Читать книгу Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 33

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Mit Interesse hatte er das vom Hotelboten hereingereichte etwa zehn Zentimeter hohe Päckchen aufgeschnürt und geöffnet, als eine fast handtellergroße, dicke, häßliche, über und über behaarte Vogelspinne eilfertig herauskletterte und Anstalten traf, ihn in den Ringfinger zu beißen.

Vom Standpunkt dieser behaarten Spinne aus war der Angriff durchaus verständlich. Das Her hatte schließlich, mehr oder weniger lange eingesperrt, auf diesen Moment der Rache gewartet. Es wußte ja nicht, daß Parker mit diesem Kartongefängnis überhaupt nichts zu tun hatte.

Der Butler zog seinen Ringfinger respektvoll zurück und starrte interessiert auf das Insekt, das mit einem förmlichen Hechtsprung hinunter auf den weichen grauen Veloursteppich hopste und dann erst einmal in Lauerstellung ging.

»He, Parker, wo stecken Sie denn mit dem Handtuch?« Mike Rander rief vom Badezimmer aus nach seinem Butler. Seine Stimme klang ungeduldig.

Und als der Butler nicht sofort antwortete, erschien Anwalt Mike Rander in Parkers Zimmer, das auf der anderen Seite des Badezimmers lag. Der mittelgroße, sportlich durchtrainierte Anwalt trug nur ein knappes Handtuch, das er sich um die Lenden gebunden hatte. Mit nackten Füßen kam er zu Parker hinüber, der noch immer die behaarte Spinne studierte, die ihrerseits nicht recht wußte, was sie nun machen sollte.

Es lag vielleicht an der eingeschalteten Deckenbeleuchtung, daß die Spinne sich veranlaßt fühlte, Halblicht und Schatten zu suchen. Sie setzte sich auf sehr schnellen Beinen in Bewegung und kreuzte Mike Randers Weg. Genauer gesagt, sie kreuzte die nackten Füße des Anwalts, der nichts von dem schnell nahenden Unheil ahnte.

Parker mußte sehr schnell handeln, wenn es nicht zu einer Katastrophe kommen sollte. Da er keineswegs die Absicht hatte, die behaarte Spinne zu töten, nahm er blitzschnell ein Kissen von der breiten Couch und wirbelte es durch die Luft.

Mike Rander prallte unwillkürlich zurück, als das Kissen durch die Luft sauste. Dann sah er die behaarte Spinne, stieß einen erstickten, schrillen Schrei aus und... hechtete auf das Bett.

Die Spinne wurde von dem niederfallenden Kissen erwischt und in ihrer Bewegungsfähigkeit außerordentlich gelähmt. Sie erlitt nun ihrerseits einen Schock und rührte sich nicht mehr.

»Was... was war denn das?« keuchte Mike Rander, der sich von seiner ersten Überraschung erholt hatte.

»Eine Vogelspinne, Sir«, meldete Parker, der vorsichtig auf das am Boden liegende Kissen zuging. »Wenn mich nicht alles täuscht, gehört sie zu der Spezies, die hier in den südlichen Breiten die ›Schwarze Witwe‹ genannt wird.«

»Ist das verflixte Biest tot?« fragte Rander, der nicht daran dachte, das relativ sichere Bett zu verlassen.

»Ich bin nicht sicher, Sir! Wenn Sie erlauben, werde ich nachsehen!«

»Das erlaube ich Ihnen in jeder Menge«, gab Rander zurück. »Aber passen Sie auf, Parker, diese Spinnen sind verdammt giftig!«

»In dieser Hinsicht bin ich im Gegensatz zu meiner eben gemachten Bemerkung vollkommen sicher«, erwiderte Parker gemessen. »Das war wohl auch der Sinn dieses Geschenks!«

»Geschenk?«

»Die bewußte Spinne, Sir, befand sich in einem kleinen Päckchen, das von einem Hotelboten überbracht wurde.«

»Das ist doch die Höhe!«

Mike Rander wollte noch bedeutend mehr sagen, doch Parker befaßte sich bereits mit dem Kissen.

Sicherheitshalber nahm er dabei seinen Universal-Regenschirm zu Hilfe. Mit der Spitze des Regenschirms wendete er vorsichtig das dicke Kissen um.

Und im gleichen Moment wurde die behaarte Spinne wieder sehr aktiv.

Sie sah die Spitze des Regenschirms, fühlte sich grundlos gereizt und entschloß sich, zum Angriff überzugehen. Die sechs behaarten Beine umklammerten den Schirmstock und fanden guten Halt. Dann stieg das Insekt mit rasanter Geschwindigkeit an der Schirmseide hoch, um Parkers Hand zu attackieren.

»Parker...! Vorsicht...!«

Mike Rander stand auf dem Bett und visierte bereits die Tür zum Badezimmer an. Spinnen mochte er nicht. Schon gar nicht behaarte Bestien von dieser ansehnlichen Größe.

Parker ließ sich nicht irritieren.

Er schüttelte das lästige und aggressive Insekt von der Schirmseide herunter und stülpte dann geschickt den geöffneten Pappkarton über die Spinne. Sekunden später befand sich die Vogelspinne wieder in sicherem Gewahrsam.

»Bestellen Sie Whisky, Parker«, sagte Mike Rander, auf dessen Stirn sich einige Schweißperlen gebildet hatten. »Bestellen Sie viel Whisky...! Dieser Zwischenfall hat mir gereicht.«

»Ihr Wunsch ist mir selbstverständlich Befehl«, erwiderte der Butler.

»Binden Sie aber vorher die Schachtel zu«, redete Mike Rander weiter und äugte mißtrauisch zur geschlossenen Pappschachtel hinüber. »Sind Sie übrigens sicher, daß nicht noch mehr Spinnen hier im Zimmer herumlaufen?«

»Im Moment dürfte keine weitere Gefahr bestehen, Sir.«

»Lachen Sie ruhig, Parker«, gab Rander zurück und stieg vorsichtig auf den Boden. »Diese Spinnen sind giftig wie Schlangen.«

»Nicht ganz, Sir, wenn ich recht orientiert bin«, antwortete der Butler und schnürte die Pappschachtel sorgfältig zu. »Aber weitere Vorsicht dürfte angeraten sein.«

»Hat die Schachtel einen Absender?« erkundigte sich der Anwalt.

»In der Tat, Sir, sie hat einen«, sagte der Butler. Er drehte die Schachtel etwas zur Seite und las dann laut vor: »›Die Schwarze Witwe‹ steht hier. Ich möchte hinzufügen, daß dieser Absender ebenso treffend wie unheimlich und tödlich ist...!«

*

»Also doch tödlich«, meinte Anwalt Rander. Er sah sich mißtrauisch im Zimmer um und fügte dann hinzu: »Sind Sie sicher, daß es nur eine einzige Spinne war?«

»Vollkommen sicher, Sir. Und was die Gefährlichkeit dieser Art von Spinnen angeht, so möchte ich mich korrigieren.«

»Kennen Sie sich etwa auch in Spinnen aus?« Mike Rander nahm auf einem Stuhl Platz, war aber so vorsichtig, die nackten Füße auf die Sitzfläche hochzuziehen.

»Spinnentiere oder Arachnoiden«, dozierte der Butler, »gehören zur Klasse der Gliederfüßler und Tracheenatmer. Sie verfügen über sechs sehr fein gegliederte Gliedpaare, die nur am Kopfbruststück sitzen. Diese sechs Gliedpaare unterteilen sich in ein Kiefernpaar, in ein Kiefertasterpaar und in vier Beinpaare. Im vorliegenden Fall, Sir, haben wir es tatsächlich mit einer Riesen- oder Vogelspinne zu tun, die man hier in den südlichen Breiten die ›Schwarze Witwe‹ zu nennen pflegt. Sie gilt in der Regel als tödlich. Nach einem Biß stellen sich unerträglich Körperschmerzen, Schüttelfrost, Atemnot, Kältegefühl und anschließend Krämpfe mit Delirien ein, bis schließlich eine Atemlähmung den Tod herbeiführt.«

»Herrliche Aussichten...!« Mike Rander schüttelte sich leicht und zog die nackten Füße noch höher. »Haben Sie noch mehr davon auf Lager?«

»Die ›Schwarze Witwe‹, Sir, liebt den Schatten, eine gewisse, warme und feuchte Umgebung und gilt als Nachttier«, redete der Butler weiter. »Das Zuschicken dieses Kerftieres ist in meinen Augen als eine Art Mordandrohung gedacht gewesen.«

»Scheint mir auch so«, antwortete Mike Rander und zündete sich eine Zigarette an. »Aber wer fängt solche lieben Tierchen ein und schickt sie uns ins Hotelzimmer?«

»Das entzieht sich leider meiner Beurteilung, Sir.«

»Haben wir Feinde hier in Los Angeles?«

»Im Moment nicht, Sir...!«

»Zum Henker, wer will uns an den Kragen?« fragte Rander halblaut und suchte den weichen Teppichboden nach weiteren ›Schwarzen Witwern ab. Dann nahm er ruckartig den Kopf hoch: »Ob dieses Geschenkpäckchen mit unserem Gespräch zusammenhängt?«

»Sie denken an das Gespräch, Sir, was Sie und meine Wenigkeit noch zu führen beabsichtigen?«

»Richtig...! In einer Stunde treffen wir auf Art Stonewell von der ›Star Pictures‹. Wir wissen, daß er böse Schwierigkeiten hat. Einzelheiten fehlen uns. Am Telefon aber sprach er von einer tödlichen Gefahr.«

»Wenn Sie erlauben, Sir, würde ich mich gern um jenes Kerftier dort kümmern.«

»Sie wollen sich freiwillig mit dieser verdammten Spinne abgeben?«

»Ich möchte herausfinden, Sir, wo man Arachnoiden dieser Spezies bekommen kann. Meiner bescheidenen Ansicht nach laufen sie hier im Stadtgebiet nicht frei herum.«

»In Ordnung, Parker. Hauptsache, Sie bringen das Biest erst mal weg. Wir sehen uns dann später. Sagen wir, in zwei Stunden wieder hier im Hotel...«

*

Nach genau fünfzehn Minuten stand Mike Rander auf und sah sich noch einmal verabschiedend in dem mit satter Vornehmheit eingerichteten Vorzimmer um.

Hinter einem Tisch aus Glas und Chrom saß eine ungemein attraktiv aussehende Blondine und langweilte sich zurückhaltend. Sie hatte nichts zu tun und bewachte nur die Telefon-Tischvermittlung. Sie saß in der Nähe des breiten und tiefen Fensters, durch das man hinaus auf die Ateliers der ›Star-Pictures‹ sehen konnte. Ihre schlanken Beine und hochhackigen Schuhe standen auf einem Veloursteppich, der wenigstens zehn Zentimeter hoch war. Die tiefen Clubsessel und die kleine Hausbar auf Rollen vervollständigten den Eindruck von Geld, Einfluß und Eleganz.

Mike Rander drückte die Zigarette im Kristallaschenbecher aus und ging gelassen zur Tür.

Die attraktive Blondine erwachte aus ihrem Dämmerschlaf und setzte sich ruckartig aufrecht. Dann schnappte sie hörbar nach Luft. Es ging ihr nicht in den Kopf, daß dieser Besucher das Vorzimmer verlassen wollte. Und zwar freiwillig, ohne daß sie ihn hätte hinauskomplimentieren können.

»Sir...! Mr. Rander...!?« Sie raffte sich auf, stand auf und trippelte ihm nach. In einer Mischung aus Überraschung, Ärger und Mißbilligung sah sie ihn an. »Sie wollen doch nicht etwa gehen?«

»Natürlich werde ich gehen«, antwortete Mike Rander lächelnd. »Ich habe meine Zeit nicht gestohlen. Ich war mit Mr. Stonewell vor einer guten Viertelstunde verabredet. Diese Zeit habe ich nun freiwillig zugegeben, nun aber muß ich bedauern.«

»Und... und was sage ich Mr. Stonewell?«

»Richten Sie ihm meine freundlichsten Grüße aus«, gab der junge Anwalt lächelnd zurück. »Wenn er etwas von mir will, kann er mich jederzeit in meinem Hotel erreichen. Die Adresse ist Ihnen ja bekannt, nicht wahr...!«

Die attraktive Blondine wollte protestieren, Rander mit Einwänden kommen, ihn vielleicht auch warnen, doch Mike Rander hatte das Büro bereits verlassen und schritt auf den Fahrstuhl zu. Er dachte wirklich nicht daran, noch länger auf sein Gespräch mit Stonewell zu warten.

Er hatte den Lift noch nicht ganz erreicht, als er plötzlich hinter sich eilige Schritte hörte. Und dann seinen Namen.

»Mr. Rander... Mr. Rander...!« keuchte eine Stimme. »Mr. Stonewell wünscht Sie zu sehen.«

Mike Rander wurde von einem jungen, fast kahlköpfigen Mann von etwa vierzig Jahren überholt. Dieser junge Mann mit den alten, müden Augen und dem verbrauchten und angewiderten Zug um den Mundwinkeln versperrte ihm den Weg.

»Wer sind Sie?« erkundigte sich der Anwalt.

»Herb Lasters, der Sekretär von Mr. Stonewell... Kommen Sie, wir können den Boß nicht warten lassen...!«

Mike Rander lächelte und zündete sich erst einmal eine Zigarette an. Er fühlte sich keineswegs wie ein junger, gehorsamer Hund, der nur auf den Pfiff seines Herrn wartet. Gut, Stonewell hatte ihn hierher nach Los Angeles gebeten, um ihm einen Fall zu übertragen, doch Rander war finanziell unabhängig. Er war auf Aufträge weiß Gott nicht angewiesen. Er konnte sich seine Klienten immer noch aussuchen.

»Bitte, Sir, kommen Sie...!« Herb Lasters sah ihn flehend an. »Mr. Stonewell hat nur zehn Minuten Zeit für Sie, dann muß er in eine Produktionsbesprechung ..!«

- Es war vielleicht nur die Angst, die aus diesem Lasters sprach, daß Mike Rander nun doch mitkam. Er nahm sich allerdings Zeit, und es dauerte einige Minuten, bis er dem mächtigen Boß der ›Star-Pictures‹ gegenüberstand.

»Zum Teufel, wo bleiben Sie denn?« herrschte er Mike Rander gereizt an. »Ich habe meine Zeit nicht gestohlen.«

»Dann sind wir uns ja vollkommen einig«, erwiderte Mike Rander lächelnd. »Aus Zeitgründen wollte ich gerade gehen.«

»Sie... Sie wollten gehen?« Art Stonewell, ein untersetzter, korpulenter, schwitzender Endfünfziger mit kurz geschorenem, eisgrauem Haar und kalten Augen ließ sich in seinen Drehsessel fallen und starrte den jungen Anwalt wie ein Wesen aus einer fremden, fernen Welt an.

»Ihr Sekretär hat mich gerade noch am Lift erwischt«, erläuterte Rander.

»Wollen... wollen Sie mich provozieren, Rander?« Stonewell sah ihn kalt und abschätzend an.

»Schafft man das so leicht?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd.

»Sie wissen wohl nicht, wer ich bin, wie?«

»Legen Sie Wert darauf, daß wir uns gegenseitig aufrechnen und erzählen, wer wir sind? Haben Sie nicht Probleme, mit denen Sie nicht fertig werden?«

»Verdammt, Sie reizen mich, Rander...!«

»Sie mich komischerweise überhaupt nicht, Stonewell...!«

Art Stonewell bekam einen leichten Hustenanfall, als Rander ihn ebenfalls so unkonventionell und gelassen anredete. Sekretär Herb Lasters warf Rander einen beschwörenden Blick zu.

»Sie... Sie haben Haare auf den Zähnen«, meinte Stonewell plötzlich und produzierte eine Art Lächeln, was allerdings gründlich mißlang. Er sah jetzt beleidigt und mißmutig aus.

»Aber, aber, ich versuche doch nur, mich dem Ton meines Gesprächspartners anzupassen«, gab Rander zurück. »Aber wollen Sie nicht endlich zur Sache kommen? Falls Sie mit mir noch Zusammenarbeiten wollen...!«

»Lasters, erzählen Sie ihm von unseren Schwierigkeiten!« sagte Stonewell, sich an seinen Sekretär wendend. Dann lehnte Stonewell sich in seinem Sessel zurück, schloß die Augen und legte die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander.

»Ich glaube, ich kann mich sehr kurz fassen«, begann Lasters nervös und räusperte sich. »Innerhalb von zwei Monaten hat die ›Star-Pictures‹ vier Starlets verloren. Und zwar auf den ersten Blick durch Unfall. Die Polizei fand aber in allen vier Fällen heraus, daß es sich um Mord handelt.«

»Wie bitte? Wiederholen Sie das noch einmal?«

»Vier Morde an Starlets innerhalb von zwei Monaten«, sagte Herb Lasters.

»In allen vier Fällen starben die jungen Damen am Biß der ›Schwarzen Witwe‹, wenn Sie wissen, was ich meine...!«

»Und ob ich das weiß...!« Rander dachte plötzlich sehr intensiv an die handtellergroße, häßliche, behaarte Spinne, die ihn um ein Haar in den dicken Zeh gebissen hatte. Er konnte ein Schütteln des Widerwillens gerade noch unterdrücken.

»Warum war davon kaum etwas in den Zeitungen zu lesen?« fragte Rander interessiert.

»Mr. Stonewell hielt das in Zusammenarbeit mit der Polizei für nicht angebracht«, antwortete Herb Lasters. »Es hätte nur unnötige Unruhe verursacht.«

»Schlagzeilen, Mr. Rander, können wir nicht brauchen. Sie schädigen nur das Geschäft.«

»Wie hießen die bisherigen Opfer?« fragte der Anwalt.

»Namen und Adressen habe ich für Sie zusammenstellen lassen«, schaltete sich Art Stonewell ein. »Wenn Sie mich fragen, wird hier ein gemeines Kesseltreiben gegen die ›Star-Pictures‹ veranstaltet.«

Der Boß der Filmfirma hatte die Augen geöffnet und sah den Anwalt jetzt fast anklagend an. »Die vier jungen Dinger, eh, ich meine, meine Mitarbeiterinnen, waren im Kommen, wie wir sagen. Sie hatten sich bereits die ersten Sporen verdient und sollten jetzt groß herausgestellt werden. Doch sie wurden nacheinander umgebracht. Die hiesige Polizei steht vor einem Rätsel. Sie, Mr. Rander, müssen es schaffen, diesen Massenmörder zu erwischen!«

»Gingen diesen Giftmorden irgendwelche Drohungen voraus?«

»Nichts, gar nichts! Sie starben plötzlich und ohne jede Vorwarnung.«

»Ihr Sekretär sprach eben von der ›Schwarzen Witwe*, Mr. Stonewell. Sind die jeweiligen Spinnen am Tatort gefunden worden?«

»In allen vier Fällen«, antwortete Herb Lasters. »Und in allen vier Fällen steht einwandfrei fest, daß als Todesursache eben nur ein Spinnenbiß vorlag!«

*

Nachdem Josuah Parker einige Anrufe getätigt hatte, landete er nach einer Stunde bei einem gewissen Mr. Steve Hardness, dem Besitzer einer gut florierenden Schlangenfarm am Stone Canyon Reservoire unterhalb des berühmten Mulholland Drive, nördlich von Beverly Hills.

Steve Hardness, ein langer, dürrer, sonnenverbrannter Mann von etwa fünfzig Jahren herrschte über ein großes, felsiges Grundstück und ein halbes Dutzend Holzbaracken, die allesamt von einem hohen Maschen- und Stacheldrahtzaun eingeschlossen waren.

»Na, was haben Sie mir denn mitgebracht?« fragte er belustigt, nachdem der Butler sich höflich und wortreich vorgestellt hatte. »Ich sage Ihnen gleich, daß ich an Schlangen im Moment nicht interessiert bin. Ich bin vollbesetzt.«

»Sie kaufen Schlangen?« fragte Parker und stellte das verschnürte Päckchen auf den Arbeitstisch des Mannes.

»Normalerweise ja...! Ich brauchte für meine Farm immer Nachschub. Aber wie gesagt, im Moment bin ich restlos besetzt.«

»Darf ich Ihnen dieses Kerftier vorstellen?« fragte Parker und öffnete die Verschnürung. »Vielleicht können Sie mir darüber einige Auskünfte geben!«

Während der Butler redete, öffnete er das Päckchen.

Und im gleichen Augenblick krabbelte die Vogelspinne über den Rand, stutzte, sah sich interessiert um und entschloß sich, erst einmal in Lauerstellung zu gehen. Sie sah in diesem Moment äußerst tückisch und giftig aus.

»Donnerwetter, ein wunderschönes Exemplar!« Steve Hardness schien ehrlich begeistert zu sein. Ohne Scheu näherte er sich der Vogelspinne und beugte sich über sie.

»Giftig?« fragte der Butler knapp.

»Worauf Sie im wahrsten Sinne des Wortes Gift nehmen können«, gab Steve Hardness zurück. »Man sieht’s ihr ja direkt an. Sagen Sie, wo haben Sie sie her?«

»Ich fand sie in meinem Hotelzimmer«, sagte Parker vorsichtig.

»In einem Hotelzimmer? Ausgeschlossen!«

»Ich fand sie, nachdem ich dieses Päckchen aufgeschnürt und geöffnet hatte.«

»Machen Sie keine Witze! Das ist ja fast so was wie ein Mordanschlag.«

»So faßte ich die bewußte Geschenksendung auch auf«, antwortete der Butler. »Meine Frage an Sie, Mr. Hardness, wie beschafft man sich als normaler Durchschnittsbürger solch eine Spinne?«

»Na, so einfach ist das nicht. Man muß wissen, wo die Dinger sich verstecken und aufhalten. Im Stadtgebiet schon gar nicht.«

»Kann man Vogelspinnen kaufen?«

»Bei mir bestimmt nicht, Mr. Parker. Die, die ich habe, gehen alle an die Seruminstitute.«

»Besitzen Sie im Moment Vogelspinnen?«

»Selbstverständlich. Meine Spinnenabteilung ist berühmt.«

»Wissen Sie immer genau, entschuldigen Sie meine neugierige Frage, wieviel Vogelspinnen Sie besitzen?«

»Darüber wird immer genau Buch geführt. Schon wegen der Eigenkontrolle!«

»Sie betreiben Ihre Schlangenfarm allein?«

»Das würde ich allein niemals schaffen. Ich habe ein paar zuverlässige Angestellte.«

»Gibt es außer Ihnen noch weitere Schlangenfarmen hier in der Stadt?«

»Natürlich, mindestens noch sechs!« Hardness stutzte, lächelte dann gutmütig und nickte. »Ich merke schon, worauf Sie hinauswollen. Sie glauben, diese Spinne könnte irgendwo bei meinen Kollegen eingekauft worden sein, ja?«

»Wäre dies unter Umständen möglich, Mr. Hardness?«

»Ausgeschlossen! Keiner meiner Kollegen würde solch ein Biest verkaufen, ich meine, an irgendeinen unbekannten Kunden. Das sitzt einfach nicht drin! Moment mal, haben Ihre Fragen mit diesen rätselhaften Morden zu tun?«

»Morde?« Parker sah den Schlangenfarmbesitzer interessiert und abwartend an.

»Ich weiß nicht, ob ich darüber sprechen kann. Gerade wegen Vogelspinnen war auch schon die Polizei ein paarmal bei mir. Ich habe herausbekommen, daß irgendein Kerl seine Opfer mit ›Schwarzen Witwern umgebracht haben soll.«

»Sehr aufschlußreich! Sagen Sie mal, Mr. Hardness, könnte man als Privatperson Vogelspinnen züchten?«

»Natürlich, wenn Sie ein Pärchen haben und mit den Eiern umgehen können!«

»Braucht es dazu große Vorkenntnisse?«

»Na ja, etwas Erfahrung muß man schon mitbringen, aber die Einzelheiten können Sie ja in jedem Fachbuch nachschlagen. Ich wette, daß es hier in der Stadt genug Einzelpersonen gibt, die Terrarien besitzen und auch Vogelspinnen herumkrabbeln haben!«

»Sie scheint sich erholt zu haben«, meinte Parker und deutete auf die behaarte ›Schwarze Witwe‹, die sich entschlossen hatte, nun doch etwas zu tun. Sie kroch über den breiten und langen Tisch und hielt auf eine Glasschale zu, in der sich eine farblose Flüssigkeit befand.

»Ich werde sie erst mal einsperren«, sagte Hardness. »Ich habe zwar keine Angst vor diesen Biestern, aber doch ’nen verdammt großen Respekt.«

»Darf ich mir eine weitere Frage erlauben?« erkundigte sich der Butler, der vorsichtshalber einen Schritt zurücktrat und die Vogelspinne nicht aus den Augen ließ.

»Nur immer heraus damit, wenn ich helfen kann.«

»Wo könnte ich als Laie solche Vogelspinnen finden?«

»Na ja, an dunklen, feuchtschwülen Orten, verfallenen Häusern, in Sumpfniederungen, auf Plantagen und in Frucht- oder Lagerschuppen. Gott, die Auswahl ist groß genug! Aber sagen Sie mir jetzt mal, warum Sie das alles wissen wollen.«

»Weil ich einem gewissen Mörder liebend gern das Handwerk legen möchte«, erwiderte Parker, »oder, um noch präziser zu sein, einen weiteren Mord verhindern!«

*

Parker unterhielt sich etwa eine halbe Stunde lang mit Steve Hardness und sammelte Informationen. Dann verabschiedete er sich von dem Besitzer der Schlangenfarm und ging zurück zum wartenden Taxi, mit dem er zum Reservoire herausgefahren war.

