sie machten sich auf den Weg.

Als Kiran die neue Farbe vom Auto seines Bruders bemerkte, konnte er sich das Lachen nicht verkneifen, was ihm einen gereizten Blick einbrachte.

Zuerst brachten sie Saskia zu Sophie. Kiran wusste, sie war wenig begeistert davon, aber er kannte auch Alisters Gründe dafür, dass er sie loswerden wollte. Und sein Bruder hatte recht, er brauchte ein wenig Ruhe, damit er sich endlich wieder etwas entspannte.

Nachdem sie die Kleine abgeliefert hatten, wandte Alister sich an seinen Zwilling „Wir müssen noch dein Motorrad holen, wo hast du es abgestellt?“

„In der Innenstadt. Von der Einkaufspassage aus rechts die Straße runter, vor dem großen Kaufhaus.“

Keiner der beiden sagte etwas, während sie von ihrer Basis aus in die Innenstadt fuhren. Dort angekommen stoppte Alister seinen Wagen hinter der Maschine seines Bruders und ließ ihn aussteigen. Die Straße war belebt, wie am Vorabend, aber Kiran bemühte sich, das zu ignorieren; schwang sich auf sein Motorrad und gab seinem Bruder ein Zeichen, dass er losfahren konnte. Dann ging es zurück, zu ihrer Wohnung um die Maschine dort zu parken. Heute würde er sie nicht brauchen.

Wieder im Auto, konnte er sich einen Kommentar allerdings nicht mehr verkneifen, nicht nachdem er die ganze Zeit den Wagen im Blick gehabt hatte „An die neue Farbe muss ich mich wirklich noch gewöhnen...“

„Mir gefällt sie auch nicht besonders, aber was hätte ich ihr sagen sollen?“

„Wie wäre es mit deiner ehrlichen Meinung?“

„Die hätte sie verletzt.“

„Na und? Was kümmern dich ihre Gefühle? Du empfindest doch eh nicht wirklich was für sie.“

„Das ist noch lange kein Grund sie vor den Kopf zu stoßen. Ich weiß, du hättest es getan, aber ich bin nicht du.“

„Nein, dann wäre sie schon längst tot!“

„Ich weiß. Glück für sie.“

„Und dich...“

„Wie meinst du das?“

„Du bist nicht viel stärker als sie. Du solltest wirklich die Finger von ihr lassen, trotz der Wirkung die sie auf dich hat. - Außerdem sehe ich doch, dass du dich nach ihrem Blut verzehrst.“ seine letzten Worte glichen einem Flüstern.

Schweigend, ohne darauf zu antworten, lenkte Alister sein Auto in eine belebtere Gegend. Abseits von der Innenstadt, die noch immer zum Teil abgesperrt war, durch Kirans Blutrausch in der vergangenen Nacht. Natürlich machte er sich Gedanken um die Worte seines Bruders, aber andererseits hatte er das Gefühl, er könne Abigail vertrauen und bisher hatte sie nichts getan, was ihn an diesem Gefühl zweifeln ließ. Suchend schaute er sich um, bis er eine Parklücke fand, in der er seinen Wagen abstellen konnte. Er wollte jetzt nicht an den jungen Werwolf denken, schließlich waren sie auch ihretwegen hier. Die Blicke der Brüder trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde, dann stiegen sie gleichzeitig aus und ließen den Wagen stehen. Sie brauchten beide Blut und hier gab es mehr als genug. Langsam schlenderten sie die Straße hinab, wobei Alister kaum auffiel, dass die Menschen sie überhaupt nicht wahrzunehmen schienen.

Plötzlich blieb Kiran stehen und sah sich um „Irgend einen Wunsch?“

Überrascht schaute sein Zwilling ihn an „Du kennst meinen Geschmack.“ Mit einem leichten Schulterzucken steuerte er eine Bank an. „Hier?“ Alisters Stimme klang erschrocken, doch sein Bruder ließ seinen Blick ruhig, beinahe desinteressiert über die Menschen streifen.

