Читать книгу Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 39

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»Das dort ist sein Grab«, sagte der Angestellte und wischte sich seine groben, verarbeiteten Hände am Overall ab. »Viel ist noch nicht zu sehen. Aber kommen Sie mal in ein paar Wochen vorbei, dann steht die Kuppel. Dann werden Sie Augen machen!«

Parker nickte und wandte sich interessiert um.

Er stand auf dem Friedhof »Schattenhain« in Santa Monica. Ein Park hätte nicht besser gepflegt sein können. Es gab sattgrüne Rasenflächen, Trauerweiden, die eigentlich gar nicht traurig aussahen, Baumgruppen und viele Grabdenkmäler, die sich an pompösem Ausdruck zu übertreffen schienen.

»Wann wurde Mister Glenn Hastings beerdigt?« fragte Josuah Parker den Angestellten.

»Vor vier Wochen«, war die Antwort des biederen Mannes. »War übrigens 'ne miese Beerdigung.«

»Darf ich fragen, wie ich das verstehen soll?«

»Na ja, ich meine man so... Hastings war doch’n bekannter Bursche, oder etwa nicht? Und wer ging mit im Trauerzug? Ganze sechs Leutchen! Da kenn’ ich andere Begräbnisse!«

»War Mister Hastings tatsächlich so bekannt?« fragte Parker höflich.

»Na, hören Sie mal! Das war doch ’n Playboy, wie er im Buch steht. Von dem konnten Sie alle Tage in den Zeitungen lesen. Und dann die vielen Freundinnen, die der gehabt hat. Aber jetzt...!? Na, so enden wir ja alle mal.«

»Eine treffende Bemerkung«, sagte Parker, »und durchaus verständlich, daß Sie enttäuscht gewesen sein müssen. Nur sechs Trauergäste? Das war in der Tat nicht besonders viel.«

»Wo der doch mal die Millionen seines Alten erben sollte«, redete der Angestellte weiter. »Geld in jeder Menge. Und dann plötzlich dieser Sturm. Und schon ist es aus. Wenn Sie mich fragen, Sir, ich würd’ niemals 'raus aufs Meer gehen. Man sieht ja mal wieder, wie leicht man ertrinken kann.«

»Mister Hastings ertrank?«

»Und wie«, sagte der Totengräber fast begeistert, »hat Tage gedauert, bis die Küstenwache ihn gefunden hat. Muß ganz schön ausgesehen haben. Na, jetzt ist alles vorüber!«

»Nahmen Sie an der Beerdigung teil?« erkundigte sich Parker.

»Klar, ich hab doch den Katafalk gezogen! Wir hier vom Schattenhain waren in voller Besetzung dabei, aber dann nur diese sechs miesen Trauergäste. Wissen Sie, da hat die Atmosphäre gefehlt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Ich glaube, ich habe Sie verstanden«, meinte der Butler gemessen, »haben Sie später hier am Grab irgendwelche Trauernden bemerkt?«

»Doch...!«

»Um wen handelte es sich, wenn ich fragen darf?«

»Warum fragen Sie eigentlich?« kam die mißtrauische Antwort. »Ein Reporter sind Sie doch ganz sicher nicht.«

Während der Totengräber redete, schätzte er den Butler mit seinen Blicken ab. Er konnte sich auf die Erscheinung, die da vor ihm stand, keinen Reim machen. Er sah einen mittelgroßen, schlanken Mann, dessen Alter undefinierbar war. Und dieser Mann trug einen schwarzen zweireihigen Anzug, einen korrekt sitzenden Eckkragen mit schwarzer Krawatte und eine schwarze Melone. Über dem linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm, der aus einem Museum zu stammen schien.

»Mich führt ein allgemein menschliches Interesse hierher«, sagte Parker höflich.

»Ach so, jetzt geht mir ein Licht auf«, sagte der Totengräber, »Sie sind vom Beerdigungsinstitut, wie?«

»Ich möchte nicht unbedingt widersprechen«, erwiderte Parker.

