Читать книгу Die besten 10 Liebesromane November 2021: Romanpaket - Glenn Stirling - Страница 70

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Nicole empfand immer noch einen ziehenden Wundschmerz im Unterleib, aber das war mittlerweile erträglicher geworden. Schmerzmittel nahm sie nicht mehr. Sie konnte sogar im Bett sitzen. Doch das strengte sie mitunter schon nach kurzer Zeit an, so dass sie sich wieder langlegte. Ihr Ausschlag, dieses Penicillin-Exanthem, war mittlerweile völlig verschwunden. Sie fühlte sich gut. Aber sie bedauerte, dass Ina seit dieser eingehenden Unterhaltung nicht mehr zu ihr gekommen war. Von einem jungen Arzt, mit dem sie sich ganz gut verstand, erfuhr sie dann, dass Ina sehr beschäftigt war. Aber sie kannte das ja. Schließlich hatte sie selbst in diesem Hause gearbeitet, wenn auch in der Kinderabteilung.

Einmal wollte sie Ina über Haustelefon anrufen, konnte sie aber nicht erreichen. Seitdem schmollte sie ein wenig, weil Ina sich so rar machte.

Über das Gespräch mit ihr hatte sie sehr viel nachgedacht, aber einen Entschluss dazu noch nicht gefasst. Sie kannte ja auch die Adresse von Hansjörg nicht, der noch immer ihr Mann war. Ihr gemeinsames Kind hatte sie verloren, und sie würde auch nie mehr Kinder bekommen können. Darüber hatte sie sich besser hinweggesetzt, als die Ärzte und Schwestern wohl gedacht hatten. Vor allen Dingen der Chefarzt der gynäkologischen Abteilung sah wohl in diesem Punkt ein Problem und war sehr bemüht, sie zu trösten, ihr Mut zu machen und sie seelisch aufzurichten. Aber dessen bedurfte Nicole gar nicht, was das anging. Über eine zukünftige Kinderlosigkeit hatte sie sich im Grunde noch gar keine Gedanken gemacht. Viel mehr bedrückte sie die Tatsache, dass sie Hansjörg noch liebte und er einfach weggegangen war. Und zum ersten Male in ihrem Leben dachte sie auch über eigene Fehler nach, über Gründe, die Hansjörg veranlasst hatten, sie zu verlassen. Gründe, für die sie selbst verantwortlich war, nicht Hansjörg.

Das Gespräch mit Ina war ein Aufrütteln gewesen, dem sie sich nicht entziehen konnte. Sie musste einfach über all das nachdenken, und so schwer es ihr auch fiel, so sehr sich ihr Stolz und ihr Trotz dagegen sträubte, sie konnte ganz einfach nicht dagegen an. Und so allmählich und behutsam gab sie vor sich selbst zu, an sehr vielen Dingen schuld zu sein, vielleicht sogar an den meisten. Sie begann zu bereuen, aber diese Reue, das wurde ihr gleichzeitig völlig klar, brachte sie nicht weiter.

Nicole war immer ein Tatmensch gewesen, jemand, der auf der Stelle Probleme zu lösen suchte und nicht daran glaubte, dass sich etwas von selbst erledigte. Und sie suchte die Probleme im Gespräch zu lösen. Irgendwie hatte sie es immer geschafft, die Dinge zu ihren Gunsten zu bestimmen. Vielleicht, so befahl es ihr Unterbewusstsein, muss ich nach ihm suchen.

Sie hoffte nicht zuletzt aus diesem Grund, dass Ina einmal wiederkam, um mit ihr zu sprechen, weil sie wahrscheinlich die Adresse von Hansjörg hatte.