„Ist so gut wie jeder andere Ort auch.“

„Hmm...“ so ganz vorstellen konnte er es sich nicht, aber andererseits hätte Kiran es wohl kaum in Erwägung gezogen, wenn er sich nicht vollkommen sicher war, dass sie unentdeckt blieben, also ließ er sich neben seinem Bruder auf der Bank nieder und musterte ihn nachdenklich.

Er wirkte vollkommen ruhig, doch Alister wusste, dass dem nicht wirklich so war, dazu kannte er ihn viel zu gut. Im Laufe der Jahre, war es Kiran immer besser gelungen seine Gefühle auch vor ihm zu verbergen. Und selbst, wenn er es nicht immer schaffte, meist gelang es ihm doch und dies war einer dieser Momente. Allein die Tatsache, dass er die letzten Nächte gleich zwei mal in einen Blutrausch verfallen, und seine Zähne leicht spitzer waren als gewöhnlich, zeigte ihm, dass er bei weitem nicht so ruhig sein konnte, wie es gerade den Anschein hatte. Darauf ansprechen würde er ihn dennoch nicht, da er genauso wusste, dass sein Bruder alles andere als gerne über seine Gefühle sprach. Doch dann wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als mit einem Mal eine junge Frau auf sie zu kam und sich wortlos neben sie setzte. Sie war schlank und hübsch, wenn auch in seinen Augen kein Vergleich zu Abigail. Auffordernd legte sie ihren Kopf zur Seite, wodurch sie ihm ihren Hals präsentierte. Alister konnte sehen, wie ihr Blut durch ihre Adern pochte, was das Brennen in seinen Zähne wieder verstärkte. Auch, wenn er eigentlich das Blut einer anderen wollte, würde er sich für die Nahrungsaufnahme auch weiter auf Menschen beschränken. Kiran hingegen beachtete die Frau überhaupt nicht, aber die Wellen der Macht, die von ihm ausgingen waren förmlich greifbar. Sie stand völlig unter seinem Bann. Langsam rückte Alister näher an die Frau heran, doch bevor er zubiss, zögerte er einige weitere Sekunden. Die Situation war für ihn mehr als seltsam. Zwar wusste er, dass Sophie zu so etwas ebenfalls in der Lage war, doch hatte sie es nie so offen gezeigt. Dann ließ er seine Zähne aber doch behutsam in den Hals der Frau dringen. Schon die ersten Schlucke linderten das Brennen ein klein wenig, doch er wusste, dass es nur kurzfristig helfen würde, nur bis er Abigail wieder sah. Trotz der starken Gier, die er verspürte, achtete er angestrengt darauf, seine Umgebung nicht aus den Augen zu verlieren und nicht mehr zu nehmen, als der Körper der Frau vertragen konnte. Keiner schien sie zu bemerken und als er schließlich von ihr abließ stand sie einfach auf und ging ihrer Wege, als wäre nichts geschehen. Er konnte nichts dagegen tun, die Macht seines Bruders war ihm unheimlich, dennoch befand er sie als äußerst brauchbar und als etwas, woran man sich gewöhnen könnte. Eine weitere junge Frau kam auf sie zu, weniger hübsch, aber von einem ähnlichen Geruch wie die Letzte. Dieses mal zögerte er nicht ganz so lange, bis er von ihr trank. Kiran sorgte schon dafür, dass sie nicht bemerkt wurden, alles Andere war ihm in diesem Augenblick egal, und obwohl er eigentlich schon genug Blut getrunken hatte, fühlte er sich noch immer wie ausgehungert. Seine Zähne brannten vor Gier und es ließ nicht weiter nach, obwohl sein Bruder noch einige weitere Opfer zu ihnen führte.

Wo sein Zwilling die alle her hatte, wusste er nicht, seine Reichweite musste enorm sein, doch irgendwann meinte Kiran leise „Es reicht... Fühlst du dich jetzt besser?“

Enttäuscht sank Alister zurück „Ein wenig... Meine Zähne brennen immer noch, aber es geht wieder.“

In den letzten Tagen war er ein wenig zu kurz gekommen, das wusste er... dann noch Abigail... noch immer gierte er nach ihrem Blut. Aber die Feinfühligkeit, die sein Bruder dann und wann an den Tag legte, freute ihn sehr. Den Meisten gegenüber war Kiran sehr verschlossen, selbst Sophie gegenüber, die deswegen bedauerte, dass ihre Bindung im Laufe der Jahrzehnte schwächer geworden war. Aber ihm gegenüber war er immer ehrlich und fürsorglich gewesen und auch Saskia schaffte es, ihn heraus zu locken. Daher vertraute er seinem Zwillingsbruder vollkommen. Außerdem fühlte er sich, jetzt mehr den je, sicher in seiner Nähe und das obwohl er ihm den Arm gebrochen hatte.