»Das ist was anderes«, redete der Angestellte weiter, »um auf Ihre Frage zurückzukommen. Da war tatsächlich ein paar Tage später noch ’n Trauergast hier draußen.«

»Ich lausche mit Interesse«, erklärte Parker höflich.

»ne Frau war’s gewesen«, berichtete der Totengräber, »sah verdammt gut aus! Blond und so, Sie wissen, was ich meine. Die hab’ ich hierher geführt.«

»Wissen Sie zufällig, wie sie hieß?«

»Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß sie mir ’n fettes Trinkgeld gegeben hat Geben alle hier, wenn ich sie ’rausbringe!«

»Sie sollen auch von mir nicht enttäuscht werden«, beruhigte Parker den Totengräber. »Das Trinkgeld würde noch höher ausfallen, wenn ich den Namen dieser Frau erfahren könnte.«

»Soll das ’n Wort sein?« erkundigte sich der Totengräber.

»Sie können sich auf mich verlassen!«

»Na ja, wenn ich richtig liege, ist das die Susan Clearborn gewesen.«

»Aha...!« Mehr sagte Parker nicht, denn mit diesem Namen wußte er nichts anzufangen.

»Moment mal, Sie kennen die Clearborn nicht?« wunderte sich der Totengräber.

»Ich bedaure...!«

»Die is doch die Freundin von Hastings gewesen! Konnten Sie doch in jeder Zeitung nachlesen. Aber jetzt muß ich gehen. Wird Zeit für mich. Ich muß noch zwei Gräber ausheben. Bei uns is’ immer ’ne Menge zu tun!«

Parker reichte dem Totengräber das erwartete, fette Trinkgeld. Nachdem der Mann zwischen blühenden Sträuchern und Büschen verschwunden war, wandte sich auch der Butler ab und schritt würdevoll zurück zum Ausgang.

Sensationen hatte er sich von seinem Besuch hier auf dem Friedhof gewiß nicht versprochen. Dazu wußte er zu wenig. Er war jedoch froh, wenigstens von dieser Miß Susan Clearborn erfahren zu haben.

Parker kam an dichten Sträuchern vorbei, die den Blick hinüber zum Office des Friedhofes versperrten Er hatte diese Buschgruppe fast passiert, als er plötzlich knapp hinter sich das Geräusch von knirschendem Kies hörte.

Bevor Parker etwas unternehmen konnte, traf ihn ein heimtückischer, harter Schlag auf den Kopf, der ihm die Melone tief in die Stirn trieb. Parker sah sich genötigt, erst einmal in die Knie zu gehen. Dann rollte er seitlich ab und fiel auf den sattgrünen Rasen.

Er war natürlich nicht ohnmächtig. Nicht umsonst hatte er seine schwarze Melone mit Stahlblech ausfüttern lassen. Sie hatte die Wirkung des Schlages genommen und Parker vor Schaden bewahrt.

Parker blieb also mit geschlossenen Augen auf dem sattgrünen Rasen liegen und wartete erst einmal ab. Er wußte nicht, weshalb man ihn so plötzlich niedergeschlagen hatte. Er wußte nicht, was der Schläger von ihm wollte.

Parker spürte Hände auf seinem Jackett.

Die Finger tasteten sich schnell und geschickt an seine Brieftasche heran und zogen sie heraus.

Wenig später öffnete der Butler vorsichtig seine Augen. Er wollte schließlich wissen, mit wem er es zu tun hatte.

Nun, vor ihm stand ein sehr clever und hart aussehender Bursche von etwa dreißig Jahren, der einen hellen Sommeranzug trug. An seinem Handgelenk baumelte ein Totschläger an einer Lederschlaufe.

Dieser junge Mann hielt Parkers Brieftasche in der Hand und grinste versonnen vor sich hin. Er freute sich wohl noch nachträglich über den gelungenen Niederschlag.

