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3.5.3 Literarisches Lernen und Sprachproduktivität

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Sprachen haben kreatives Potenzial, das Zugang zu neuen Formen und Vorstellungswelten ermöglicht. In beschränkter Form wird auch die Möglichkeit eingeräumt, dass Lernende selbst sprachlich kreativ werden, indem sie solche Varietäten – bezogen auf die Zielsetzung des Diskurses und des Kontextes – selbst erfinden können (Beacco 2015a: 29f.). Dazu bedarf es laut Beacco nicht nur eines praktischen und realitätsorientierten Unterrichts, die Lernenden sollen auch die Möglichkeit erhalten, spielerische und ästhetische Erfahrungen mit Sprachen zu machen (ibid.: 29). Dieses spielerische und ästhetische Element hatte bislang kaum Beachtung gefunden und findet hier erstmals einen prominenten Platz.

Angesichts der essentiellen Bedeutung ästhetischer und literarischer Erfahrung für die Persönlichkeitsentwicklung ist es notwendig, Unterrichtsformen zu finden, die sprachübergreifend die Lernenden in der Wahrnehmung narrativer Texte schulen. Narrative Konventionen können so durch den Vergleich besser wahrgenommen werden, wodurch der Erwerb narrativer Kompetenz gefördert wird (Hallet 2016: 12). Ein solches kreatives und aktives Lernen, in dem Sprachproduktivität ein zentrales Anliegen ist und erweiterte Realitätswahrnehmung neue Bedeutungsräume eröffnet, liegt auch dem hier vorgestellten Ansatz zugrunde. Es soll gezeigt werden, dass sich durch mehrsprachiges aufgabenorientiertes Lernen anhand literarischer Textsorten dank Mehrsprachigkeit kreative Fähigkeiten entfalten können, denn es werden unterschiedliche Referenzsysteme miteinander in Verbindung gebracht und literarische Diskurswelten gekreuzt, wodurch neue hybride Bedeutungsräume entstehen.

Neben dem kreativen, gestaltenden Umgang mit Sprache findet auch die Beziehung zwischen Sprache und Persönlichkeit erstmals einen prominenten Platz. Die Erkenntnis, dass Persönlichkeit und Emotionen sprachgebunden sind (vgl. Grosjean 1982, 1992; Pavlenko 2005; Todeva & Cenoz 2009; Dewaele 2010), findet hier Anerkennung und wird in ihrer unterrichtsstrategischen Wichtigkeit erkannt. Es soll auch in dieser Studie anhand des gewählten Aufgabenformats gezeigt werden, wie der spielerische, kreative Umgang mit mehreren Sprachen und Kulturen es den Lernenden ermöglicht, ihre eigene Persönlichkeit oder Aspekte ihrer Persönlichkeit in den unterschiedlichen Sprachen zu erkennen und zu reflektieren. Dabei kann auch Neues und Unerwartetes zum Vorschein kommen, wie aus den Einzelanalysen hervorgeht. Dieser Facettenreichtum der Person wird von den anderen Lernenden wahrgenommen, gespiegelt und reflektiert (vgl. Beacco 2015a: 57). Auf diese Weise werden die persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen als „Summe der individuellen Eigenschaften, der Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen“ (Burwitz-Melzer 2005: 23) in einem mehrsprachigen Setting aktiviert.

Die Entwicklung einer metalinguistischen Reflexion in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Sprachgebrauchs, wie sie von Beacco detailliert dargestellt und in ihrer kommunikativen Funktion hervorgehoben wird (ibd.: 57), ist ebenso zentrales Anliegen dieser Arbeit. Die Bedeutung und die Struktur von Äußerungen sollen innerhalb einer Sprache kritisch hinterfragt werden, der kritische Vergleich soll aber auch zwischen den Sprachen stattfinden, also im Sprachvergleich. Dabei beeinflussen sich sprachliche Formen innerhalb unterschiedlicher Genres gegenseitig, mit anderen Worten: Kritisches und kreatives Lernen wird sowohl innerhalb als auch zwischen den Sprachen gefördert und umgesetzt. Dazu gibt es viele Anstöße zur möglichen Unterrichtsgestaltung:

(…) a volte, in materie nuove, ad esempio in: corsi specifici di educazione civica e alla cittadinanza democratica (nel ciclo secondario); – un insegnamento centrato sulla comunicazione, sul linguaggio umano, sulle lingue e sull’analisi comparativa di tutte le lingue (in tutti i cicli); – un insegnamento centrato sullo sviluppo della creatività linguistica plurilingue (laboratorio di scrittura) (in tutti i cicli); – un corso centrato sull’epistemologia, sulla produzione e sui generi di discorso della conoscenza e sulla sociologia della conoscenza (nel ciclo secondario superiore); – corsi di introduzione alle grandi opere letterarie / filosofiche/ di filosofia politica / di scienze sociali … (soprattutto) europee, in versione originale e tradotte (nel ciclo secondario); – corsi di introduzione ai classici del cinema (nel ciclo secondario superiore); – corsi centrati sulla osservazione e sull’analisi degli stili televisivi nazionali (nel ciclo secondario). (Beacco et al. 2015a: 59)

