Читать книгу Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 36

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»Die Lage erinnert mich verteufelt an einen James-Bond-Film«, sagte Stew Criswood. »Ich dachte, so etwas könnten nur Drehbuchautoren ausbrüten.«

Criswood, ein beleibter, gutmütig und durchschnittlich aussehender Mann von etwa fünfzig Jahren wanderte nachdenklich durch das große Hotelzimmer und blieb dann vor dem breiten, niedrigen Fenster stehen. Für einen kurzen Moment sah er hinunter auf den Strand von Miami, auf dem der nachmittägliche Korso der Badegäste bereits begonnen hatte.

»Calderhan wird die Drehbuchautoren noch in den Schatten stellen«, warf Anwalt Mike Rander ein. Er saß in einem tiefen, bequemen Sessel und rauchte eine Zigarette. »Er hat schließlich das ideale Druckmittel in der Hand. Er kann verlangen, was er will!«

»Was er bereits getan hat.« Stew Criswood tippte auf ein Schreiben, das er in der rechten Hand hielt. »Er verlangt vorerst nicht mehr und nicht weniger als eine Million Dollar in großen Scheinen! Was sagen Sie dazu, Rander?«

»Was sagen Sie dazu, Parker?« gab Mike Rander die Frage weiter und wandte sich an seinen Butler, der stocksteif seitlich hinter dem Sessel stand, in dem sein junger Herr saß.

»Eine äußerst bescheidene Forderung«, stellte Josuah Parker in seiner sattsam bekannten, zurückhaltenden Art fest. »Ich hätte, um ehrlich zu sein, erheblich mehr erwartet.«

»Aber das ist doch erst der Anfang«, brauste Stew Criswood auf. »Calderhan will testen, wie wir uns verhalten. Er will Erfahrungen sammeln. Und dann zieht er mit Sicherheit die Schraube an.«

»Das steht allerdings zu erwarten, Sir«, sagte Josuah Parker. »Mister Calderhan dürfte genau wissen, wo der schwache Punkt seines Plans liegt.«

»Und der wäre...?« Mike Rander wandte sich erwartungsvoll zu seinem Butler um.

Josuah Parker hatte sich seit seiner Abenteuer auf der »Insel der Haie« nicht verändert. Nach wie vor schwarz gekleidet, schien er noch würdevoller und zurückhaltender zu wirken. Trotz des vollklimatisierten Hotelzimmers verströmte er eine gewisse Kühle, die zwar nicht wie der sprichwörtliche Eiseshauch wirkte, aber doch eine fühlbare Distanz schuf.

»Mister Calderhan muß die verlangte Summe früher oder später in Empfang nehmen«, führte der Butler weiter aus. »Er muß sich irgendeinen Weg ausdenken, der für ihn gefahrlos ist. Schließlich muß er damit rechnen, daß man ihm eine Falle stellt.«

»Worauf Sie sich verlassen können«, schnaubte Criswood. »Wobei noch nicht einmal feststeht, ob er das Geld bekommt.«

»Ich fürchte, Sir, Sie werden zahlen müssen«, redete der Butler gemessen und würdevoll weiter. »Sie wissen, daß er immerhin über ein Artilleriegeschoß verfügt, dessen Ladung aus einem Atomsprengsatz besteht.«

»Wissen wir das wirklich mit letzter Sicherheit?« meinte Stew Criswood.

»Wir wissen immerhin, daß er eines der vier Geschosse von der Insel runtergeschafft hat«, erklärte Mike Rander und stand auf. »Drei der vier gestohlenen A-Geschosse wurden sichergestellt, das vierte ist zusammen mit Calderhan verschwunden.«

»Es konnte sich immerhin um einen groß angelegten Bluff handeln«, warf Criswood ein.

