Читать книгу Rot - Die Farbe der Nacht - Gillian Simon - Страница 8

Nacht 4

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Alister wachte recht spät auf. Die Ereignisse der letzten Tage und die Sorgen seines Bruders zehrten an seinen Kräften. Doch obwohl er immer noch recht erschöpft war, musste er sich auf Nahrungssuche begeben. Auch ohne nachzusehen, wusste er, dass die beiden schon längst aufgebrochen waren, vermutlich um Saskia weiter zu trainieren. Sein Handy zeigte einen verpassten Anruf von Nicolai, doch darum kümmerte er sich nicht, er würde schon erneut anrufen, wenn es wirklich wichtig war. Nach einer kurzen Dusche zog er sich an. Ähnlich wie Kiran bevorzugte er dunkle Farben, da man darauf das Blut nicht so schnell sehen konnte und kleine Spritzer gar nicht auffielen. Aber bei solch einer Sauerei wie sein Bruder sie von Zeit zu Zeit anrichtete half auch das nicht mehr. Und er sah durchaus elegant wie immer aus, als er die Wohnung verließ. Seinen Wagen ließ er heute stehen, da dieser erst noch neu lackiert werden musste.

Langsam ging er die Straße entlang. Er hatte viel Zeit, hatte nichts weiter vor und wollte einfach etwas runter kommen, sich entspannen, Spaß haben und bei Gelegenheit etwas Trinken. Laut Kiran war er meist viel zu steif. Der Park auf der anderen Straßenseite lag ruhig und dunkel da und aus einer Laune heraus bog er auf einen seiner Wege. Eine Weile lang folgte er dem Weg, gänzlich ohne Eile. Auf einmal drang ihm das Pochen eines Herzens ans Ohr. Ein wenig schneller als ein menschliches Herz und mit einem dumpfen Unterton. Diese Art von Herzschlag hatte er nur sehr selten gehört: Werwolf. Alleine, ohne Rudel, was ungewöhnlich war. Davon abgesehen, versteckten sie sich meist, wenn nicht gerade Vollmond war, da sie in ihrer menschlichen Gestalt bei weitem nicht so wehrhaft waren und den Vampiren zumeist unterlegen. Sein Bruder war nicht in der Nähe, das hätte er gemerkt und jeglicher andere, ihm bekannte Vampir war ebenfalls außer Reichweite. Da er die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte musste er den Werwolf also alleine stellen. Dem Herzschlag nach vermutete er ein Weibchen, aber sicher konnte er erst bei Sichtkontakt sein. Das Pochen war sein Kompass und als er langsam in die Nähe des Feindes kam, dessen Atem sich mit dem Pochen zu einer seltsamen Melodie vermischte, kletterte er auf einen Baum um erst einmal zu beobachten. Als die Werwolfdame jedoch in Sicht kam konnte Alister sich nicht mehr halten. Für einen Menschen wäre sie Atemberaubend gewesen, er jedoch musste gar nicht mehr atmen. Dennoch reagierte sein Körper auf ihren Anblick und so schlug er hart auf den Boden auf. Die Frau, die ihn nun bemerkt hatte kam auf ihn zu und stellte sich leicht breitbeinig neben ihn. „Was haben wir denn hier?“ Er konnte sich kaum von dem Anblick ihrer schlanken Beine losreißen, obwohl er wusste, dass die Situation nicht ungefährlich war, so wie er auf dem Boden herumlag. Dann schaffte er es aber doch sich aufzurappeln.

Verwunderlicherweise reichte sie ihm die Hand und half ihm auf. Ihre scharfen, gelbgrünen Augen musterten ihn „Ihr seid doch sonst nicht so ungeschickt.“

„Ähm, ja.“ Alister räusperte sich, es war ihm schrecklich unangenehm, sie so angestarrt zu haben.

Sie hingegen konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen „Verlegen, wie süß. Du bist der Erste, der nicht sofort versucht mich zu töten.“

Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch „Nein, äh, tut mir leid, soll ich es nachholen?“

„Bitte nicht,“ lachte sie „ich habe gerade keine Lust mich anzustrengen.“

Der Wind fuhr durch ihre lila gefärbten Haare und Alister fühlte sich wie erschlagen. Sie roch wild und gleichzeitig nach frischen Gräsern, darunter lag ein Hauch von Tannennadeln, als würde sie viel Zeit im Wald verbringen. Alles in Allem ein Duft, der untypisch für eine Frau war, ihn aber auch leicht vergessen ließ, was sie war. Er grinste schief, wobei seine spitzen Eckzähne zum Vorschein kamen und kam sich völlig bescheuert vor.

Warum auch immer, sie hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht, brachte seine Zähne zum Kribbeln „Ich eigentlich auch nicht, wenn ich ehrlich bin.“ davon abgesehen, dass er sie eigentlich auch gar nicht mehr angreifen wollte.

Sie löste eine Gier in ihm aus, wie er sie bisher noch nie verspürt hatte, eine Gier, nicht nur nach ihrem Blut.

Wieder ertönte ihr Lachen „Da bin ich aber froh.“

So konnte es noch interessant werden. „Man bekommt nicht oft die Gelegenheit miteinander zu reden, ihr seid in der Regel immer so unkommunikativ.“ versuchte er das Thema zu wechseln, ein schlechter Versuch.

Natürlich verstand er keine Wölfe und dies war seine erste Begegnung mit einem Werwolf in seiner menschlichen Gestalt. Für diesen Satz hätte er sich ohrfeigen können.