Die viele Zeit, die Nicole im Bett verbrachte, gab ihr auch Gelegenheit, nicht nur nachzudenken, sondern auch ihre Fantasie spielen zu lassen. Und dabei kamen die Erinnerungen. Die Erinnerungen an die Zeit mit Hansjörg, an die traumhaft schönen Stunden mit ihm zusammen, an die Leidenschaft, die sich bei ihnen beiden entwickelt hatte, an ein Zusammensein an einem Spätabend in der Heide am See, in dem sie anschließend noch nackt gebadet hatten. Aber auch die Erinnerung an traurige Erlebnisse, wie nach eben jenem schönen Wochenende mit Hansjörg die Nachricht vom Tode ihrer Mutter eintraf, und wie sie gar nicht lange danach vom Tode ihres Vaters erfahren hatte. Besonders das Ableben ihres Vater hatte sie schwer getroffen. Danach war sie Hansjörgs Frau geworden. Eigentlich stammte die Idee von ihr, zu heiraten Und dafür gab es auch einen ganz einfachen Grund. Sie war schwanger gewesen und wusste es. Schwanger von ihm. Und als dann die Praxis lief, die sie selbst mit eingerichtet hatte mit ihren Mitteln, war gleichzeitig auch damit der Grundstein des gegenseitigen Zerwürfnisse gelegt gewesen. Sie war jetzt ehrlich genug, sich das einzugestehen und auch zuzugeben, dass sie mit ihrem ständigen Pochen auf ihr Geld und ihren Reichtum bei ihm einen Widerspruch ausgelöst hatte, dem dann die Trennung gefolgt war.

Noch vor ihrer unglückseligen Operation hatte sie sich so oft vorgenommen, irgendwie mit Hansjörg zusammenzukommen, mit ihm zu reden, ihn um Verzeihung zu bitten, weil sie hoffte, er käme zu ihr zurück. Und sie dachte es auch jetzt.

Vorhin hatte ihr die Schwester Schreibpapier, Kuvert und Kugelschreiber gebracht, auch eine Unterlage, ein Esstablett, das man aufs Bett stellen konnte. Sie zog es heran, stellte es auf, griff nach Papier und Kugelschreiber und begann dann zu schreiben. Die Adresse, dachte sie dabei, wird mir Ina geben. Aber den Brief, den schreibe ich an ihn jetzt schon.

Und sie schrieb und schrieb, schrieb sich ihren Kummer, ihre Angst, ihre Nöte von der Seele herunter. Und es war ein ehrlicher Brief. Sie begann, nicht wieder ihren Stolz vor sich herzutragen, versuchte nicht die Schuld anderen zu geben. Im Grunde klagte sie sich selbst an. Und schließlich bat sie im Schlusssatz Hansjörg um Verzeihung, flehte ihn an, zu ihr zurückzukommen. Über ihre Unterschrift unter diesen Brief schrieb sie nur: Ich brauche dich!

Als sie den Brief zusammengefaltet und ins Kuvert geschoben hatte, verharrte sie einen Augenblick, nahm ihn dann wieder heraus, las ihn noch einmal, und dann noch ein zweites Mal. Dann erst steckte sie ihn ins Kuvert, klebte es zu und schrieb seinen Namen auf den Umschlag. Die Adresse wollte sie von Ina erfahren.

Sie griff wieder zum Telefon, fragte über die Zentrale nach Ina. Und diesmal hatte sie Glück. Die Telefonistin konnte sie mit Ina verbinden.

Als sich Ina gemeldet hatte, sagte Nicole kleinlaut: „Warum lässt du mich nur so allein? Du bist jetzt die ganze Zeit nicht mehr bei mir gewesen. Und ich hätte mich so gefreut ...“

„Ich hatte sehr viel zu tun, bin aber ganz bewusst nicht gekommen. Hast du dich jetzt entschieden?“

Nicole begriff, was diese Frage bedeutete und warum Ina nicht gekommen war. Ihr wurde klar, dass Ina sie zu einer Entscheidung zwingen wollte und deshalb jeden Kontakt vermied.