Unterschiedliche Ausdrucksformen, die im herkömmlichen Unterricht häufig vernachlässigt werden, sollen in diesem Projekt wie von Beacco erwünscht (ibid.: 71) Platz finden: So soll zum Beispiel die Beziehung zwischen Körper, Sprache und Rhythmus in den Vordergrund gerückt werden, indem Sprache und Raum, Gestik, Bewegung, Formen des Theaters, Rezitation und Erzählung vermehrt in den Unterricht aufgenommen werden. Der mehrsprachige lebensweltliche Diskurs soll in Form von Role Plays geübt werden, sodass die Lernenden lernen, in einem mehrsprachigen Kontext das Sprachregister zu ändern und die Genauigkeit bei der Wortwahl zu üben, um sich veränderten Situationen anzupassen. Multimodale und multisensorielle didaktische Unterlagen sollen hier zur Unterrichtsgestaltung herangezogen werden, um unterstützend beim Unterricht und der Erlangung der didaktischen Zielsetzungen einzugreifen. Es wird der besondere Wert literarischer, philosophischer und geschichtlicher Texte unterstrichen, die integrierter Bestandteil des Unterrichts der Sekundarstufe sein sollen.

Es soll also zu einem Perspektivenwechsel kommen, der noch im GER fehlte. Im Gegensatz zum Kompetenzbegriff im GER, der sich im kommunikativen Bereich auf die Erfassung von Fertigkeiten beschränkt (Hallet & Krämer 2012: 8; Steininger 2014: 29ff.), wird hier der Versuch unternommen, die Komplexität interkulturellen Handelns zu erfassen und eine Vielzahl von Teilkompetenzen und Fertigkeiten zu berücksichtigen, die dieses ausmachen. Dabei werden alle Formen der Sprachmittlung erstmals in ihrer Wichtigkeit für interkulturelles Handeln erkannt und in den Fokus gerückt. Von der Ebene der Fertigkeiten wird hier im Gegensatz zum GER auf die Ebene der Texte, Textsorten und Inhalte verwiesen. Es wird sprachdidaktisch berücksichtigt, dass Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen nicht ausschließlich über Sprachfunktionen vermittelt werden können, sondern über ästhetische Erfahrungen im Umgang mit den verschiedensten Texten und allen Ausdrucksformen der unterschiedlichsten Kulturen. Inhaltlich und kulturell anregungsreiche und anspruchsvolle Texte sollen in ihrer Operationalisierung im Unterricht den Weg von einer lebensweltlichen Mehrsprachigkeit zu einer bildungssprachlichen Mehrsprachigkeit bahnen (vgl. Cummins 1979; 1984), denn genau hier liegt die Herausforderung mehrsprachigen und plurikulturellen Unterrichts in der Sekundarstufe, nämlich Instrumente und Unterrichtsformen zu finden, die von der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ausgehend die bildungssprachliche Mehrsprachigkeit schulisch fördern (Beacco et al. 2015b: 14).

Daher wird ebenso wie bei Beacco auch hier der Schriftlichkeit eine zentrale Rolle zugeschrieben, denn der Schreibprozess als Vertiefungsprozess benötigt komplexe Sprachstrukturen und einen erweiterten Wortschatz, welche die Grundeigenschaften der Bildungssprache sind. Der mündliche Austausch in der Klasse ist notwendig, um vorhergehendes Wissen zu aktivieren und die Bedeutung von neu Gelerntem gemeinschaftlich auszuhandeln (ibd.: 14). Im Schreibprozess hingegen wird gefordert, dass abstrakte Konzepte sprachlich kohärent ausformuliert werden. Das Schreiben stellt demnach einen Abstraktionsprozess dar, der, gemessen an der Bloomschen Taxonomie, anspruchsvollere Denkprozesse fordert, wie zum Beispiel Evaluieren, Analysieren usw. (vgl. Bloom 1976). Im mehrsprachigen Schreibprozess, so wie er in diesem Aufgabenformat gewählt wurde, öffnen sich neue Möglichkeiten schriftlicher Kommunikation, indem Denkprozesse mehrsprachig ausformuliert werden und sich so pluralistisch gestalten können.

Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit

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