Die Frau schaute ihn beleidigt an „Nur weil ihr uns nicht versteht, heißt das nicht, dass wir unkommunikativ sind. Davon abgesehen sehe ich keinen Grund darin, mich mit jemanden zu unterhalten, der versucht mich umzubringen.“

Womit sie durchaus recht hatte und auch er hätte so gehandelt, wäre es Vollmond gewesen, so aber hatte ihr Anblick ihn davon abgehalten „Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten.“

„Entschuldigung angenommen.“ meinte sie grinsend und streckte ihm ihre Hand hin „Ich heiße übrigens Abigail“

„Alister.“ stellte er sich vor und nahm ihre angebotene Hand „Magst du vielleicht ein Stück gehen, oder willst du hier noch länger stehen bleiben?“

Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln „Nein, nicht unbedingt.“

Er machte eine einladende Geste und gemeinsam gingen sie durch den dunklen Park. Ihm fiel auf, dass ihre Augen leicht fluoreszierten, etwas was ihm bisher noch nie aufgefallen war, aber im Kampf achtete man nicht auf solche Details.

„Ich habe immer gedacht, ihr seid wesentlich aggressiver.“

„Das macht der Mond. Da sind wir allgemein etwas empfindlich und umso voller er ist, umso unruhiger werden wir.“

„Und bei Vollmond verliert ihr die Kontrolle?“

„Ach was.“ sie machte eine wegwerfende Bewegung „Eine Verwandlung bedeutet nicht, dass wir gar nicht mehr wissen, was wir tun, eher sind wir dann sehr emotional und leicht reizbar. Aber noch sind es ein paar Tage bis Vollmond, so stark ist sein Einfluss momentan noch nicht.“

„Also bist du derzeit völlig ruhig und entspannt.“ stellte er grinsend fest, was ihr wieder ein Lachen entlockte.

„So in etwa.“

Neugierig musterte sie ihn von der Seite. Er war ein Stück größer als sie, hatte dunkle, kurze Haare, dunkle Augen und eine gerade Nase. Wie alt er wohl war? Sie hatte gehört, Vampire seien unsterblich, aber bisher hatte sie noch keinen kennen gelernt, der es ihr hätte bestätigen können. Alister allerdings wirkte unsicher, beinahe ein wenig schüchtern, was sie doch etwas irritierte, denn allgemein benahm er sich weniger so, als wäre er noch ein junger Vampir.

„Demnach kann ich froh sein, dass ich dir heute vor die Füße gefallen bin und nicht kurz vor vor Vollmond.“

Abigail nickte „Vermutlich. Wer weiß wie es dann ausgegangen wäre.“

Ihre Blicke trafen sich kurz, doch er wandte den seinen gleich wieder ab, wie beiläufig. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug. Etwas, das er sofort bemerkte, doch sagte er nichts dazu. Ihr gesamtes Wesen kam ihm überhaupt nicht wie das eines Raubtieres vor, aber er selber benahm sich auch nicht unbedingt besser, wie er hier mit ihr durch den Park spazierte und immer mal wieder ihren Duft einatmete. Er konnte einfach nicht anders, allerdings hatte das auf seine Gier nicht unbedingt den Effekt, dass sie weniger wurde. Nur zu gerne hätte er ihr Blut gekostet, doch sie war kein Mensch, sie würde niemals zulassen, dass er es einfach nahm, Gedankenkontrolle funktionierte bei Werwölfen nicht. Aber auch sonst, merkte er, dass er langsam Blut brauchte, was er ihr gegenüber allerdings nicht erwähnen würde.

„Ich möchte es mir lieber nicht vorstellen.“ klar war nur, dass es blutig geworden wäre.

„Nein, ich auch nicht.“ gab sie kichernd zurück „So ist es doch viel angenehmer.“ wobei ihre Stimme wieder ruhiger wurde und ihr Blick zum Halbmond wanderte, der über ihnen am Himmel hing.

„Wollen wir uns vielleicht eine Weile setzen?“ fragte er woraufhin die Werwolfdame sofort eine Bank ansteuerte, neben der eine Laterne stand.

Nun konnte sie auch erkennen, dass seine Augen von einem dunklen grün-braun waren. Erneut verwunderte sie die starke Differenz zwischen seinen geschmeidigen, selbstsicheren Bewegungen und der Unsicherheit, die er ihr gegenüber an den Tag legte.

Als er sich neben ihr niedergelassen hatte, sah sie ihn an „Und ihr seht im Dunkeln ohne Einschränkungen?“

„Natürlich, wir sind auf die Nacht beschränkt, dafür reagieren unsere Augen umso empfindlicher auf Licht, was bei der technischen Entwicklung heutzutage durchaus manchmal stören kann.“ wobei er auf die Laterne deutete, die die Bank erleuchtete „Und bei euch?“

„Wir sehen bei Tag und bei Nacht etwa gleich gut oder schlecht, wie man es halt nimmt, wir sind mehr auf Gerüche fixiert. Zwar sehen wir in der Nacht besser als ein Mensch, dafür am Tag etwas schlechter.“

„Hast du nachgeforscht, oder ist das deine eigene Erfahrung?“ fragte er lachend.