„Ja, ich habe ihm geschrieben. Ich habe ihm einen langen Brief geschrieben. Aber ich weiß seine Adresse nicht.“

Ina schwieg einen Augenblick lang, als müsse sie erst darüber nachdenken, ob sie diese Adresse preisgeben sollte. Doch schließlich antwortete sie: „Also gut, ich komme nachher zu dir herauf. Ich habe seine Adresse.“

Eine halbe Stunde später kam Ina. Nicole lächelte verlegen. Sie begrüßten sich mit Handschlag, dann schob ihr Ina ohne ein Wort die von ihr aufgeschriebene Adresse Hansjörgs zu.

„Ich weiß nicht, was du ihm geschrieben hast“, erklärte Ina, als Nicole schon die Adresse auf den Umschlag abschrieb, „aber es ist nicht heraus, ob er Frau Schwarz verlassen wird. Schließlich ist sie zur Zeit seine Lebensgefährtin. Sie ist jemand, auf den er angewiesen ist, aber die auch auf ihn angewiesen sein wird. Es wäre eine Form des Verrats, ließe er sie einfach in Kanada zurück, um zu dir zu kommen. Und vielleicht hängt er doch mehr an ihr, als du glaubst. Ich weiß es nicht.“

„Aber du hast mir doch gesagt“, fragte Nicole und sah Ina erregt an, „dass er mich noch liebt.“

„Das schreibt er. Aber wie groß diese Liebe auch sein mag, es gibt auch Verpflichtungen, und vielleicht schätzt du Hansjörg immer noch falsch ein. Er beugt sich einer Pflicht. Er arbeitet dort drüben an einer Unfallklinik in einer Gegend, wo es durch die Holzarbeit, aber auch durch Bergbau sehr viele Unfälle gibt.“

„Und seine ... seine Freundin?“, wollte Nicole wissen.

„Die arbeitet auch da. Die Bedingungen sind nicht rosig, das hatte ich dir schon erzählt. Ich kann dir also seine Reaktion nicht prophezeien“, meinte Ina.

Nicole sah Ina etwas bang an, aber dann gewann ihr Optimismus wieder Oberhand.

„Es wird schon gutgehen“, erklärte sie lächelnd und schob Ina den Brief hin. „Gibst du ihn für mich auf? Ich weiß gar nicht, was man für Marken fürs Ausland draufkleben muss. Aber schick ihn bitte per Luftpost!“

Ina nickte.

„In Ordnung, ich kümmere mich darum“, sagte sie und nahm den Brief an sich.

„Hättest du nicht Lust“, wollte Nicole wissen, „vielleicht zum Wochenende mit mir hier Kaffee zu trinken, und wir plaudern einmal ein paar Stunden?“

„Tut mir leid, am Sonnabend mache ich einen Rundflug mit Frank und mit einer kleinen Patientin, die an diesem Tag entlassen wird. Das heißt, wir werden sie wahrscheinlich schon Freitag entlassen, und sie wird zunächst einmal übers Wochenende bei uns wohnen, bei mir zu Hause.“

„Eine Patientin?“

Ina dachte, dass es vielleicht gut sei, Nicole von Kathrin zu erzählen. Das würde Nicole ablenken. Und so berichtete sie von der Kleinen, wie aufgeweckt sie war, und dass sie sie sehr ins Herz geschlossen hatte.

Als Ina fertig war, warf sie einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr.

„Du, ich muss wieder gehen. Mein Dienst ist noch lange nicht zu Ende. Ich habe ein richtig schlechtes Gewissen. Ich bin so lange hier gewesen. Also, mach es gut! Ich muss jetzt weg.“

Als sie Nicole ansah, hatte sie das Gefühl, dass die gar nicht richtig zugehört hatte, sondern vor sich hin starrte und wie abwesend wirkte.

„Ist was?“, fragte Ina.

Nicole sah sie irritiert an. „Wie bitte?“

„Ob etwas ist?“

Nicole schüttelte den Kopf.

„Nein, nein, ich musste nur daran denken, was du mir von dem Mädchen erzählt hast. Ich finde das toll, dass du dich um sie kümmerst.“

Ina zog die Schultern hoch.