»Zurück ins Hotel«, sagte der Butler. Dann nahm er auf dem Rücksitz Platz und legte seine Hände auf den altväterlich gebundenen schwarzen Regenschirm. Er dachte intensiv über das soeben Gehörte nach und machte sich, wie es so treffend heißt, seine Gedanken.

Das Taxi fuhr über eine geschotterte, relativ enge Straße hinunter zur asphaltierten Hauptstraße. Es ging vorbei an Steilhängen, die mit hüfthohem Krüppelwald und Dornbüschen bewachsen waren. Die Landschaft sah hier noch wild und ursprünglich aus. Die Sonne stand bereits hoch und verstrahlte eine lastende, schwere Hitze.

Plötzlich wurde der Butler aus dem Sinnieren auf geschreckt. Der Fahrer bremste den Wagen jäh und fast brutal ab. Parker wurde vom Rücksitz herumgeschleudert und fand sich auf dem Wagenboden wieder, eine Gewaltreise, die er nicht sonderlich schätzte.

Bevor er sich aufrichten konnte, schrammte der Wagenkühler gegen hartes Gestein. Mit häßlichem Kreischen riß das Wagenblech seitlich auf. Dann war vorn vom Steuer her ein schwaches Stöhnen zu hören.

Parker richtete sich auf und wollte nach dem Fahrer sehen. Bei dieser Gelegenheit stellte er fest, daß die hintere, rechte Wagentür aufgesprungen war. Außerdem, daß der Lauf eines Revolvers auf ihn gerichtet war.

Hinter der Waffe stand ein mittelgroßer, schlanker Mann, der sich ein Halstuch vor das Gesicht gebunden hatte. Nur seine kalten Augen waren zu sehen.

»Raus...!« kommandierte der Revolverbesitzer.

»Ihr freundlicher Wunsch ist mir durchaus Befehl«, gab der Butler höflich zurück. »Darf ich mich erkundigen, was Sie gegen mich vorzubringen haben, zumal ich fremd in dieser reizenden Stadt bin?«

»Wohl wahnsinnig, wie?« Der Mann mit dem Revolver schnappte nach Luft und starrte den Butler mißtrauisch an.

Parker ging auf diese Frage nicht näher ein, zumal er sich mit den Augen orientierte und herausfand, daß der Gangster nicht allein war. Seitlich hinter ihm stand ein zweiter Mann, dessen Gesicht ebenfalls von einem hochgeschobenen Halstuch bedeckt wurde. Dieser Mann hielt ebenfalls einen Revolver in der Hand.

»Aussteigen!« kommandierte der Gangster an der Wagentür, »aber ’n bißchen dalli!«

Parker stieg aus und wirkte jetzt wie ein verwirrter, älterer Mann, der die Welt und ihre Auswüchse nicht mehr verstand. Neben dem Wagen stehend, entdeckte er jetzt auch das Hindernis auf der Straße. Quer zur Fahrbahn waren zwei Baumstämme gerollt worden. Daher hatte der Fahrer so jäh bremsen müssen.

Parker erhielt einen wenig freundlichen Stoß in den Rücken und sah sich gezwungen, sich in Bewegung zu setzen. Der Mann hinter ihm dirigierte ihn auf ein Gebüsch zu.

»Sind Sie sicher, daß Sie mich nicht verwechselt haben?« fragte der Butler.

»Genau Sie meinen wir, Parker«, sagte der zweite Mann, der irgendwo hinter dem Butler herging. »Genau Sie!«

»Oh, Sie kennen mich?«

»Wir kennen Sie, aber Sie werden uns gleich kennenlernen«, sagte die Stimme hinter Parker. »Wir haben’s nämlich nicht gern, wenn man neugierig wird. Hier in Los Angeles haben Sie nichts verloren. Dampfen Sie schleunigst wieder ab!«

»Ich möchte fast annehmen, daß dies als eine Art Drohung aufzufassen ist.«

»Wir sagen’s Ihnen gleich ganz gründlich.« Der zweite Mann irgendwo hinter dem Butler lachte leise und amüsiert auf. »Wie hat Ihnen unser Päckchen gefallen, he?«

»Sie waren also der Absender! Ich muß gestehen, daß ich einigermaßen überrascht war.«

»Wir haben noch so’n Tierchen für Sie auf Lager, Parker. Los, gehen Sie weiter!«

Sie hatten das dichte Gebüsch erreicht, umgingen es, stiegen über Steingeröll und erreichten hinter dem Strauchwerk eine Art Lichtung, auf der ein zerschrammter Jeep stand.

»Weiter, weiter«, drängte der Mann hinter Parker. Ein weiterer Stoß mit dem Revolverlauf, und Parker stand neben dem Jeep. Er sah auf den Rücksitz, auf dem eine Papiertüte lag.

Die beiden Männer nahmen den Butler in die Mitte.

»Los, Parker, machen Sie die Tüte auf«, sagte der Mann mit den etwas besseren Umgangsformen. »Wir haben eine Überraschung für sie parat!«

»Nun mach schon«, forderte ihn der zweite Gangster auf. Er lachte höhnisch und seine Augen verengten sich erwartungsvoll.

Parker überlegte blitzschnell.

Natürlich wußte er nicht mit letzter Sicherheit, was sich in dieser Papiertüte befand. Er hatte aber eine vage Vorstellung. Und diese Vorstellung deckte sich mit einer über und über behaarten Vogelspinne.

Zwei weitere derbe Stöße in den Rücken. Parker wurde gegen den Wagen gepreßt. Die Mündung eines Revolvers bohrte sich gegen seine Hüfte.

»Los, aufmachen, oder sollen wir schießen?« Wer da redete, konnte Parker nicht unterscheiden. Es war auch völlig belanglos. Er wußte nur, daß man ihm den Tod durch den Biß einer Vogelspinne aufzwingen wollte. Parker wußte dies mit letzter Sicherheit, obwohl ihm jeder Beweis fehlte.

»Mein... mein Herz!« stöhnte der Butler und rutschte formvollendet in sich zusammen. Selbst ein erfahrener Internist hätte an ihm die Anzeichen einer akuten Herzschwäche festgestellt, so vollendet spielte der Butler seine Rolle.

»Los, streif ihm die Tüte über die Hand«, hörte Parker über sich sagen.

Das war der letzte, dafür aber auch endgültige Beweis. Die beiden Gangster wollten sich nicht damit begnügen, ihn nur zu warnen oder zu erschrecken. Nein, sie wollten seinen Tod.

Parker hielt es für angebracht, endlich aktiv zu werden.

Da er seinen Universal-Regenschirm noch in der Hand hielt, verfügte er über eine erstklassige Waffe, zumal der Bambusgriff mit Blei ausgegossen war.

Diesen Bambusgriff ließ der Butler blitzschnell nach oben fahren. Der Griff prallte mit dem Kinn eines Gangsters zusammen, der daraufhin erstickt aufstöhnte, um dann wie ein vom Blitz gefällter Baum zu Boden zu fallen.

Der zweite Gangster versuchte einen Schuß anzubringen. Er gab sich alle redliche Mühe, doch er kam zu spät. Parker war wieder einmal wesentlich schneller.

Mit der flachen Handkante schlug er gegen die Kniekehlen des Mannes, der daraufhin verständlicherweise sein Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Der Schuß löste sich zwar, doch er richtete kein Unheil mehr an.

Und schon war der Butler auf de » Beinen.

Mit der Spitze seines Stockregenschirms schlug er dem Gangster den Revolver aus der Hand. Dann warf er einen Blick auf den zweiten Gangster, der noch regungslos auf dem steinigen Boden der kleinen Lichtung lag.

Parker stutzte.

Seitlich unter dem Oberkörper ragte etwa ein Drittel der Papiertüte hervor. War der Gangster mitsamt der Papiertüte zu Boden gegangen?

Parker benutzte den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms als Haken und drehte den Mann auf den Rücken.

Genau in diesem Augenblick war die häßliche, behaarte Vogelspinne zu sehen.

Sie hatte keinen Schaden davongetragen.

Munter und aktiv, als sei ihr nichts passiert, krabbelte sie auf ihren vier Beinpaaren schleunigst davon.

Parker schauderte es.

Er bückte sich nach einem Stein und warf ihn der Vogelspinne nach. Der Stein erreichte zielsicher die Vogelspinne und nagelte sie auf dem Boden fest. In konvulsivischen Zuckungen bewegten sich zwar noch die Beinpaare, doch die Spinne selbst konnte niemals wieder Schaden anrichten.

Der Mann, unter dem die Spinne hervorgekrochen war, erhob sich plötzlich.

Er rieb sich den Hals, als habe er dort Schmerzen. Dann stolperte er auf Parker zu.

Parker war im ersten Moment wie gelähmt.

Er sah deutlich die kleine Bißstelle am Hals des Mannes. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Der Gangster war von der Vogelspinne gebissen worden.

»Verdammt, was ist das?« Der Gangster spürte Schmerzen am Hals, vergaß sie aber, als er Parker vor sich sah. Wut und Haß schossen in ihm hoch.

»Ich bring’ dich um!« keuchte er gereizt. »Ich mach’ dich fertig, mein Junge!«

Während er die letzten Worte noch aussprach, sah er sich nach seiner Waffe um.

Und erst jetzt fiel sein Blick auf die geplatzte Papiertüte und auf die zerschmetterte Spinne.

Unwillkürlich griff er wieder zur schmerzenden Bißstelle am Hals. Er stutzte, riß dann weit die Augen auf und wußte im gleichen Moment, was passiert war.

»Ich, ich bin gebissen worden!« keuchte er. »Das Biest hat mich gebissen. Los, tut doch was! Das Biest hat mich gebissen!«

»Wir sollten schleunigst zurück zur Schlangenfarm fahren«, sagte Parker. »Möglicherweise gibt es dort ein Serum gegen die Giftwirkung des Bisses!«

»Ich bin gebissen worden!«

Der Gangster stöhnte, sah Parker entgeistert an und schluckte. Der zweite Gangster stand auf und blieb knapp vor seinem Partner stehen.

»Ich brauch’ ’nen Arzt, schnell!« Der gebissene Gangster taumelte zum Jeep. Parkers Anwesenheit schien er völlig vergessen zu haben. Er ließ den Motor an und kuppelte den Rückwärtsgang ein.

Dann sackte er über dem Steuer zusammen. Sein Fuß rutschte von der Kupplung. Der Wagen sprang nach vorn wie ein unternehmungslustiger Ziegenbock, um dann mit abgewürgtem Motor stehen zu bleiben.

Der vergiftete Gangster richtete sich wieder auf.

»Zum Arzt, zum Arzt!«

»Los, setzen Sie sich ans Steuer«, sagte Parker knapp und sehr bestimmt. Diesmal verzichtete er auf elegante oder barocke Umschreibungen. Er zerrte den Gangster auf den Nebensitz und schuf Platz für den zweiten Mann.

Parker setzte sich in den Fond und wartete, bis der Fahrer den Jeep gewendet hatte. Dann rollten sie über Geröll und Grasboden hinunter zur Schotterstraße.

Das Taxi stand noch immer vor den quergestellten Baumstämmen, doch von dem Fahrer war weit und breit nichts zu sehen. Er war wohl wieder zu sich gekommen und hatte die Flucht ergriffen, was Parker ihm noch nicht einmal übelnehmen konnte.

Der Gangster steuerte den Jeep zurück zur Schlangenfarm des Mr. Hardness. Es dauerte immerhin beinahe zwanzig Minuten, bis sie erreicht war. Das schwere und solide Drahttor war geschlossen. Parker stieg aus und eilte hinüber zur Sprechanlage, um Steve Hardness zu verständigen.

Diesen Augenblick nutzte der Gangster am Steuer aus.

Er gab Gas und steuerte den schnell in Fahrt kommenden Jeep direkt auf den Butler zu. Er wollte ihn mit dem breiten, flachen Kühler gegen das solide Drahtgeflecht quetschen.

Parker konnte sich durch einen hastigen Sprung zur Seite retten. Der Gangster warf den Rückwärtsgang ein, wendete verwegen und brauste los. Er dachte nicht im Traum daran, etwas für seinen vergifteten Partner zu tun. Ihm ging es wohl nur um seine eigene Haut.

Parker war unangenehm berührt.

Da er über eine handliche Beutewaffe verfügte, benutzte er sie auch und feuerte einige sehr gut gezielte Schüsse ab.

Die beiden Hinterreifen des Jeeps platzten sofort. Der Wagen schlingerte über den geschotterten Weg, fuhr dann aber auf den Felgen weiter. Sekunden später verschwand er hinter einer Wegbiegung.

*

»Wir haben den Jeep gefunden«, sagte Leutnant Hastings von der Mordkommission eine Stunde später. »Er lag in einem kleinen Canyon. Und unter dem Wagen befand sich der vergiftete Gangster. Er sah nicht mehr gut aus. Der Jeep war nämlich in Brand gesetzt worden. Ob absichtlich, läßt sich schwer sagen!«

Leutnant Hastings, ein kleiner, drahtiger Mann mit einem schmalen Bärtchen auf der Oberlippe, referierte leidenschaftslos. Er saß Mike Rander und Josuah Parker gegenüber. Im Hotelzimmer herrschte trotz der schwülen und feuchten Mittagshitze dank der Klimaanlage eine erfreuliche Temperatur.

»Ließ sich feststellen, wem der Jeep gehört?« wollte Mike Rander wissen.

»Man arbeitet noch dran«, erwiderte der Leutnant ausweichend. »Für mich ist die Hauptsache, daß Ihre Geschichte stimmt!«

»Haben Sie daran etwa gezweifelt?« fragte der Anwalt zurück. »Warum sollten wir Sie belügen? Schließlich sitzen wir doch in einem Boot. Sie und wir wollen doch die Burschen erwischen, die mit »Schwärzen Witwern arbeiten, oder?«

»Warum überlassen Sie diese Arbeit nicht uns?« fragte Leutnant Hastings. »Wir werden schließlich dafür bezahlt.«

»Wir auch«, meinte der Anwalt. »Sie wissen doch, daß Mr. Stonewell uns engagiert hat.«

»Wir haben es nicht besonders gern, wenn man uns ins Handwerk pfuscht«, erklärte Hastings offen. »Nehmen Sie einen guten Rat an, geben Sie den Auftrag zurück und fahren Sie nach Chikago, wo Sie hergekommen sind!«

»Sind Sie so sicher, daß Sie es allein schaffen werden?«

»Natürlich, auf die Dauer hat die Polizei immer den längeren Atem, wetten?«

»Ihr Atem hat sich aber bisher, was ich in aller Bescheidenheit feststellen möchte, als schon zu lang erwiesen«, schaltete Josuah Parker sich in die Unterhaltung ein. »Mit anderen Worten, seit zwei Monaten wurden bisher vier junge Damen der Film- und Fernsehbranche mittels bewußter »Schwarzen Witwern umgebracht. Und nach Lage der Dinge ist mit weiteren Giftmorden dieser Art zu rechnen.«

»Lassen Sie das unsere Sorge sein, Parker!«

»Und unsere, Leutnant«, erwiderte Mike Rander und stand auf. »Natürlich werden wir in Los Angeles bleiben und Weiterarbeiten. Sie wissen, daß Sie dagegen nichts tun können!«

»Sind Sie sicher?« Auch Leutnant Hastings stand jetzt auf. »Wir brauchen keine Privatschnüffler. Sie zerstören uns nur unsere Spuren. Ich warne Sie, kommen Sie mir bloß nicht ins Gehege, sonst werde ich verdammt unangenehm.«

»Sie haben hoffentlich nichts dagegen, daß wir Mr. Stonewell von dieser Unterhaltung berichten, oder?«

»Aber meine Herren! Warum treiben wir die Sache eigentlich auf die Spitze?« sagte Hastings plötzlich und nahm einen Zahn zurück, wie es im Volksmund so treffend heißt. »Schön, ermitteln Sie von mir aus ruhig. Aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie bei gewissen Leuten ins Fettnäpfchen treten. Wir haben es mit Gangstern zu tun, die es in sich haben. Denken Sie nur an diese verdammten Vogelspinnen!«

»Wir werden aufpassen, Leutnant. Und wir werden Sie verständigen, sobald wir konkrete Dinge erfahren haben.«

»Worum ich auch gebeten haben möchte!« Hastings gab sich plötzlich wieder grimmig. »Na schön, lassen wir’s auf ein Wettrennen ankommen. Mal sehen, wer zuerst das Ziel erreicht.«

»Warum sind Sie eigentlich so gegen uns eingestellt?« wollte Mike Rander in versöhnlichem Tonfall wissen.

»Ich habe was gegen blutige Laien«, antwortete Hastings prompt. »Und ich bin gegen weitere Morde. Sagten Sie nicht selbst, daß man Sie bereits zweimal mit ›Schwarzen Witwern bedacht hat?«

Er stutzte, überlegte einen Moment und sah Rander und Parker dann aus zusammengekniffenen Augen abschätzend an.

»Warum ist man eigentlich hinter Ihnen her, wie? Man schickte Ihnen doch die erste Vogelspinne ins Hotel, als Sie mit Mr. Stonewell überhaupt noch nicht gesprochen hatten.«

»Sie drücken in der Tat das aus, Sir, was mich seit einiger Zeit intensiv beschäftigt«, gab der Butler höflich zurück. »Seien Sie aber versichert, daß ich dieses Rätsel früher oder später zur allgemeinen Zufriedenheit lösen werde!«

*

»Und wo wollen Sie ansetzen?« fragte Mike Rander, nachdem Leutnant Hastings gegangen war. »Wir haben doch nicht die geringste Handhabe.«

»Vielleicht kann ich mit einem bescheidenen Hinweis dienen, der sich auf den Besitzer des verbrannten Jeeps bezieht, Sir.«

»Das wäre natürlich prächtig, Parker. Haben Sie sich das Kennzeichen gemerkt?«

»Ich war so frei, Sir. Der Jeep ist hier in Los Angeles zugelassen.«

»Und wahrscheinlich gestohlen worden, wie?«

»Darauf müßte man es allerdings ankommen lassen, Sir. Wenn Sie erlauben, werde ich mich um den Wagenbesitzer kümmern.«

»Soll ich hier im Hotelzimmer bleiben und vielleicht Daumen drehen?«

»Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, könnten Sie sich vielleicht mit Mr. Herb Lasters befassen, dem Sekretär dieses Mr. Stonewell.«

»Daran hatte ich auch schon gedacht«, gab Mike Rander nachdenklich zurück. »Ich frage mich immer wieder, woher die Gangster wissen, daß Stonewell uns engagiert hat. In seinem Büro muß es eine undichte Stelle geben.«

»Ich verstehe die Reaktion der Gangster nicht«, erklärte der Butler würdevoll und gemessen. »Warum greift man Sie und meine bescheidene Wenigkeit so scharf an, obwohl doch noch keine Schritte unternommen wurden. Warum diese Aggressivität? Man könnte direkt an die unkontrollierte Handlungsweise eines geisteskranken Menschen denken.«

»Hört sich im ersten Moment gut an, Parker. Aber welcher Geisteskranke engagiert Gangster?«

»Dafür gibt es Beispiele genug, Sir, wenngleich ich jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen möchte. Man sollte aber Erkundigungen über Personen einziehen, die durch die Ermordung der vier jungen Damen materielle Vorteile haben.«

»Oder sich nur rächen wollen, weil man ihnen übel mitgespielt hat. Auch da könnte der Hund begraben liegen, Parker.«

»Bleibt nach wie vor die Tatsache, daß die Gangster aktiv wurden, obwohl das Gespräch mit Mr. Stonewell noch gar nicht stattgefunden hatte. Sie erlauben, daß ich mir darüber Gedanken mache!«

»Und ob ich das erlaube!« Mike Rander sah seinen Butler lächelnd an. »Machen wir uns an die Arbeit, Parker. Jetzt würde ich den Fall auch übernehmen, wenn ich keinen einzigen Cent dafür bekäme!«

Er hatte seinen Satz noch nicht ganz beendet, als das Telefon sich meldete.

Parker hob den Hörer ab, meldete sich und wandte sich zu Mike Rander um.

»Mr. Stonewell möchte Sie sprechen, Sir.«

Rander nahm den Hörer in die Hand und meldete sich. Dann hörte er schweigend und konzentriert zu.

»Sind Sie unter Druck gesetzt worden?« fragte er schließlich. »Vor einer knappen Stunde haben Sie doch noch ganz anders gesprochen.«

Er mußte sich einige Argumente anhören, die ihn nicht voll befriedigten. Parker sah das seinem jungen Herrn an der Nasenspitze an. Randers Stirn runzelte sich.

»Gut«, sagte Rander schließlich höflich. »Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie Ihren Auftrag zurückziehen. Ich kann Ihre Haltung sogar verstehen. Wer möchte sich schon von einer ›Schwarzen Witwe‹ belästigen lassen. Okay, Ende!«

Rander legte auf und zündete sich eine Zigarette an.

»Sie werden’s ja mitbekommen haben«, sagte er dann zu Josuah Parker. »Stonewell ist ausgestiegen. Er möchte die Aufklärung der Morde lieber der Polizei allein überlassen. Er ersetzt uns selbstverständlich alle anfallenden Unkosten.«

»Darf ich fragen, ob Mr. Stonewell irgendwelche vagen Andeutungen gemacht hat?«

»Nicht die geringsten, Parker. Aber mir ist klar, wer und was hinter seiner Sinnesänderung steckt. Die Gangster müssen ihn unter Druck gesetzt haben.«

»Wie gut, Sir, daß Sie soeben noch so nachdrücklich feststellten, ohne einen einzigen Cent den Dingen nachgehen zu wollen.«

»Und davon gehe ich auch nicht runter«, erklärte Mike Rander nachdrücklich. »Jetzt will ich es wissen, Parker. Bringen wir die Ermittlungen auf Hochtouren! Die ›Schwarze Witwe‹ soll sich noch wundern!«

*

Josuah Parker mietete sich in der nächsten Stunde einen Wagen. Er suchte lange, bis er das für seinen Geschmack richtige Modell fand. Er entschied sich für eine sehr sportliche Limousine mit den erforderlichen Pferdestärken unter der tiefen Motorhaube.

Dieser Wagen trug ihn hinaus vor die Stadt, in die Nähe des Reservoirs. Parker wollte sich die Unfallstelle des Jeeps aus der Nähe ansehen. Leutnant Hastings hatte für seinen Geschmack zu wenig erzählt.

Die Unfallstelle war inzwischen geräumt worden.

Das ausgebrannte Wrack des Jeeps lag am Fuß eines Steilhangs und war nur noch eine undefinierbare Masse aus geschmolzenem Glas und verbogenem, ausgeglühtem Metall. Die Leiche des Gangsters war selbstverständlich längst abtransportiert worden.

Dennoch verließ der Butler den Buick und stieg hinunter zum Wrack. Natürlich war er sich klar darüber, keine wichtigen Hinweise zu finden. Die Polizei hatte bestimmt schon alles geborgen, was für die Ermittlungen interessant war. In diesen Dingen beging die Polizei keine Fehler. So etwas passierte höchstens noch in Kriminalromanen.

Gemessen und würdevoll, wie es seiner inneren Haltung entsprach, stieg der Butler hinunter zur eigentlichen Unfallstelle und sah sich dort um. Im näheren Umkreis des verbrannten Wagens war das Gras verkohlt.

Parker fragte sich, ob dieser Jeep wirklich gestohlen worden war. Wer stahl wohl schon einen Jeep? Und hatten die Gangster nicht geplant, ihn umzubringen? Mußten sie befürchten, daß ihr Opfer noch etwas über das Kennzeichen des Wagens aussagen konnte? Gewiß nicht! Demnach konnten sie durchaus einen privaten Wagen benutzt haben.

Parker hörte plötzlich hinter sich ein feines Scharren. Natürlich blieb er unbeweglich stehen, als habe er nichts wahrgenommen. Innerlich aber spannte er seine Muskeln. Er fühlte, daß er beobachtet wurde. Von einem Gegner?

»Was machen Sie denn hier?« hörte er Sekunden später eine Stimme. Sie klang etwas heiser, aber nicht unsympathisch.

»Darf ich mir die Gegenfrage erlauben, was Sie hier suchen?« erwiderte Parker, ohne sich umzuwenden. Seine einzige sichtbare Reaktion auf die Frage bestand darin, daß sich seine schwarz behandschuhte Hand fester um den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms schloß.

»Ich hab’ zuerst gefragt.« Die heisere Stimme ging in ein leises Lachen über. Und dann entdeckte Parker schräg neben sich einen untersetzten, vierschrötigen Mann von etwa fünfzig Jahren. Dieser Mann trug einen dunklen, etwas weit sitzenden Anzug. Er nahm jetzt seinen Hut ab und fächelte sich damit frische Luft zu.

»Wenn Sie erlauben, stelle ich mich vor«, sagte Parker. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker.«

»Und ich bin Sergeant McCullers.« Der Fünfzigjährige grinste verschmitzt und trat näher heran. »Wollen Sie meinen Ausweis sehen?«

»Demnach wissen Sie, wer ich bin?«

»Haben Sie nicht die Sache mit den beiden maskierten Gangstern gemeldet?«

»Ich war so frei«, entgegnete der Butler. »Ich hatte bereits das zweifelhafte Vergnügen mit einem gewissen Leutnant Hastings.«

»Hastings ist gar nicht so übel«, verteidigte der Sergeant seinen Vorgesetzten. »Er hat’s mit der Galle und die spielt ihm manchmal einen Streich.«

»Leutnant Hastings zeigte sich ungewöhnlich zugeknöpft. Von einer Zusammenarbeit wollte er nichts wissen.«

»Was heißt hier Zusammenarbeit?«

»Mein junger Herr, Mr. Mike Rander, besitzt eine Lizenz als Privatdetektiv. Ich genieße übrigens auch diesen Vorzug. Beide Lizenzen wurden in Chikago ausgestellt.«

»Sie, Sie haben eine Lizenz als Privatdetektiv?« McCullers sah den Butler verdutzt an.