Grinsend schüttelte sie ihren Kopf „Nein, ich wurde als Werwolf geboren, ich kenne nur zufälligerweise einen, der mir das aus eigener Erfahrung erzählt hat.“

„Zufällig... so so.“ meinte er schmunzelnd. Abigail zuckte mit den Schultern „Wir müssen genauso vorsichtig sein, wie ihr, immerhin sind die Menschen uns gegenüber auch nicht unbedingt freundlich eingestellt, nur ihr habt die besseren Möglichkeiten euch zu verbergen. Frisch verwandelte Werwölfe sind dabei nicht unbedingt hilfreich, sie sind zu...“ sie überlegte einen kurzen Moment „instabil.“

„Also lasst ihr es lieber ganz?“ Sie nickte knapp „Allgemein bleiben wir mehr unter uns und ich gehe mal davon aus, dass es bei euch nicht anders ist.“

„Ein wenig vielleicht... Wir sind mehr Einzelgänger. Aber sag mal, was machst du eigentlich hier, mitten in der Nacht. Es sollte doch an sich bekannt sein, dass hier Vampirgebiet ist.“

„Geschäftliches... Werwolfangelegenheit.“ sie zwinkerte ihm zu „Aber nichts, worüber du dir Gedanken machen müsstest.“

„Ja, solche Angelegenheiten kenne ich auch.“ meinte er grinsend „Die führen uns allerdings weniger in eure Reviere.“

„Ist bei uns auch die Ausnahme. Aber ehrlich gesagt...“ sie sah ihn an und lächelte leicht „Ich bin froh darüber, sonst hätte ich wohl auf deine Bekanntschaft verzichten müssen.“

„Und du glaubst, dass das etwas ist, worüber du froh sein kannst?“ seine Stimme klang leicht amüsiert.

Nachdenklich blickte sie auf ihre Füße und kickte einen Stein weg „Warum sollte ich nicht?“ dann sah sie ihn an „Hast du vielleicht doch noch vor mich anzugreifen?“

Lachend schüttelte er den Kopf „Nein, das nun wirklich nicht. Dennoch... es ist schon ein wenig seltsam, findest du nicht?“

„Ja, irgendwie schon... wobei ich persönlich die Kälte schlimmer finde.“

„Darf ich dir meine Jacke anbieten?“ fragte er, zog sie aus und hielt sie ihr hin.

„Und was ist mit dir?“

„Mach dir keine Sorgen, wir frieren nicht.“

Zögernd griff sie die dargebotene Jacke und schlüpfte hinein.

„Die ist ja von innen so kalt, wie der Wind, der hier ab und an vorüber pfeift.“ beschwerte sie sich fröstelnd.

„Meine Rede.“ gab er lachend zurück „Hast du ernsthaft eine vorgewärmte Jacke erwartet?“

Ihre Augen strichen über sein Gesicht, blieben an seinen Lippen hängen, die durch die Länge seiner Eckzähne leicht geöffnet waren „Nein, eigentlich nicht... aber vielleicht gehofft.“ ihr Blick hob sich wieder zu seinen Augen „Aber langsam geht es... danke.“

Er zuckte mit den Schultern „Die ist eh mehr ein Mittel um nicht sofort aufzufallen, eigentlich brauche ich sie gar nicht.“

„Trotzdem.“ ein schiefes Lächeln umspielte ihre Lippen „Selbstverständlich ist es nicht.“

„Wohl nicht...“ seufzend lehnte er sich zurück und sah zum Himmel, der Mond war nun nicht mehr zu sehen „Ich gehöre wohl noch zur alten Schule.“

„Wie alt?“ Wieder musste er lachen „Deutlich älter als du. Aber in erster Linie hatte ich wohl eine gute Lehrerin, was solche Dinge angeht.“

„Dann sollte ich ihr wohl dankbar dafür sein, dass ich jetzt deine Jacke tragen darf.“ meinte sie grinsend und konnte nicht widerstehen, am Kragen der Jacke zu riechen.

Hier war sein Geruch deutlich intensiver wahrzunehmen, da er direkt mit seiner Haut in Kontakt gekommen war. Würzig, ein wenig nach Kräutern, aber auch der Geruch von Blut und Tod war unverkennbar. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sie dabei beobachtet hatte und zuckte zusammen, als sie zu ihm sah und feststellte, dass er sie anschaute. Er verkniff sich das Grinsen, wofür sie dankbar war, dennoch fühlte sie sich ertappt und war erleichtert, als er wieder zu den Bäumen sah, die auf der anderen Seite des Weges in den Himmel ragten. Was tat sie hier bloß? Eigentlich sollte sie nicht hier sein, sondern zu ihrem Rudel zurückkehren, aber irgendwie wollte sie nicht weg, auch auf die Gefahr hin, dass es nicht gut endete. Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe und blickte ihn wieder an. Alister wirkte ruhig, beinahe zu ruhig, wie sie fand, was aber auch an dem liegen konnte, was er war. Er war sicher nicht der erste Vampir, dem sie begegnete, aber der Erste, der Herzklopfen bei ihr auslöste, statt mit ihr zu kämpfen. Beide schwiegen, obwohl sie gerne etwas gesagt hätte, allerdings war er ihrer Frage nach seinem Alter schon ausgewichen, warum also hätte er andere beantworten sollen? Sie musterte seine Eckzähne, die an seinen Mundwinkeln hervorblitzten. Ob die immer diese Form hatten? Die Vorstellung kam ihr ganz schön lästig vor, aber vielleicht hing es auch damit zusammen, dass er sehr blass war. Seine Haut wirkte wie weißer Marmor und in ihr kam das Verlangen auf, sie zu berühren. Um dieses Bedürfnis zurückzuhalten, ballte sie ihre Hand zur Faust, ihren Herzschlag allerdings, bekam sie so nicht so leicht unter Kontrolle. Vielleicht brauchte er einfach nur etwas Blut. Ihr Blick fiel auf ihr Handgelenk. Ob er ihres nehmen würde? Wieder sah sie zu seinen Lippen, unterdrückte ein Seufzen. Würde er sie mit diesen Lippen berühren? Sie blinzelte, als würde das diese Gedanken vertreiben. Auch eine Art von Selbstbetrug. So abwesend, wie er derzeit wirkte, war sie sich nicht sicher, ob er es überhaupt hören würde, wenn sie etwas sagte. Wenn nicht, würde das heißen, dass er ihr vertraute?