Parker blieb regungslos liegen. Ihm kam es darauf an herauszufinden, ob der clevere junge Mann sich nun mit der Brieftasche davonmachte oder nicht. Schon daraus ließen sich ja bestimmte Schlüsse ziehen.

Der junge Mann blieb.

Er faltete die Brieftasche auseinander und - schrie plötzlich entsetzt auf.

Er ließ die Brieftasche fallen und tanzte auf dem linken Bein im Kreis herum. Er schlug die Hände vor sein Gesicht und bemühte sich, die tränenden Augen auszureiben. Damit machte er gewisse Dinge nur noch schlimmer. Er rieb sich mit Erfolg die Pfefferladung tiefer in die Augenhöhlen hinein. Er hatte ja nicht wissen können, daß Parkers Brieftasche mit einer gehörigen Portion Pfeffer gegen unbefugtes Öffnen gesichert war.

Parker erhob sich würdevoll und klopfte sich mit leichter Hand einige Gräser von seinem schwarzen Anzug herunter. Dann hob er die Brieftasche auf und wartete darauf, daß der junge Mann sich von seinem Schock erholte.

Der junge Mann hatte Pech.

Während seines Rundtanzes geriet er in die gefährliche Nähe eines recht dornigen Strauches. Bevor Parker warnend einschreiten konnte, steppte der Schläger zielsicher in diesen Strauch hinein.

Keuchendes Brüllen war die Reaktion.

Der junge Mann, der immer noch vor lauter Tränen nichts sehen konnte, arbeitete sich mühsam aus dem Strauch hervor und blieb dann japsend und nach Luft schnappend stehen. Er getraute sich nicht mehr, auch nur noch einen einzigen Schritt zu tun.

»Sie sollten das unnötige Reiben der Augen auf jeden Fall aufgeben und einstellen«, meinte Parker schließlich, »meiner bescheidenen Schätzung nach müßten Sie jetzt wieder sehen können. Ich würde es an Ihrer Stelle auf einen ersten, schüchternen Versuch ankommen lassen.«

Der junge Schläger hielt sich an den Ratschlag.

Zuerst öffnete er das linke, dann das rechte Auge. Aus rot entzündeten Augen starrte er den Butler an, der steif und würdevoll vor ihm stand und zustimmend nickte.

»Lassen Sie sich das eine kleine Lehre sein«, meinte Parker, »es gehört sich einfach nicht, Brieftaschen ohne Erlaubnis aus fremden Taschen zu ziehen.«

»Mann, was war das?« stöhnte der Schläger. Dicke Krokodilstränen rollten über seine Wangen.

»Ordinärer schwarzer Küchenpfeffer«, erläuterte der Butler, »übrigens eine ausgesuchte Qualität, wie Sie vielleicht inzwischen festgestellt haben.«

»Verdammter Gauner...!« brüllte der junge Mann. Dann griff er den Butler übergangslos an. Er hatte die feste Absicht, noch einmal mit seinem Totschläger zuzulangen. Er holte weit aus und schlug dann zu, zumal Parker sich nicht vom Fleck weggerührt hatte.

Der junge Mann erlebte seine zweite Niederlage.

Bevor der Totschläger sein Ziel erreichen konnte, schob der Butler den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms unter das Armgelenk des jungen Mannes.

Der Schläger brüllte auf.

Er hatte das Gefühl, als sei sein Arm in Stücke zerbrochen worden. Er fiel auf die Knie und ließ einen zweiten Weinkrampf über sich ergehen.

»Ich muß feststellen, daß Ihre Erziehung große Lücken aufweist«, tadelte der Butler, »wie ein Taschendieb sehen Sie nicht aus. Ein durchschnittlicher Wegelagerer sind Sie gewiß auch nicht. Wer gab Ihnen den Auftrag, meine Brieftasche zu durchsuchen? Sollte man Sie beauftragt haben, meine Identität festzustellen?«

Der junge Mann stöhnte und rieb sich vorsichtig den schmerzenden Arm.