»Wenn Sie darauf bestehen, kann ich Ihnen eine Fotokopie dieser Lizenz vor zeigen.«

»No, ich glaub’ Ihnen, aber ich weiß noch immer nicht, was Sie hier suchen.«

»Ich sauge die Atmosphäre des Unfallortes ein«, erklärte der Butler. »Wobei ich den Ausdruck Unfallort lieber durch den Ausdruck Tatort ersetzen möchte!«

»Tatort?«

»Ich glaube an Mord«, redete der Butler weiter. »Meiner bescheidenen Ansicht nach wurde der Gangster, der hier im Wrack gefunden wurde, von seinem Partner ermordet, und wenn auch auf dem Umweg über unterlassene Hilfeleistung!«

»Ich verstehe kein Wort.« McCullers schüttelte verständnislos den Kopf.

»Der Gangster, von dem ich rede, wurde von einer Giftspinne gebissen und mußte auf dem schnellsten Weg zu einem Arzt gebracht werden. Er benötigte noch dringender ein Serum. Um dieses Serum kümmerte ich mich. Doch der Partner des in Lebensgefahr schwebenden Gangsters verhinderte die Rettungsaktion.«

»Stimmt, so was erzählte auch Leutnant Hastings.« McCullers nickte zerstreut.

»Er erzählte leider nicht, wem der Jeep gehört und wer der Tote ist. Der verbrannte Gangster müßte doch inzwischen identifiziert worden sein.«

»No, so schnell geht das nun wieder nicht. Der Jeep gehört einem Mr. Randy Orwell, das wissen wir inzwischen, aber wer der Tote ist, also wie gesagt, so schnell ist der nicht zu identifizieren.«

»Mr. Randy Orwell?« Parker sah den Sergeant interessiert an.

»Ein Tierhändler, der für den Film arbeitet«, erklärte der Sergeant gelassen. »Der Mann hat ein Riesenvermögen gemacht. Er vermietet Raub- und Haustiere an Film- und Fernsehproduktionen. Von ihm können Sie alles haben, was Sie brauchen. Vom Floh bis zum Elefanten.«

»Wie aufschlußreich!«

»Behalten Sie diese Weisheit für sich«, meinte McCullers und zwinkerte dem Butler mit einem Auge zu. »Ich habe nichts gesagt.«

»Ich möchte fast annehmen, daß man mit Ihnen recht gut und ersprießlich Zusammenarbeiten kann.«

»Bleiben Sie bei dieser Annahme«, antwortete der Sergeant und schmunzelte. Dann deutete er auf das Wrack und fügte hinzu: »Hier ist für Sie nichts mehr zu holen, Mr. Parker. Glauben Sie mir!«

»Und aus welchem Grund, wenn ich fragen darf, sind Sie hier?«

»Ich bin Ihnen nachgefahren. Auftrag von Leutnant Hastings. Er scheint was gegen Sie zu haben.«

»Könnte das so ausgelegt werden, daß er Mr. Rander und meiner bescheidenen Wenigkeit nicht glaubt?«

»Scheint so, Mr. Parker. Aber machen Sie sich nichts draus. Und seien Sie verdammt vorsichtig. ›Schwarze Witwern sieht man nicht immer. Und Ihr persönlicher Schutzengel kann gerade mal Urlaub machen.«

McCullers wandte sich ab und wollte gehen. Doch dann blieb er noch einmal kurz stehen und grinste den Butler an.

»Sie sollten sich übrigens mal um Lester Nellen kümmern. Ich bin sicher, er kann Ihnen eine Menge erzählen. Sie finden ihn unten in der Stadt. Adresse steht im Telefonbuch!«

*

Die Tierhandlung des Mr. Randy Orwell war ein kleiner Zoo, der von einer hohen Mauer umschlossen wurde. Das Gelände befand sich auf einem Schräghang im nordöstlichen Teil von Burbank und war nur über eine sorgfältig asphaltierte Straße zu erreichen.

Parker, in seinem Wagen sitzend, nahm diese Straße und hielt kurz darauf vor dem Bürogebäude, einem langgestreckten, zweistöckigen Steinbau, dessen Fassade blendend weiß gestrichen war. Parker stellte den Leihwagen auf dem Parkplatz ab, stieg aus und schritt mit der unnachahmlichen Würde eines Patriarchen auf den Eingang zu. Dann wandte er sich an einen jungen Mann, der hinter dem Empfang saß.

»Ich beabsichtige, Mr. Orwell in einer dringenden Sache zu sprechen«, sagte er. »Würden Sie meinen Besuch bitte umgehend arrangieren!«

Der junge Empfangschef, solche Rede durchaus nicht gewohnt, starrte den Butler leicht entgeistert an und griff dann, wie unter einem fremden Zwang stehend, nach dem Hörer und ließ sich mit seinem Chef auf dem Umweg über das Vorzimmer verbinden.

Dabei beging er den Fehler, einen Moment betreten zur Seite zu sehen. Er wollte Parker nicht zu neugierig anstarren. Er hätte es besser nicht getan, denn als er wieder hochsah, war Josuah Parker bereits verschwunden. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

Parker befand sich zu dieser Zeit allerdings bereits auf der Treppe und schritt nach oben. Ihm ging es darum, unangemeldet vor Mr. Randy Orwell zu erscheinen.

Eine junge Dame kam ihm entgegen.

»Wo finde ich Mr. Orwell?« erkundigte sich der Butler höflich und gemessen.

»Mr. Orwell?« Die junge Dame schnappte hörbar nach Luft und starrte den Butler an. Sie hatte allen Grund dazu, denn Parker nahm sich in dieser Stadt sehr ungewöhnlich aus, trug er doch nach wie vor und trotz der lastenden Hitze seinen schwarzen Anzug, den korrekten, schneeweißen Eckkragen und die diskret gestreifte Krawatte. Hinzu kamen seine schwarze Melone und der schwarze Regenschirm.

»Mr. Orwell«, wiederholte Parker. »Ich hoffe sehr, Sie können mir eine Auskunft geben.«

»Der Chef ist drüben im Raubtierhaus«, stotterte die junge Dame.

»Und wo finde ich jenes bewußte Raubtierhaus?« erkundigte sich Parker freundlich.

»Hinten im Hof«, rang die junge Dame sich ab, um sich dann hastig umzudrehen und hinter der nächstbesten Tür zu verschwinden. Parker zog dennoch höflich dankend seine Melone und ging hinunter in den Hof.

Das Raubtierhaus war schnell gefunden.

Es handelte sich um einen Rundbau, dessen Durchmesser etwa dreißig Meter betrug. Im Näherkommen hörte der Butler das gereizte Fauchen von wilden Großkatzen und die scharfen Befehle und Kommandos eines Dompteurs.

Parker stieß die Tür zum Rundbau auf.

Er stand Sekunden später vor einer kreisrunden, vergitterten Manege, in der sich einige Tiger und Löwen tummelten. Beherrscht wurden diese Großkatzen von einem schlanken, drahtig aussehenden Mann, der etwa fünfundvierzig Jahre alt sein mochte. Er trug Breeches, Stiefel und ein leichtes Hemd. In seiner Hand befand sich eine Peitsche.

Neben dem Laufgang zum Manegenkäfig waren zwei Assistenten zu erkennen, die sich mit Gewehren und Wasserschläuchen bewaffnet hatten. Sie paßten auf ihren Herrn und Meister auf, der seinerseits die Großkatzen nicht aus den Augen ließ. Es war offensichtlich, daß Randy Orwell die Katzen dressierte.

Noch war davon nicht viel zu sehen. Die lieben Tierchen, wie Parker die Katzen insgeheim nannte, kamen wohl frisch aus dem Dschungel oder aus dem Grasland. Sie fauchten und brüllten sich übelgelaunt an und drückten sich an den Manegegittern herum.

Aber nur so lange, bis sie den Butler erspäht hatten.

Als dies der Fall war, trat augenblicklich eine lastende Stille ein. Tiger und Löwen, von jeder Sorte befanden sich drei Tiere in der Manege, starrten den schwarz gekleideten Butler an und ließen ihre Verblüffung deutlich erkennen.

»He, was tun Sie denn hier?« rief Randy Orwell zu Parker hinüber.

»Habe ich die Ehre, mit Mr. Orwell zu sprechen?« rief der Butler höflich zurück.

»Stimmt. Aber ich habe jetzt keine Zeit!« Orwell grinste und fügte dann ironisch hinzu: »Es sei denn, Sie kommen hierher zu mir!«

Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und schritt auf die beiden jungen Männer zu, die am Lauf gang standen. Dort befand sich nämlich die Tür zum Käfig.

Bevor die beiden völlig verdutzten Assistenten eingreifen konnten, hatte der Butler bereits die Käfigtür geöffnet und ging gemessen auf den völlig erstarrten Orwell zu.

Die drei Tiger und drei Löwen leisteten sich ein leises Knurren, das irgendwie verlegen klang. Dann verteilten sie sich, um die schwarze Erscheinung besser beobachten zu können.

»Sind Sie wahnsinnig?« fauchte Orwell den Butler an. »Die Tiere sind noch völlig ungezähmt. Wollen Sie sich unbedingt als Frischfleisch anbieten?«

»Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. Die Wildkatzen übersah er. »Vielleicht wissen Sie mit meinem bescheidenen und durchschnittlichen Namen etwas anzufangen.«

»Ab sofort ja, Mann, sind Sie ein Selbstmordkandidat? Sofort raus, bevor die Bestien zuschlagen!«

»Aber verketzern Sie doch nicht die netten Katzen«, gab der Butler zurück. »Ich schlage vor, wir ignorieren sie erst einmal. Ich war übrigens, und das zu Ihrer Information, der Mann, der in Ihrem Jeep befördert wurde.«

»Sie sind doch niemals von der Polizei. Wie war Ihr Name noch?«

»Parker, Josuah Parker. Ich habe die Ehre, der Butler von Mr. Mike Rander zu sein!«

»Los, kommen Sie! Nicht hastig bewegen, ganz schön langsam zur Tür rüber, Parker!«

Auf der Stirn des drahtigen Dompteurs hatten sich dicke Schweißtropfen gebildet. Orwell schielte angestrengt nach den Großkatzen, die sich noch immer nicht klar darüber geworden waren, was mit dieser schwarzen Gestalt wohl los sein könnte. Vorerst beschränkten sie sich auf ein nach wie vor leises Fauchen.

»Ich darf wohl unterstellen, daß Leutnant Hastings von der Mordkommission bereits hier war, nicht wahr?«

»Ja, war hier. Und ich hab’ ihm gesagt, daß mein Jeep gestohlen wurde. Reden wir draußen darüber.«

»Fürchten Sie sich etwa vor den Katzen?« erkundigte sich Parker erstaunt. »Sie sehen doch recht nett und amüsant aus, würde ich sagen!«

Er hätte es besser nicht gesagt.

Ein stämmiger Tiger entschloß sich vorzufühlen und Kontakt aufzunehmen.

Das Tier pirschte sich an den Butler heran und blieb dann wie erstarrt stehen. Parker, den Regenschirm vom Arm lösend, wartete nicht etwa, bis das Tier ihn erreicht hatte, nein, er ging dem Tiger gesammelt und würdevoll entgegen.

Der Tiger stutzte.

Solch eine Reaktion hatte er nicht erwartet. Er war es schließlich gewohnt, daß man vor ihm ausriß und sich in Deckung begab!

Vorsichtig zog das riesige Tier sich zurück und schielte hilfesuchend zur Seite. Die beiden anderen Tiger waren inzwischen übereingekommen, es mit einem Überraschungsangriff zu versuchen. Fast gleichzeitig fauchten sie auf den Butler los.

Sie Szene sah nicht nur lebensgefährlich aus, sie war es auch. Während Orwell sich hastig zur Gittertür zurückzog, blieb Parker stehen.

Dann aber, als die beiden Tiger ihn fast eingekreist hatten, ließ er blitzschnell den Regenschirm aufklappen.

Die schwarze Seide spannte sich.

Parker wurde dadurch in den Augen der beiden Angreifer riesengroß und unheimlich.

Fauchend wichen sie zurück und suchten Schutz an den Gitterstäben. Der dritte Tiger beeilte sich, zu seinen beiden Artgenossen zu kommen. Dann hockten die drei Tiger sich wie brave und eingeschüchterte Kätzchen nieder und kapitulierten.

Die drei Löwen hatten bisher interessiert und wachsam zugesehen. Jetzt, nach der Blamage der drei Tiger, fühlten sie sich in ihrer Ehre als Raubkatzen angegriffen.

Sie führten einen wilden Angriff auf den Butler.

Doch als der schwarze Regenschirm auch sie stoppte, da gaben sie den falsch verstandenen Ehrbegriff auf und hockten sich neben den drei Tigern in den Sand der Manege nieder.

»Toll, einfach toll!«

Randy Orwells Stimme klang heiser vor Aufregung.

Parker nickte dankend und dachte nicht daran, die Manege zu verlassen. Er zündete sich eine seiner spezialgefertigten Zigarren, an und sog den seiner Meinung nach würzigen Rauch ein.

Die drei Tiger und Löwen husteten zwar nicht gerade, doch sie zeigten sich ungemein beeindruckt. Und das in dem Augenblick, als die Rauchwolken über sie hinwegwehten.

Sie preschten fast gleichzeitig aus dem Sand hoch und rasten in wilden Sprüngen auf den vergitterten Laufgang zu. Da einer der Assistenten die Gittertür inzwischen geöffnet hatte, konnten die sechs Raubkatzen ungestört ihre Flucht fortsetzen. Innerhalb weniger Sekunden waren sie nicht mehr zu sehen. Nur noch zu hören. Und die Geräusche, die sie produzierten, erinnerten jetzt ungemein an den gequälten Reizhusten eines Kettenrauchers.

»Mann! Das war ja Sonderklasse!« Orwell war zurück in die Mitte der Manege gekommen und sah den Butler prüfend an. »Wenn Sie einen Job als Dompteur suchen, sind Sie sofort engagiert!«

»Ich suche eigentlich etwas anderes!«

»Na und?«

»Den Lieferanten einiger diverser ›Schwarze Witwern, wenn ich mich so ausdrücken darf, Mr. Orwell. Hoffentlich können Sie mir dabei behilflich sein!«

*

»Da sind Sie bei mir an der richtigen Adresse«, sagte Orwell eine Viertelstunde später. »Über dieses Thema habe ich mich bereits mit Leutnant Hastings unterhalten.«

»Hoffentlich macht es Ihnen nichts aus, wenn Sie auch mich noch informieren, Mr. Orwell.«

»Das ist schnell geschehen!« Orwell nahm das gefüllte Glas, das er sich an der Wandbar gemixt hatte, und schritt vor dem Schreibtisch in seinem Büro auf und ab. »Zwei meiner Tierwärter sind überfällig. Und einer meiner Jeeps! Und dazu ein gutes Dutzend Vogelspinnen. Reicht Ihnen das?«

»Im Grunde schon«, erwiderte der Butler höflich. »Wenngleich ich es vorziehen würde, wenn Sie mir mit Einzelheiten dienen könnten.«

»Die sollen Sie haben, Parker.« Orwell zündete sich eine Zigarette an und strich sich mit der Hand über die Stirn. »Die beiden Tierwärter heißen Tony Mulligan und Jeff Fortner. Bisher zuverlässige Tierpfleger, nichts gegen sie zu sagen! Und doch müssen sie einigen Arger gemacht haben!«

»Welcher Art, Sir?«

»Na ja, einer von ihnen, Jeff Fortner, ist zusammen mit dem Jeep verbrannt. Das habe ich von Leutnant Hastings! Fortner konnte sehr schnell identifiziert werden. Von Mulligan bisher keine Spur. Sagen Sie, Parker, haben die beiden wirklich versucht, Sie umzubringen? Kann ich fast nicht glauben!«

»Es entspricht leider den Tatsachen. Und als Mordinstrument wollten Sie eine sogenannte ›Schwarze Witwe‹ benutzen.«

»Richtig, die Vogelspinnen. Nachdem Hastings hier aufkreuzte, habe ich so eine Art Inventur machen lassen. Dabei stellte sich heraus, daß ein gutes Dutzend Vogelspinnen fehlten. Paßt übrigens ins Gesamtbild, denn Fortner war für diese Tiere verantwortlich.«

»Sie züchten Vogelspinnen?«

»Züchten? Eigentlich nicht. Ich kaufe die Biester auf und vermiete sie an Film- oder Fernsehproduktionen.«

»Für Kulturfilme? Entschuldigen Sie meine Frage, die sicher sehr dumm in Ihren Ohren klingen wird.«

»Ach was, woher sollten Sie’s wissen.« Orwell lächelte und winkte beruhigend ab. »Sie wissen, daß Abenteuerfilme seit Jahren groß geschrieben werden. Für die kitzeligen Situationen braucht man dieses Tierzeug, um die Spannung aufzupeitschen, verstehen Sie? Also, passen Sie auf. Nehmen wir die attraktive Heldin irgendeiner Schauergeschichte. Die wird also von den Schurken eingesperrt und soll ihren Liebhaber verraten. Sie tut’s aber nicht und wird nun unter Druck gesetzt. Dazu läßt man dann eben ’ne »Schwarze Witwe‹ auf sie los. Haben Sie’s jetzt verstanden?«

»Erstaunlich. Und dazu verwendet man lebende Spinnen?«

»Selbstverständlich, Parker, natürlich nur für die Großaufnahmen, aber da müssen sie dann wirklich krabbeln!«

»Ist Ihnen bekannt, Mr. Orwell, daß innerhalb von zwei Monaten vier junge Damen des Films am Biß diverser »Schwarze Witwern verstarben?«

»Natürlich, die Zeitungen berichteten davon, wenn auch spärlich!«

»Darf ich mir die unbescheidene Frage erlauben, ob Sie nach den jeweiligen Mordfällen den Bestand an Ihren Vogelspinnen prüfen ließen?«

»Dafür sorgte schon Leutnant Hastings«, antwortete Orwell grimmig. »Er ist-ja fast Stammgast hier bei mir. Als ob es nicht noch andere Tierhändler gäbe. Von den Schlangenfarmen ganz zu schweigen. Dort werden nämlich auch Vogelspinnen gehalten, ja, sogar gezüchtet.«

»Stimmt Ihr jeweiliger Spinnenbestand?«

»Immer. Und wir führen genau Buch darüber.«

»Kontrollierten Sie die Zahl der Tiere allein oder verließen Sie sich dabei möglicherweise auf die Angaben des Mr. Fortner?«

»Die Spinnen wurden in meiner und Hastings Gegenwart durchgezählt und kontrolliert.«

»Und jetzt fehlt ein gutes Dutzend dieser an sich wohl unschuldigen Tiere, nicht wahr?«

»Eben. Und das stellten Leutnant Hastings und ich erst vor einer knappen Stunde fest.«

»Noch eine letzte Frage, Mr. Orwell, dann können Sie wieder zu Ihren Großkatzen zurückgehen. Könnte ich in Ihrem Personalbüro einige private Angaben über die beiden Tierpfleger Mulligan und Fortner bekommen?«

»Wollen Sie sich als Privatdetektiv betätigen?«

»Nur zur Ausfüllung meiner reichlich bemessenen Freizeit.«

»Dann passen Sie aber auf Hastings auf, der reagiert schnell sauer, wenn man ihm ins Handwerk pfuscht.«

»Was ich durchaus verstehen kann. Man muß eben dafür sorgen, daß man nicht die Arbeit eines Pfuschers tut«, erwiderte Parker gemessen. »Und ich werde mich bemühen, so etwas zu vermeiden, sofern meine bescheidenen Kräfte und Möglichkeiten dies zulassen!«

*

Parker fuhr zurück nach Beverly Hills.

Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit bummelte er über die breite, gepflegte Straße mit den vier Fahrbahnen. Er dachte über sein Gespräch mit Randy Orwell nach und versuchte sich ein genaueres Bild von diesem Tiergroßhändler zu machen.

Randy Orwell hatte, das räumte er ohne weiteres ein, einen ausgezeichneten Eindruck auf ihn gemacht. Von den Spielereien seiner beiden Tierpfleger Mulligan und Fortner schien er tatsächlich nichts gewußt zu haben. Und das Verschwinden seiner Vogelspinnen hatte ihn nicht nur überrascht, sondern auch erschreckt. Gerade als Fachmann wußte er ja, wie gefährlich diese ›Schwarze Witwern sein konnten.

Parker fragte sich, ob ein Mann wie Randy Orwell ein Motiv haben könnte, junge Schauspielerinnen umbringen zu lassen? Diese Frage war vorerst einmal eindeutig zu verneinen. Konnte er sich aber möglicherweise als Erpresser betätigen? Auch das war wenig wahrscheinlich. Randy Orwell hatte ja nach den Worten von Sergeant McCullers ein Vermögen gemacht. Geld konnte ihn also kaum reizen.

Blieb vorerst einmal die Adresse, die Sergeant McCullers ihm praktisch zugespielt hatte. Es handelte sich um den Stadtteil Venice, wo ein gewisser Lester Nellen wohnen sollte. Die Straße samt Hausnummern hatte Parker noch im Gebäude der Tierhandlung aus dem Telefonbuch herausgesucht.

Der Butler kannte Venice von früheren Besuchen her. Dieser Stadtteil, früher einmal ein riesiger Rummelplatz im Stil Venedigs erbaut, mit Kanälen, venezianischen Palästen und Kirchen, war nach langen Jahren der Bedeutungslosigkeit wieder interessant geworden. Hier wucherten die Nachtlokale und Privatclubs, hier trafen sich vergnügungssüchtige Bummler, Beatniks und kleine und große Gangster aller Art. Hier konnte der Besucher im wahrsten Sinne des Wortes noch sein blaues Wunder erleben.

Wer mochte dieser Lester Nellen sein? Sergeant McCuller hatte sich darüber leider nicht ausgelassen. Nun, Parker hoffte sehr, diesen Mann recht bald sprechen zu können.

Was er eine knappe halbe Stunde später dann auch schaffte.

Parker erreichte einen palastartigen Bau, dessen rechte Flanke bereits von einem Abbruchunternehmen erfolgreich angeknabbert worden war. Dieser düstete Bau, dessen Fassade abgeblättert war und tiefe, häßliche Wunden zeigte, hatte höchstens noch eine gute Woche vor sich, dann war er sicher dem Erdboden gleichgemacht worden.

In der Halle, die noch mit abgeschabten Rundsofas um die Säulen ausgestattet war, saßen alte, abgerissen und müde aussehende Männer, die sich langweilten und kaum miteinander redeten. Parker erkundigte sich nach Lester Nellen und wurde in die zweite Etage verwiesen. Da der Lift nicht funktionierte, mußte Parker die breite Treppe benutzen, deren Stufen ausgetreten waren.

Vor einer Tür blieb er stehen. Eine Visitenkarte mit dem Namen Lester Nellen war angeheftet.

Parker klopfte und hörte kurz darauf so etwas wie das heisere Bellen eines erkälteten Seehundes. Der Butler trat ein und lüftete gleichzeitig höflich seine schwarze Melone.

Am Fenster stand ein magerer, mittelgroßer Mann, dessen Haar eisgrau und kurz geschoren war. Er goß sich gerade eine Tasse Kaffee ein und wandte der Tür den Rücken zu.

»Mr. Lester Nellen?« erkundigte sich Parker.

Der Mann am Fenster drehte sich langsam und ohne Hast um. Er mochte fünfundfünfzig Jahre alt sein. Sein Gesicht zeigte tiefe Falten, war aber sonnengebräunt. Kühle graue Augen sahen den Butler an.

»Was wollen Sie?« fragte Nellen. »Wer sind Sie? Hab’ Sie hier noch nie gesehen.«

»Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, antwortete der Butler. »Darf ich Sie um eine kurze Unterredung bitten?«

»Wenn Sie mir was verkaufen wollen, sind Sie auf dem falschen Dampfer«, meinte Nellen und lächelte. Dabei zeigte er ein noch tadellos erhaltenes Gebiß. »Aber wie’n Vertreter sehen Sie eigentlich nicht aus.«

»Ich bin Privatdetektiv aus Leidenschaft«, erklärte der Butler. »Und ich komme im Zusammenhang mit einem Fall, in den Mr. Art Stonewell verwickelt ist.«

»Stonewell?« Die Stimme klang noch heiserer. Sie ließ nicht erkennen, ob er Art Stonewell schätzte oder nicht.

»Stonewell«, wiederholte Parker freundlich. »Sie stehen oder standen einmal mit ihm in näherer Verbindung?«

»Sagen Sid deutlich, was Sie wollen! Hat Stonewell Sie gekauft?«

»Ich möchte betonen, daß ich nicht zu kaufen bin«, erklärte der Butler höflich, aber sehr nachdrücklich. »Ich glaube nur, daß ein Geheimnis um Mr. Stonewell existiert.«

»Geheimnis? Das ist gut!« Lester Nellen lachte bellend. »Was dieser Gangster tut, weiß doch alle Welt!«

»Gangster?«

»Ich könnte mich noch deutlicher ausdrücken, aber ich will nicht beleidigend wirken!« Nellen lachte erneut, kam mit der gefüllten Kaffeetasse zum Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. »Wenn Sie mich fragen, dann ist mein früherer Kompagnon der größte Gangster der ganzen Filmindustrie!«

»Sie waren sein Kompagnon?« Während Parker fragte, sah er sich betont in der ärmlichen Umgebung des Zimmers um.