„Du siehst hungrig aus.“ sie hatte nur leise gesprochen, doch sofort sah er sie an. Es hatte nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde gedauert, dass er in die Realität zurück gefunden hatte. Aber dieser Blick... er ließ ihr Herz wieder höher schlagen und sie musste schlucken „Tut mir leid, wenn ich deine Jagd unterbrochen habe.“

„Hast du nicht, keine Sorge, trotzdem sollte ich langsam...“ er schaute ihr in die Augen, dann schloss er die seinen und schüttelte langsam den Kopf „Ich such mir einfach morgen jemanden.“

„Wirklich, du solltest etwas essen.“ sie hielt ihm ihren Arm hin. „Schonmal Werwolf probiert?“ jetzt wollte sie nicht aufgeben.

„Zumindest hat es mir noch keiner freiwillig angeboten.“

„Und das heißt?“

„Das du nicht der erste Werwolf bist, dem ich begegnet bin, nur haben die Anderen nicht so lange überlebt.“

Nun wurde ihr doch ein wenig mulmig zumute. Sie wusste, sie lieferte sich ihm so aus, aber abbrechen kam für sie nicht in Frage. Langsam schob er ihren Ärmel hoch. Die Kälte seiner Finger ließ sie zusammenzucken, doch dann schienen seine sanften Berührungen ihre Haut zu elektrisieren. Die ganze Zeit über hatte er ihr dabei in die Augen gesehen, doch als seine Lippen sie berührten und seine Zähne durch ihre Haut drangen, schloss er sie. Ihr ganzer Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen und sie musste ein Stöhnen unterdrücken. So hatte sie es sich nicht vorgestellt.

Alister trank. Der Geschmack ihres Blutes und ihr Geruch ähnelten sich, aber es lag eine Kraft darin, die er von Menschen gar nicht kannte. Allgemein hatte er nicht besonders häufig von Werwölfen getrunken und die wenigen Male hatte er das Ziel gehabt, zu töten. Dieses Mal aber, wollte er genau das nicht, aber so berauschend wie es war, kostete es ihn einige Mühe sich wieder von ihr zu lösen. Abigail war atemlos, als er ihren Arm losließ, er selber fühlte sich wie betrunken und seine Zähne brannten eher noch stärker als zuvor. Er wollte mehr.

„Danke.“ murmelte er, dabei stieg eine kleine Kondenswolke aus seinem Mund, erhitzt durch ihr Blut.

„Gerne...“ sie sah auf ihr Handgelenk, doch die Wunde war längst wieder verheilt, dann hob sie ihren Blick.

Seine Lippen waren blutig rot, ein starker Kontrast zu seiner blassen Haut, doch irgendwie machte es ihn noch unwiderstehlicher. Langsam beugte sie sich vor, zögerte kurz, bevor sie ihn sanft küsste. Einen Kuss, den er erst nach Sekundenbruchteilen unsicher erwiderte, zu sehr hatte sie ihn damit überrascht. Aber er genoss es, ihre Lippen auf seinen zu fühlen. Als sie sich von ihm löste, atmete er tief durch.

„Hältst du das für richtig?“ fragte er leise, während er versuchte das Brennen in seinen Zähnen zu ignorieren.

„Ich weiß es nicht...“ gab sie flüsternd zurück, „Aber was spricht dagegen, es einfach geschehen zu lassen?“

„Das hängt davon ab, wen du fragst...“

„Dich.“

Ihre Blicke trafen sich und er war froh, dass er nicht stand. „Mir fällt gerade nichts ein...“ hauchte er und fühlte sich dabei völlig benebelt von ihrem Blut und dem Kuss.

„Mir auch nicht...“ sie rückte noch etwas näher an ihn heran, „Daher würde ich es gerne versuchen, das heißt... wenn du es auch willst.“

Alister schloss seine Augen, versuchte einen klaren Kopf zu bekommen, doch sie war ihm zu nah, ihr Geruch zu präsent. Ihre Anwesenheit erregte ihn, hatte es schon, bevor er ihr Blut gekostet hatte und nun noch mehr. Statt zu antworten zog er sie an sich und gab ihr einen weiteren sanften, doch kurzen Kuss. Ihre Lippen waren weich und heiß und ihr Geschmack blieb an den seinen haften, als der Kuss endete.

„Es tut mir leid, Abigail, aber ich sollte langsam los. Die Sonne geht bald auf, und ich muss bis dahin zuhause sein.“

Ihr Blick glitt zum Himmel, von der Morgendämmerung war noch nichts zu sehen, doch sie zweifelte nicht an, dass er recht hatte. Waren sie wirklich schon so lange hier? Sie hatte gar nicht bemerkt, wie die Zeit verflogen war.