„Naja, was heißt, um sie kümmern? Ich will ihr mal eine Freude machen. Ich würde mich gerne viel mehr um sie kümmern, ich weiß bloß nicht wie. Aber jetzt muss ich wirklich gehen. Mach es gut, Nicole!“

Oberarzt Dr. Kiesewetter hatte sein Waterloo hinter sich. Seine Beschwerde beim Chef, dem berühmten Internisten Professor Gött, über Ina Benders Anweisung, war abgewiesen worden. Auch Professor Gött beurteilte die Behandlung der kleinen Kathrin wie seine Stationsärztin. Nach seiner Rückkehr von einem Kongress im Ausland hatte er sich andere Berichte versprochen als den seines Oberarztes, und entsprechend barsch war Kiesewetter abgewiesen worden. Für Ina allerdings kein Grund zum Triumph. Irgendwann, so sagte sie sich, würde Kiesewetter sich dafür revanchieren. Dafür kannte sie ihn zu gut.

Das Waisenhaus war informiert worden, und die Leitung zeigte sich bereit, Ina Kathrin übers Wochenende zu überlassen. Ina selbst sprach mit einem Arzt des Waisenhauses und auch mit einer Erzieherin. Am Montagmorgen dann wollte Ina die Kleine beim Waisenhaus vorbeibringen. Am Freitag war dann die Entlassung Kathrins. Die Kleine freute sich so sehr auf das Wochenende, auf den Rundflug und betete abends lange, dass die Sonne scheinen möge.

Und sie schien.

Ein paar Wolken zwar, aber dazwischen blauer Himmel und Sonnenschein. Den ganzen Freitag und den Sonnabend, als sie zum Flugplatz fuhren und Kathrin vor Aufregung kaum stillsitzen konnte.

Mit Frank Sander hatte sie sich ebenso schnell angefreundet wie mit Tante Hilde. Vor Opa reagierte sie genauso, wie von Ina erwartet. Sie hatte Angst vor ihm. Und er machte auch nicht den geringsten Versuch, ihr irgendwie näherzukommen. Das war bei kleinerer Kindern ohnehin nie Opas Art gewesen. So ging sie ihm aus dem Weg, und Opa kümmerte sich kaum um sie. Aber er war nicht dagegen, dass die Kleine da war, im Gegenteil, er freute sich, zumal sie in seiner Nähe sehr diszipliniert blieb, weil Ina ihr gesagt hatte, dass sie in Opas Gegenwart nicht so laut sein sollte. Aber sonst tobte und quietschte sie vor Vergnügen. Auch im Auto, als es zum Flughafen ging. Sie saß zusammen mit Ina hinten und war angeschnallt. Das behagte ihr anfangs nicht, weil sie es nicht kannte. Aber Ina bestand darauf. Unterwegs hatten sie noch einen kleiner Teddybären gekauft. Auch den hatte Ina ihr versprochen, und sie sollte ihr sich selbst aussuchen. Jetzt schmiegte sie den kleinen Bären an ihr Herz und blickte aufgeregt nach vorn, wann denn nun endlich der Flughafen auftauchte. Und als sie dann erst auf den Parkplatz fahren mussten, jenen, der für das Flugpersonal bereitstand, da konnte sie es wieder kaum erwarten, nun endlich zu einem der großen Vögel zu kommen, die da auf dem Flugfeld standen.

„Wir fliegen mit einem kleinen“, erklärte ihr Frank. „Er fliegt auch nicht so schnell und nicht so hoch. Aber man kann viel tiefer damit fliegen und langsamer, so dass man alles sehr gut sehen kann.“

Trotzdem ließ es sich Frank nicht nehmen, Kathrin auch noch einen Jumbo von innen zu zeigen. Er erklärte ihr alles, denn schließlich verstand er etwas davon. Die Boeing 747 war seine Maschine. Die flog er bis Hongkong, bis Australien oder über die Atlantik-Route nach New York, Chicago, ja - auch bis San Francisco.