»Das hier ist mir geblieben, nachdem ich zusammen mit ihm die ›Star-Pictures‹ aufgebaut habe«, erklärte Lester Nellen ohne jede Bitterkeit in der Stimme. »Ich war ein Trottel, ein Rindvieh, ein Idiot, ganz wie Sie wollen. Aber er schaffte es, mich auszubooten. Ganz elegant, ganz legal, nur mit einigen Kniffen!«

»Sie können verstehen, daß ich Ihre Worte kaum einzuordnen vermag«, sagte der Butler höflich. »Können Sie mir unter Umständen mit Details dienen?«

»Vor fünf Jahren machte er mich fertig«, redete Lester Nellen heiser weiter. »Ich überfuhr einen Stuntman auf dem Filmgelände. Ich hatte getrunken, die Polizei griff mich prompt auf, und es kam zu einer handfesten Anklage. Alles sprach gegen mich, verstehen Sie? Ich wurde für schuldig befunden und verurteilt. Die Frau des Stuntman zog eine Privatklage auf. Ich wurde verurteilt, ihr eine Million Schadenersatz zu zahlen. Sie kam damit durch. Ich zahlte also, wanderte ins Gefängnis und war pleite, als ich zurückkam.«

»Das war wann, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«

»Vor knapp einem halben Jahr. Und in dieser Zeit hat Stonewell es geschafft, mich aus der Firma herauszudrücken. Fragen Sie mich nicht nach Einzelheiten. Sie sind bitter genug!«

»Ich möchte Ihnen auf keinen Fall lästigfallen«, entgegnete der Butler in seiner höflichen und gemessenen Art, »aber reichte die Verurteilung wirklich-aus, Sie finanziell zu ruinieren?«

»Ich wurde während der Gefängnisstrafe aus dem Aufsichtsrat herausgedrückt. Um es noch deutlicher auszudrücken, ich flog!«

»Besaßen Sie nicht so etwas wie einen Firmenanteil?«

»Stimmt, ein Drittel war in meinen Händen. Aber dieses Drittel verkaufte meine Frau. Von der ich inzwischen geschieden bin. Noch einmal, verlangen Sie keine Einzelheiten! Sie sehen doch, daß ich pleite bin.«

»Ich könnte mir vorstellen, daß Sie Mr. Stonewell nach all diesen Dingen nicht sonderlich schätzen!«

»Schätzen?« Lester Nellen lachte heiser auf. »Ich hasse Stonewell, wenn Sie’s genau wissen wollen. Ich sinne Tag und Nacht darüber nach, wie ich ihm ein Bein stellen kann. Aber bisher ist mir nichts eingefallen. Was soll ich ohne einen Dollar gegen ihn ausrichten? Oder haben Sie zufällig eine Idee?«

»Sie klingt banal genug«, antwortete Parker lächelnd. »Haß zahlt sich niemals aus, aber das wollen Sie vermutlich nicht von mir hören.«

»Erraten, Mr. Parker...!« Nellen schüttelte abweisend den Kopf. »Für mich zahlt der Haß sich aus, verlassen Sie sich darauf! Und eines Tages bin ich soweit, dann wird er noch vor mir kriechen...!«

»Lieben Sie zufällig Spinnen?« erkundigte sich der Butler. Gleichzeitig stand er auf und ging auf ein schmales Bücherbord zu, das an der Wand neben dem Fenster befestigt war. Auf dem schmalen Bord stapelte sich Krimskrams aller Art. Ein neues Buch aber fiel direkt auf. Es paßte einfach nicht in diese Umgebung.

»Lassen Sie die Finger weg...!« hörte Parker plötzlich. Ohne sich um dieses heisere Schnarren zu kümmern, griff der Butler nach dem Band und nahm ihn in die Hand.

Nellen tauchte neben ihm auf.

Sein Gesicht war haßverzerrt.

»Los, geben Sie das Buch her!« stieß er gereizt hervor.

»Aber selbstverständlich«, antwortete Parker. »Sie sollen sich über mich nicht zu beklagen haben.«

Er reichte das Buch so zurück, daß er sich den Titelumschlag genau ansehen konnte. Und es wunderte ihn kaum noch, unter der Abbildung einer behaarten Vogelspinne den Titel zu lesen: »Giftspinnen, eine Studie über Verhalten und Wirkung.«

*

Nach dieser aufschlußreichen Begegnung, die der Butler natürlich keineswegs überbewertete, ging er gemessen zu seinem Leihwagen zurück. In der großen Halle saßen noch immer die gelangweilten alten Männer und schlugen sich mit der Zeit herum. Sie sahen kaum hoch, als Parker dem Ausgang zustrebte.

Der Wagen stand unversehrt am Straßenrand.

Parker schloß die Tür auf und stieg ein. An besondere Zwischenfälle dachte er keineswegs. Und seit seinem Kontakt mit den beiden Gangstern hatte es bisher keinen Ärger gegeben.

Er betätigte den Anlasser und wollte gerade losfahren, als er jedoch plötzlich eine haarsträubende Entdeckung machte. Und diese Entdeckung verdankte er eigentlich seiner angeborenen Ordnungsliebe.

Die gepolsterte Sonnenblende an der Windschutzscheibe stand seiner bescheidenen Ansicht nach nicht im korrekten rechten Winkel zur Scheibe.

Parker griff mit seiner behandschuhten Linken nach dieser Sonnenblende, um in der nächsten Sekunde unwillkürlich zusammenzuzucken, was bei seiner sonst üblichen Beherrschung sehr viel zu bedeuten hatte.

Nun, diese Reflexbewegung war schließlich durchaus verständlich. Denn am Rand der Sonnenblende zeigten sich plötzlich behaarte und gefährlich lange Spinnenbeine. Wenig später war der Körper einer äußerst angriffslustigen Vogelspinne zu sehen.

Die Vogelspinne - wahrscheinlich hatte auch sie seit längerer Zeit nichts mehr zu sich genommen -war verständlicherweise gereizt und dachte nur noch daran, ihren Ärger auf ein geeignetes Opfer abzuladen.

Da Parker in greifbarer Nähe war, ging die Vogelspinne prompt zum Angriff über. Sie ließ sich herunterfallen und steuerte geschickt die Oberschenkel des sitzenden Butlers an.

Parker verwandelte sich in ein sehr junges Füllen, was seine blitzschnelle Sprungkraft anging. Er fiel fast hinaus aufs Pflaster und entging so dem Angriff der ›Schwarzen Witwe‹.

Die Spinne landete auf den Bodenbrettern, beziehungsweise auf dem Veloursteppich, der darüber lag. Sie witterte frische Luft und stieg ebenfalls auf das Pflaster über. Dann verharrte sie und überlegte augenscheinlich, was zu tun war.

Parker, sonst ein Tierfreud, wie er im Buche steht, genierte sich nicht, seinen Universal-Regenschirm in Tätigkeit zu setzen. Mit der Spitze des Schirms nagelte er die Spinne fest und sorgte so für einen schnellen Tod.

War er beobachtet worden?

Parker fühlte deutlich, daß er die ganze Zeit über intensiv betrachtet wurde.

Etwa vom Palast aus?

Blitzschnell sah er an der schäbigen Hausfront hoch. Und dabei entdeckte er irgendwo hinter einem Fenster in der zweiten Etage eine Bewegung hinter der Gardine. Er wußte nicht, ob es sich um das Zimmer von Lester Nellen handelte.

Oder saß der heimliche Beobachter in irgendeinem der vielen Wagen, die längs der Straße abgestellt waren? Möglich war das schon, doch Parker fand nicht heraus, wer ihn hier so aufmerksam unter die Lupe nahm, daß er es fast körperlich gespürt hatte.

Um einen weiteren Zwischenfall aus dem Weg zu gehen, barg Parker die tote Spinne mit einem Wischtuch, das er in einer Seitentasche des Wagens fand, steckte sie in den Handschuhkasten, setzte sich schleunigst ans Steuer und verließ diesen ungastlichen Platz vor dem imitierten Dogenpalast.

Wurde er verfolgt?

Parker sah zwar wiederholt in den Rückspiegel, doch er konnte nichts feststellen. Er war gespannt, was sein junger Herr zu diesem Abenteuer sagen würde.

Falls Mike Rander nicht selbst das Opfer solch eines Zwischenfalls geworden war.

»Schon wieder eine Spinne?«

Mike Rander hatte dieses Stichwort noch nicht ganz gehört, als er, wie von einer Tarantel gebissen, von seinem Sessel hochwischte und sich äußerst mißtrauisch vergewisserte, daß keine »Schwarzen Witwe‹ in der Nähe war.

Parker saß seinem jungen Herrn im Hotelzimmer gegenüber und wartete, bis Mike Rander sich wieder gesetzt hatte. Dann holte er noch einmal zu seiner Geschichte aus und brachte sie ohne weitere Zwischenfälle hinter sich.

»Ich kann von Spinnen schon nichts mehr hören«, sagte Mike Rander und zündete sich eine Zigarette an. »Machen wir uns nichts vor, Parker, es handelte sich also wieder um einen Mordversuch.«

»Dem würde ich durchaus zustimmen«, erwiderte Parker zurückhaltend, »ich frage mich nur, warum unsere Gegner die übliche Methode verschmähen, Sie oder meine bescheidene Wenigkeit mittels Blei und Pulver umzubringen, ein Verfahren, das doch wesentlich erprobter sein dürfte.«

»Wahrscheinlich haben wir’s mit einem Spaßvogel zu tun«, antwortete der Anwalt. »Mit einem irren selbstverständlich!«

»Zumindest mit einem äußerst ungewöhnlichen Täter«, sagte Parker. »Wer bringt seine Opfer schon auf dem Umweg über eine Giftspinne um? Um es mit anderen Worten auszudrücken, Sir, dieses Verfahren ist nicht nur umständlich, sondern darüber hinaus noch sehr unsicher, wenn bisher auch vier junge Damen ermordet worden sind.«

»Eben, Parker. Ich gehe also noch einen Schritt weiter. Wir haben’s mit einem Geisteskranken zu tun! Oder sind Sie etwa anderer Meinung? Wäre bei Ihnen ja nicht verwunderlich.«

Mike Rander stand auf und ging nachdenklich durch das Zimmer. Unbewußt suchte er dabei den weichen Veloursteppich mit den Augen ab. Innerhalb kurzer Zeit hatte er sich eine ausgewachsene Spinnenphobie angezüchtet.

Plötzlich lachte er leise auf. Als er den erstaunten Blick seines Butlers bemerkte, blieb er hinter dem schweren und tiefen Sessel stehen.

»Sehen Sie mich nicht so verwundert an«, sagte er dann. »Ich komme mir mit meiner Spinnenangst bereits komisch vor! Die ganze Zeit über suchen meine Augen nach Vogelspinnen.«

»Sie leiden an dem, was der Mediziner Phobie nennt«, antwortete der Butler trocken. »Mit anderen Worten, Sie leiden unter der magischen und zwangsläufigen Furcht vor Spinnen.«

»Und ob ich daran leide!« Rander schüttelte über sich selbst den Kopf.

»Vielleicht nicht nur Sie, Sir«, warf der Butler ein.

»Durchaus möglich, Spinnenphobie ist ja nicht ungewöhnlich.«

»Könnte der gesuchte Täter nicht darauf bauen, Sir?«

»Wie soll ich das verstehen? Ah, Sie denken an seine bisherigen Opfer?«

»Ich denke an Mr. Stonewell, Sir, der durch die Morde doch materiell geschädigt wurde.«

»Ich denke eigentlich mehr an die Opfer dieses wahnsinnigen Mörders«, entgegnete der Anwalt trocken. »Die sind doch schließlich geschädigt worden, oder?«

»Aber doch wohl nur, Sir, um Mr. Stonewell in peinliche geschäftliche Situationen zu bringen. Deckt sich das nicht mit dem, was Mr. Stonewells Sekretär Ihnen berichtet hat?«

»Herb Lasters... Richtig! Jede der vier jungen Schauspielerinnen sollte von Stonewell groß herausgestellt werden. Und alle starben, nachdem sie bereits die jeweiligen Dreharbeiten bis zur Hälfte hinter sich gebracht hatten.«

»Welche wirtschaftlichen Nachteile mußte Mr. Stonewell danach in Kauf nehmen, Sir, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«

»Er mußte die Dreharbeiten neu beginnen und die jeweiligen Hauptrollen besetzen.«

»Handelte es sich um je einen verschiedenen Film, Sir, oder um ein und denselben Film?«

»Keine Ahnung, danach habe ich Herb Lasters nicht gefragt. Sie glauben, der Mörder ist hinter einem ganz bestimmten Film her?«

»Eine Klärung dieser Frage dürfte interessant und zugleich auch aufschlußreich sein, Sir.«

»Wir werden Lasters danach fragen, Parker. Und zwar umgehend. Ich weiß ja jetzt, wo wir ihn erreichen können.«

»Ist Mr. Herb Lasters aufgeschlossen und unabhängig genug, Ihnen und meiner Wenigkeit Auskunft zu geben?«

»Und ob er aufgeschlossen genug ist, Parker. Ich habe das Gefühl, daß er auf seinen Boß nicht sonderlich gut zu sprechen ist!«

»Hier wohnt er«, sagte Mike Rander eine knappe halbe Stunde später und deutete auf ein modernes Apartmenthaus, das an einem sanften Berghang nördlich von Beverly Hills lag. Die meisten Jalousien waren wegen der starken Sonne herabgelassen worden.

Parker stellte den Leihwagen auf dem Parkplatz ab und beeilte sich, seinem jungen Herrn den Wagenschlag zu öffnen. Natürlich kam er zu spät, denn Mike Rander kam es ausgesprochen albern vor, daß Parker seine Dienstleistungen als Butler auch in dieser Hinsicht übertrieb.

Parker schickte einen mißbilligenden Blick auf seinen jungen Herrn, der sportlich und elastisch ausgestiegen war. Für Parker war es wiederum undenkbar, daß ein Herr allein aus einem Wagen stieg und freiwillig darauf verzichtete, daß man ihm die Wagentür höflichst öffnete.

»Stecken Sie’s in Zukunft auf«, meinte Rander lächelnd und schlug die Wagentür zu. »Daran würde ich mich niemals gewöhnen.«

»Als ich seinerzeit in London den großen Vorzug hatte, der Butler des Duke of Beaufort zu sein, Sir, da...«

»London ist weit«, sagte Rander, ihm das Wort abschneidend. »Zudem bin ich kein Duke... Kommen Sie, bevor Sie in Tränen ausbrechen...!«

Kerzengerade, als habe er einen Stock verschluckt, folgte der Butler seinem jungen Herrn. Und erneut stahl sich so etwas wie Mißbilligung in seinen Blick, als Mike Rander in der Halle des Apartmenthauses interessiert einer sehr attraktiven, jungen Dame nachblickte die den Lift verließ.

Sie mochte zwar fast dreißig Jahre alt sein, aber sie sah noch ungemein gut aus. Sie war nicht im landläufigen Sinne schön. Sie gehörte schon gar nicht zu den puppigen Dutzendschönheiten, wie man sie auf den Straßen von Los Angeles allenthalben finden kann.

Sie war etwas über mittelgroß, schlank und besaß alle jene Vorzüge, die eine reife Frau auszeichnen. Ihr dunkelbraunes Haar paßte zu den haselnußbraunen Augen und zu dem exotischen Schnitt ihrer Augen. Sie trug ein einfaches, knapp sitzendes Kostüm und übersah die beiden äußerlich so ungleichen Männer.

»Sir, wenn ich darauf aufmerksam machen darf, daß der Lift wartet«, sagte Parker, als sein junger Herr der Dame nachblickte.

»Und wenn ich Sie darauf aufmerksam machen darf, Parker, daß die Dame einen kurzen Aufenthalt wert ist«, gab Rander spöttisch zurück. »Sagen Sie mal, haben Sie denn überhaupt kein Herz im Leib, keine Gefühl für die Schönheiten der Natur?«

»Durchaus, Sir, auch im Hinblick auf die Schönheiten der weiblichen Natur«, erwiderte Parker gemessen, »doch dieses Gefühl erlaube ich mir nur in meiner Freizeit zu leisten.«

»Was das angeht, so haben Sie von mir aus immer Freizeit«, sagte Rander lächelnd. Dann betrat er den Lift und fuhr zusammen mit Parker in die dritte Etage, wo Herb Lasters wohnte.

Vor der Wohnungstür angekommen, legte Parker seinen Zeigefinger nachdrücklich auf die Türklingel. Im Inneren der Wohnung war ein melodischer Gong zu hören.

»Ob Mr. Lasters heute zu Hause ist, Sir?« fragte Parker, als sich in der Wohnung nichts rührte.

»Lasters wollte heute zu Hause bleiben«, antwortete Rander. »Hat er mir wenigstens gesagt.«

»Vielleicht hätte man vorher anrufen sollen.«

»Darauf hätten Sie auch früher kommen können«, gab Rander ironisch zurück. Er wandte sich von der Tür ab und zündete sich eine Zigarette an. »Er scheint wohl weggegangen zu sein!«

»Dann aber erst kurz vor unserem Erscheinen, Sir.«

»Wie kommen Sie denn darauf?«

»Darf ich Sie auf die nassen Fußspuren aufmerksam machen?«

Parker deutete auf die Abdrücke auf dem Läufer vor der Tür. Die nasse Nachzeichnung eines spitzen Damenschuhs war deutlich zu erkennen.

»Tatsächlich, Parker. Und die Trägerin des Schuhs hat die Wohnung verlassen.« Rander beugte sich etwas nieder, um noch besser sehen zu können. Die Spitze des Schuhs deutete auf die Mitte des Korridors hin.

Parker beschäftigte sich inzwischen mit anderen Dingen. Er griff in eine seiner Rocktaschen und holte ein Schlauchstethoskop hervor, dessen Membrane er gegen die Türfüllung legte. Die beiden Schlauchenden steckte er in die Ohren.

Rander schüttelte den Kopf und sah sich unwillkürlich zum Treppenhaus um. Er schätzte diese Eigenwilligkeiten seines Butlers überhaupt nicht, zumal sie sich dicht am Rande der Legalität befanden.

»Ich höre das monotone Rauschen von Wasser«, sagte Parker, nachdem er einen Augenblick gehorcht hatte. »Dem Klang nach zu urteilen, Sir, läuft ein voll aufgedrehter Wasserhahn.«

»Vielleicht duscht Mr. Lasters!«

»Dieses Geräusch würde unbedingt anders klingen«, behauptete der Butler. »Wenn ich meine bescheidene Ansicht äußern darf, Sir, so haben wir es hier mit einem akuten Notstand zu tun.«

»Der Sie berechtigt und verpflichtet, die Tür zu öffnen, nicht wahr?«

»Ich bin froh, Sir, daß Sie es sagen!«

Und ohne eine Erlaubnis abzuwarten, machte Parker sich daran, das Schloß dazu zu überreden, sich freiwillig zu öffnen. Daß er dabei mit seinem Spezialschlüssel nachhalf, war für Parker eine glatte Selbstverständlichkeit.

»Sie bringen mich in des Teufels Küche«, schimpfte Rander verhalten. Er hatte das Gefühl, auf einem weißglühenden Blech zu stehen. »Sie wissen doch genau, daß das ungesetzlich ist!«

»Im Falle eines Notstandes, Sir, ist man verpflichtet, sofort und helfend einzugreifen, falls man sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen will.«

Mit diesen Worten drückte der Butler sehr ungeniert die Tür auf und betrat die Wohnung. Rander schüttelte den Kopf, als der Butler sich auffordernd und fragend nach ihm umschaute.

Der Butler ging durch die kleine Vordiele und betrat den großen Wohnraum. Jetzt war das Rauschen von Wasser tatsächlich deutlich zu hören. Parker hielt auf die Badezimmertür zu, drückte sie auf und schreckte unwillkürlich zurück.

Der Boden des*' Baderaums war zentimeterhoch mit Wasser bedeckt. Die ersten Wasserlachen drückten bereits in den Wohnraum hinein. Die Glastür zur Duschecke war geschlossen, doch durch den unteren Teil sprudelte das Wasser wie aus kleinen Fontänen.

Parker erkannte hinter der Milchglasscheibe einen undeutlichen Schatten. Ob er wollte oder nicht, er mußte die Milchglastür öffnen. Um sich einem zu erwartenden Wasserguß nicht vollends auszusetzen, stieg er vorher auf einen Badehocker, erst dann zog er die Tür auf.

Sekunden später erkannte er die Ursache der Verstopfung des Wasserablaufs.

Im Fußbecken lag ein nackter Mann, dessen Körper den Abfluß blockierte. Und woran dieser Mann gestorben war, war ebenfalls schnell zu erkennen.

Eine behaarte Vogelspinne hatte sich aufs Trockene geflüchtet und saß abwartend auf der Schulter des Toten. Parker konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß ihn die Spinne bösartig und lauernd ansah!

»Kein Zweifel, das ist Herb Lasters«, sagte Mike Rander, der schließlich doch noch die Wohnung betreten hatte. Wenn auch nicht allein. In seiner Begleitung befand sich Leutnant Hastings, der einen äußerst mürrischen Eindruck machte.

»Und kein Zweifel, Sir, daß wir es wieder einmal mit der ›Schwarzen Witwe‹ zu tun haben.«

»Kommen Sie mit rüber ins Wohnzimmer«, sagte Leutnant Hastings. »Ich kann diese verdammten Spinnen schon nicht mehr sehen.«

»Sie sprechen mir zum erstenmal aus dem Herzen«, erklärte Mike Rander und. warf einen scheuen Blick auf die Vogelspinne, die sich noch nicht von der Schulter des Toten weggerührt hatte. »Übrigens erstaunlich, Leutnant, daß Sie ausgerechnet im richtigen Moment hier auftauchten.«

»Ich bin anonym angerufen worden«, räumte der mürrische Mann ein. »Ob Frau oder Mann, kann ich nicht sagen. Die Stimme war verzerrt und ließ keine Rückschlüsse zu.«

»Und was ist, wenn ich fragen darf, mit der Spinne?« erkundigte sich Parker vom Badehocker herunter.

»Überlassen Sie die der Mordkommission, sie muß bald eintreffen.« Leutnant Hasting hatte es ebenso eilig wie Rander, aus dem Badezimmer zu kommen.

Im Wohnraum ließ er sich auf der Lehne eines Sessels nieder und sah den Anwalt erwartungsvoll an.

»Ich wette, Sie wollen jetzt unsere Geschichte hören«, begann Mike Rander.

»Lassen Sie mich zuerst meine Geschichte erzählen«, entgegnete der Leutnant. »Ich habe mich über Sie und Ihren Butler in Chikago erkundigt. Wenn ich Ihnen auf die Zehen getreten haben sollte, so ist das unabsichtlich geschehen, da wußte ich noch nicht, wer Sie sind.«

»Hoffentlich sind die Auskünfte gut ausgefallen«, sagte Rander mit leisem Spott in der Stimme.

»Ich weiß immerhin, daß man mit Ihnen Zusammenarbeiten kann. Und das genügt mir, Rander. Also, ziehen wir einen Strich unter unsere Differenzen, einverstanden?«

»Okay, Hastings! Jagen wir gemeinsam den Mörder. Es wird höchste Zeit, daß ihm das Handwerk gelegt wird.«

»Sie scheinen ein Optimist zu sein, Rander. Sagen Sie mir, wo wir den Mörder jagen wollen.«

»Diese Frage sollten Sie besser an meinen Butler richten, Hastings.«

»Nun, Parker, haben Sie irgendeinen Vorschlag zu machen?« Hastings wandte sich dem Butler zu.

»Die Frage ist und bleibt, Sir, wem diese Mordanschläge im Endeffekt gelten«, antwortete der Butler würdevoll. »Ist Mr. Stonewell als Chef der ›Star-Pictures‹ gemeint, oder handelt es sich nur um Einzelmorde, die in keiner engeren Beziehung zueinander stehen.«

»Klar, diese Frage haben wir uns auch schon gestellt.« Hastings schüttelte ratlos den Kopf. »Ehrlich gesagt, die richtige Antwort haben wir noch nicht gefunden.«

»Und was haben Sie bisher herausgefunden?« schaltete sich Mike Rander ein. »Wie wäre es mit einem ehrlichen Austausch der Informationen?«

»Die sollen Sie haben, Rander. Meiner privaten Ansicht nach, die durch nichts belegt ist, soll Stonewell ruiniert werden. Die vier Starlets, die bisher ermordet wurden, sind im Grunde uninteressant. Sie hatten Freunde und Feinde wie jeder normale Durchschnittsmensch. Aber ihre Ermordung bedeutete in allen vier Fällen für Stonewell empfindliche geschäftliche Einbußen.«

»Sollten die vier ermordeten jungen Damen in einem einzigen Film herausgestellt werden?« Rander sah den Polizeioffizier erwartungsvoll an.

»Nein, jedes Starlet spielte in einer getrennten Produktion. Das hab’ ich direkt von Stonewell. Und jedes Starlet wurde immer dann ermordet, wenn die betreffenden Serien bereits halb abgedreht waren. Stonewell wurde also in allen vier Fällen gezwungen, vollkommen neu zu drehen.«

»Haben ihn die vier geplatzten Produktionen in die Knie gezwungen? Ich meine in geldlicher Hinsicht?«

»Schwer zu sagen, wie es wirklich ist. Natürlich hat Stonewell das entschieden abgestritten, als ich ihn danach fragte.«

»Sie wissen, daß er Parker und mich ausgekauft hat?«

»Ach nee...! Sie arbeiten nicht mehr für ihn?«

»Er rief an und entband uns von dem Job.«

»Das ist ja interessant! Da muß doch einer dran gedreht haben, oder?«

»So ungefähr drückte ich mich auch schon aus«, sage Mike Rander lächelnd. »Man scheint ihm die Pistole auf die Brust gesetzt zu haben.«

»Oder eine der ›Schwarzen Witwern, Sir...!« Parker räusperte sich und deutete auf die Badezimmertür.