„Ich... kann ich nicht noch etwas bei dir bleiben?“ gerade jetzt wollte sie nicht von ihm weg, jetzt wo es begann, interessant zu werden und sie wollte wissen, wo es endete, wollte ihn.

Nachdenklich sah er sie an, so lange, dass sie das Gefühl hatte, sein Blick bringe sie zum schmelzen. Schließlich schloss er ein, zwei Sekunden seine Augen, blickte sie dann an und fragte „Möchtest du vielleicht mitkommen?“

Überrascht blinzelte sie „Gerne.“ sah ihn an, als er sich nickend erhob und dann auf sie wartete.

Unsicher stand auch sie auf, ihre Knie fühlten sich an wie Gummi, als sie ihm durch den dunklen Park folgte.

„Ich muss dich nur warnen, bei uns in der Wohnung ist es dunkel, wir haben nämlich keine Glühbirnen.“

„Wir?“ erschrocken blieb sie stehen.

Er hielt ebenfalls an und schaute zu ihr zurück „Ja, ich habe einen Bruder.“

„Glaubst du, er wird...“ sie zögerte.

„Dich angreifen?“ Alister schüttelte seinen Kopf „Wohl kaum. Er hat zwar eine Neigung dazu, aber grundlos wird er meinen Besuch nicht angreifen, auch wenn ihm deine Anwesenheit nicht gefallen wird.“

„Oh... warum hast du mich dann eingeladen?“

„Weil ich gerne noch ein wenig mehr Zeit mit dir verbringen möchte...“

Langsam kam sie wieder zu ihm und hakte sich bei ihm unter „Dann lass uns gehen.“

Als sie weitergingen, musterte er sie. Dass er Zeit mit ihr verbringen wollte, war eigentlich nur die halbe Wahrheit, er wollte mehr von ihr, zu sehr erregte ihn ihr Körper, ihr Geruch und insbesondere auch ihr Blut, das er hatte kosten dürfen.

Der Schlüssel drehte sich im Schloss und die Wohnungstür öffnete sich. Alles war still, was darauf schließen ließ, dass Kiran mit Saskia noch unterwegs war.

„Komm rein, ich kann dir allerdings nicht viel anbieten, wir haben nur Blut und Wasser.“

„Sehr spartanisch eingerichtet.“ stellte sie fest, bevor die Tür hinter ihr zu fiel und das letzte Bisschen Licht ausschloss „Welches ist dein Zimmer?“

Vorsichtig führte er sie zu seiner Tür „Dieses.“ öffnete sie und ließ Abigail hinein.