„Nächste Woche“, sagte er zu Kathrin, nachdem er ihr die große Maschine innen und außen erklärt hatte, fliege ich nach Rio de Janeiro. Wenn ich könnte, würde ich dich mitnehmen. Aber ich darf es nicht. Und sicher willst du auch nicht so lange unterwegs sein.“

Kathrin war anderer Ansicht.

„Ich möchte schon so lange unterwegs sein“, sagte sie. „Warum nimmst du mich nicht mit?“

„Weil ich nicht darf. Dann müsste ich für dich ein Flugbillett bezahlen, und das ist sehr, sehr teuer. So viel Geld habe ich nicht.“

Kein Geld zu haben, das verstand Kathrin schon in ihrem Alter. Sie hatte ja auch nie etwas, konnte Dinge sehen, aber sie doch nie bekommen. Dass man sie bei den Benders so nett aufgenommen hatte und sie nun auch noch einen Teddybären geschenkt bekam und jetzt auch noch fliegen sollte, das war für sie der Inbegriff sämtlicher Feiertage ihres Lebens zusammen.

Dann saßen sie in einer Cessna, einem viersitzigen Hochdecker, weiß und rot außen lackiert, und Kathrin durfte vorn neben Frank sitzen auf dem Co-Pilotensitz, wie er ihr erklärte. Und dann startete er den Motor. Hoppelnd rollte die Maschine zur Startbahn, und Frank verständigte sich mit dem Kontrollturm.

Kathrin entging nichts. Aufmerksam und todernst achtete sie auf alles, was sie hörte und sah. Und dann gab Frank Gas, die Maschine schoss über die Betonpiste, hob sich sehr rasch, und Frank sagte lächelnd zu Kathrin: „Siehst du, jetzt sind wir schon in der Luft.“

Kathrin konnte gar nicht antworten, so aufgeregt war sie. Sie blickte zum Fenster nach unten, sie sah, wie alles kleiner und kleiner wurde, während Frank höher zog. Und dann machte er eine Runde über die ganze Stadt.

Kathrin saß mit einem Mal still und war ergriffen, als säße sie in einer Kirche. Wenn Frank etwas sagte, schaute sie ihn hingebungsvoll und gläubig an, als verkündete er das Evangelium. Ina schien sie völlig vergessen zu haben.

Frank gab sich Mühe, so zu fliegen, dass der Kleinen nicht schlecht wurde. Er zog keine scharfen Kurven, hielt die Maschine ruhig. Trotzdem kam sie in Turbulenzen, und die Maschine wurde etwas durchgeschüttelt, als sie etwa in Höhe des Hansadreiecks war.

Ina erklärte Kathrin jetzt alles, was sie unten sehen konnte. Und dann ging es über das Hafengebiet zurück. Die Schiffe wirkten winzig. Und auch jetzt war es Ina, die Kathrin schilderte, was sie da unten sah.

Sie flogen die Elbe abwärts, wo der Strom breiter und breiter wurde, sahen unten die großen Schiffe; von hier aus waren sie winzig. Einmal flog Frank tiefer, zog ziemlich niedrig über ein Schiff hinweg, und Kathrin quietschte vor Freude, als sie unten Leute auf Deck sehen konnte, von denen einer herauf winkte.

Frank flog wieder höher, und dann tauchte das Watt auf. Der Strom verband sich mit dem Meer.

Und dann flogen sie über die Nordsee, sahen da und dort Kutter, auch mal größere Schiffe, die auf die Elbmündung zuhielten. Über Cuxhaven hatte Frank noch eine kleine Schleife gedreht, so dass Ina der Kleinen erklären konnte, dass auch da unten ein Hafen war. Doch dann ging es weiter. Sie flogen nordwärts Richtung Helgoland.

Die Wolken hatten sich jetzt verzogen. Blauer Himmel, Sonnenschein.