»Ob Bluff oder nicht, Criswood, wollen Sie das Risiko eingehen, daß Calderhan das Geschoß zündet. Es kann sich überall hier in den Staaten befinden. Es ist mit Leichtigkeit in einem großen Schrankkoffer unterzubringen. Es kann völlig unauffällig transportiert werden.«

»Ich weiß, ich weiß...« CIA-Agent Criswood nickte langsam. »Wir haben uns im Hauptquartier ausgiebig darüber unterhalten. Wir gehen von der Annahme aus, daß Calderhan das A-Geschoß besitzt.«

»Dann werden Sie auch zahlen müssen«, meinte Anwalt Rander. »Ob Ihnen das paßt oder nicht, Criswood, Sie werden zahlen müssen! Und Sie können noch froh sein, wenn Calderhan seine Erpressung nicht an die große Glocke hängt.«

»Wie soll ich das verstehen?« Criswood sah den Anwalt abwartend und prüfend zugleich an.

»Angenommen, diese Erpressung macht Schlagzeilen, angenommen, sie geht über Funk und Fernsehen. Können Sie sich vorstellen, was dann in den Staaten los sein wird?«

»Und ob ich mir das vorstellen kann«, gab Criswood mit leiser Stimme zurück. »Die Menschen werden verrückt spielen. Wir müssen dann mit einer Massenpanik rechnen...!«

»Sie drücken sich noch verdammt vorsichtig aus«, erwiderte Mike Rander. Dann fügte er leise und bedrückt hinzu: »Ich möchte nicht in der Haut der Regierung stecken!«

»Da wir gerade von der Regierung sprechen«, sagte Criswood, diesen Hinweis aufnehmend. »Sie wissen, weshalb ich Sie besucht habe, nicht wahr?«

»Parker und ich können es uns ungefähr vorstellen, Criswood.«

»Wir möchten Sie noch einmal einschalten«, redete Criswood weiter. Und plötzlich war er mehr als nur ein gemütlich aussehender, beleibter Mann von fünfzig Jahren. »Sie haben damals auf der ›Insel der Haie‹ drei der vier A-Geschosse sichergestellt. Vielleicht gelingt es Ihnen, auch das vierte Geschoß zu finden. Von Calderhan einmal zu schweigen.«

»Was meinen Sie, Parker?« fragte Rander, sich an seinen Butler wendend.

»Eine reizvolle Aufgabe.« Josuah Parker nickte würdevoll wie ein amtierender Lordrichter.

»Sie bekommen von uns selbstverständlich jede gewünschte Hilfestellung«, redete Criswood hastig weiter. »Sie können anfordern, was Sie wollen.«

»Haben wir besondere Wunsche?« frage Rander seinen Butler.

»Wohl kaum, Sir«, gab Josuah Parker zurück. »Mich interessiert allerdings ein Gespräch mit jenen beiden Gangstern, die mit Calderhan eng zusammenarbeiteten und die ich auf der »Insel der Haie‹ aus dem Verkehr ziehen konnte.«

»Ich verstehe, Sie meinen Andy und Clem, nicht wahr?«

»Mich interessiert nur dieser Andy«, gab der Butler zurück. »Bei ihm handelt es sich um die Primitivausgabe eines Menschen, bei dem noch einiges zu erreichen sein dürfte.«

»Sie können sofort über ihn verfügen«, erklärte Criswood, »aber machen Sie sich nicht zu große Hoffnungen, Parker, Andy und Clem schweigen wie die Austern. Sie haben bisher nichts ausgesagt.«

»Ich werde versuchen, ausgesprochen menschlich mit Andy zu reden«, gab der Butler zurück.