Die Finsternis war für ihre Augen undurchdringlich, was sie ein wenig verunsicherte. In diesem Moment war sie ihm völlig ausgeliefert. Nachdem er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, führte er sie hinüber zum Bett. Ihr Geruch machte ihn wahnsinnig, was es ihm äußerst schwer machte, sich zu beherrschen. Am liebsten wäre er sofort über sie hergefallen, aber das wäre seiner Meinung nach nicht richtig gewesen. Nur, weil er lange auf Sex hatte verzichten müssen, wollte er sie nun nicht dazu drängen. Ihre warme Haut schien unter seinen kalten Fingern regelrecht in Flammen zu stehen, doch sie sagte nichts dazu, sondern ließ sich einfach auf dem Bett nieder und blickte in die Richtung, in der sie ihn vermutete, bis sie merkte, wie er sich neben sie setzte. Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen, während er sie musterte, ihren schlanken, muskulösen Körper, zumindest das, was er unter der Kleidung so erkennen konnte. Alister schloss seine Augen, atmete ihren Duft ein und versuchte seine brennende Gier, so wie seine Erregung unter Kontrolle zu bringen, doch in ihrer Nähe schien ihm das beinahe unmöglich. Dann spürte er ihre Hand auf seiner Brust, ihre Lippen an seinem Hals. Es störte ihn nicht, hätte ihn auch nicht gestört, wenn sie zugebissen hätte, doch sie war kein Vampir, warum also hätte sie das tun sollen? Langsam glitt sie mit ihrer Hand seinen Oberkörper hinab, er konnte die Hitze ihrer Haut durch den dünnen Stoff seines Hemdes spüren. Zögerlich legte er seinen Arm um ihren Körper. Sicher, ihm war kein Grund eingefallen, der gegen eine Beziehung spräche, mit Ausnahme davon, dass er sich aus reiner Begierde darauf eingelassen hatte, sie hier her zu bringen, trotzdem er sich alles andere als sicher war, ob es richtig war. Wie es bei ihr genau aussah, konnte er nicht sagen, er hatte nicht Kirans Fähigkeiten, doch ihre Erregung konnte er durchaus riechen. Auf einmal ließ sie von ihm ab, doch nur, um seine Jacke auszuziehen, dann lag ihre Hand auf seiner Erektion. Es war ihm, als wäre ihm schwindelig und das Brennen in seinen Zähnen schien noch einmal stärker zu werden, als ihr heißer Atem erneut über seine Haut strich. Wollte er hier wirklich gerade mit einem Werwolf schlafen? Und das nur, weil dieser wahnsinnig gut roch und in seinen Augen übermäßig gut aussah? Er wandte ihr den Kopf zu, blickte in ihre Augen, die auf ihm ruhten, als könnte sie zumindest ein wenig erkennen. Sanft zog er sie enger an sich um sie zu küssen. Seinem Bruder würde das ganz und gar nicht gefallen, worauf er sich hier einließ, doch als er ihre Lippen auf seinen spürte, und ihre Hand sich einen Weg in seine Hose gebahnt hatte, waren auch diese Gedanken schnell vergessen. Mit seiner freien Hand mühte er sich ab, sein Hemd zu öffnen, um es auszuziehen musste er sie jedoch los lassen, doch er nutzte die Gelegenheit und öffnete auch gleich ihren Blazer. Darunter trug sie nur noch eine dünne Bluse, deren Knöpfe ebenfalls schnell geöffnet waren. Sie war viel zu dünn angezogen gewesen für das kalte Wetter, kein Wunder, dass sie gefroren hatte, nur war es hier drinnen nicht wirklich wärmer. Zärtlich strich er mit seinen Fingern über ihre nackte Haut, genoss die Hitze, die von ihr ausging. Ihre Brüste schienen ihm perfekt, so wie der Rest ihres Körpers, der gerade von einer leichten Gänsehaut überzogen wurde. Ihre Bluse fiel zu Boden und er zog sie wieder an sich um auch ihren Rock abzustreifen, für seine Hose allerdings, musste er aufstehen. Danach zog sie ihn sofort wieder neben sich und küsste ihn gierig. Ihre heißen Lippen brannten auf seinen, drückten ihn sanft zurück auf die Matratze, doch so weit war es mit seinem Vertrauen noch nicht und mit einer schnellen Bewegung lag sie unter ihm und er küsste sanft ihre nackten Brüste hinab bis zu ihrem Bauch, was eine erneute Gänsehaut bei ihr auslöste. Ihr gesamter Körper bebte vor Erregung und ihre Hände glitten über seinen Rücken bis zu seinem Hintern, drückten sein Becken gegen ihres, weswegen er sich entschied, seine Zurückhaltung aufzugeben und in sie einzudringen, was ihr einen leisen Schrei entlockte, der ihn zum Grinsen brachte. Sie so zu spüren war mehr als faszinierend, ihre Wärme, ihr Körper der im Takt ihres Herzschlages vibrierte und die Gier nach ihrem Blut noch verstärkte. Im ersten Moment hatte seine kühle Erektion sie ein wenig erschreckt, jedoch intensivierte sie das Gefühl recht schnell. Sie spürte gar nicht, wie seine Zähne ihre Haut erneut anritzten, aber seine Zunge, die die kleinen Blutstropfen ableckte, verursachte einen weiteren angenehmen Schauer. Seine Bewegungen waren kraftvoll aber vorsichtig, als hätte er Angst, sie zu verletzen. Dennoch, sie genoss alles. Seine kühlen Lippen auf ihren und an ihrem Hals, seine kühlen Finger, die ihren Körper strichen und seine kühlen Schultern und Hüften unter ihren eigenen erhitzen Händen. Sie genoss es sogar, als seine Zähne erneut durch ihre Haut drangen um noch ein wenig mehr von ihrem Blut zu trinken. Dieses Mal unterdrückte sie ihr Stöhnen nicht. Nie wieder wollte sie darauf verzichten müssen, so als hätte diese kurze Zeit sie süchtig nach ihm gemacht. Ihr Höhepunkt kam gleichzeitig. Seine Körpertemperatur war gestiegen, wie ihr auffiel, auch wenn er noch immer nicht wirklich warm war, als er sich aus ihr zurückzog. Es war merkwürdig, neben jemandem zu liegen, der völlige Stille ausstrahlte. Kein Herzschlag und kein Atem. Das einzige, was sie hörte, war die Wohnungstür, die geschlossen wurde. Vermutlich war sein Bruder nach Hause gekommen.

„Ich glaube ich sollte kurz mit ihm reden.“ Mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung stand Alister auf und zog sich wieder an.

„Bringst du mir was zu trinken?“

„Mach ich, warte du bitte eben hier.“

Sie nickte und er ließ sie in seinem Zimmer alleine. Ohne sagen zu können warum, vertraute sie ihm. Während ihres Beisammenseins war er ihr zu keiner Sekunde feindselig vorgekommen, eher besorgt und vorsichtig. Nur langsam realisierte sie, was sie gerade getan hatte. Sie hatte mit einem Vampir geschlafen, etwas das ihr am Morgen noch nicht einmal im Traum eingefallen wäre, doch nun lag sie hier, in seinem Bett und musste mit einem Mal grinsen. So guten Sex hatte sie noch nie gehabt und wenn sie seine Worte richtig deutete, war sie jetzt mit ihm zusammen, was hieße, dass sie noch mehr davon bekommen konnte, mehr von ihm. Bei diesen Gedanken schlug ihr Herz wieder schneller. Dieser Vampir hatte Gefühle in ihr ausgelöst, die sie so stark noch nie empfunden hatte und die weit über bloße Begierde hinweg gingen.

Alisters Zähne kribbelten immer noch leicht. Aus irgend einem Grund hatte das durch den Sex nicht vollständig nachgelassen. Kiran wartete in der Küche auf ihn. Zwei volle Gläser standen vor ihm, von denen er eines seinem Bruder zuschob, als dieser den Raum betrat. Saskia war nicht zu sehen, vermutlich lag sie schon im Bett.

„Was soll das?“ er deutete mit seinem Glas in Richtung Alisters Zimmer und nahm dann einen Schluck Blut.