»Also dürfte man hinter ihm her sein«, entschied Leutnant Hastings. »Das erleichtert die weiteren Ermittlungen. Aber ich komme über diese haarigen Biester nicht hinweg. Solche Mordmethoden sind vollkommen ungewöhnlich. In meiner Praxis sind sie noch niemals vorgekommen. Mörder benutzen in der Regel Gift, ein Messer oder einen Revolver. Wer macht sich die Mühe, ausgerechnet mit Giftspinnen zu arbeiten? Verstehen Sie das?«

»So ungefähr habe ich mich auch schon mal ausgedrückt«, sagte Mike Rander nachdenklich. »Warum bevorzugt der Mörder diese indirekte und unsichere Methode?«

»Weil er möglicherweise sehr genau weiß, wie sehr Mr. Stonewell Spinnen aller Art haßt...!« Parker sprach diesen Satz beiläufig und ohne Nachdruck aus.

»Sie meinen, die Verwendung von Spinnen sagt Stonewell sehr deutlich, aus welcher Ecke die Morde kommen?« erkundigte sich Leutnant Hastings.

»In der Tat, Sir! Ich bin sicher, daß Mr. Stonewell sehr genau weiß, was die Verwendung von Spinnen bedeutet.«

»Uns wird er das aber bestimmt nicht freiwillig sagen, Parker.« Leutnant Hasting schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich habe ihn schon oft genug verhört. Er rückt einfach nicht mit der Sprache heraus. Und dafür wird er seine Gründe haben.«

»Ist Ihnen bekannt, Sir, daß er einen Teilhaber und Kompagnon hatte?«

»Meinen Sie Lester Nellen?«

»Eben diesen, Sir!«

»Vollkommen bedeutungslos für uns, Parker. Ein gebrochener Mann. Wir haben uns bereits mit ihm eingehend befaßt. Wenn einer nicht der Mörder ist, dann dieser Lester Nellen!«

Parker hütete sich, darauf eine Antwort zu geben. Doch er dachte an diesem Augenblick sehr intensiv an das Handbuch über Spinnen, das er bei diesem Mann entdeckt hatte...

*

»Was versprechen Sie sich eigentlich von diesem Lester Nellen?« erkundigte sich Mike Rander mißgelaunt. »Sie haben doch von Leutnant Hastings gehört, daß er uninteressant ist.«

Es war inzwischen dämmerig geworden. Mike Rander und Josuah Parker saßen im Leihwagen des Butlers, der vor dem dogenähnlichen Palast draußen in Venice stand. Die notwendigen Formalitäten und Zeugenaussagen wegen des Mordes an Herb Lasters hatten viel Zeit gekostet. Nun aber konnte sich das Zweigespann endlich wieder frei bewegen. Und war auf Parkers Wunsch nach Venice gefahren, um zusätzliche Informationen zu sammeln.

»Wenn Sie erlauben, Sir, berichte ich Ihnen von einem Handbuch, das ich in der sehr kleinen Bibliothek des Mr. Nellen gefunden habe.

»Ein Handbuch...?« Rander sah seinen Butler fragend und abwartend an. Und er war sehr nachdenklich, als Parker seine Geschichte ausführlich erzählt hatte.

»Vielleicht hätten Sie Leutnant Hastings davon erzählen müssen«, sagte der Anwalt dann. »Oder wollen Sie etwa behaupten, Sie hätten das glatt vergessen?«

»Ich geniere mich fast, Sir, das zuzugeben«, gab der Butler gemessen zurück. »Ich wundere mich überhaupt über so manche Ausfallerscheinungen meiner Gedanken.«

»Ich eigentlich nie«, gab Rander spöttisch zurück. »Diese Ausfallerscheinungen haben Sie doch immer ganz nach Wunsch, wie es Ihnen gerade in den Kram paßt...! Na schön, unterhalten wir uns also mit Lester Nellen. Falls er für uns überhaupt zu sprechen ist.«

»Es geht darum, Sir, die richtigen Worte zu finden«, erwiderte der Butler beiläufig, »womit ich keineswegs sagen möchte, daß man Mr. Nellen unter Druck setzen sollte.«

Die beiden Männer wollten gerade den Wagen verlassen, als Josuah Parker blitzschnell seine Hand auf die Schulter seines jungen Herrn legte.

»Dort, Sir...!« sagte er mit unwillkürlich leiser Stimme. Dann langte er blitzschnell in eine der vielen Taschen seines schwarzen Jacketts und zog eine Kleinstbildkamera hervor. Es handelte sich um ein gängiges Modell, wie es in Kreisen des Geheimdienstes liebend gern verwendet wird.

»Das ist doch! Natürlich, das ist die Frau, die wir in Lasters Apartmenthaus gesehen haben«, stellte Rander überrascht fest. Er achtete kaum darauf, daß sein Butler eine Aufnahme nach der anderen schoß.

»Sie ist es in der Tat«, antwortete der Butler, für den es längst keinen Irrtum mehr gab. »Und ich frage mich in aller Bescheidenheit, wen sie wohl dort im Haus besucht haben könnte.«

»Lester Nellen«, sagte Rander. Er verfolgte die Frau mit seinen Augen. Die attraktiv aussehende Dame überquerte die Straße und ging auf einen parkenden Wagen zu, an dessen Steuer ein Mann saß, der offensichtlich sehr interessiert in einer Zeitung las.

»Diese Möglichkeit liegt nahe, Sir, ist aber nicht bewiesen.«

»Schön, dann fragen Sie nach, Parker. Ich werde mich an die Frau hängen und sie verfolgen.«

»Könnte man nicht vielleicht gemeinsam...«

»Sie gehen rauf zu Nellen«, sagte Mike Rander und schüttelte energisch den Kopf. »Ich werde mich mit der Frau befassen. Keine Widerrede!«

»Ihr Wunsch ist mir selbstverständlich Befehl«, antwortete Parker, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Er lüftete höflich seine schwarze Melone und stieg aus dem Wagen. Dabei prägte er sich sehr aufmerksam das Kennzeichen des Wagens ein, in den die Frau gerade einstieg.

Mike Rander brauchte nicht lange zu warten, bis er die Verfolgung aufnehmen konnte. Der Mann am Steuer des Wagens - es handelte sich um einen Ford - fuhr sofort los. Rander fädelte den Leihwagen in den Verkehr ein und war bald den Blicken des Butlers entschwunden.

Parker legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm und betrat noch einmal den schäbigen Palast. Wieder saßen die müden, gelangweilten, alten Männer auf den zerschlissenen Rundsofas und schlugen die Zeit tot. Und noch immer sahen sie kaum hoch, als Josuah Parker durch die Halle schritt.

Auch Lester Nellen schien sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt zu haben. Nachdem er die Tür geöffnet hatte und den Butler vor sich sah, nickte er fast einladend.

»Ich wußte, daß Sie zurückkommen würden«, sagte er mit seiner rauhen Stimme.

»Aus irgendeinem bestimmten Grund, wenn man höflichst fragen darf?«

»Sie sind hartnäckig, das habe ich gleich gemerkt. Parker war doch Ihr Name, oder?«

»Sie erinnern sich erfreulich gut, Mr. Nellen. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Doch vorher eine bescheidene Frage am Rande.«

»Und die wäre?«

»Kannten Sie Mr. Herb Lasters, den Sekretär Ihres früheren Partners?«

»Persönlich habe ich ihn nicht gekannt. Warum sprechen Sie in der Vergangenheitsform von ihm?«

»Weil er offensichtlich ermordet wurde. Und zwar mittels einer giftigen Vogelspinne!«

»Das ist nicht wahr!« Lester Nellen sah den Butler ziemlich entgeistert an. »Sagten Sie, mit einer Vogelspinne?«

»So war es, Mr. Nellen. Ich höre schon, daß Vogelspinnen Ihnen etwas sagen.«

»Sie meinen, weil Sie das Buch darüber gefunden haben?«

»Liegt diese Schlußfolgerung nicht nahe, Mr. Nellen?«

»Warum reiten Sie eigentlich so auf diesen verdammten Spinnen herum? Rücken Sie doch endlich raus mit der Sprache!«

»Sie wissen nicht, daß innerhalb von zwei Monaten vier junge Schauspielerinnen von Vogelspinnen ermordet wurden?«

»Ich... ich hab’ davon in den Zeitungen gelesen.«

»All jene unglücklichen jungen Damen waren von Ihrem früheren Partner Stonewell engagiert worden.«

»Na und...? Das ist sein Bier, oder?« Lester Nellen zuckte die Schultern und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Fenster. »Ist doch sein Pech, nicht wahr?«

»Ich dachte weniger an Mr. Stonewell, als vielmehr an die unglücklichen Opfer, Mr. Nellen. In diesem Zusammenhang eine Frage!«

»Machen Sie es kurz und fragen Sie. Aber hören Sie endlich auf, jedesmal um Erlaubnis zu bitten. Das geht mir auf die Nerven.«

»Seit wann wissen Sie von der Spinnenphobie Ihres früheren Partners?«

»Von was?« Lester Nellen sah den Butler erstaunt an.

»Von Mr. Stonewells panischer Furcht vor Spinnen aller Art.«

»Hat er die denn überhaupt?« Lester Nellen lächelte plötzlich spöttisch.

»Sie wissen sehr gut, Mr. Nellen, daß diese Furcht besteht. Sonst hätten Sie sich nicht das bewußte Handbuch gekauft.«

»Na schön, Parker, ich will meine Karten auf den Tisch legen.« Nellen zündete sich eine Zigarette an und starrte einen Moment zu Boden, bevor er weiterredete. »Nachdem ich von den verdammten Spinnen gelesen habe, ging mir ein Licht auf, klar? Ich habe plötzlich gewußt, wie ich Stonewell auf die Nerven gehen kann. Und zwar mit diesen verdammten Spinnen.«

»Sie haben ihm Spinnen zugeschickt?«

»Nee, aber ich hab’ alles darüber zusammengelesen, was ich brauchte. Wollen Sie mal ein paar von den Dingern sehen?«

»Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Spinnen hier in Ihrem Zimmer?«

»Jede Menge, Parker! Also, wollen Sie sie sehen?«

»Dann bin ich so frei und bitte darum«, entgegnete der Butler, ohne sich seine ehrliche Überraschung anmerken zu lassen. Um aber für kommende Situationen gewappnet zu sein, griff er fester um den Bambusgriff seines Regenschirms.

Lester Nellen ging lächelnd auf ein kleines Sidebord zu, öffnete die Schranktür und holte eine solide Blechschachtel hervor, die er zum Tisch trug.

Dann öffnete er sie vorsichtig und... ließ einige handtellergroße Vogelspinnen herausfallen. Die schwarzen behaarten Tiere schienen äußerst verblüfft zu sein, denn sie blieben bewegungslos auf der Tischplatte liegen.

»Greifen Sie doch zu, Parker«, lud Lester Nellen den Butler ein. »Genieren Sie sich bloß nicht!«

Und während er redete, langte Lester Nellen tatsächlich zu. Er griff in das Gewirr der langen, behaarten Spinnenbeine und zog eine der Vogelspinnen hoch.

»Nette Tierchen, oder?« fragte er dann und... warf das Tier in Richtung Parker.

Parker rührte sich nicht von der Stelle. Er hatte wieder einmal Nerven wie Drahtseile. Er ließ die Vogelspinne auf seinen Anzug tropfen, wartete, bis sie zu Boden fiel und nickte anerkennend.

»Sehr gute Imitationen«, meinte er dann lächelnd. »Man bekommt sie wohl in Fachgeschäften für mehr oder weniger komische Scherzartikel, nicht wahr?«

»Genau, Parker!« Nellen lächelte nicht mehr und sah den Butler nachdenklich und forschend an. »Sie haben verdammt gute Nerven. Stonewell hat sie aber bestimmt nicht. Schon wegen der vier Morde. Und ich sehe es im Geiste schon vor mir, wie er hochzuckt, wenn ich ihm die Dinger nacheinander zuschicke. Nennen Sie es von mir aus die Rache des kleinen Mannes, ist mir völlig gleichgültig, aber ich will erleben, daß Stonewell vor Angst die Wände hochgeht.«

»Schon allein wegen dieser allerliebsten Hartgummitierchen könnten Sie großen Ärger mit der Polizei bekommen, Mr. Nellen.«

»Nur, wenn Sie mich verpfeifen, Parker, aber Sie werden einem alten Mann doch nicht das Vergnügen streichen, oder?«

»Sofern dieses Vergnügen nicht tödlich ist, auf keinen Fall! Auf meine Diskretion können Sie sich verlassen. So werde ich zum Beispiel nicht davon reden, wer Sie besucht.«

»Wie... wie meinen Sie das?« Lester Nellen sah den Butler schnei und abschätzend an.

»Ich denke an jene attraktive, haselnußbraune Dame, die eben bei Ihnen war.«

»Mich... mich soll eine Frau besucht haben? Wie kommen Sie denn darauf?«

»Ich hatte das Vergnügen, sie auf der Straße zu treffen.«

»Judy...?« Nellen merkte zu spät, daß er sich versprochen hatte. Wütend schlossen seine Lippen sich zu einem schmalen Strich.

»Judy also...!« stellte der Butler fest. »Wie darf ich die bewußte Dame einordnen?«

»Sie spionieren mir nach, wie?« brauste Nellen auf. »Das sollten Sie lieber nicht tun, Parker, das kann ins Auge gehen, glauben Sie mir!«

»Wer jene bewußte Judy ist, werden mein junger Herr und ich in aller Kürze sehr genau wissen«, stellte Parker ungerührt fest. »Und wenn die Polizei uns fragt, werden wir wohl einräumen müssen, sie bei Herb Lasters angetroffen zu haben.«

»Judy...?« Nellen wirkte sehr überrascht. »Was soll sie bei Lasters getan haben?«

»Das wird Miß Judy dann der Polizei sagen müssen.«

»Also gut!« Lester Nellen sah einen Moment zu Boden, bevor er weitersprach. »Judy ist meine frühere Frau. Jetzt wissen Sie es also.«

»Ihre frühere Frau?« Parker konnte seine Überraschung gerade noch verbergen.

»Meine frühere Frau«, wiederholte Lester Nellen noch einmal. »Sie nennt sich jetzt Judy Farmser. Das ist ihr Mädchenname. Sie wollte mich mal besuchen. Sie war gerade hier in der Gegend.«

Lester Nellen merkte wohl selbst, wie oberfaul und schlecht seine Ausrede klang, denn er sah wieder zu Boden und nagte nachdenklich an seiner Oberlippe.

»Sie sprachen über Stonewell?«

»Worüber wir uns unterhalten haben, geht Sie einen Dreck an, Parker! Verschwinden Sie jetzt endlich! Und noch einmal, wenn Sie mir mit der Polizei kommen, geht es Ihnen schlecht! Lassen Sie Judy aus dem Spiel. Sie hat mit der ganzen Geschichte nichts zu tun, kapiert?«

»Ich hoffe sehr, daß Ihre Worte und Feststellungen der Wahrheit entsprechen«, erwiderte Parker steif und förmlich. Dann griff er nach Melone und Regenschirm, um die kleine, schäbige Wohnung des Lester Nellen zu verlassen.

Unten in der Halle des imitierten Palastes langweilten sich noch immer die müden, alten Männer, die mit ihrer Zeit nichts anzufangen wußten...

*

Wohlgelaunt und durchaus mit den Ergebnissen der Recherchen zufrieden, ließ Parker sich von einem Taxi zurück ins Hotel bringen, um dort auf seinen jungen Herrn zu warten. Es war inzwischen dunkel geworden und die Straßen glänzten und strahlten im Licht der vielfältigen und bonbonbunten Neonreklamen.

Er betrat die Halle und erkundigte sich an der Rezeption nach Mike Rander. Sein junger Herr war noch nicht zurückgekommen, eine Tatsache, die Parker nur zur Kenntnis nahm, die ihn aber keineswegs beunruhigte.

Als er zum Lift ging, folgte ihm ein mittelgroßer, schlanker Mann, der sich die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen hatte. Dieser junge Mann schaffte es gerade noch, zu Parker in den Lift zu steigen, zumal der Butler sogar noch höflich auf den zusätzlichen Gast gewartet hatte.

Als die beiden Türhälften automatisch und zischend zusammenfuhren, hielt der junge Mann plötzlich einen durchaus als solide anzusprechenden 38er in der Hand, dessen Mündung er Parker in die Seite preßte.

»Kellergeschoß«, sagte der junge Mann wenig freundlich. »Eine falsche Bewegung, mein Alter, und du bist reif...!«

»Sie überraschen mich in der Tat«, gestand der Butler. Gleichzeitig überlegte er, wie er sich verhalten sollte. Er kannte einige handfeste Tricks, um mit Bedrohungen dieser Art gut fertig zu werden. Auf der anderen Seite reizte es ihn, herauszubekommen, mit wem er es zu tun hatte.

»Kellergeschoß also«, sagte Parker und nickte höflich. »Ich nehme an, Sie wollen mich zu einer kleinen Spazierfahrt einladen, wie es in Ihren Kreisen so üblich ist, nicht wahr?«

»Los, mach schon!« Der junge Mann machte einen durchaus routinierten Eindruck. Er wußte auf jeden Fall etwas mit seiner Waffe anzufangen. Wie ein grüner Neuling oder Anfänger benahm er sich keineswegs.

Parker drückte auf den Knopf, der die Fahrt hinunter in das Kellergeschoß einleitete und sah sich das Gesicht seines Gegenüber genauer an.

Der junge Mann mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, aber man mußte schon genauer hinsehen, um das erkennen zu können. Tiefe Tränensäcke unter den Augen deuteten auf ein bewegtes und anstrengendes Leben hin. Die kalten grauen Augen mochten schon in manche Abgründe des Lebens geblickt haben.

Die Fahrt war schnell beendet.

Ohne viel Worte zu verschwenden, bugsierte der junge Mann den Butler durch einige Kellergänge, bis sie eine Tiefgarage erreichten, die hinter einer Stahltür war. Anschließend mußte der Butler sich an das Steuer eines Chrysler setzen und hinauf auf die Straße fahren.

»Welche Richtung bevorzugen Sie?« erkundigte sich Parker, nachdem die Straße erreicht war. »Ich stehe Ihnen mit meiner ganzen Kraft zur Verfügung.«

»Burbank«, kam die lakonische Antwort. »Und unterwegs keine Mätzchen, sonst werde ich unangenehm!«

»Wie sich die Redewendungen doch gleichen«, sagte Parker aufseufzend.

»Was ist los?« fragte der junge Mann kalt zurück.

»Ich muß immer wieder feststellen, wie schlecht erzogen doch die Angehörigen Ihrer Branche sind«, antwortete der Butler ein wenig vorwurfsvoll. »Und wie gedankenarm...!«

»Schnauze, sonst knallt’s...!«

»Was ich gesagt habe«, meinte der Butler kopfschüttelnd. Dann konzentrierte er sich jedoch auf die Straße und auf den Verkehr. Sicher steuerte er den Wagen nach Burbank und war gespannt, wo die Reise enden würde. Noch hatte er keine Vorstellung.

Dann aber ging ihm schnell und sicher das auf, was man ein Licht oder eine Stallaterne nennt.

Die Gegend kam ihm trotz der Dunkelheit bekannt vor. Und richtig, nach etwa zehn weiteren Minuten war das Privatgelände der Tierhandlung von Randy Orwell erreicht.

»Wollen Sie mich den Tigern zum Fraß vorwerfen?« erkundigte sich Parker in seiner humorvollen und so plastischen Art, die er manchmal bevorzugte.

»Vielleicht noch schlimmer«, erwiderte der junge Mann auflachend. »Sie werden’s noch früh genug merkten. Hab’ ich mich jetzt gedankenvoller ausgedrückt...?«

*

Es handelte sich um ein Troparicum, in das der Butler geführt wurde.

In einem langgestreckten und vollklimatisierten Bau wurden die kälteempfindlichen Tiere der Tropen gehalten. Hinter dicken Glasscheiben und in Terrarien verdauten Schlangen aller Art. Da gab es die hochgiftigen Kobras, die muskelstarken Anacondas, Buschnattern und Ochsenfrösche. Hier waren Skorpione, Klapperschlangen, Rieseneidechsen und Spinnen zu finden.

Spinnen aller Gattungen!

Unter anderem waren in diesem Troparicum auch Vogelspinnen anzutreffen, die im Volksmund wegen ihrer Giftigkeit im engen und übertragenen Sinn auch ›Schwarze Witwern genannt werden.

Parker sah das alles, als der junge Mann ihn durch den schmalen Gang führte, der kaum beleuchtet war. Im langgestreckten Gebäude herrschte eine schwer atembare, schwülfeuchte Atmosphäre, die sich auf die Lungen legte.

Der Gang endete vor einer Schwingtür, hinter der es vielleicht noch schwüler und noch feuchter war. In einem riesigen, zementierten Becken wurden Alligatoren und Krokodile gehalten. Sehr sachlich übrigens, da es hier normalerweise keine Besucher gab. Es handelte sich wirklich um eine Tierhandlung, in der kein überflüssiger Luxus geboten wurde.

Parker blieb unwillkürlich stehen und schaute auf die trägen Krokodile und Alligatoren, die sich kaum rührten. Und jetzt bemerkte er den infernalischen Aasgeruch, der aus diesem Zementbecken aufstieg.

»Nette Tierchen, wie...?« Der junge Mann drückte dem Butler den Lauf der Waffe in den Rücken und trieb ihn an. »Können Sie sich später alles aus der Nähe ansehen.«

»Und wem, wenn man fragen darf, verdanke ich diese Einladung?« erkundigte sich der Butler.

»Abwarten«, sagte der junge Mann. »Soll eine Überraschung für Sie werden, Alter!«

Und es wurde eine ehrliche Überraschung, die dazu noch gelungen war.

Parker wurde von seinem Begleiter in eine Art Futterküche hineingedrängt. Und Sekunden später stand der Butler dann seinem Gastgeber gegenüber.

»Wie klein ist doch die Welt«, stellte der Butler fest. »Mr. Tony Mulligan, wenn ich nicht sehr irre, oder?«

»Schön fleißig gewesen, wie? Immer rumgeschnüffelt, wie?« Der Mann neben einem Futterkessel grinste höhnisch. Es war der Fahrer des Jeep, der seinen Freund und Partner Jeff Fortner nach dem Biß der Vogelspinne absichtlich hatte verunglücken lassen. Parker dachte noch sehr deutlich an die Szene, als die beiden Männer ihn hatten zwingen wollen, in die Papiertüte zu langen, in der eine heißhungrige und gereizte Vogelspinne wartete.

»Sie wollten mich sehen?« erkundigte sich der Butler höflich.

»Das auch. In der Hauptsache will ich sehen, wie Sie drauf gehen! Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

»Ausgesprochen plastisch sogar!« Parker nickte höflich. »Und was haben Sie sich so vorgestellt? Ich wette, Sie ließen sich wieder einmal etwas einfallen!«

»Stimmt, Parker...! Für Schnüffler hab ich nichts übrig. Und die lasse ich spurlos verschwinden!«

»Was nicht sehr einfach sein dürfte«, erwiderte der Butler, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Ich spreche da aus Erfahrung.«

»Seit wann hast du die Krokos nicht mehr gefüttert?« fragte Tony Mulligan, sich an den jungen Mann hinter Parker wendend.

»Seit gut zwei Wochen nicht mehr!«

»Sind die jetzt scharf auf einen frischen Happen? Was meinst du, Andy?«

»Und ob, Tony! Die reißen sich um einen Bissen, dafür garantiere ich!«

Tony Mulligan grinste den Butler an und sagte nichts. Es war auch nicht mehr nötig, denn Parker hatte sehr gut verstanden und wußte, was ihn erwartete...!

*

Mike Rander ließ den Chrysler nicht aus den Augen.

Der Wagen fuhr auf direktem Weg hinüber nach Beverly Hills und verschwand dann in der Auffahrt zu einem recht ansehnlich aussehenden Bungalow, der in einem kleinen, parkähnlichen Garten lag.

Rander stellte den Leihwagen seines Butlers am Straßenrand ab und ging zu Fuß weiter. Er ging die Auffahrt hinauf und baute sich hinter einem dichten Gesträuch auf. Von hier aus konnte er den Bungalows genau beobachten.

Die attraktive Frau, die er ja noch nicht namentlich kannte, stieg gerade aus dem Wagen und wartete an der Haustür, bis ihr männlicher Begleiter aufgeschlossen hatte. Dann verschwanden beide im Haus. Wenige Sekunden später wurden die Lichter im Haus angezündet. Rander sah die Frau und den Mann, die einen großen Salon betraten und offensichtlich heftig miteinander redeten, wenn nicht sogar miteinander stritten.

Mehr war leider nicht zu erfahren, denn der Mann ließ die Jalousie vor den breiten Fenstern herunter und versperrte damit jede Sicht.

Rander war selbstverständlich neugierig. Er wollte ja mit Tatsachen zurückkommen. Er wollte herausfinden, wer das Pärchen war.

Langsam, vorsichtig und auf durchaus leisen Sohlen pirschte er sich an die Haustür heran. Zuerst riskierte er einen Blick auf das Namensschild des Bungalows.

Er hatte sich wirklich nicht viel vorgenommen, doch selbst das klappte nicht. Mike Rander war und blieb, was diese Dinge anbetraf, stets ein ausgesprochener Unglücksrabe.

Er beugte sich gerade nach dem Bronzeschild herunter, auf dem er den Namen des Bungalowbesitzers zu finden hoffte, als er plötzlich hinter sich jenes feine, scharrende Geräusch wahrnahm, das solche Dinge immer vorankündigt. Bevor er sich aufrichten konnte, erhielt er Bruchteile von Sekunden später einen äußerst derben und schmerzhaften Schlag auf den Hinterkopf.