Kaiserwetter, nannte es Frank, und Ina war glücklich darüber, dass Petrus ein Einsehen mit Kathrin hatte und sie wenigstens nicht in schlechtes Wetter gerieten. Umso schöner war der Anblick, der sich Kathrin bot. Sie saugte das förmlich mit ihren Blicken auf, war so erregt, so gebannt, dass sie gar nicht mehr sprechen konnte. Sie wusste nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte, und die kleinen Augen schienen größer und größer zu werden. Das Gesicht war gerötet vor Eifer, und als dann die Insel Helgoland auftauchte und Ina ihr sagte, was eine Insel überhaupt war, ihr das erklärte, da zog Frank schon tiefer, dass sie mehr davon sehen konnte, so tief, wie es ihm möglich war, ohne gegen die Vorschriften zu verstoßen.

Kathrin sah Leute, zeigte auf sie und rief aufgeregt: „Da sind welche! Auf der Insel sind Menschen! Ina, da sind Menschen!“

„Natürlich, hier leben sogar viele Menschen. Die haben Häuser, du siehst doch die Häuser. Und da ist der Leuchtturm.“

Nun wollte Kathrin erst einmal wissen, wozu ein Leuchtturm überhaupt da war. Ina erklärte es ihr, erzählte ihr von den Schiffen, die in der Nacht fuhren und von den Leuchttürmen den Weg gewiesen bekamen.

Frank hatte ihr vorhin schon einmal flüchtig Bojen gezeigt, ohne dass Kathrin den Sinn verstand. Aber auch das erklärte ihr Ina. Und Frank drehte sich einmal zu ihr um, sah sie bewundernd an, weil sie so geduldig und einfühlsam erklären konnte. Als er wieder nach vorn blickte, da dachte er: Sie sollte Kinder haben. Sie wäre die beste Mutter der Welt. Und es müssten unsere Kinder sein - ihre und meine.

Ina hatte nur gelächelt, als er sich umdrehte und nicht geahnt, was in ihm vorging. Aber sie hatte sich entschlossen, heute Abend, wenn Kathrin dann im Bett lag, mit ihm noch einmal, wenn das Wetter anhielt, ein Stück durch die Straße zu schlendern und ihm eine Überraschung zu bieten. Sie hoffte, dass es eine Überraschung war.

Für Kathrin hätte dieser Flug noch Ewigkeiten dauern können. Aber Frank musste zurück. Schon deshalb, weil der Treibstoffvorrat nicht endlos lang reichte. Und als sie dann wieder zurückflogen, diesmal eine andere Route und über die Halligen hinweg, da lauscht Kathrin nur noch gebannt Inas Worten, die ihr alles erklärte, die ihr sagte, wie es war, wenn dort unten das Wasser höher stieg und die Leute in ihren Häusern vom Wasser eingeschlossen waren. Sie erzählte, dass sie selbst schon viele Male mit dem Hubschrauber zu den Inseln gebracht worden war, um Kranken zu helfen. Und Kathrin stellte Fragen, viele Fragen. Es gab nichts, was sie nicht wissen wollte. Und die intelligente Art, die rasche Auffassungsgabe der Kleinen machte es Ina leicht, diese Fragen auch zu beantworten.

Aber jede Reise geht einmal zu Ende und auch dieser Flug neigte sich den Ende zu. Hamburg tauchte auf, der Flughafen, und die Maschine senkte sich zur Landung. Als sie dann aufsetzte und auf der Piste ausrollte, fragte Frank, ohne den Blick von vorn zu wenden: „Na, Kathrin, war es schön?“

„Sehr schön, Frank, wunderschön! Und ich habe so viel erzählt bekommen von Ina. Und was ich jetzt alles weiß!“

„Ja, was du alles weißt“, meinte Frank. „Wenn ich einmal ein Kind haben sollte, dann müsste es so sein wie du, Kathrin.“

Die besten 10 Liebesromane November 2021: Romanpaket

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