„Was meinst du?“

„Du weißt, dass ich den Werwolf in deinem Zimmer meine.“ er klang abfällig.

„Es ist doch meine Sache, wen ich mit nach Hause bringe.“

„Ja, solange du niemanden hier in Gefahr bringst!“

„Und du glaubst ernsthaft, dass von ihr eine Gefahr ausgeht?“

„Natürlich, es ist ein Werwolf! Von denen kann gar nichts Gutes kommen.“

„Hey, so schlimm bin ich nun auch wieder nicht!“

Abigail stand in der Küchentür. Sie hatte sich nur in eine Decke gehüllt, die es jedoch nicht schaffte, sie vollständig zu bedecken. Das Glas, das Kiran in der Hand gehalten hatte, zersplitterte mit lautem Klirren auf dem Boden, Blut spritzte über die Fliesen und die Werwolfdame zuckte erschrocken zusammen, während Alister sich das Lachen nicht mehr verkneifen konnte, als er den Blick seines Bruders sah.

„Jetzt weiß ich wenigstens, wieso du unser aller Leben in Gefahr bringst!“ knurrte er und stand gereizt auf um sich ein neues Glas aus dem Schrank zu holen.

Sich nur langsam beruhigend, ging Alister zu Abigail und nahm behutsam ihren Arm um zu einem der Stühle zu führen, dabei achtete er darauf, dass sie in keine der Glasscherben trat.

„Ich habe dich doch gebeten, in meinem Zimmer zu warten.“

„Ich weiß, aber ich wollte deinen Bruder kennen lernen, er klingt genau wie du.“

Dieses Mal musste Kiran lachen „Du hast es ihr nicht gesagt?“

„Was gesagt?“ das Fragezeichen stand ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben und Alister seufzte

„Wir sind Zwillinge.“ dann wandte er sich ab um ihr das versprochene Wasser zu holen.

„Oh, nun hast du mich neugierig gemacht.“

Von Kiran kam ein Schnauben „Auf was? Ob du uns auseinander halten kannst, wenn du uns nebeneinander siehst?“

Sein Bruder stellte kopfschüttelnd das Wasserglas auf den Tisch und führte die Hand des jungen Werwolfs hin „Hast du etwa Angst, dass sie uns verwechselt?“

Der Blick mit dem er sie musterte war eiskalt „Vielleicht auch die Hoffnung, dann hätte ich einen Grund mehr sie umzubringen.“

Abigail musste trocken schlucken, so hatte sie sich diese Begegnung sicher nicht vorgestellt.

„Als würdest du dafür mehr als einen Grund brauchen.“

„Stimmt.“

Bevor Alister reagieren konnte, stand Kiran hinter ihr, zog Abigail, die einen erschrockenen Schrei ausstieß, grob vom Stuhl hoch, hielt sie mit dem rechten Arm fest und allein mit seinem linken Daumen drehte er ihren Kopf soweit zur Seite, dass die Knochen in ihrem Nacken knirschten.

„Bitte, lass sie los.“ stöhnte Alister genervt.

Sein Bruder zögerte, dann zischte er ihr ins Ohr „Sieh es als Warnung! Ich bin stärker als du und es wäre mir eine Freude, es zu beenden!“ bevor er sie unsanft zu Boden stieß.

Sofort war Alister bei ihr und zog die Decke heran, die auf dem Stuhl zurück geblieben war. Schaudernd bemühte sie sich, ihren Körper wieder zu verhüllen.

„Ist er eigentlich immer so?“ fragte sie mit leiser Stimme.

Er schaute zu Kiran, der sich wieder mit seinem Glas an die Arbeitsfläche gelehnt hatte und ihnen mit kaltem Blick zusah „Kommt ganz darauf an, was du meinst...“

„So gereizt...“ meinte sie und setzte sich auf.

„Nur, wenn mein Bruder auf die Idee kommt, hier ein Haustier anzuschleppen.“

Alister verdrehte die Augen „Mache ich ja auch jedes Wochenende. Ich wäre dir trotzdem sehr dankbar, wenn du ein wenig freundlicher zu ihr wärst.“

„Warum sollte ich? Sie ist nur ein kleiner, unwissender Hund, der mit dem Feuer spielt.“

Seufzend half Alister ihr auf „Ich glaube, es wäre besser, wenn du erst einmal gehst... sonst beruhigt er sich nie.“

Sie nickte und ließ sich dann von ihm in sein Zimmer zurück führen, damit sie sich wieder ankleiden konnte. Kiran folgt ihnen mit seinem Blick.

An der Tür zögerte sie kurz „Wann sehe ich dich wieder?“

„Du kannst gerne heute Abend wieder vorbei kommen, bis dahin ist er hoffentlich wieder etwas ruhiger und wenn nicht, hänge ich zumindest nicht mehr hier drinnen fest.“

„In Ordnung.“ flüsterte sie leise und gab ihm einen langen Kuss auf die Lippen, bevor sie sich zum Gehen wandte „Bis heute Abend.“ dann fiel die Tür leise hinter ihr ins Schloss.

Alister stieß die Luft wieder aus, die er angehalten hatte. Diese Frau machte ihn schwach und Kiran hatte schon recht, wenn er versuchte ihn zu beschützen, auch wenn er selber der Meinung war, dass sein Zwilling übertrieb. Aber nun waren sie vorerst wieder alleine und er brauchte Blut, also ging er zu seinem Bruder in die Küche zurück, setzte sich und griff nach dem Glas, das schon die ganze Zeit für ihn bereit stand. Kein frisches Blut, doch besser als nichts.