Da er sich im Gegensatz zu Parkers Ratschlägen bisher nicht hatte entschließen können, eine stahlblechgefütterte Kopfbedeckung zu tragen, genügte dieser Schlag, ihn in das Land der Träume zu schicken. Mike Rander sank wie nach einem einschlagenden Blitz in sich zusammen und verlor das Bewußtsein.

Als er wieder zu sich kam, hörte er zuerst nur leise Stimmen, die wie durch dicke, schalldämpfende Watte an seine Ohren drangen. Dann sah er bunte Kreise, hörte sich leise stöhnen und riß die Augen ohne Übergang weit auf, um sie sofort wieder geblendet zu schließen.

»Stellen Sie sich nicht an«, sagte eine Männerstimme, die noch nicht einmal übel oder bösartig klang. »So fest habe ich schließlich nicht zugehauen!«

»Wirklich nicht?« hörte sich Mike Rander sagen. Dann versuchte er es noch einmal. Diesmal blinzelte er nur. Und schon sah er besser. Er sah zum Beispiel die attraktive braunhaarige Frau, die in tadellos damenhafter Haltung in einem tiefen Sessel saß und genußvoll rauchte.

Er sah weiter einen untadelig gekleideten Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren, an dem ein sorgfältig geschnittener Schnurrbart auffiel. Der Mann trug eine dicke Hornbrille und wirkte vom Scheitel bis zur Sohle kultiviert und gut erzogen.

Selbst der automatische Revolver in seiner Hand störte nicht. Störend war nur, so fand es wenigstens Mike Rander, daß die Mündung dieser Waffe genau auf ihn gerichtet war.

»Guten Abend«, sagte Mike Rander und kam sich im gleichen Moment sehr albern vor.

»Wie man es nimmt«, antwortete der Mann und lächelte. »Ob er für Sie noch gut wird, wird sich erst noch herausstellen.«

»Mein Name ist Mike Rander. Ich bin Anwalt«, redete Rander weiter und fühlte vorsichtig nach dem schmerzenden Hinterkopf, woran ihn der seriöse Mann nicht hinderte. »Ich fürchte, ich bin einem Mißverständnis zum Opfer gefallen.«

»Warum spionieren Sie uns nach? Sagen Sie schon, wer Sie dafür bezahlt!«

»Ich, ich verstehe kein Wort«, erwiderte Rander. »Eine Gegenfrage. Haben Sie nicht zufällig einen herzhaften Schluck für mich? Ich fühle mich scheußlich!«

»Hoffentlich verlangen Sie nicht auch noch ein Abendessen«, sagte die attraktive braunhaarige Dame, die der Butler sofort als die ehemalige Frau von Lester Nellen hätte identifizieren können, die sich jetzt wieder Judy Farmser nannte.

»Mir ist der Appetit vergangen«, gab Rander mit dem schwachen Anflug eines Lächelns zurück. »Begrüßen Sie Ihre Gäste immer so, wenn sie die Haustür erreicht haben?«

»Von Gast kann ja wohl keine Rede sein«, sagte der Mann und schüttelte den Kopf. »Sie sind Mrs. Farmser und mir unentwegt nachgefahren, oder etwa nicht?«

»Das will ich ja gar nicht bestreiten«, entgegnete der Anwalt entschuldigend.

»Und wer hat Sie auf mich gehetzt?« schaltete die Frau sich wieder ein. »Aber was frage ich überhaupt noch! Geben Sie schon zu, daß Lester Nellen Sie bezahlt!«

»Lester Nellen?« Rander schüttelte verneinend den Kopf. »Sie liegen falsch, Mrs. Farmser!«

»Nellen ist doch verrückt, falls Sie das noch nicht bemerkt haben sollten.«

»Verrückt?« wiederholte Mike Rander verständnislos.

»Er hat sich in seine versponnenen Ideen und Rachegefühle verrannt«, erklärte der Mann. »Sie als gebildeter Mensch und vielleicht sogar als Anwalt müssen das doch längst gemerkt haben.«

»Ich verstehe kein Wort!«

»Seit seiner Gefängnisstrafe und seit unserer Scheidung belästigt er mich«, gab die Frau fast desinteressiert zurück. »Ja, sehen Sie mich nicht so überrascht an! Ich bin früher einmal mit Nellen verheiratet gewesen. Jeder Mensch macht in seinem Leben irgendwann einmal seinen ganz speziellen Fehler. Lester Nellen war mein spezieller Fehler.«

»Sollten wir nicht lieber die Polizei verständigen?« schaltete sich der Mann ein. »Sie kann sich ja dann mit diesem angeblichen Anwalt befassen!«

»Steck die Waffe weg, Stew«, sagte Mrs. Farmser lächelnd. »Man sieht doch, daß wir es nicht mit einem Gangster zu tun haben!«

»Ich weiß nicht recht«, gab der Mann zurück, der mit Stew angeredet worden war, »Gangster sehen niemals wie Gangster aus!«

»Steck die Waffe weg!« Die Stimme der Frau klang eine Spur energischer und schärfer. Dann wandte sie sich wieder lächelnd an Rander. »Vielleicht gelingt es Ihnen, meinem früheren Mann plausibel zu machen, daß er allein die Schuld an seinem Ruin trägt, er allein! Er muß es doch eines Tages begreifen!«

»Hoffnungslos«, sagte Stew und steckte zögernd die Waffe weg. »Wen hat er dir nicht alles auf den Hals geschickt? Lester Nellen gehört in ein Sanatorium, um mich sehr vornehm auszudrücken.«

»Kann ich jetzt meinen Drink haben?« fragte Mike Rander noch einmal an. Er hielt es für richtig, gerade jetzt nicht abzustreiten, daß er mit Lester Nellen nichts zu tun hatte.

»Stew, einen Drink für Mr....? Wie war noch Ihr Name?« Mrs. Farmser beugte sich lächelnd vor.

»Rander, Mike Rander!«

»Gut, Mr. Rander, ich werde Ihnen also die Geschichte in Stichworten erzählen. Machen Sie sich dann selbst ein Bild! Und wenn ich beginne, muß ich mit den Spinnen anfangen, für die mein früherer Mann eine recht sonderbare Schwäche hat!«

*

»Sie wollen mich also umbringen?« erkundigte sich Josuah Parker in seiner höflichen Art.

»Du hast es erfaßt, Alter«, antwortete Andy.

»Was wir für ’nen klugen Mann eingefangen haben!« spottete Tony Mulligan.

»Ich begreife das alles nicht«, gab der Butler zurück. »Verzeihen und entschuldigen Sie das Nichtbegreifen eines alten Mannes! Man muß doch irgendeinen Grund haben, um einen Menschen zu ermorden, falls das nicht gerade im Affekt geschieht, was ebenso zu mißbilligen ist.«

»Er begreift es nicht«, höhnte Andy und sah seinen Partner Mulligan anklagend an. »Er begreift es nicht! Er hat noch nicht kapiert, daß er stört!«

»Sie haben richtig beobachtet«, pflichtete der Butler seinem Vorredner bei, »wenngleich ich nicht weiß, wen ich nun störe! Ich wunderte mich schon, als man mir eine Vogelspinne ins Hotel schickte. Das geschah gleich nach meiner Ankunft in Los Angeles. Zu diesem Zeitpunkt wußten weder mein junger Herr noch meine bescheidene Wenigkeit, welchen Fall wir bearbeiten sollten. Das offenbar im Gegensatz zu der Person, die uns die ›Schwarze Witwe‹ zusandte.«

»Was haben Sie davon, wenn Sie die Zusammenhänge kennen?« fragte Tony Mulligan fast gemütlich zurück. »Sterben werden Sie so oder so!«

»Sie mißverstehen die Situation«, sagte der Butler. »Wenn ich schon sterbe, möchte ich wenigstens wissen, wer mir diesen Tod zugedacht hat und aus welchem Grund das geschieht.«

»Das ist nicht unsere Sache. Wir wissen nur, daß wir Sie aus dem Verkehr ziehen«, erklärte Andy in seiner rüden Art. »Und ich tu’s gern, denn Sie haben Jeff Fortner auf dem Gewissen. Durch Sie ist er von der verdammten Spinne gebissen worden.«

»Die Dinge haben sich etwas anders zugetragen«, korrigierte Parker. »Nicht durch mich, sondern...!«

»Halt den Rand«, fauchte Tony Mulligan unvermittelt los, der wohl ein schlechtes Gewissen hatte. »Noch ein Wort, und du kommst um dein großes Vergnügen, Parker! Los, umdrehen!«

Die beiden Gangster hielten Schußwaffen in Händen. Parker mußte also gehorchen und drehte sich auch um. Er bedauerte es fast, daß er nicht schon früher zu einer Gegenaktion angesetzt hatte. Ob es dazu nicht schon zu spät war?

»Hände hoch!« hörte er die Stimme von Mulligan.

Parker überlegte blitzschnell. Er wußte fast sicher, was die beiden Gangster mit ihm vorhatten. Er sollte an die hungrigen Krokodile und Alligatoren verfüttert werden. Das waren, wie er sich eingestehen mußte, wenig schöne Aussichten.

Und dann geschah es, bevor der Butler etwas unternehmen konnte.

Er spürte einen Schlag auf dem Kopf der durch die Stahlblechanlage der Melone zwar gemildert wurde, ihn dennoch aber leicht erschütterte. Die Melone rutschte etwas zur Seite und wurde ihm dann vom Kopf geschlagen.

Parker wollte sich schleunigst umwenden, doch der zweite Schlag traf ihn voll. Augenblicklich verlor er das Bewußtsein. Stumm rutschte er in sich zusammen und landete wenig formvoll auf dem schmutzigen Fußboden.

»Such ihn nach Waffen ab«, kommandierte Mulligan und sah seinen jüngeren Partner grinsend an. »Und dann ab mit ihm in den Tank.«

»Und was ist mit den Spinnen, Tony?« erkundigte sich Andy.

»Die kommen erst rein, wenn er wieder zu sich gekommen ist. Er soll ja was davon haben!«

Andy machte sich über Parkers Taschen her und entfernte einen 38er, einen kleinen Browning, ein Klappmesser und ein starkwandiges Zigarrenetui.

»Das auch?« fragte er und hielt das Etui hoch.

»Was soll er damit schon anrichten?« gab Tony Mulligan in seiner ganzen Ahnungslosigkeit zurück. »Von mir aus kann er sich nachher noch ’ne Zigarre anstecken!«

»Wird es lange dauern, bis er... Du weißt schon, was ich meine?«

»Die ›Schwarze Witwe‹ arbeitet schnell, keine Sorge!« Mulligan grinste höhnisch. »Wenn du willst, kannst dir ja das ansehen.«

»No, lieber nicht, Spinnen kann ich nicht ausstehen.«

»Komm, dann schleppen wir ihn rüber! Ist ja nicht weit!«

Andy und Tony schleiften den besinnungslosen Butler in einen Nebenraum und trugen ihn wenig rücksichtsvoll in einen Halbkeller hinunter, in dem ein großer, fast würfelförmiger Stahlblechtank stand, über dem ein engmaschiges Gitter lag. In diesem großen Tank wurde normalerweise Seewasser für die Aquarien aufbereitet. Jetzt war er leer und groß genug, einen Mann wie den Butler gut aufzunehmen.

Wenige Minuten später befand Parker sich in diesem Tank. Viel Bewegungsfreiheit gab es nicht für ihn. Wenn er in der Lage war, die Beine anzuziehen, blieben ihm noch etwa hundert Zentimeter bis zur gegenüberliegenden Wand.

»So, jetzt das Gitter, und fest zuhaken!« Mulligan stand bereits an der Tür.

»Soll er anschließend wirklich an die Krokos verfüttert werden?« fragte Andy, dem wohl doch Bedenken kamen.

»Unsinn. Die fressen doch nur Aas. Sobald er hinüber ist, bringen wir ihn raus irgendwo ins Gelände.«

»Und wenn wir hier überrascht werden?«

»Hier überrascht uns keiner. Der Nachtwächter liegt im Heizungskeller und kann sich nicht rühren. Der ist froh, daß er noch lebt!«

Andy blieb auf der kleinen Holztreppe stehen und schaute in den Tank, während Tony Mulligan den Halbkeller verließ. Andy war nervös und zündete sich eine Zigarette an. Er war noch neu im ›Geschäft‹. Und er hatte fast so etwas wie die Regung eines schwachen Mitleids für diesen Mann, der da stumm auf dem rostigen Boden des Stahltanks lag.

Parker hörte plötzlich tief in seinen Träumen ein nervöses Hüsteln. Er fühlte die Schmerzen im Kopf, riß sich zusammen und wußte sehr bald, was ihm passiert war. Er öffnete vorsichtig die Augen und stutzte, als er seine nähere Umgebung erkannte. Da über dem Tank eine Lampe hing, ging ihm im wahrsten Sinne des Wortes sehr schnell ein Licht auf.

»Ist da zufällig wer?« rief Parker zum Gitter hoch.

»Schreien ist sinnlos«, entgegnete Andy mit gepreßter Stimme.

»Ich darf wohl unterstellen, daß mir kein Bad zugedacht ist«, meinte der Butler und richtete sich etwas auf. Er hätte sich hochknien können, soviel Platz blieb über ihm.

»Sie haben Nerven, Alter«, erwiderte Andy durch das Gitter. »Verdammt, diese Geschichte paßt mir nicht!«

»Welche Geschichte, wenn mir diese Frage gestattet ist?«

»Tony holt Vogelspinnen...!«

»Sie haben offensichtlich etwas dagegen, junger Freund, ja?«

»Das geht Sie einen Dreck an!«

»Noch könnten Sie mich herauslassen. Ich möchte wetten, daß Sie bisher noch nie gemordet haben!«

»Dann bringt Tony mich um!«

»Dagegen ließ sich aber mit Sicherheit etwas tun, junger Freund. Ich würde ganz auf Ihrer Seite stehen.«

»Halten Sie den Mund. Ich bin kein Verräter!«

»Und auch noch kein Mörder, würde ich sagen. Oh, ich sehe, Sie haben mir meine Zigarren gelassen?«

Während Parker redete, hatte er natürlich blitzschnell seine Taschen durchsucht. Nun hielt er das Etui hoch, klappte es auf und nickte anerkennend. Vor sich sah er die geliebten schwarzen Torpedos, deren fruchtiges Tropenaroma er so sehr liebte.

»Darf ich freundlichst um etwas Feuer bitten?« rief der Butler nach oben. »Erfüllen Sie einem alten, dem Tode geweihten Manne diesen kleinen Wunsch!«

Andy hatte keine Bedenken, diesem Wunsche nachzukommen. Er warf ein Briefchen Streichhölzer nach unten, was Parker mit einem freundlichen Nicken dankbar quittierte.

Dann zündete der Butler sich seine Zigarre an. Er ließ sich Zeit damit und schaffte es erst, als Tony Mulligan zurück in den Halbkeller kam.

»Mann, riechst du denn nichts?« rief er Andy zu. »Hier schmort doch irgendeine Leitung durch!«

»Verdammt, jetzt rieche ich es auch«, gab Parker schuldbewußt zurück.

»Na ja, gleichgültig, wird schon nicht so schlimm sein. No, das ist doch die Zigarre! Donnerwetter, die stinkt aber!«

Tony Mulligan stand am Rand des Tanks und sah durch das Gitter nach unten. Er grinste und fuhr dann blitzartig zurück, als er von einer Rauchwolke erwischt wurde.

»Dir wird die Qualmerei gleich vergehen«, rief er Parker zu. Dann öffnete er das engmaschige Drahtgitter so weit, daß er den Inhalt einer Blechschachtel entleeren konnte.

Parker erstarrte!

Er sah sehr deutlich die drei Vogelspinnen, die in den Tank hinunterplumpsten und darüber sehr verärgert waren. Sie schwärmten jedoch nicht gleich aus, sondern schienen erst einmal so etwas wie einen Kriegsrat zu halten. Sie wußten mit dem vierten Insassen des Tanks noch nicht sonderlich viel anzufangen.

»Viel Vergnügen«, war Tony Mulligans Stimme oben vom Tankrand aus zu hören. »Wir lassen Sie jetzt allein, Parker. Sie sollen Ihr Vergnügen ungestört genießen!«

Schritte entfernten sich, dann fiel eine Tür ins Schloß.

Parker beobachtete die drei Vogelspinnen, die inzwischen zu einem Entschluß gekommen waren. Sie machten Front und waren bereit, den Butler anzugreifen.

Quälend langsam marschierten sie auf ihn zu...

*

Der Butler begriff, weshalb man ihm drei dieser Vogelspinnen in den Tank gegeben hatte. Die Tiere waren das, was man eine tödliche Übermacht nennt. Gut, er konnte eines der Kerftiere mit dem Fuß zerquetschen, zu mehr langte es dann aber nicht, denn die beiden anderen Spinnen griffen ihn bereits von der Flanke her entschieden an.

Parker zog an seiner Zigarre.

Er paffte drauflos, was das Zeug hielt. Er vergeudete damit zwar die edlen Tabake, doch darauf kam es im Augenblick nun wirklich nicht an.

Die drei Vogelspinnen dachten anders über die edlen Tabake.

Es war ihnen deutlich anzusehen.

Sie stutzten und wirkten leicht betroffen. Düfte dieser penetranten Art waren ihnen noch nie begegnet. Sie stoppten ihren Vormarsch und wurden vorsichtig. Sie kamen sehr schnell zu der Einsicht, daß hier nur ein massiertes Vorgehen angebracht war.

Parker paffte weiter.

Die drei Vogelspinnen versuchten es mit einem Überraschungsangriff. Und landeten prompt in einer Rauchwolke, die der Butler im entscheidenden Moment wie eine Nebelwand vor sie hinsetzte.

Die Kerftiere waren wie vor den Kopf geschlagen. Sie prallten vor der Rauchwand zurück und verzogen sich in eine Ecke des Tanks. Hier hielten sie erneut Kriegsrat.

Sie änderten ihre Taktik und kamen überein, getrennt zu marschieren, um dann vereint zuzuschlagen, oder, in diesem Falle, zuzubeißen.

Sie schwärmten also auseinander.

Während Parker Tabakqualm produzierte.

Die erste Spinne wurde voll getroffen. Und hustete augenscheinlich. Es mag übertrieben klingen, doch es hatte wirklich den Anschein, als gäbe sie sich einem mittelschweren Hustenreiz hin.

Die zweite Spinne kroch an dem verrosteten Winkeleisen einer Tankecke hoch und wollte den Butler durch eine Art Luftangriff auf dem Umweg über das Drahtgitter erreichen.

Auch sie wurde getroffen.

Sie verlor sofort das Gleichgewicht, geriet ins Taumeln und verlor die Orientierung. Die behaarten Spinnenbeine verloren den Halt. Das Kerftier fiel auf den Boden des Tanks und dann dem Schuh des Butlers zum Opfer.

Die dritte Spinne war nicht so leicht zu beeindrucken. Zudem war sie wohl auch gereizt und wütend. Sie lief rasend schnell auf den Fußknöchel des Butlers zu, um sich für den Tod ihrer Artgenossen zu rächen.

Um ein Haar hätte sie es geschafft.

Sie hatte fast den Knöchel erreicht, als Parker ihr eine Ladung Tabakrauch auf die vorderen Gliedpaare blies.

Das war zuviel!

Die Vogelspinne überschlug sich fast, wurde von einer lähmenden Müdigkeit erfaßt und legte sich auf die Seite. Parkers Schuh konnte wieder in Aktion treten. Die zweite Vogelspinne war damit erledigt. Blieb nur noch die dritte.

»Diese ›Schwarze Witwe‹ hatte sich inzwischen von ihrem Hustenreiz erholt und dachte nur noch an schnelle Flucht.

Sie kletterte über das Winkeleisen zum Drahtgitter hoch und suchte verzweifelt nach einem sicheren Versteck. Bevor sie es fand, erlitt auch sie den Tod.

Parker tat es im Grunde fast leid, die drei an sich unschuldigen Spinnen getötet zu haben. Doch ihm war keine andere Wahl geblieben. Die beiden Gangster hatten ihn ja dazu gezwungen.

Parker erhob sich aus dem Schneidersitz, den er eingenommen hatte und mußte zu seiner Überraschung erleben, daß nun auch er hüstelte. Die starke Konzentration des Tabakrauches, den er doch bisher immer für aromatisch gehalten hatte, trieb ihm einige schüchterne Tränen in die Augen.

Zum ersten Mal begriff der Butler, warum seine Zigarren in der Lage waren, ganze Säle zu leeren. Er nahm sich vor, in Zukunft doch etwas rücksichtsvoller zu rauchen.

Dann aber widmete er sich der Befreiung aus dem engen und unbequemen Tank.

Es zeigte sich, über welche Kräfte er verfügte. Mit dem Rücken preßte er das Drahtgitter hoch und schließlich sogar aus den Halteklammern. Wenig später war er in der Lage, diesen ungastlichen Tank zu verlassen.

Was jetzt kam, konnte eigentlich nur noch eine Kleinigkeit sein!

*

»Sie mißverstehen mich, wenn Sie glauben, daß ich Sie den Krokos, wie Sie sich auszudrücken beliebten, zum Fräße vorwerfen will«, sagte Parker schon wenige Zeit später. Er stand Andy und Tony gegenüber, die immer noch nicht begriffen, wieso und warum der Butler noch lebte.

Parker hatte sie vor dem Zementbecken der Krokodile und Alligatoren überrascht, als sie Zigaretten rauchten. Er hatte sich in aller Ruhe seine Erstausstattung an Waffen zurückbesorgen können, da die beiden Männer ihm ihre Rücken zugewandt hatten.

Nun hielt Parker einen 38er schußbereit in der Hand. Nun war er an der Reihe, die Dinge zu steuern.

»Sie dürfen mich allerdings nicht angreifen«, redete der Butler nach einer kurzen Pause weiter, »kein Kriminalbeamter der Welt würde mir nicht den Akt einer dringenden Notwehr zubilligen.«

Andy verfärbte sich. Er hatte begriffen. Er glaubte es wenigstens. Für ihn war es klar, daß Parker schießen würde. Er hätte es an Parkers Stelle bestimmt auch getan. Und zwar umgehend.

»Nicht... nicht schießen...!« stammelte er mit erstickter Stimme. »Ich... ich habe nichts mit der Sache zu tun!«

»Machen... machen Sie keinen Unsinn, Parker«, stotterte Tony Mulligan, dessen Gesicht eine kreideweiße Farbe angenommen hatte. »Sie... Sie können uns doch nicht... so einfach... umlegen.«

»Sie haben mich äußerst nervös gemacht«, stellte der Butler fest, obwohl seine Hand nicht die Spur bebte oder zitterte. »Ich weiß allerdings, wie Sie mich erstaunlich schnell beruhigen können.«

»Jaa...?« Andy sah den Butler flehend an.

»Was... was wollen Sie haben?« stotterte Tony Mulligan, der gar nicht mehr stark oder überlegen war.

»Beginnen wir mit der Wahrheit«, schlug der Butler vor. »Wem verdanke ich die Spinnen? Wer will unbedingt Mr. Rander und mich ermorden lassen. Antworten Sie schnell, bevor meine Nervosität sich noch steigert.«

»Ich... ich weiß von nichts«, sagte Andy schnell. »Los, Tony, sag’s schon. Du wirst doch bezahlt!«

»Also, Mr. Mulligan?« Parker sah den Gangster eindringlich, ernst und mahnend an.

»Also gut, jetzt denke ich nur an mich!« Tony Mulligan schluckte und stierte auf den Lauf der Waffe, der drohend auf ihn gerichtet war. Und genau in diesem Moment, als es für eine Sekunde totenstill geworden war, schloß eines der Krokodile hinter ihm die harten Kieferreihen.

Der Laut war kaum zu beschreiben, so unheimlich, beinern und knackend war er, wie der Schlag eines Fallbeils, dieser Laut also ließ Tony Mulligan zusammenzucken.

»Lasters hat uns bezahlt«, sagte er schnell, »Herb Lasters...«

»Ich kann mit diesem Namen nur sehr wenig anfangen«, behauptete Butler Parker.

»Lasters... das ist der Sekretär von Stonewell!« Tony Mulligans Stimme klang heiser und gepreßt. »Warum er hinter Ihnen und Ihrem Boß her ist, weiß ich nicht. Hat mich auch niemals interessiert. Ich hab mich nur um die Dollars gekümmert!«

»Herb Lasters also! Wann erhielten Sie den Auftrag?«

»Vor... vor zwei Monaten!« Tony Mulligan schielte zu den Panzerechsen hinunter, die schweigend und vielleicht auch interessiert zuhörten. Dichter Schweiß stand auf seiner Stirn.

»Wie war das mit den vier jungen Damen, die ermordet wurden? Sie erinnern sich, sie alle starben nach dem Biß einer Vogelspinne.«

»Die hat Fortner auf dem Gewissen«, stammelte Mulligan. »Bestimmt, damit hab ich nichts zu tun!«

»Stimmt das, junger Mann?« Parker wandte sich an Andy, der noch mehr Blut und Wasser schwitzte als sein Partner.

»Weiß... weiß ich nicht«, stotterte Andy hastig. »Ich bin erst seit zwei Tagen mit dran?«

»Überlassen wir die Einzelheiten der ausgezeichneten Polizei von Los Angeles«, meinte der Butler in seiner stets verbindlichen Art. »Mr. Orwell, der Inhaber dieser Tierfarm hier, hat mit den Dingen nichts zu tun? Überlegen Sie gründlich, bevor Sie antworten!«

»Ich weiß nur von Herb Lasters...« Tony Mulligan sah bereits etwas erleichtert aus. Er sehnte sich offensichtlich nach der ausgezeichneten Polizei von Los Angeles, da er mit Sicherheit unterstellen durfte, daß es in den dortigen Amtsräumen keine Krokodile gab.