»Einige kühle Umschläge werden genügen, um Sie wieder in Form zu bringen«, sagte Parker, »richten Sie Ihrem Auftraggeber aus, daß ich Überfälle nicht sonderlich schätzen.«

»Dir zahlen wir’s noch heim!« drohte der heulende junge Mann. »Dich nehmen wir noch auseinander.«

Parker, an Drohungen dieser und ähnlicher Art hinreichend gewöhnt, kümmerte sich nicht weiter um den Burschen. Er legte den Griff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm und schritt von dannen.

Ungehindert erreichte er den Ausgang des Friedhofes und wechselte hinüber zu seinem hochbeinigen Monstrum, das auf dem Parkplatz stand. Er setzte sich ans Steuer seines recht ungewöhnlichen Privatwagens und fuhr davon.

Doch er bog schon in die erste Querstraße ein, wendete und beobachtete dann die Zufahrtsstraße zum Friedhof »Schattenhain«. Er wollte herausbekommen, wer ihn hatte niederschlagen und berauben wollen.

Lange brauchte er nicht zu warten.

Ein Ford tauchte auf und rollte langsam über die Hauptstraße. Am Steuer erkannte Parker den jungen Schläger, der sich während der Fahrt immer wieder die Augen wischte und sie mit einem Taschentuch austrocknete. Der ordinäre schwarze Küchenpfeffer schien noch immer zu wirken.

Der Butler prägte sich das Kennzeichen des Wagens genau ein. Es beruhigte ihn zu sehen, daß der Ford hier in Los Angeles registriert war. Das vereinfachte die weiteren Ermittlungen.

Minuten später, als er sicher sein konnte, daß der Ford auf der großen Durchgangsstraße war, verließ Parker die Seitenstraße und rollte würdevoll zurück zu seinem Hotel, ohne sich dabei um die teils entsetzten, teils amüsierten Blicke zu kümmern, die seinem Privatwagen galten.

*

»Wo haben Sie so lange gesteckt?« erkundigte sich Mike Rander, nachdem der Butler das geräumige Hotelzimmer betreten hatte. »Es wird langsam Zeit für uns. Die Maschine geht in einer guten Stunde. Sie wollen ja schließlich noch Ihr Monstrum verladen lassen, oder?«

»Ich habe mir die Freiheit genommen, Sir, den Friedhof Schattenhain zu besuchen.«

Mike Rander, der hinter dem Schreibtisch stand und einige Akten sortierte, sah ruckartig hoch.

»Sie waren auf einem Friedhof?« fragte er dann überrascht.

»In der Tat, Sir. Ich besuchte das Grab von Mister Glenn Hastings.«

»Ich begreife!« Mike Rander sah seinen Butler kopfschüttelnd an. »Sie rechnen also immer noch damit, daß ich diesen Fall übernehme, wie?«

»Noch ist es kein Fall, Sir, wenn ich mir diesen bescheidenen Hinweis erlauben darf.«

»Stimmt haargenau, Parker. Und darum werden wir Los Angeles auch verlassen. Richard Hastings muß sich damit abfinden, daß sein Sohn nicht mehr lebt. Sinnlos, nach Rätseln zu suchen. Ich habe mir die Geschichte von ihm genau erzählen lassen.«

»Glenn Richard ertrank auf See, wenn ich recht verstanden habe, Sir.«

»Richtig, Parker. Er geriet mit seiner Motorjacht in einen plötzlichen Sturm. Das Boot kenterte, und Glenn Hastings ertrank. Er wurde nach Tagen erst gefunden und dann beigesetzt Was soll daran schon sensationell oder rätselhaft sein?«