„Hilfst du mir?“ fragte Kiran.

Alister nickte und bemerkte jetzt erst die junge Frau, die vor ihm stand. Sein Bruder stand auf, er biss schnell und brutal zu, wobei die Frau in seinen Händen wie eine Puppe wirkte. Sie rührte sich nicht.

Als es langsam kritisch wurde, fasste Alister seinen Zwilling am Arm „Hör auf, es ist genug.“ Kiran kämpfte mit sich, schaffte es aber dann, sich von ihr loszureißen. Die Frau drehte sich um und ging davon. Blut floss noch immer ihren Hals hinab, aber das würde sich bald geben. Seine Bisse waren unbeherrschter als die von seinem Bruder und so konnte er schlimme Wunden hinterlassen. Was jedoch ungewöhnlich war, war die Traurigkeit, die nun von ihm ausging. Seine Fassade war für den Augenblick gefallen, wofür Alister durchaus dankbar war. Doch es schmerzte ihn selber, dass er seinem Bruder nicht helfen, sondern nur hoffen konnte, dass es sich bald wieder legen würde. Momentan hatte er nur leider wenig Hoffnung, was das anging. Ohne sich abzusprechen standen beide gleichzeitig auf und spazierten die Straße entlang. Menschen eilten an ihnen vorbei und keiner schien sie wahrzunehmen. Es war sich nicht sicher, ob sein Bruder das unbewusst oder mit Absicht machte, ließ sich aber davon nicht stören. Er genoss die gemeinsame Zeit und die Ruhe. Beiden kam es vor, als hätten sie seit einer Ewigkeit keine Zeit mehr zu zweit verbracht, dabei war es erst vor wenigen Tagen, dass Saskia in ihr Leben getreten war, aber gerade, weil sie ein Kind war, brachte es einige Einschränkungen mit sich. Und noch immer brannte in Kiran die Frage, wie das überhaupt passieren konnte. Schlimmer war für ihn jedoch, dass er momentan seinem Bruder solche Probleme bereitete und das Mädchen auch unter seinen Launen zu leiden hatte. Es war jedoch erschreckend, dass sie es nicht geschafft hatte, zu ihm durchzudringen, trotz der Verzweiflung, die er in ihr ausgelöst hatte. Er schüttelte sich, um das leichte Zittern, das ihn überkam, zu verstecken.

„Alles in Ordnung?“ fragte Alister besorgt.

Kiran nickte „Aber ich habe immer noch Hunger, würdest du nochmal...“

„Natürlich.“ sein Bruder steuerte aber schon auf ein junges Mädchen von vielleicht siebzehn Jahren, zu.

Ihr Geruch zog ihn magisch an, der Duft nach feuchten Rosen, auch wenn er unter der Intensität ihres Parfüms kaum noch wahrnehmbar war. Sie stand einfach nur da und sah in die Sterne, beinahe, als warte sie auf irgendwas. Kiran umkreiste das Mädchen, sog den Duft ihrer Haare ein und fuhr mit dem Finger über ihren Nacken und Hals. Dieses mal drangen seine Zähne beinahe zärtlich in ihre Schulter ein. Als Alister merkte, dass es genug war, zog er seinem Bruder sanft am Arm. Dieser hatte wieder deutliche Mühe, sich von dem Mädchen zu lösen. Blut klebte in seinen Mundwinkeln.

„Ich glaube wir sollten gehen, ich merke langsam, wie mir die Kontrolle entgleitet.“ sein Blick ruhte auf dem Mädchen, das immer noch in die Sterne schaute.