»Ich werde ihn nach... nun ja, wo wollen Sie ihn sprechen? Zur Zeit sitzt er in Washington.«

»Ich würde ihn gern hier in Miami sprechen, Sir.«

»Leite ich sofort in die Wege.« Criswood sah den Butler einen Augenblick nachdenklich an. Dann fügte er hinzu: »Glauben Sie, daß Calderhan sich hier in der Gegend befindet?«

»Möglicherweise bekomme ich von Andy einen kleinen Hinweis«, sagte Parker. »Möglicherweise läßt aber auch Mister Larry Calderhan die Katze aus dem sprichwörtlichen Sack...!«

Tony Sherman, vierschrötig, fleischig und mit dem Aussehen einer stets gereizten Bulldogge, residierte In einem geräumigen Bungalow nördlich von Miami.

Er konnte es sich leisten, in dieser teuren Gegend zu wohnen. Er verfügte über ein sehr gut gefülltes Bankkonto und wußte, daß es sich Woche um Woche vergrößerte.

Tony Sherman war der Besitzer einiger hervorragend florierender Nachtklubs entlang der Küste. Doch damit nicht genug. In diesen Nachtklubs handelten seine Angestellten mit Narkotika aller Art. Mit anderen Worten, Sherman arbeitet im Grund in der Rauchgiftbranche und hatte es verstanden, der Polizei aus dem Weg zu gehen.

Auch sonst war er nicht besonders zartfühlend. Er nahm an dunklen und illegalen Geschäften mit, was sich ihm anbot. Er entwickelte dabei die erforderliche Brutalität und Geschicklichkeit. Er selbst machte sich natürlich längst nicht mehr die Hände schmutzig. Dazu hatte er seine Leute. Gute Leute, die sich beeilten, seine Wünsche und Befehle sofort in die Tat umzusetzen. Sie wußten aus Erfahrung, daß Sherman nicht lange fackelte, wenn man ihm widersprach.

Sherman kam an diesem frühen Nachmittag von seiner starken Motorjacht und schlenderte auf seinen kurzen stämmigen und leicht gebogenen Beinen über den Bootssteg auf den großen Garten zu.

In seinem Gefolge befanden sich einige attraktive weibliche Gäste, einige stämmige Männer, die zu seiner Leibwache gehörten und ein kleiner, vertrocknet aussehender, magerer Mann von etwa vierzig Jahren.

Dieser Mann hieß Ernie Claddon. Er war mehr als nur der Privatsekretär von Sherman. Er war dessen Finanzberater und Ideenlieferant. Claddon war seinem Chef hündisch ergeben. Glaubte wenigstens Tony Sherman. Und bisher hatte er keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln.

Sherman und Claddon, die inzwischen den Bootssteg hinter sich gebracht hatten, blieben stehen, als ihnen ein junger gutgekleideter Mann fast entgegenrannte. Keuchend und nach Luft schnappend, blieb er vor seinem Chef stehen.

»Was ist, Benson?« fragte Sherman. Er witterte irgendeine unangenehme Überraschung. Und da er solche Überraschungen keineswegs liebte, war er bereits wieder gereizt.

»Calderhan ist in der Stadt«, meldete Benson. »Ich habe ihn vor einer halben Stunde im City-Hotel gesehen.«

»Calderhan?« Sherman drehte sich halb zu Claddon um, der bereits die Ohren spitzte.

»Irrtum ausgeschlossen, Chef«, berichtete Benson weiter. »Er läuft ungeniert herum. Er hat sich sogar mit seinem richten Namen eingetragen!«

»Calderhan also... Was will er?« fragte Sherman, sich an seinen Ideenlieferanten wendend.

»Wenn er auftaucht, gibt es bestimmt Stunk, Chef«, antwortete Claddon. »Denken Sie an die Geschichte in New York...!«

»Aber wieso taucht er hier unter seinem Namen auf? Verdammt, er wird doch schließlich von der Polizei gesucht? Ob er verrückt geworden ist?«

»Calderhan bestimmt nicht, Chef«, sagte Claddon. »Er muß seine Gründe haben.«

»Finden Sie die heraus, Claddon«, knurrte Sherman. »Wenn er mir in Florida die Tour vermasseln will, kann er sich auf was gefaßt machen.«

»Vielleicht spitzelt er für die Polizei«, deutete Claddon an.