„Du kannst wirklich stolz auf dich sein.“

Fragend blickte er seinen Zwilling an.

„Du hast einen Hund dazu gebracht, sich Hals über Kopf in dich zu verlieben. Ich hoffe, dir ist bewusst, was das bedeutet!“

„Blut und Sex für mich, während du leer ausgehst?“

Kiran schnaubte gereizt „Du weißt genau, dass ich das nicht meinte!“

„Du meinst ihr Rudel...“

Er zuckte zur Antwort nur mit den Schultern.

„Wie lief es eigentlich mit Saskia?“ versuchte Alister das Thema zu wechseln.

„Es ging. Ich merke, wie es sie schmerzt, dass sie uns nicht helfen kann.“ er klang beinahe ein wenig nachdenklich „Aber sie bemüht sich und schweigt.“

„Meinst du, es ist der richtige Weg? Wir können schließlich nicht immer für sie da sein.“

„Und sowas von dir? – Ach ja, du meinst ja momentan auch, dass es richtig wäre, einen Werwolf in unser Versteck zu bringen!“ knurrte er verächtlich und warf sein Glas nach seinem Bruder, der nicht schnell genug war um auszuweichen.

Nicht nur das Glas zerbrach. Vor Schmerz und Schreck schrie Alister auf. Ihm war nicht aufgefallen um wie vieles stärker Kiran in den letzten Jahren geworden war. Sein Arm heilte schon wieder, schmerzte aber höllisch. So wütend hatte er seinen Bruder selten erlebt und noch seltener richtete sich diese Wut gegen ihn selber. Saskia, der Einbruch und dann kam er auch noch mit einem Werwolf an. Dass ihm das zu viel war, war nicht unbedingt verwunderlich. Seufzend erhob er sich und ging zu ihm, wollte ihm die Hand auf den Arm legen.

„Es t...“ weiter kam er nicht.

Kiran schlug seine Hand zur Seite „Verschwinde einfach, Alister!“zischte er gefährlich leise „Und Reue brauchst du schon gar nicht heucheln. Du bedauerst ihre Anwesenheit nicht im Mindesten!“

Er hasste diese Fähigkeit von ihm, aber so blieb ihm nichts Anderes übrig, als zu seinem Stuhl zurückzukehren. Abwesend nippte er an seinem Glas und pulte die Splitter heraus, die in sein Fleisch gedrungen waren. Sein Arm tat immer noch weh und Alister wusste, das würde er noch eine ganze Weile, da er nicht viel frisches Blut getrunken hatte, was der Heilung nicht besonders zuträglich war. Auf einmal flitzte Saskia an ihm vorbei und umarmte Kiran. Sie ging ihm etwa bis zum Bauchnabel. Schmerz und Wut mussten so stark sein, dass sie davon aufgewacht war und dafür mussten in diese Richtung extreme Gefühle vorhanden sein. Rasch trank er sein Glas leer und ging in sein Zimmer. Etwas anderes blieb ihm derzeit auch nicht übrig, raus konnte er schließlich nicht. Sein Bruder würde sich schon wieder beruhigen, die Frage war nur, wie lange das dauern würde. Fluchend stellte er fest, dass sein gesamtes Bett nach Abigail roch, was das anhaltende Kribbeln in seinen Zähnen wieder stärker werden ließ. Aus irgend einem Grund schmerzte ihn ihre Abwesenheit gerade und er fühlte sich einsam, wie schon lange nicht mehr.

Kiran stand immer noch in der Küche und hielt Saskia im Arm. Wie konnte sein Bruder nur solch eine Dummheit begehen? Die Schönheit dieses Werwolfs schien seine Sinne vollkommen zu vernebeln. Eine Schönheit, die selbst Kiran nicht abstreiten konnte, aber er verlor deswegen nicht völlig den Verstand. Ihm tat es nicht leid, Alister den Arm gebrochen zu haben, der würde am Abend schon wieder in Ordnung sein und wenn nicht, spätestens, wenn er was getrunken hatte. Er wusste aber, dass seinem Bruder die ganze Situation, in die er sie gebracht hatte durchaus leid tat, auch wenn er es nicht vollständig hatte aussprechen können weil er von ihm angefahren worden war. Der Vorwurf allerdings, hatte durchaus seine Richtigkeit, denn dazu hatte sein Zwilling den Sex mit diesem Hund zu sehr genossen. Gedankenverloren strich er Saskia über die Haare und versuchte sie zu beruhigen. Die arme Kleine war völlig aufgewühlt. Es half nur gerade nicht viel, da seine Wut weiterhin lichterloh brannte.

„Komm Saskia, du musst wieder ins Bett.“ er hob das Kind hoch, das protestierend den Kopf schüttelte. „Nicht nein, du kannst meinetwegen nicht den ganzen Tag auf bleiben.“

Sie klammerte sich fest an ihn, während er sie in ihr Zimmer zurück trug und auf ihr Bett setzte. Unwillig legte sie sich wieder hin, doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder einschlief, das allerdings nur, weil Kiran mit der Zeit ruhiger wurde. Und auch nachdem sie eingeschlafen war blieb er noch eine ganze Weile sitzen und beobachtete sie, ehe er in sein eigenes Zimmer ging.

Rot - Die Farbe der Nacht

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