„Na gut, gehen wir nach Hause.“

Als sie in Alisters Auto stiegen konnte Kiran sich ein erneutes Grinsen über die neue Farbe nicht verkneifen. Er war wieder deutlich ruhiger, auch wenn man ihm seine Sorgen noch immer ansehen konnte. Über einige Umwege fuhren sie zur Basis zurück. Saskia wartete schon auf sie, als sie die Einfahrt hoch fuhren. Sie stand vor der Tür und begann aufgeregt herum zu hüpfen, als sie in Sicht kamen. Sobald Alister vorgefahren war und anhielt, riss sie die Tür auf und sprang in den Wagen.

„Da seid ihr ja endlich!“ Die Tür fiel hinter ihr zu und sie rutschte auf dem Sitz hin und her. „Ist Sophie immer so?“

„Wie?“ Kiran schaute sie fragend an.

„Du weißt, wie sie ist, Brüderchen.“ schaltete Alister sich ein „Sie trietzt gerne und ich erinnere mich, das Lesen und Schreiben lernen bei ihr nicht gerade ein Zuckerschlecken ist.“

Er grinste, als das Mädchen anfing heftig zu nicken.

„Stimmt, das hatte ich vergessen.“

Sie kramte in ihrer Hosentasche und zog eine kleine Stofffledermaus heraus „Dafür hat sie mir das hier geschenkt.“ Es war ein Schlüsselanhänger, den sie von ihrem Finger baumeln ließ „Ist die nicht niedlich?“ die kleine Fledermaus verschwand wieder in ihrer Tasche.

„Hast du heute schon was getrunken?“ erkundigte sich Kiran, ohne auf den kleinen Anhänger einzugehen.

„Nein... dazu war keine Zeit...“

Er warf seinem Bruder einen fragenden Blick zu.

„In Ordnung, ich werde mich darum kümmern.“

„Danke.“

Nachdem Kiran ausgestiegen war, fuhr Alister mit Saskia weiter, um ihr ebenfalls noch jemanden zu suchen. Sie beeilten sich, da der Sonnenaufgang schon recht nah war, dafür waren allerdings auch schon einige Menschen unterwegs. So brauchte er nicht lange zu suchen, bevor er sich für einen jungen Mann entschied, der auf seinem Fahrrad fuhr.

Alister lenkte das Auto nah an das Rad und murmelte „Halt!“

Das Fahrrad fiel mitsamt Fahrer um, als der Mann erstarrte und nur bremste, aber seine Füße nicht absetzte. Das Mädchen eilte zu dem Gestürzten. Der Geruch seines aufgeschürften Knies drang an ihre Nase – Blut. Sie schob den Ärmel seiner Jacke hoch und biss ihm in den Unterarm, darauf bedacht, aufzuhören, wie es ihr gezeigt worden war. Nachdem sie fertig war, sprang sie wieder ins Auto.

„Vergiss was geschehen ist!“ befahl Alister dem Mann auf dem Boden und fuhr dann davon. Dieses mal ging es direkt nach Hause, wo Kiran sich schon ins Bett gelegt hatte. Die Augen geschlossen, ohne auf ihre Ankunft zu reagieren. Es war schwer zu sagen, ob er schlief oder nicht, aber Saskia krabbelte dennoch zu ihm ins Bett, um bei ihm zu schlafen, nachdem sie seinen Bruder kurz gedrückt hatte, der nach einer kurzen Dusche ebenfalls zu Bett ging.

Abigail saß auf einer Mauer und starrte vor sich hin. Die anderen Mitglieder ihres Rudels alberten herum. Normalerweise hatte sie immer mit gemacht, aber momentan war sie mit ihren Gedanken bei Alister und zudem müde. Seit sie den Vampir kennen gelernt hatte, hatte sie kaum noch geschlafen und obwohl sie ihn in der letzten Nacht nur kurz gesehen hatte, hatte sie fast die ganze Nacht auf der Wiese gesessen, wo er sie zurück gelassen hatte, und die Sterne beobachtet. Nora setzte sich neben sie, ein junger Werwolf mit hellroten Haaren.