»Das könnte allerdings sein. Er soll mich provozieren. Ich soll zuschlagen. Und die Polizei braucht dann nur noch zuzuschnappen. Das könnte es sein!«

»Man dürfte ihm keine Zeit dazu lassen, Chef«, sagte Claddon. »Es gibt genug Mittel, einen Mann wie Calderhan unauffällig abzuservieren.«

»Vielleicht wartet das FBI nur darauf, daß wir so etwas versuchen«, überlegte Sherman laut. Er konnte sich das leisten, da seine weiblichen Gäste bereits hinüber zum Bungalow gingen. »Nein, Claddon, vorerst unternehmen wir mal nichts. Erst mal abwarten. Calderhan soll den ersten Zug tun!«

»Aber man könnte doch der Polizei einen Hinweis geben, daß Calderhan im Lande ist!«

»Gut, kann nicht schaden, Claddon. An der Reaktion können wir dann ablesen, wie es um ihn steht. War da nicht irgendeine dicke Geschichte mit ihm?«

»Man munkelt, daß er Ärger mit der Polizei gehabt haben soll. Einzelheiten weiß ich nicht, aber um die werde ich mich jetzt kümmern, Chef.«

»Noch einmal, Claddon, vorsichtig und nur unter der Hand! Ärger mit dem FBI kann und will ich mir nicht leisten. Und Sie, Benson, werden sich ab sofort um Calderhan kümmern. Er muß ununterbrochen überwacht werden. Nehmen Sie das in die Hand! Ich verlange eingehende Berichte, klar?«

»Klar, Chef, habe ich bereits eingefädelt. Calderhan steht bereits unter Beobachtung.«

»Bestens, Benson!« Sherman grinste anerkennend. »Wollen doch mal sehen, was dieser verdammte Gauner in der Pfanne hat!«

*

Parker, der sein Hotelzimmer verlassen hatte, bestieg den Lift und fuhr hinunter in die Halle des City-Hotels. Mike Rander und er waren dort abgestiegen. In Randers Hotelzimmer hatten sie vor etwa einer halben Stunde mit Stew Criswood vom CIA konferiert.

Parker wollte seinen jungen Herrn aus der Hotelbar abholen. Als er die Bar betrat und sich suchend umschaute, erstarrte sein Gesicht. Er wußte sofort, daß er sich nicht getäuscht hatte. Dort an der Bar saß Larry Calderhan, jener Gangster also, der das vierte A-Geschoß von der »Insel der Haie« weggeschafft hatte.

Calderhan schien sich in seiner Haut ausgesprochen wohl zu fühlen. Er verschenkte sein strahlendes Lächeln an eine junge Blondine, die neben ihm auf einem Barhocker saß. Calderhan wirkte, wie damals auf der Insel, elegant und sympathisch. Er war der nette, wohlerzogene, große Junge aus bestem Haus.

Parker ging steif und würdevoll auf Calderhan zu, blieb hinter dessen Barhocker stehen und räusperte sich unüberhörbar.

Calderhan drehte sich langsam um.

Dann lächelte und nickte er Parker freundlich zu.

»Ich freue mich, Sie zu sehen«, sagte er dann. »Wie geht es Ihnen, Parker? Alles in Ordnung?«

Parker war versucht, für einen kurzen Moment seine gute Erziehung und seine Selbstbeherrschung über Bord zu werfen. Calderhan war schließlich ein Mörder!

»Hat’s Ihnen endlich mal die Sprache verschlagen?« fragte Calderhan lächelnd weiter.

