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Dicke Menschen im Berufsleben

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Die Suche nach einer passenden Stelle – egal mit welcher Ausbildung – ist eine oft langwierige und schwierige Aufgabe, denn bei Einstellungen kommt es zu erheblichen Nachteilen für dicke Menschen. Selbst wenn eine dicke Person noch so qualifiziert ist, beim Blick auf das Bewerbungsfoto wird sie allzu schnell aussortiert. Oder spätestens beim Bewerbungsgespräch ist schon nach der ersten „Ganzkörperbetrachtung“ klar, dass das Gespräch eigentlich gelaufen ist.

Marianne, eine gut ausgebildete aber sehr dicke Sekretärin, berichtet zu ihrer Jobsuche folgendes: „Nachdem ich wochenlang nur Absagen auf meine schriftlichen Bewerbungen erhalten habe, habe ich irgendwann angefangen, mich erst telefonisch zu bewerben. Es war spannend, wie lange die potentiellen Arbeitgeber sehr interessiert an mir waren. Ich habe gute Qualifikationen und eine angenehme Stimme. Entsprechend wurde ich dann auf diesem Weg auch mehrmals zu Gesprächen eingeladen. Aber wenn ich dann dort mit meiner Figur sitze, sehe ich richtig, wie die Gesichtszüge runterfallen und es klar ist, dass ich wieder verloren habe.“

Besonders frustrierend wird es, wenn die Diskriminierung auf einen festen Arbeitsplatz mit gesundheitlichen Risiken angeblich wissenschaftlich begründet wird. Dass dies in vielerlei Hinsicht nicht haltbar ist, wurde mittlerweile durch zahlreiche Studien bewiesen. Dennoch hält sich das Vorurteil hartnäckig.


Unser eigener Staat diskriminiert dicke Menschen erheblich.


Dicke Menschen werden in der Regel nicht in den Beamtenstatus übernommen. Die Begründung des Amtsarztes lautet in solchen Fällen: „Gesundheitliches Risiko“. Anstatt gegen diese Diagnose zu klagen, reagieren die meisten dicken Menschen, die verbeamtet werden wollen, mit einer sehr radikalen Diät. Kurzfristig lässt sich das Gewicht ja in der Regel schon reduzieren, wenn auch mit vielen gesundheitlichen Risiken. Mit dem kurzfristigen geringeren Gewicht wird eine Verbeamtung durchgeführt – wissentlich, dass die Person durch diese Crashdiät der eigenen Gesundheit geschadet hat und der Gewichtsverlust nicht von Dauer ist.

Im Job selber haben es viele dicke Menschen – analog zu den Ausbildungs- und Einstiegsschwierigkeiten – mit vielen Vorurteilen und Einschränkungen zu tun. Sybille – im medizinischen Bereich in führender Position in einem Krankenhaus tätig, versehen mit einer stattlichen Kleidergröße von 64, berichtet dazu: „Ich bin für wirklich viele Bereiche in unserem Krankenhaus zuständig und erledige die Aufgaben mehr als zuverlässig. Und dennoch habe ich oft den Eindruck, dass es zahlreiche Menschen gibt, denen ich erst vermitteln muss, dass ich überhaupt in der Lage bin, zwei gerade Sätze zu sprechen und einen klaren Gedankengang zu Ende zu denken. Ich habe im vergangenen Jahr eine wichtige Weiterbildung für mich gemacht und war in dieser Gruppe eine von zweien, die mit einem „sehr gut“ den Kurs abgeschlossen hat. Für mein Selbstbewusstsein war das Gold wert, denn diese ständige Infragestellung meiner Person ist schon sehr zermürbend.“

Ob über Bemerkungen zur Figur, Diskussionen zu den neusten Diäten, Absprache der eigenen Arbeitsfähigkeit bis hin zum schweren Mobbing – dicke Personen sind eine geeignete Angriffsfläche für Vorurteile und Hass. Aber das Traurigste daran scheint zu sein, dass die meisten sich nicht wehren und über nicht genügend Selbstwertgefühl verfügen, um sich das Recht des Widerstandes zuzugestehen.

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