»Wann erhielten Sie den Auftrag, mich hier im Wassertank den drei Vogelspinnen auszuliefern?« fragte der Butler.

»Vor anderthalb Stunden, es können auch zwei gewesen sein!«

»Sind Sie sicher, Mr. Mulligan, daß Herb Lasters mit Ihnen sprach?«

»Klar, warum denn nicht!«

»Erkannten sie seine Stimme?«

»Sie klang wie immer, vielleicht etwas undeutlicher, aber sie war’s...!«

»Nun gut, meine Freunde, gehen wir gemeinsam zur Polizei«, schlug der Butler vor. »Bei etwaigen Fluchtversuchen würde ich, wie ich mich kenne, ausgesprochen nervös reagieren. Richten Sie sich bitte danach!«

»Donnerwetter, Parker, das ist ein Fischzug, der sich gewaschen hat«, sagte Sergeant McCullers eine halbe Stunde später. »Zwei Gangster und drei Spinnen! Mehr kann man nicht verlangen!«

»Ich verlange noch erheblich mehr, Sergeant«, erwiderte der Butler höflich. »Andy und Mr. Tony Mulligan sind nur kleine Fische, um bei Ihrem bildhaften Vergleich zu bleiben. Mich interessiert die Person, die hinter all diesen Anschlägen steht.«

»Haben Sie schon einen bestimmten Verdacht, Parker?«

»Zu Ihrer und meiner Enttäuschung muß ich erklären, daß ich eine wirkliche Spur leider noch nicht finden konnte.

Aber das wird sich früher oder später mit einiger Sicherheit ändern.«

»Dieser Mulligan sprach doch von Herb Lasters, dem Sekretär von Art Stonewell.«

»Wenn ich Mr. Mulligan glaube, und ich möchte annehmen, daß er die Wahrheit gesagt hat, so erhielt er keineswegs von Herb Lasters den Auftrag, mich mit den drei Vogelspinnen zu konfrontieren.«

»Ach nee!« Sergeant McCullers sah den Butler forschend an.

»Nun, zu der Zeit, als Mulligan seinen Auftrag von Lasters erhielt, war er bereits von der Vogelspinne getötet worden! Das geht aus einem Zeitvergleich einwandfrei hervor. Nach Lage der Dinge muß also eine andere Person in die Haut von Herb Lasters geschlüpft sein.«

»Und wer?«

»Das entzieht sich meiner Kenntnis, Sir«, erwiderte der Butler. »Es gibt leider zu viele Möglichkeiten.«

Parker und Sergeant McCullers standen in der jetzt erleuchteten Halle des Bürohauses, das zur Tierfarm von Mr. Randy Orwell gehörte. Der von den beiden Gangstern niedergeschlagene Nachtwächter war längst befreit und verarztet worden. Er saß auf einem Besuchersofa im Wartezimmer und labte sich an einem Drink. Er hörte kaum auf das, was Parker und McCullers sich zu sagen hatten.

Die beiden Gangster Andy und Tony saßen bereits in einem Streifenwagen und hatten Zeit genug, sich ihre Handschellen anzusehen. Sie waren nach einem kurzen Verhör durch den von Parker alarmierten Sergeant McCullers sehr schweigsam und nachdenklich geworden. Sie wußten wohl, daß es ihnen nun an den Kragen ging.

»Da scheint Orwell zu kommen«, sagte McCullers und deutete nach draußen. In der Dunkelheit waren voll aufgedrehte Scheinwerfer zu sehen, die sich sehr schnell näherten. McCullers hatte den Besitzer der Tierhandlung telefonisch verständigt.

»Das könnte Mr. Orwell sein«, pflichtete Parker dem Sergeant bei.

»Eigenartig, daß die beiden Gangster Sie hierher verschleppten«, bemerkte McCullers beiläufig.

»Man sollte sich in diesem Metier eigentlich über nichts wundern«, stellte der Butler höflich fest. »Doch möchte ich darauf hinweisen, daß auch der ermordete Jeff Fortner, der Partner Mulligans, Angestellter dieser Tierhandlung hier war.«

»Ziehen Sie daraus bestimmte Schlüsse?« fragte McCullers.

»Nun, man sollte niemals voreilig urteilen«, bemerkte der Butler gemessen, »man sollte sich auf der anderen Seite aber niemals genieren, gewisse Dinge zu addieren...!«

»Wo haben Sie denn gesteckt, Parker«, erkundigte sich Mike Rander eine knappe Stunde später. Er hatte in der Halle des Hotels auf seinen Butler gewartet und den immer noch spürbaren Kopfschmerz durch harte Drinks abgedämpft.

»Ich bitte mein Fernbleiben entschuldigen zu wollen«, antwortete Parker, der seinem jungen Herrn zurück in die Hotelbar folgte. »Es gab da einige Vogelspinnen, die ich erst aus dem Weg räumen mußte.«

»Verdammt, hatten Sie schon wieder mit den ›Schwarzen Witwern zu tun?«

Rander und Parker nahmen in einer stillen Nische Platz. Mike Rander bestellte bei der Bedienung weitere Drinks.

Parker faßte sich kurz, als er von seinen Abenteuern berichtete. Er glaubte wenigstens, daß er sich kurz faßte. In Wirklichkeit brauchte er fast fünfzehn Minuten, bis er seinem jungen Herrn einen ersten pauschalen Überblick geliefert hatte.

»Scheußlich«, murmelte Rander und trank dann entschlossen sein Glas leer. »Dann war mir der Niederschlag schon lieber.«

»Sie wurden überfallen, Sir?« Parker sah seinen jungen Herrn sehr besorgt an. Er glich in diesem Augenblick einer Glucke, die ihr schwaches Küken mustert.

Nun war Mike Rander an der Reihe, von seinen Erlebnissen zu berichten. Er schaffte es schneller als sein Butler.

»Fest steht demnach«, schloß Mike Rander«, »daß Lester Nellen schon immer einen Spinnentick hatte. Und fest steht, daß sein Haß auf seinen früheren Kompagnon Stonewell unbändig ist. Er sieht in Stonewell den Mann, der ihn ruiniert hat. Und das, obwohl er doch allein die ganze Schuld trägt.«

»Mr. Nellen pflegt noch einen losen Kontakt zu seiner früheren Frau, der jetzigen Mrs. Judy Farmser?«

»Na ja, Kontakt ist wohl übertrieben. Er setzt sie laufend unter Druck und jammert ihr was vor. Er möchte Geld von ihr, sehr viel Geld. Und er spart auch nicht mit Drohungen. Steward Crown ist der Meinung, daß man längst die Polizei hätte einschalten sollen.«

»Steward Crown ist jener Mann, der Sie niedergeschlagen hat?«

»Und der Agent von Mrs. Judy Farmser«, bestätigte Rander und nickte. »Mrs. Farmser ist eine reizende Person, wirklich. Sie ging wieder zurück ins Filmgeschäft, nachdem sie sich von Lester Nellen hatte scheiden lassen. Steward Crown betreut sie jetzt.«

»Ein ungemein energischer Manager«, bemerkte Parker.

»Und ein schlagkräftiger dazu«, gab Rander selbstironisch zurück und fuhr sich mit der Hand vorsichtig über den immer noch schmerzenden Hinterkopf. »Crown glaubt übrigens, daß Lester Nellen hinter den Spinnen steht. Er hält ihn für den Täter. Und er kann auch mit einem handfesten Motiv dienen.«

»Seine Haßgefühle Stonewell gegenüber, nicht wahr?«

»Richtig, Parker. Lester Nellen will seinen früheren Kompagnon um jeden Preis ruinieren. Und er soll es auch schon weit getrieben haben, falls er wirklich der gesuchte Täter ist.«

»Wie darf ich diese Worte auslegen, Sir?«

»Vier geplatzte Filme, daran hat auch ein Stonewell zu knacken. Zudem bleiben die Aufträge aus. Die Gesellschaften wollen kein Risiko eingehen und Zeitverzögerungen in Kauf nehmen. Die Aufträge für die ›Star-Pictures‹ bleiben aus. Crown weiß das aus erster Hand. Er arbeitet ja schließlich in dieser Branche.«

»Und jetzt mußte er sogar noch seinen Sekretär verlieren, Sir. Ungemein peinlich, würde ich sagen.«

»Womit wir bei Herb Lasters wären!« Rander grinste und nickte seinem Butler anerkennend zu. »Diese Überleitung haben Sie raffiniert hinbekommen. Sie denken an Mrs. Farmser, die ganz offensichtlich in Lasters Wohnung war, nicht wahr?«

»In der Tat, Sir, ich bin so frei!«

»Sie war in seiner Wohnung. Das hat Mrs. Farmser offen zugegeben. Und sie fand ihn im Badezimmer, als er bereits tot war. Sie rannte entsetzt davon.«

»Wie gut ich Mrs. Farmser verstehe«, sagte Parker mitleidig. »Was wollte sie übrigens von Herb Lasters?«

»Lasters wollte etwas von ihr«, antwortete Mike Rander. »Er rief sie an und bat sie zu sich in sein Apartment. Es ging um ein Filmvorhaben. Er wollte Judy Farmser lancieren und ihr eine Rolle zuschanzen. Und dann war da noch so eine Andeutung, aus der Judy Farmser aber nicht klug wurde.«

»Und die lautete, Sir, wenn ich neugierig sein darf?«

»Er deutete dem Sinne nach an, er habe eine wichtige Entdeckung gemacht und könne dafür garantieren, daß der Spuk mit den Schwarzen Witwern bald beendet sei.«

»Sehr aufschlußreich, sehr interessant, in der Tat, äußerst vergnüglich«, antwortete der Butler nachdenklich. Dann fügte er rätselhaft hinzu: »Man soll sich eben nie zu sicher fühlen, Sir!«

»Zum Teufel, behandeln Sie mich nicht wie ein Baby«, protestierte Mike Rander, als Parker ihn hinauf ins Zimmer brachte. »Ich komme schon allein zurecht. Oder glauben Sie etwa, ich sei angetrunken?«

Mike Rander stand leicht schwankend neben seinem Bett und grinste seinen Butler vergnügt an. Es war offensichtlich, daß er sich unten in der Hotelbar einen leichten Schwips angetrunken hatte.

»Dann erlaube ich mir, Ihnen eine ruhige, angenehme und entspannende Nacht zu wünschen«, erwiderte der Butler und wollte das Zimmer seines jungen Herrn verlassen.

Er hatte die Tür noch nicht ganz erreicht, als sich das Telefon laut meldete. Es schrillte hartnäckig.

»Ich bin nicht mehr da«, sagte Rander und setzte sich auf den Bettrand. »Kann man denn nicht mal seine Ruhe haben?«

»Parker, der Butler Mr. Mike Randers«, meldete sich der Butler, nachdem er den Hörer abgenommen hatte.

»Parker...!« kam die gedehnte Antwort. »Ich... ich wollte Mr. Rander haben...!«

»Mr. Rander ist im Moment nicht ganz abkömmlich«, antwortete der Butler und warf einen Blick auf Rander, der sich zurückgelegt hatte und mit dem Einschlafen kämpfte. »Kann ich Ihnen vielleicht dienen?«

»Eigentlich nicht«, kam die zögernde Antwort. »Ich wollte mich nur erkundigen, wie es Mr. Rander geht. Er hatte hier einiges Pech, vielleicht wissen Sie schon!«

»Mr. Rander hat die Folgen des Niederschlags gut überstanden, zumal er über eine ausgezeichnete Konstitution und Form verfügt, Madam.«

»Richten Sie ihm meine Grüße aus«, erwiderte Mrs. Judy Farmser lächelnd. »Ich wünsche ihm eine gute Nacht!«

»Ich werde die Grüße weiterleiten, Madam«, gab der Butler gemessen zurück. »Darf ich mir erlauben, Sie zur größten Wachsamkeit zu ermahnen. Ich denke da an Ihren früheren Mann, Mr. Lester Nellen!«

»Malen Sie nur nicht den Teufel an die Wand«, gab Mrs. Farmser erschreckt zurück. »Für weitere Aufregungen bin ich nicht zu haben.«

»Gute Nacht, Madam!«

»Gute Nacht, Parker! Und passen Sie auf Ihren Herrn auf!«

»Parker legte auf und warf einen Blick auf das Bett. Mike Rander war inzwischen eingeschlafen und merkte nicht, daß der Butler ihn behutsam zudeckte. Dann verließ Parker auf Zehenspitzen das Zimmer und schloß es von außen ab.

Dann fuhr er noch einmal hinunter in die Hotelbar, wo er sich herzlich wenig um die erstaunt-amüsierten Nachtschwärmer kümmerte, die ihm spöttische oder erstaunte Blicke zuwarfen. Parker ließ sich einen herzhaften Drink servieren und ging mit sich zu Rate.

Nach zwei weiteren Drinks oder, umgerechnet, nach zehn Minuten, verließ er die Bar und schritt zur Rezeption. Der Nachtportier richtete sich unwillkürlich auf, als Parker näherkam. Parker strahlte stets Würde, Autorität und eine gewisse Kälte aus.

»Mr. Rander ist auf keinen Fall zu wecken«, sagte Parker zum Nachtportier. »Ich rechne mit dringenden Telefonaten. Reagieren Sie nicht darauf! Haben wir uns verstanden? Sagen Sie, Mr. Rander habe zusammen mit seinem Butler das Hotel verlassen. Das Ziel dieser nächtlichen Ausfahrt sei Ihnen leider unbekannt.«

»Gewiß, Sie können sich auf mich verlassen.« Der Nachtportier nickte eifrig.

»Man sieht, daß Sie aus einer äußerst guten Schule kommen«, stellte der Butler fest. »Machen Sie weiter so...!«

Den verblüfften Portier hinter sich lassend, verließ der Butler das Hotel und ging hinüber zum Leihwagen, den Mike Rander am Straßenrand geparkt hatte.

Parker setzte sich ans Steuer und fuhr langsam an. Er schien kein bestimmtes Ziel ansteuern zu wollen. Selbst der Wagen, in dem er saß, machte einen durchaus unentschlossenen Eindruck.

Dann aber nahm er Fahrt auf.

Der Butler war zu einem Entschluß gekommen und wußte nun, wen er besuchen wollte. Sein Interesse verdichtete und konzentrierte sich auf Lester Nellen, den ehemaligen Kompagnon von Art Stonewell und den ehemaligen Ehemann der Mrs. Farmser.

Die großen Hauptstraßen waren um diese nächtliche Stunde fast leer. Parker konnte also durchaus seinen Neigungen nachgeben und etwas auf das Tempo drücken. Dennoch brauchte er fast eine halbe Stunde, bis er Venice erreicht hatte.

Als er bei dem dogenähnlichen Palast ausstieg, fragte er sich, ob in der Halle noch immer jene müden, alten Männer saßen, die die Zeit totschlugen...

*

Wenige Minuten später kümmerte ihn das schon nicht mehr.

Er stand vor der Wohnungstür von Lester Nellen, hatte angeklopft und geklingelt und wartete nun ungeduldig auf ein Lebenszeichen des Mannes. Als sich nach wie vor nichts hinter der Tür rührte, unterstellte der Butler für sich privat einen Notstand und setzte sich kurz, aber erfolgreich mit dem Türschloß auseinander. Er unterstellte zusätzlich, daß Lester Nellen vielleicht etwas passiert sein könnte.

Nun, die kleine, schäbige Wohnung war leer. Lester Nellen hatte sie verlassen. Parker sah sich in dem Wohnraum, in dem er das Licht eingeschaltet hatte, aufmerksam und prüfend um. Anzeichen einer handfesten Auseinandersetzung waren nicht zu erkennen. Lester Nellen schien seine Wohnung also auf eigenen Wunsch hin und vollkommen freiwillig verlassen zu haben.

Parker bedauerte das zwar ungemein, da er aber schon einmal in der Wohnung war, sah er sich etwas näher um.

Ihn interessierte vor allen Dingen das Handbuch über Spinnen. Als er nach dem betreffenden Band suchte, vermißte er ihn. Er suchte weiter, konnte das dicke Buch aber nicht aufspüren. Lester Nellen schien es sicherheitshalber entfernt zu haben. Vielleicht wollte er der Polizei, falls sie erschien, freiwillig keine Hinweise und Indizien liefern.

Parker wollte schon gehen, als er plötzlich unten auf der Straße das auf- und abschwellende Geheul einer Sirene hörte, die offensichtlich zu einem Streifenwagen der Polizei gehörte.

Er ging schnell zum Fenster und sah hinunter auf die Straße. Er hatte sich nicht verhört oder getäuscht. Vor dem imitierten Dogenpalast, in dem er sich befand, hielt gerade ein Streifenwagen der Polizei. Zwei Zivilisten fielen förmlich aus dem Wagenfond und eilten ins Haus.

War die Ankunft der City Police ein Zufall?

Parker erinnerte sich sehr deutlich, daß er die Tür schließlich ohne die Erlaubnis des Wohnungseigentümers geöffnet hatte. Gewiß, er hatte einen Notstand unterstellt, aber er mußte sich erst überzeugen, was nun wirklich passiert war.

Parker hoffte, daß die Polizei nicht ausgerechnet hier oben in der Wohnung erschien.

Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung.

Schnelle und energische Schritte näherten sich der Wohnungstür. Parker starrte fasziniert auf die Türklinke, die sich wenig später senkte.

»Ich bitte, einzutreten«, rief der Butler höflich und trat etwas zurück.

Die Tür wurde jäh aufgerissen.

Zwei Zivilisten stürzten ins Zimmer.

Einer von ihnen war Sergeant McCullers, eine Tatsache, die Parker erleichtert zur Kenntnis nahm.

»Parker?« McCullers blieb ruckartig stehen und schüttelte recht erstaunt den Kopf. »Was tun Sie denn hier?«

»Ich hatte die Absicht, Mr. Nellen einen Besuch abzustatten«, behauptete der Butler.

»Jetzt? Um diese Zeit? Mitternacht ist längst vorüber!«

»Ich bin ein Freund jäher Entschlüsse«, antwortete der Butler. »Ich möchte hinzufügen, daß ich Mr. Nellen leider nicht antraf.«

»Und Sie sind trotzdem in die Wohnung gekommen?« erkundigte sich der Zivilist neben McCullers.

»Sie wird nicht verschlossen gewesen sein«, schaltete sich McCullers lächelnd ein. »Ist auch jetzt nicht so wichtig. Und was Nellen angeht, Parker, so brauchen Sie sich nicht zu wundern.«

»Ist ihm... etwas zugestoßen, Sir?«

»So kann man es auch ausdrücken. Lester Nellen ist tot!«

»Das überrascht mich ehrlich«, gestand der Butler. »Fiel er einem Verkehrsunfall zum Opfer?«

»Er wurde erschossen, wenn Sie’s genau wissen wollen.«

»Und von wem, wenn ich diese Frage stellen darf?«

»Sie kommen nicht von allein drauf?« fragte McCullers und sah den Butler abwartend an.

»Sie überfordern meine bescheidene Phantasie«, erwiderte der Butler. »Zudem spannen Sie mich unnötig auf die Folter.«

»Sie würden niemals drauf kommen«, gab McCullers zurück'. »Es war Mrs. Judy Farmser...!«

*

Sie saß fassungslos schluchzend in einem der tiefen, bequemen Sessel und tupfte sich die Tränen mit einem kleinen Spitzentuch ab.

Neben ihr stand ihr Manager Steward Crown. Beruhigend und tröstend hatte er seine Hand auf die Schulter von Judy Farmser gelegt. Er wirkte, rein äußerlich wenigstens, wie ein Fels in der Brandung.

Leutnant Hastings wirkte weniger ruhig.

Im Gegensatz zu McCullers und Parker, die sich in dem Haus eingefunden hatten. Mike Rander war nicht anwesend. Er schlief nach wie vor im Hotel seinen Schwips aus.

»Sie hörten also einen Schuß, als Sie draußen in der Garage waren«, wiederholte Leutnant Hastings und sah dabei Crown an. »Und was passierte dann?«

»Das habe ich Ihnen doch selbst erzählt«, stöhnte Crown gereizt auf.

»Ich möchte es aber noch einmal hören«, gab Hastings ebenfalls gereizt zurück. »Ich tue es schließlich nicht zu meinem Vergnügen.«

»Ich hörte den Schuß und rannte zurück ins Haus«, sagte Crown aus, der sich zur Ruhe zwang. »Ich stolperte fast über Nellen, der am Boden lag. Und ich sah auch sofort die kleine Blechdose in seiner Hand. Sie war geöffnet und ein paar gräßliche Vogelspinnen waren dabei, ins Freie zu krabbeln. Ich habe sie sofort eingeklemmt. Sie sehen, was daraus geworden ist.«

Parker betrachtete die Blechschachtel, die noch auf dem Teppich lag. Er erkannte sie sofort wieder. Er hatte sie in Lester Nellens Wohnung schon einmal gesehen, als Nellen sie aus dem Sideboard geholt hatte.

Der scharfe Rand der Blechschachtel hatte einige lange, behaarte Spinnenbeine abgeschnitten. Sie lagen neben der Schachtel auf dem Teppich und schienen sich sogar noch leicht zu bewegen. Doch das mochte auch nur eine optische Täuschung sein.

»Und wo befand sich Mrs. Farmser zu dieser Zeit?«

»Sie lag neben der Couch. Das heißt, sie kniete. Und sie hielt noch den Revolver in der Hand.«

»Mit dem Sie auf Nellen geschossen hatten?« fragte Hastings, sich an Judy Farmser wendend.

Sie nickte und beschäftigte sich intensiv mit ihren Tränen.

»Wie kamen Sie an die Waffe?« fragte Leutnant Hastings, der alles sehr genau wissen wollte.

»Sie gehört mir«, schaltete sich Crown ein. »Sie lag im Schreibtisch. Aber ich hatte sie herausgeholt, bevor ich in die Garage ging.«

»Warum?« fragte McCullers dazwischen.

»Weil Mrs. Farmser Angst hatte, allein zurückzubleiben. Seitdem diese verdammten Spinnen herumgeistern, vergeht sie doch vor Angst.«

»Warum, Mrs. Farmser, schossen Sie auf Ihren früheren Mann?« lautete Leutnant Hastings nächste Frage.

»Lester war plötzlich im Zimmer«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Wie aus dem Boden gewachsen stand er plötzlich dort im Türrahmen. Er muß durch das Badezimmerfenster gekommen sein.«

»Und weiter?« forschte Hastings, als Mrs. Farmser eine kleine Pause einlegte.

»Er sagte, ich sollte für meine Scheidung büßen, ich hätte ihn ruiniert, wie Stonewell! Und dann öffnete er die Blechschachtel und...« Sie konnte nicht weiterreden und schlug die Hände vor das Gesicht.

»Dann drückte sie in ihrer Angst ab, als die Spinnen aus der Schachtel kamen«, sagte Crown aufbrausend. »Warum quälen Sie Mrs. Farmser? Wie oft soll sie ihre Geschichte noch wiederholen?«

»Schon gut, schon gut«, meinte Leutnant Hastings in versöhnlicherem Tonfall. »Das wär’s vorerst, Mrs. Farmser. Wir werden uns aber noch zusätzlich unterhalten müssen. Später, nicht jetzt! Verlassen Sie die Stadt nicht ohne meine Einwilligung.«

»Soll das heißen, daß sie unter Verdacht steht?« brauste Steward Crown wieder auf.

»Wir möchten nur nicht hinter einer wertvollen Zeugin herrennen«, erklärte Leutnant Hastings. »Das gilt übrigens auch für Sie, Mr. Crown. Ob Ihnen das nun paßt oder nicht.«

»Sagen Sie doch schon, daß wir Nellen absichtlich umgebracht haben«, fauchte Steward Crown. »Sie machen sich die Sache verdammt einfach.«

»Oder auch nicht, Mr. Crown«, entgegnete Leutnant Hastings. »Aber Sie werden noch früh genug dahinterkommen...!«

*

»Ich wußte die ganze Zeit über, daß Nellen dieser verrückte, wahnsinnige Täter war«, sagte Art Stonewell und wanderte vor seinem Schreibtisch auf und ab. »Aber ich hatte keine Beweise gegen ihn. Das war es...!«

Er blieb stehen und sah Mike Rander und Josuah Parker aus seinen eisgrauen Augen an.

»Er hat Ihnen also häufig gedroht, nicht wahr?« fragte Rander. Er sah einen Moment zum Fenster hinaus und hinunter auf die Stadt. Ein strahlender Morgen breitete sich aus. Es herrschte ein Wetter, um umgehend in Urlaub zu fahren.

»Er rief oft an und drohte. Später ließ ich seine Anrufe gar nicht mehr durchstellen. Sie landeten alle bei Lasters.«

»Bei Ihrem Sekretär, der offensichtlich mit Nellen zusammengearbeitet hat.«

»Scheint so zu sein!«

»Die beiden Gangster Tony Mulligan und Andy blieben bei dieser Behauptung. Sie wurden von Herb Lasters engagiert und dafür bezahlt, die Starlets umzubringen.«

»Ich kann es fast nicht glauben«, meinte Stonewell kopfschüttelnd. »Lasters, dieser ruhige, fast schüchterne Mann, der wie ein Uhrwerk funktionierte. Warum hat er sich gegen mich verschworen, falls er wirklich mitgespielt hat.«

»Genaueres werden wir wohl nie erfahren. Vielleicht haßte er Sie?«

»Mich und hassen? Ich bin der gemütlichste und friedlichste Boß, den man sich denken kann.«

»Hauptsache, Sie glauben daran«, meinte Rander ironisch. »Aber das ist auch unerheblich. Es scheint eine Verbindung Herb Lasters - Lester Nellen gegeben zu haben. Und beide Männer sind nun tot!«

»Ich sollte demnach also konsequent in Schwierigkeiten gebracht werden«, sagte Stonewell.