»Ich denke gerade darüber nach, mit welchen Ausdrücken negativer Art man Sie belegen könnte und müßte«, erwiderte der Butler in seiner unnachahmlichen Art. »Aber wahrscheinlich wären Sie damit noch nicht einmal zu beleidigen, nicht wahr?«

»Kaum«, gab Calderhan zurück. »Ich habe hier übrigens auf Sie gewartet.«

»Sie wollen doch nicht etwa mit mir sprechen, oder?«

»Genau das, Parker. Weshalb bin ich wohl nach Miami gekommen?«

»Ich schlage vor, wir setzen uns dort in jene Nische«, meinte Parker und wandte sich sofort ab. Er war sicher, daß Calderhan ihm sofort folgte.

Parker fragte sich, was diese Frechheit des Gangsters wohl bedeuten konnte. Woher nahm Calderhan den Mut, sich hier in aller Öffentlichkeit zu zeigen? War er allein gekommen? Hatte er hier in der Bar seine Männer verteilt?

Calderhan nahm lächelnd in der Nische Platz und zündete sich eine Zigarette an.

»Sie wundern sich natürlich, was ich hier in Miami will, nicht wahr?« begann er.

»Sie werden immerhin vom FBI und von der CIA gesucht«, gab der Butler zurück.

»Die Herrschaften können mich ohne weiteres suchen und auch finden«, meinte Calderhan gelassen und selbstsicher. »Und wenn sie es nicht schnell genug schaffen, werde ich mich sogar freiwillig bei diesen Leuten melden und in Erinnerung bringen.«

»Welches Spiel spielen Sie, Mister Calderhan?« erkundigte sich Josuah Parker. »Ich darf doch nicht annehmen, daß Sie die Million Dollar abholen wollen?«

»Aha, das hat sich also bereits bis zu Ihnen herumgesprochen, wie? »Calderhan schmunzelte. »Stehen Sie noch immer mit der CIA in Verbindung?«

»Würde Ihnen das helfen?«

»Vielleicht, Parker. Ahnen Sie nicht, weshalb ich aufgetaucht bin?«

»Inzwischen ja«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich, darf wohl unterstellen, daß Sie sich im Schutz des A-Geschosses äußerst sicher fühlen, nicht wahr?«

»Jetzt treffen Sie endlich den Nagel auf den Kopf«, erwiderte Calderhan. »Mir kann nämlich nichts, aber auch gar nichts passieren, Parker! Hoffentlich spricht sich das schnell genug herum.«

»Würden Sie sich unter Umständen etwas deutlicher ausdrücken?«

»Na schön... Ich bin ja an der richtigen Adresse, Parker. Also, ich besitze dieses A-Geschoß nach wie vor. Sie wissen genau, welcher verdammte Sprengstoff in diesem Ding steckt. Schön... Das Ding ist gut verwahrt, aber die Bombe tickt, wenn ich mich so ausdrücken soll! Mit anderen Worten, sie wird hochgehen, wenn man meine Bedingungen nicht erfüllt!«

»Was hätten Sie dann davon?« fragte Parker. »Sie können das A-Geschoß nur ein einziges Mal hochgehenlassen.«

»Richtig, Parker, aber darauf wird man es nicht ankommen lassen, verstehen Sie? Man kann sich das nicht leisten! Man weiß doch genau, was dann passiert. Stellen Sie sich vor, ich hätte das Geschoß irgendwo in New York versteckt. Oder in Chikago von mir aus auch in Frisco oder in Los Angeles. Eine Katastrophe, wenn die Ladung zünden würde, oder?«

Parker antwortete nicht sofort.

Er hatte schließlich sehr schnell begriffen. Im Gegensatz zu seinen Behauptungen gab es keinen schwachen Punkt in den Berechnungen Calderhans. Er brauchte sich überhaupt nichts einfallen zu lassen, um an das verlangte Geld zu kommen. Er konnte es ganz frei und ungeschoren abkassieren.