»Mister Richard Hastings vermutet jedoch ein Verbrechen, Sir.«

»Ein Hirngespinst, weiter nichts...! Glenn Hastings war der typische Playboy, der auf Kosten seines Vaters lebte. Und das noch nicht einmal schlecht. Wieso sollte dieser Playboy einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein? Und das ausgerechnet auf hoher See? Nein, nein, Parker, die Sache ist klar für mich. Ein Vater will und kann sich mit dem Tod seines einzigen Sohnes einfach nicht abfinden. Das ist der einzige Grund, warum Richard Hastings ein Verbrechen vermutet Die Natur kann er schlecht anklagen, also sucht er nach einem Schuldigen, der für ihn greifbar ist.«

»Darf ich Ihnen ein kleines Erlebnis erzählen, Sir?«

»Erlebnis? Soll das heißen, daß Sie schon wieder was erlebt haben, Parker?«

Der Butler nickte und nahm sich die Freiheit, von dem Zwischenfall auf dem Friedhof zu berichten.

Mike Rander hörte schweigend und fast desinteressiert zu. Er nahm sich noch nicht einmal die Mühe, dieses Desinteresse zu verbergen. Er wollte einfach nicht in einen neuen Kriminalfall hineingezogen werden. Schließlich war er Anwalt und Strafverteidiger in Chikago. Dort gab es genug für ihn zu tun.

Es war ein reiner Zufall, daß er mit Richard Hastings, dem Vater des ertrunkenen Glenn Hastings, zusammengetroffen war. Mike Rander hatte im Rahmen einer juristischen Beratung für einen Ölaufsichtsrat seinen alten Klienten Richard Hastings wiedergetroffen. Und war dann gleich mit der wirklich tragischen Geschichte von und um Glenn Hastings’ Tod konfrontiert worden.

»Ich würde also zu behaupten wagen, Sir, daß dieser junge Schläger nur den Auftrag hatte, meine Identität festzustellen«, schloß der Butler in diesem Moment seine Geschichte.

»Ihrer Ansicht nach stand der Bursche also seit Tagen auf dem Friedhof und wartete darauf, daß sich irgendein Besucher das Grab von Glenn Hastings zeigen ließ«, spottete Mike Rander und schüttelte ungläubig den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, Parker, dann sind Sie an einen Ganoven geraten, der sich auf Friedhöfe spezialisiert hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!«

»Darf ich fragen, Sir, warum der junge Mann nach dem Diebstahl der Brieftasche nicht sofort die Flucht ergriffen hat, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre?«

»Sie hatten doch Zeit und Gelegenheit, den jungen Mann danach zu fragen«, gab der Anwalt ironisch zurück. »Es bleibt dabei, Parker, wir fliegen in einer Stunde. Sorgen Sie für Ihr Gepäck! Diesmal lasse ich mich nicht umstimmen!«

Parker verbeugte sich und verließ das Zimmer seines jungen Herrn. Mike Rander sah seinem Butler wieder einmal kopfschüttelnd nach. Es war schon ein Kreuz mit diesem Parker! Überall witterte sein Butler Kriminalfälle. Und erstaunlicherweise trog ihn kaum sein Gefühl. Parker schien die Kriminalfälle magnetisch an sich zu ziehen. Sie schienen nur darauf zu warten, von ihm geklärt zu werden.

Mike Rander wollte sich gerade wieder seinem Aktenkoffer widmen, als sich das Telefon auf dem Schreibtisch meldete. Er hob ab und meldete sich.

»Verschwinde, Junge«, sagte eine gedämpfte und verzerrte Stimme, die weder drohend noch verbindlich klang, »stochere nicht in alten Geschichten herum, verschwinde! Und zwar auf dem schnellsten Weg, sonst wird es dir leid tun, Los Angeles je gesehen zu haben!«

»Hallo, mit wem spreche ich?« fragte Mike Rander.

Statt einer Antwort hörte er nur ein feines Klicken in der Leitung, ein Zeichen dafür, daß die Gegenseite bereits aufgelegt hatte.