»Lester Nellen wollte Sie an den Bettelstab bringen, wie es im Volksmund so treffend heißt«, schaltete sich Butler Parker höflich ein. »Wäre ihm das gelungen?«

»Na ja, ich habe ziemlich drauflegen müssen!« Stonewell schluckte und sah einen Moment zu Boden, bevor er weiterredete. »Ehrlich gesagt, es wurde sogar verdammt kritisch. Meine Auftraggeber zogen sich zurück. Vier geplatzte Filme, die wollen erst einmal verdaut werden.«

»Sein Haß muß abgrundtief gewesen sein, Sir.«

»Dabei lag die Schuld an seinem Pech doch nur bei ihm allein«, erklärte Stonewell. »Wer überfuhr den Stuntman? Das war doch Lester Nellen! Und wer wanderte ins Gefängnis? Doch Lester Nellen...!«

»Sie kauften ihm auf dem Umweg über seine damalige Frau Judy die Firmenanteile ab, nicht wahr?«

»Was sollte ich tun? Ich wurde ja dazu gezwungen? Sollte ich sie in andere Hände wandern lassen? Judy Nellen oder Farmser, wie sie sich jetzt wieder nennt, brauchte doch plötzlich Geld. Einmal, um die Schadenssummen aufzubringen, zum anderen, um überhaupt leben zu können. Durchaus verständlich, daß sie verkaufen wollte. Und da schaltete ich mich ein und übernahm die Anteile von Nellen. Das war ein glattes und sauberes Geschäft. So etwas kann man mir doch nicht zum Vorwurf machen.«

»Sie haben Judy Nellen gut gekannt?« fragte Mike Rander.

»Natürlich! Ich war seinerzeit sogar Trauzeuge. Judy ist in Ordnung!«

»Sie war früher einmal Schauspielerin?«

»Und eine verdammt gute dazu! Sie ist ja jetzt zurück ins Filmgeschäft gegangen. Und ich glaube, daß sie eine zweite Karriere vor sich hat.«

»Sie hat nie für Ihre ›Star-Pictures‹ gearbeitet?«

»Hat sich bisher nicht ergeben, aber das wird sich ändern. Ich habe sogar vor, sie groß herauszustellen.«

»Warum nahmen Sie eigentlich Ihren Auftrag zurück?« fragte Mike Rander. »Jetzt, nach Lester Nellens Tod, können Sie bestimmt darüber sprechen.«

»Dieser verdammte Giftspinnenmörder machte mich nervös und drohte mir! Er prophezeite mir einen baldigen Gifttod. Was sollte ich da machen? Da mußte ich Sie eben feuern, eh, ich meine, mußte ich den Auftrag zurücknehmen.«

»Konnten Sie die Stimme des Giftspinnenmörders am Telefon irgendwie identifizieren, Sir?« erkundigte sich der Butler gemessen.

»Kaum, aber es war eine Männerstimme, würde ich sagen. Sie klang natürlich verzerrt!«

»Wurden Sie denn niemals erpreßt, Sir? Verlangte der Mörder niemals Geld von Ihnen?« wollte der Butler wissen.

»Nein, nein, es hört sich unglaublich an, aber von Geld wurde nicht gesprochen. Ich glaube, daß ich tatsächlich ruiniert werden sollte. Dem Mörder ging es überhaupt nicht um Geld, sondern um meinen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Und das sieht nach Lester Nellen aus, wenn Sie mich fragen.«

»Wann kam Ihnen der Gedanke, Sir, Mrs. Farmser wieder oder überhaupt zu beschäftigen?« stellte Parker seine nächste Frage.

»Naja, heute...!«

»Wie bitte...?«

»Begreifen Sie denn nicht? Sie hat eine tolle Presse, eine tolle Publicity. Mit Judy kann ich Auftraggeber interessieren. Ich werde umgehend mit ihrem Manager verhandeln.«

»Ach, sie weiß noch gar nichts von ihrem Glück?« fragte Mike Rander spöttisch.

»Ich habe bereits Crown angerufen und ihn zu einer Unterredung bestellt. Ich wette, Judy springt sofort mit beiden Beinen in die erstbeste Rolle, die ich ihr anbieten werde.«

»Kennen Sie Mr. Crown näher?«

»Er ist Manger, mehr will ich nicht wissen. Er gehört zwar nicht zur Spitzenklasse, aber das interessiert mich nicht. Ich glaube, früher hat er mal für einen Zirkus gearbeitet.«

»Ein interessanter Mann, könnte man also sagen, nicht wahr?«

»Jetzt ja..., denn er kann mir die Farmser vermitteln«, sagte Stonewell. »Und was das Ausladen angeht, Gentlemen, so werde ich Ihnen selbstverständlich alle entstandenen Unkosten ersetzen. Sie wissen ja, ich befand mich in einer Zwangslage...!«

*

»Wonach suchen Sie eigentlich?« fragte McCullers ungeduldig. »Was wollen Sie aufspüren, Parker?«

Der Butler und Sergeant McCullers befanden sich in der Wohnung des erschossenen Lester Nellen. Parker hatte um diesen Besuch gebeten und ließ sich von dem Sergeant begleiten.

»Ich suche Spinnen«, erwiderte der Butler und öffnete das Sideboard, in dem Lester Nellen die Blechschachtel mit den Gummispinnen verwahrt hatte.

»Wir haben hier doch bereits alles auf den Kopf gestellt«, sagte McCullers kopfschüttelnd. »Von Gummispinnen keine Spur, sonst hätte ich ja im Durchsuchungsbericht davon gelesen.«

»Ich wollte mich nur noch einmal persönlich vergewissern«, antwortete Parker. »Könnten wir uns jetzt die Müllkästen hinter dem Haus ansehen?«

»Was versprechen Sie sich davon?«

»Sie haben nicht unrecht, Sir«, meinte der Butler nachdenklich. »Wenn ich gewisse Dinge unterstelle und rekonstruiere, dann können die Spinnen aus Hartgummi nicht hier im Müll liegen.«

»Hartgummispinnen...?«

»Wenn Sie erlauben, komme ich gesprächweise später noch einmal darauf zurück, Sir. Wir könnten jetzt gehen.«

»Sie glauben also immer noch nicht, daß Lester Nellen der gesuchte Spinnenmörder war?«

»Ich hege, wie man so treffend sagt, einige Zweifel.«

»Und wen haben Sie in Verdacht?«

»Ich möchte und kann mich noch nicht festlegen, Sir. Soviel aber möchte ich behaupten, mit Lester Nellen endet diese Affäre auf keinen Fall.«

»Dann stehen Sie im Gegensatz zu' meinem Chef. Hastings glaubt, die Akte schließen zu können. Für ihn liegt alles klar auf der Hand.«

»Für Sie nicht, Sir?«

»Dazu müßte ich so viel wissen wie Sie, Parker. Ich spüre deutlich, daß Sie mit einigen Tatsachen hinter dem Berg halten. Sie wollen es im Alleingang schaffen, oder?«

»Ich möchte mich nur nicht blamieren und voreilige Behauptungen aufstellen.«

Die beiden Männer verließen das Zimmer des toten Lester Nellen, dann den dogenähnlichen, verfallenen Palast und gingen auf Parkers Leihwagen zu.

»Brauchen Sie mich noch?« fragte McCullers, als sie den Wagen erreicht hatten.

»Im Moment nicht mehr, Sir. Aber ich möchte mich sehr herzlich für Ihre freundliche Unterstützung bedanken. Hoffentlich kann ich mich eines Tages dafür revanchieren.«

»Ich habe noch hier in der Nähe zu tun«, sagte McCullers, als Parker einladend auf den Leihwagen wies. »Wir sehen uns noch?«

»Mit größter Wahrscheinlichkeit, Mr. Rander und ich werden uns noch im Kriminalbüro verabschieden«, antwortete der Butler. Dann nahm er am Steuer Platz und fuhr los.

Er ließ einen sehr nachdenklichen McCullers zurück, der sich den Kopf darüber zerbrach, was der Butler eigentlich noch bezweckte...

*

Im Branchenverzeichnis der Industrie- und Handelskammer fand Parker die gesuchte Adresse.

Anschließend genierte er sich nicht, in einem Spezialgeschäft für Scherzartikel aufzutauchen, das sich im Stadtteil Venice befand. Genauer gesagt, dieses Geschäft lag' einige Häuserblocks von der Palastimitation entfernt, in der Lester Nellen gelebt und gewohnt hatte.

Parker geriet an einen äußerst fachkundigen jungen Mann, der trotz der Scherzartikel um ihn herum sachlich und präzis bediente.

»Gummispinnen...?« fragte er, nachdem der Butler seine Wünsche geäußert hatte. »Ziemlich kleine Dinger. Für einen Heidenspaß kaum geeignet.«

»In meinem speziellen Fall schon«, sagte Parker lächelnd. »Es geht um Fotoaufnahmen, die gedoubelt werden sollen, verstehen Sie?«

»So was habe ich doch schon mal gehört. Da war auch ein Kunde, der Gummispinnen brauchte!«

»Kannten Sie ihn?«

»Er muß früher mal beim Film gewesen sein. Erzählte er wenigstens. Er kaufte ein halbes Dutzend von den Dingern.«

»Können Sie sich erinnern, wann das gewesen ist?«

»Vielleicht vor zwei oder drei Tagen. Genau kann ich das nicht mehr sagen. Wie viele Spinnen brauchen Sie?«

»Sagen wir vier...!«

»Schön, sollen Sie bekommen. Damit ist das Lager wohl geräumt. Und neue Spinnen nehmen wir nicht mehr auf. Die Dinger sind einfach zu eklig für einen Spaß, oder?«

»Ich pflichte Ihnen vollkommen bei«, erwiderte der Butler lächelnd. »In meinem speziellen Fall dienen sie aber einem guten Zweck, dessen kann ich Sie versichern!«

Der Verkäufer verschwand in der Tiefe des Ladens, um dann mit vier Gummispinnen zurückzukommen.

»Das waren die letzten davon«, erklärte er zufrieden. »Soll ich sie Ihnen einschlagen?«

»Ich stecke sie gleich so in die Tasche«, antwortete der Butler. »Ich werde Sie bald an die richtige Adresse weiterreichen!«

*

Sie sah bezaubernd aus.

Sie trug einen fast hautengen Latexanzug, der die reifen Linien ihres Körpers wohltuend unterstrich. Sie sah ihn erstaunt an, nachdem sie geöffnet hatte, lächelte dann aber und bat ihn ins Haus.

»Ich werde auf keinen Fall lange stören, Madam«, sagte Parker höflich.

»Sie stören absolut nicht«, erwiderte sie. »Sie treffen mich sogar bei bester Laune an.«

»Sie haben Ihren Schock bereits überwunden?« erkundigte sich der Butler.

»Dazu braucht es Zeit«, antwortete Judy Farmser. »Aber ich habe eine gute Nachricht erhalten. Stonewell will mich in einem Film herausstellen. Mein Manager Crown verhandelt gerade mit ihm. Was meinen Sie, ob ich Zusagen soll?«

»Zusagen kann niemals schaden«, antwortete der Butler höflich. »Sie haben es sehr nett hier, Madam!«

»Früher hatten wir ein größeres Haus, aber das ist lange her!«

Parker sah sich in dem kleinen Bungalow östlich von Beverly Hills interessiert um. Behaglichkeit und Geschmack waren sofort zu erkennen. An den Wänden hingen allerdings Bilder, die für sein Empfinden etwas zu düster und zu bizarr waren. Es handelte sich um moderne Kunst, gegen die Parker selbstverständlich nichts hatte.

»Es handelt sich um den bewußten Fall, Madam«, begann Parker, nachdem er Platz genommen hatte. »Ich sage Ihnen gleich rund heraus, daß ich mit den bisherigen Ermittlungen keineswegs konform gehe. Mit anderen Worten, um es frei heraus zu sagen, ich glaube nicht, daß die Mordakte bereits geschlossen werden kann.«

»Dann sind Sie klüger als die Polizei«, erwiderte Judy Farmser lächelnd.

»Vielleicht nur skeptischer«, gab der Butler zurück. »Und vielleicht auch gründlicher und hartnäckiger. Kurz, ich habe einige interessante Entdeckungen gemacht!«

»Entdeckungen?« gab Judy Farmser gedehnt zurück. Sie ging um einen kleinen Damenschreibtisch herum und nahm auf dem zierlichen Sessel Platz.

»Um noch deutlicher zu werden, Madam, ich glaube einfach nicht, daß Ihr früherer Ehemann Lester Nellen der gesuchte Giftspinnenmörder ist.«

»Und warum nicht?«

»Weil einige Tatsachen dagegen sprechen, die ich herausgefunden habe.«

»Und wer ist Ihrer Ansicht nach der wirkliche Täter?«

»Sie, Madam...!«

»Ich...? Sie sind verrückt!« Judy Farmser lachte spöttisch auf. »Was haben Sie sich denn da zusammengereimt, Parker?«

»Ich habe gewisse Dinge addiert«, sagte Parker. »Und ich habe das Glück gehabt, gewisse Dinge zu finden. Nur eine Kleinigkeit, die aber ungemein wertvoll ist. Lester Nellen kaufte vor zwei oder drei Tagen Spinnen aus Hartgummi, im Grunde geschmacklose Scherze, die man meiner bescheidenen Ansicht nach niemals hätte herstellen dürfen. Nun gut! Lester Nellen verwahrte sie in einer Blechschachtel. In jener Blechschachtel, die sich im Bungalow von Mr. Steward Crown befand. Aus dieser Blechschachtel nun kletterten echte, sehr lebendige Spinnen, wie Sie ja sehr gut wissen. Ich fragte mich, wo die Gummispinnen wohl geblieben sein könnten. Und ich suchte und fand!«

Während der letzten Worte griff der Butler blitzschnell in eine der vielen Taschen seines Jacketts und zog die vier Gummispinnen hervor.

Er warf sie im hohen Bogen auf den kleinen Schreibtisch von Judy Farmser.

Sie sprang entsetzt hoch und wich gegen das Fenster zurück.

»Woher... woher haben Sie sie...?« fragte sie dann fast flüsternd.

»Ich fand sie auf dem Grundstück von Mr. Crowns Bungalow.«

»Sie lügen! Sie wollen mich bluffen. Ich weiß genau, daß ich die Gummispinnen in der Ölheizung verbrannt habe!«

Sie hielt plötzlich ein und sah den Butler aus haßerfüllten Augen an.

»Mehr wollte ich gar nicht wissen«, erwiderte der Butler und nickte höflich.

»Wir sind unter uns«, sagte sie giftig. »Mein Ausrutscher beweist gar nichts!«

»Vielleicht, Madam. Aber es gibt noch andere Dinge, die zu addieren sind. Indizien, die offensichtlich gegen Sie sprechen. Wenn Sie erlauben, zähle ich sie auf!«

»Tun Sie sich nur keinen Zwang an«, gab sie kalt zurück und ließ sich wieder auf dem zierlichen Schreibtischsessel nieder.

»Ich erinnere Sie an das Telefongespräch, das wir von meinem Hotel aus miteinander führten«, sagte Parker in seiner ruhigen, höflichen Art. »Sie waren so deutlich erstaunt, meine Stimme zu hören, daß ich aufmerksam und mißtrauisch werden mußte. Sie glaubten, ich sei den drei Giftspinnen im Tank bereits erlegen. Sie wollten durch Ihren Anruf Mr. Rander in eine Falle locken und ebenfalls umbringen. Wie mich, falls Tony Mulligan das gelungen wäre.«

»Lächerlich«, antwortete Judy Farmser kühl.

»Noch ein Detail«, redete Parker gelassen weiter. »Nachdem mein junger Herr, Anwalt Mike Rander, durch einen unglücklichen Zufall von Mr. Crown niedergeschlagen wurde, lenkten Sie seine Aufmerksamkeit auf Herb Lasters, der sich angeblich so sehr für Spinnen interessiert haben sollte. Es machte mich stutzig, daß Sie den Sekretär von Mr. Stonewell belasteten, der sich ja nach seiner Ermordung nicht mehr gegen Unterstellungen dieser Art wehren konnte. Womit wir beim eigentlichen Motiv Ihrer Mordserie wären.«

»Meinen Sie jetzt Stonewell?« fragte Judy Farmser mit unnatürlicher Ruhe.

»Stonewell kaufte Ihnen nach Ihrer Scheidung von Lester Nellen die Firmenanteile ab. Wahrscheinlich mit dem Versprechen, Sie im Film ganz groß zu beschäftigen. Doch er dachte nicht daran. Er ließ Sie anschließend fallen wie einen uninteressanten Stein. Da beschlossen Sie, sich zu rächen, was Sie ja auch gründlich taten.«

»Reden Sie weiter, jetzt wird es interessant«, sagte sie spöttisch und musterte ihn aus kalten Augen.

»Sie liierten sich mit Stonewells Sekretär Herb Lasters. Von ihm erfuhren Sie alle Produktionseinzelheiten der ›Star-Pictures‹. Und durch Herb Lasters ließen Sie die beiden Gangster Tony Mulligan und Jeff Fortner engagieren. Diese beiden Männer hatten nämlich Zugang zu den Vogelspinnen. Tony Mulligan hat bereits zugegeben, daß er und sein Partner Fortner von Lasters bezahlt und angesetzt wurden. Sie nutzten dabei Lasters Schwäche aus. Sie wußten, daß er den unbeherrschten Filmagenten Stonewell haßte, der ihn laufend unter Druck setzte.«

»Sie haben eine tolle Phantasie!«

»Möglich, aber die Tatsachen sind meist noch bunter, Madam! Laster sabotierte die Filmvorhaben Stonewells und zwar immer dann, wenn mit Sicherheit große Verluste entstehen mußten. Das war auch Ihre Absicht, Madam. Sie arbeiteten ausgezeichnet Hand in Hand!«

»Sie reden sich um Kopf und Kragen!« fauchte Judy Farmser plötzlich und riß einen Revolver aus der Schublade ihres kleinen Schreibtisches. Sie richtete die Mündung auf Parker, der gelassen vor ihr stand und sich nicht rührte.

»Als Herb Lasters nach der Ankunft von Mr. Rander und meiner bescheidenen Wenigkeit nicht mehr mitmachen wollte, da ermordeten Sie ihn in seiner Wohnung. Ich erinnere an die Szene im Badezimmer. Vielleicht zwangen Sie ihn, sich von einer ›Schwarzen Witwe‹ beißen zu lassen. Das muß die Polizei und Ihr Geständnis klären.«

»Aha, und ich ermordete auch meinen früheren Mann, wie?«

»Natürlich, weil Sie der Polizei doch einen Endtäter stellen mußten! Sie lockten Lester Nellen in den Bungalow von Mr. Crown und schossen ihn nieder. Dann wechselten Sie die Gummispinnen gegen die echten Vogelspinnen aus. Aber das gaben Sie ja bereits schon zu, nicht wahr? Ich wundere mich nur, wie Sie Mr. Crown täuschen konnten. Es sei denn, er steckt mit Ihnen unter einer Decke!«

»Nehmen Sie das ruhig an«, sagte sie kalt lächelnd und ließ den Lauf der Waffe nicht einen einzigen Millimeter sinken.

»Ein interessantes Detail, das ich hier am Rande erfahre«, sagte Parker höflich. »Wie grenzenlos groß muß Ihr Haß gegen Stonewell gewesen sein, daß Sie vier unschuldige Frauen sterben ließen, nur um ihn finanziell zu ruinieren!«

»Stonewell ist mein Ziel«, gab sie ohne weiteres zu. »Und ihn wird es noch treffen, darauf können Sie sich verlassen, Parker! Ich kann warten! Aber ich verzeihe ihm niemals, da er mir meinen Firmenanteil abgeluchst hat!«

Judy Farmser schien sich plötzlich in eine ›Schwarzen Witwe‹ verwandelt zu haben. Im engen, dunklen Hausanzug wirkte sie tödlich und giftig. Sie beugte sich etwas vor und lächelte tückisch. Ihre vollen roten Lippen öffneten sich. Die starken weißen Zähne wurden sichtbar. Sie schienen darauf zu warten, zuschlagen zu können.

»Muß man deswegen zur Mörderin werden?« fragte Parker würdevoll.

»Das verstehen Sie nicht, das werden Sie niemals begreifen! Dafür empfinden Sie nicht genug. Er hat mich gedemütigt, als ich alles aus der Hand gegeben hatte. Er lachte mich aus, als ich ihn an unsere Vereinbarung erinnerte, mich im Film herauszustellen! Da habe ich mich gerächt! Langsam, Stück für Stück. Und ich bekomme ihn dahin, wohin ich ihn haben will! Kriechen soll er vor mir...!«

»Wird Mr. Crown, Ihr Mitwisser, Ihnen keinen Streich spielen?«

»Er sitzt in meinem Netz«, sagte sie auflachend. »Er muß tun, was ich will, wie Herb Lasters... wie Lester Nellen... Und wie Sie...!«

»Sie verwechseln sich mit einer Spinne!«

»Ich, hören Sie, ich bin die ›Schwarze Witwe‹«, schrie sie geifernd. »Sie werden das gleich merken!«

»Oder nie!« sagte in diesem Moment eine heisere Stimme hinter dem Butler.

Judy Farmser zuckte zusammen. Sie schien aus ihrer Trance zu erwachen.

Sie wollte noch auf den Butler schießen, doch Sergeant McCullers, dem die Stimme gehörte, war schneller...

*

»Sie hat ein Geständnis abgelegt«, sagte McCullers am anderen Morgen. Er hatte Mike Rander und Butler Parker hinaus zum Flugplatz gebracht und verabschiedete sich nun von den beiden Männern. »Sie ist reif für eine Psychiatrische Untersuchung und Behandlung. Das ändert aber nichts an den Tatsachen. Sie war und ist die ›Schwarze Witwe‹, hinter der wir her waren.«

»Und Crown?« fragte Rander.

»Ein Mitläufer, der nur am Mord an Lester Nellen beteiligt war. Er ist im Vergleich zu der Farmser harmlos.«

»Gut, daß Sie Parker bis in das Haus der Farmser verfolgten«, sagte Mike Rander.

»Ich ließ ihn nicht mehr aus den Augen, nachdem er sich von mir verabschiedet hatte«, sagte McCullers grinsend. »Ich ahnte gleich, daß er was auf der Pfanne hatte. Und es war verdammt gut so, sonst hätte ich das Geständnis der Farmser nicht mitbekommen.«

»Ich war in der Tat erfreut, als Sie mich verfolgten«, gestand der Butler. »Nicht, daß Sie es ungeschickt anstellten, Sergeant, aber nicht geschickt genug.«

»Sie wußten, daß ich hinter Ihnen her gewesen bin?«

»Selbstverständlich. Daher auch meine innere Ruhe, als Mrs. Farmser mich mit der Waffe bedrohte.«

»Sagte ich nicht schon mal, daß Sie es faustdick hinter den Ohren haben?« fragte McCullers auflachend.

»So ähnlich drückten Sie sich wohl aus«, erwiderte der Butler. »Ich habe noch eine abschließende Frage. Hat Mrs. Farmser gestanden, warum man Mr. Rander und meiner bescheidenen Wenigkeit eine Vogelspinne ins Hotel schickte?«

»Lasters soll angeblich auf diese Idee gekommen sein. Er liebte die Farmser ja abgöttisch und hätte sich für sie vierteilen lassen. Er hörte, daß zwei bekannte Privatdetektive engagiert wurden und wollte sie gleich nach Ihrer Ankunft schockieren.«

»Was mich betrifft, ist ihm das auch verdammt gut gelungen«, antwortete Mike Rander auflachend. »Wie steht’s bei Ihnen, Parker?«

»Ich habe an sich nichts gegen Tracheenatmer«, räumte der Butler gemessen ein, »doch sehe ich sie lieber hinter dicken Glasscheiben. Man wird das nach meinem Erlebnis im Wassertank wohl einigermaßen verstehen.«

Die Unterhaltung der drei Männer wurde durch eine Lautsprecherdurchsage unterbrochen. Die angekündigte Maschine nach Chikago sollte in zehn Minuten starten.

»Ich wünsche Ihnen Hals- und Beinbruch«, sagte McCullers, »es war eine Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«

»Herzlichen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Rander und schüttelte dem Sergeant die Hand. »Und schöne Grüße an Leutnant Hastings!«

»Er wäre gern rausgekommen, aber er hat genug mit der Farmser zu tun«, erklärte McCullers grinsend. »Hoffentlich sieht man sich mal wieder, Parker?«

»Sollte es in Ihrem Dezernat Schwierigkeiten geben, genügt ein kurzer Anruf«, sagte Parker und lüftete zum Abschied würdevoll seine schwarze Melone. »Im Augenblick aber sind wir ausgebucht, wenn ich mich so ausdrücken darf.«

»Sie stürzen sich in den nächsten Fall?« fragte McCullers überrascht.

»Wir werden gestürzt«, erwiderte der Butler. »Man erwartet uns, Mr. Rander und meine bescheidene Wenigkeit, auf der ›Insel der Haie‹.«

»Wo ist denn das?« fragte McCullers verblüfft.

»Keine Ahnung«, schaltete sich Mike Rander ein. »Dieser Fall geht auf Parkers Konto. Und ich glaube schon jetzt, daß ich mal wieder unangenehme Stunden überstehen muß.«

»Worauf Sie sich, Sir, unbedingt verlassen können«, sagte Parker in seiner würdevollen, trockenen Art. »Ich glaube, Ihnen schon jetzt einige interessante Stunden versprechen zu können, zumal ich den unbedingten Eindruck habe, daß wir es mit fremden Geheimdiensten zu tun haben werden!«

- ENDE -

Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman

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