»Ich sehe Ihnen an, daß Sie begriffen haben«, ließ Calderhan sich vernehmen und lächelte wieder in seiner so gefährlich-sympathischen Art. »Ich allein weiß, wo das A-Geschoß steckt. Und ich allein kann dafür sorgen, daß der Zeitzünder nicht losgeht. Man wird sich nach meinen Wünschen richten müssen!«

»Mir scheint, Sie bluffen...«

»Selbst wenn ich bluffe, Parker, restlos sicher werden Sie niemals sein. Ich wiederhole es noch einmal, der Zeitzünder tickt ununterbrochen. Wenn ich ihn nicht anhalte, oder verstelle, wird das Ding hochgehen. Wann und wo? Naja, das ist schließlich mein Trumpf, den ich niemals aus der Hand geben werde.«

»Sie spielen ein verflixt gefährliches Spiel, Mister Calderhan!«

»Das beste Spiel, das ich jemals spielte«, meinte Calderhan und strahlte den Butler siegessicher an. »Aber da wir bereits miteinander reden, Parker. Sie haben ja einen Direktdraht zum CIA: Hören Sie sich sofort an, welche Forderungen ich noch anmelde!«

»Ich höre...«

»Ich verlange selbstverständlich nicht nur eine Million Dollar, Parker. Verzehnfachen Sie diese Summe, dann hört’s sich schon besser an! Mehr will ich dann nicht! Zusätzlich verlange ich vom höchsten Bundesgericht eine Strafaussetzung auf Lebenszeit! Ich möchte das Geld nämlich in aller Ruhe genießen. Hinzu kommt Steuerfreiheit und die Garantie, daß man mich nicht durch die Presse zerrt. Das alles muß ganz sicher und ruhig über die Bühne gehen!«

»Angenommen, man geht auf Ihre Forderungen ein, Mister Calderhan. Was wird dann mit dem A-Geschoß geschehen? Werden Sie es dann ausliefern?«

»Halten Sie mich für verrückt?« sagte Calderhan auflachend. »Dieses Ding bleibt in seinem Versteck! Ich brauche ja schließlich eine Rückversicherung. Für den Fall nämlich, daß man mich übers Ohr hauen will. Noch einmal, halten Sie mich für verrückt?«

»Schlicht gesagt, ja!« gab Parker höflich und wohlerzogen zurück, »aber meine Ansicht dürfte im Moment nicht zur Debatte stehen!«

*

»Wo steckt er jetzt?« fragte Stew Criswood eine knappe Viertelstunde später, nachdem er, von Parker alarmiert, das Hotel betreten hatte.

»Drüben in der Hotelbar, Sir«, antwortete Parker gemessen. Dann informierte er erstaunlich knapp und ohne jede Umschweife den Mann der CIA.

Criswood hörte schweigend zu.

Er sah und hörte nichts von dem Betrieb in der großen Hotelhalle, in der sie sich befanden. Er las aber Parker förmlich die einzelnen Worte vom Mund.

»Was halten Sie von dieser Geschichte?« fragte er, als Parker geendet hatte. »Bluff oder Wahrheit?«

»So lange wir Calderhan diesen Bluff nicht nachweisen können, Sir, müssen wir damit rechnen, daß er die Wahrheit gesagt hat«, antwortete der Butler.

»Ist wohl anzunehmen«, erwiderte Criswood. »Gut, ich werde mit Calderhan reden. Vielleicht bekomme ich noch weitere Details aus ihm heraus! Wo steckt Mister Rander?«

»Ich erwarte ihn in der Bar«, gab der Butler zurück, »ich werde mir jedoch erlauben, ihn hier in der Hotelhalle abzufangen.«

Stew Criswood ging und verschwand in der angrenzenden Hotelbar. Parker ging gemessen durch die Halle hinaus zum Portal und baute sich seitlich neben dem Eingang auf.

Endlich hatte er Zeit, sich Calderhans Worte und Bedingungen noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Und er mußte sich eingestehen, daß die Verhandlungsposition des Gangsters ungemein stark war.