Rander legte auf.

Dann, nach kurzem Nachdenken, ging er auf Zehenspitzen zur Badezimmertür und öffnete sie. Er schlich sich an die nächste Tür heran und drückte sie vorsichtig auf. Das Badezimmer trennte die beiden Räume von Mike Rander und Josuah Parker.

Josuah Parker stand neben dem kleinen Schreibtisch in seinem Hotelzimmer und wandte ihm den Rücken zu. Er konnte nicht sehen, daß sein junger Herr ihn beobachtete.

»Würden Sie die Güte haben, mir zu sagen, mit wem ich spreche?« äußerte der Butler gerade würdevoll in die Sprechmuschel. »Sie werden verstehen, daß ich Ihre Drohungen ignorieren muß...!«

Die Gegenseite schien aufgelegt zu haben, denn Parker schüttelte den Hörer, um ihn dann zurück in die Gabel zu legen. Dann drehte er sich langsam um und... blieb stocksteif stehen, als er sich seinem jungen Herrn gegenüber sah.

»Sie müssen mein Klopfen überhört haben«, entschuldigte sich Mike Rander.

»Ich erhielt gerade einen ungewöhnlichen und zugleich auch anonymen Anruf«, sagte Josuah Parker. »Ein Unbekannter drohte massiv und riet meiner bescheidenen Wenigkeit, Los Angeles auf dem schnellsten Weg zu verlassen. Er verbat sich überdies das Herumstochern in fremden Angelegenheiten, wie er sich auszudrücken beliebte.«

»Wie sich die Bilder gleichen«, meinte Anwalt Rander verdutzt, »diesen Anruf habe ich eben auch bekommen!«

Worüber Parker sich auf keinen Fall wunderte, war er doch der Anrufer gewesen. Und die Komödie, die er seinem jungen Herrn gerade vorgespielt hatte, diente auch nur dem einen Zweck, Mike Rander für den neuen Kriminalfall zu interessieren.

Parker stellte sein hochbeiniges Monstrum vor dem verkommen aussehenden Hotel ab und sah sich interessiert in der Runde um.

Er befand sich im Stadtteil Venice, einstmals ein riesiger Vergnügungspark, der jetzt dem Verfall preisgegeben war. In früheren Jahren hatte hier einmal ein Millionär riesige Gelder investiert und eine Art zweites Venedig am Pazifik erbauen lassen. Davon zeugten noch kleine Kanäle, Seufzerbrücken und Dogenpaläste, die jetzt in Apartmenthäuser oder Hotels umgewandelt worden waren. Hier in Venice hatte sich die protestierende Jugend aller Altersklassen zurückgezogen und schrieb flammende Verse gegen alles. Hier hatte sich aber auch das Verbrechen in reinster Form eingenistet. Eine Tatsache, die Parker bald am eigenen Leib erfahren sollte.

Der Butler hatte sich auf dem Umweg über die Zulassungsstelle für Kraftwagen die Adresse des jungen Schlägers besorgt. Für ihn eine Kleinigkeit. Anhand des Nummernschildes wußte er jetzt, wo dieser Schläger zu finden war.

Parker betrat die Reception des kleinen Hotels und erkundigte sich bei dem gerissen aussehenden Portier nach einem gewissen Mark Evans.

»Evans...?« fragte der Portier zurück, »soll der hier bei uns wohnen?«

»Können Sie das möglicherweise nicht besser beurteilen als ich?« gab der Butler zurück.

»Mal nachsehen!« brummte der Portier, »ich bin noch neu hier! Kennen Sie ihn?«

»Ich warte auf die Zimmernummer«, sagte Parker würdevoll. Gleichzeitig maß er den Mann hinter der Theke mit einem unterkühlten Blick. Dann fügte er hinzu: »Mister Evans wird es nicht sonderlich schätzen, wenn man mich warten läßt.«

Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman

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