„Hey Abby.“ sie musterte ihre Freundin von der Seite „Du bist in den letzten Tagen so abwesend, ist irgendwas passiert?“

„Es ist nichts, ich bin nur momentan etwas müde, zu wenig Schlaf.“

„Bist du sicher, dass das alles ist? Du siehst so blass aus, vielleicht wirst du krank.“

Abigail schüttelte mit dem Kopf „Es ist alles in Ordnung, ich bin wirklich nur müde.“

„Willst du dann nicht vielleicht lieber nach Hause gehen und dich ein wenig hinlegen? So wie du aussiehst, macht man sich wirklich Sorgen um dich.“

„Nein... nein wirklich nicht.“

Auf einmal schnüffelte Nora an ihr „Dieser Geruch, der dir anhaftet...“ sie schloss die Augen „Er wird fast von dem nach feuchten Moos überdeckt... irgendwie fremd und doch vertraut...“ der kleinere Werwolf schloss die Augen „Was ist das?“

Abigail wurde knallrot, sie konnte es nicht verhindern „Ich möchte lieber nicht darüber reden...“

Ihre Freundin beäugte sie misstrauisch „Na gut, aber du solltest dich trotzdem mal wieder ordentlich ausschlafen.“

Nora glitt von der Mauer und ließ sie alleine dort sitzen. Lange würde sie die schlaflosen Nächte wirklich nicht mehr durchhalten, von daher hatte sie schon recht, aber sie konnte auch nicht zugeben, dass sie sich in einen Vampir verliebt hatte. Sie konnte nicht einmal den Grund benennen, doch er brachte ihr Blut regelrecht zum Kochen. Sein Bruder hingegen machte ihr Angst, besonders, nachdem sie gesehen hatte, was er anrichten konnte. Eigentlich war es auch gar nicht ihre Art, sich mit älteren Männern zu treffen, dennoch fühlte sie sich jeden Abend wieder zu ihm hin gezogen und fand sich vor seiner Wohnung wieder, ohne dass sie etwas dafür oder dagegen tat. Er war ihrer Frage zwar ausgewichen, aber er machte nicht den Eindruck, als wäre er erst seit wenigen Tagen ein Vampir und sein Zwillingsbruder noch weniger. Eine solche Macht erreichte man nicht innerhalb von wenigen Wochen, außer vielleicht, man führte einen Privatkrieg gegen die Menschheit, aber ob man dann lange genug überlebte, um so mächtig zu werden, bezweifelte sie stark. Daraus ließ sich für sie aber schließen, dass die beiden um einiges älter als sie sein mussten. Trotz ihrer Angst vor ihm, musste sie allerdings zugeben, dass Kiran sie ebenfalls nicht ganz kalt ließ, dafür sah er seinem Bruder viel zu ähnlich und das Aussehen war leider nicht das einzige, was sich ähnelte. Der ihnen eigene Geruch war ebenfalls leicht zu verwechseln und wären Alisters Haare nicht deutlich kürzer als die seines Bruders, könnte es selbst einem Werwolf passieren, dass er sie verwechselte. Sie meinte seine Lippen auf ihren zu spüren, wollte sich ihm entgegen beugen und landete hart auf dem Boden.

„Ich sollte wohl doch schlafen gehen...“ murmelte sie und rappelte sich wieder auf. Nora

hakte sich sofort bei ihr unter „Komm, ich bringe dich nach Hause.“

Doch Abigail schüttelte sie ab „Nein, ich komme schon klar.“ und ging eilig in Richtung des Hauses ihrer Eltern, merkte dabei jedoch nicht, dass Nora ihr folgte.

Der Geruch ihrer Rudelmitglieder war ihr so vertraut, dass sie ihn einfach nicht wahrnahm. Vor dem Zaun ihres Elternhauses blieb sie stehen. Eine Hand auf der Eingangspforte starrte sie zur Tür. Eigentlich hatte sie wenig Lust, ihren Eltern jetzt gegenüber zu treten, zumal sie sich sicher war, dass sie den Geruch an ihr sofort als das deuten würden, was er war. Obwohl sie 21 war, versuchten ihre Eltern immer noch sie zu kontrollieren. Entschlossen wandte sie sich ab und machte sich auf den Weg zu Alister, sie wollte derzeit an keinem anderen Ort sein. Sie würde einfach auf der Wiese warten, bis die Nacht anbrach.

Rot - Die Farbe der Nacht

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