Er hatte das A-Geschoß angeblich in irgendeiner Großstadt der Staaten untergebracht und versteckt. Er hatte dieses Geschoß angeblich mit einem Zeitzünder versehen. Calderhan allein wußte, wann der Zeitzünder diese Ladung zur Detonation brachte.

Mit diesem Druckmittel in der Hand konnte Calderhan jede beliebige Erpressung riskieren. Er konnte ja als sicher unterstellen, daß die Behörden von der Existenz dieses, A-Geschosses wußten.

Welche Druckmittel hatte Calderhan schon zu befürchten?

Gut, man konnte ihn festnehmen. Aber was dann? Calderhan brauchte nur zu schweigen. Und brauchte dann nur darauf zu warten, bis das A-Geschoß durch den Zeitzünder in die Luft gejagt wurde. Er konnte davon ausgehen, daß die Behörden dieses Risiko niemals eingingen.

Wie aber konnte man diesem Gangster beikommen? Ob er verrückt war oder nicht, spielte überhaupt keine Rolle. Es kam nur auf seine Position an, auf sie allein.

Parker, sonst durchaus erfinderisch und anpassungsfähig, zermarterte sich den Kopf, doch die rettende Eingebung wollte sich nicht einstellen. Ja, Parker stellte an sich fast so etwas wie eine Gedankenlähmung fest.

Und diese Gedankenlähmung hing mit der tödlichen Massenbedrohung zusammen, die Calderhan ausgelöst hatte. Dieser Gangster hatte den schwachen Punkt der Regierung erkannt und ausgenutzt. Wirklich, er konnte verlangen, was immer er wollte, beizukommen war ihm im Augenblick nicht.

Eine weitere, schreckliche Konsequenz zeichnete sich ab.

Angenommen, diesem Larry Calderhan passierte etwas. Angenommen, die Regierung ging zwar auf seine wahnwitzigen Bedingungen ein, aber Calderhan geriet zum Beispiel unter ein Auto, brach sich das Genick in der Badewanne oder wurde von Konkurrenzgangstern früherer Zeit einfach erschossen.

Was dann...?

Dann tickte der Zeitzünder weiter, wie Calderhan es so plastisch ausgedrückt hatte. Tickte weiter, bis das irgendwo versteckte A-Geschoß zündete und die Kernsprengladung hochjagte.

Nicht auszudenken...

Parker war innerlich von diesen Dingen derart gefesselt, daß er sich fast geistesabwesend eine seiner spezialangefertigten Zigarren anzündete. Und geistesabwesend paffte er dann die beizenden Tabakdämpfe in die nachmittägliche Luft hinein.

Er bemerkte überhaupt nicht, daß zwei weibliche Hotelgäste, die das Gebäude verlassen wollten, fluchtartig zurück ins Hotel rannten. Er bemerkte nicht, daß ein Taxifahrer, den die Tabakdämpfe erreicht hatten, halb ohnmächtig vom Sitz herunterrutschte, und er bemerkte nicht, daß zwei durchtrainierte, muntere Möwen plötzlich fluguntauglich wurden und nur noch mit Mühe und Not eine Bauchlandung auf dem Hotelrasen vollführen konnten.

Wie konnte man Calderhan beikommen, fragte Parker sich immer wieder.

Mit roher Gewalt?

Einem Mann wie Calderhan brauchte man nicht gerade rücksichtsvoll entgegenzutreten. Man konnte ihn mehr oder weniger sanft unter Druck setzen und ihn so veranlassen, das Versteck der Sprengladung zu verraten.

Doch wer sollte das tun?

Die Behörden waren nun einmal an Spielregeln gebunden, die selbst in diesem Fall nicht aufgegeben werden durften. Aber selbst wenn man sie verletzte, war Calderhan ein Mensch, der einem Druck nachgab? Doch wahrscheinlich nicht. Calderhan war besessen von dem Gedanken, die Regierung erpressen zu können. Ein Mann wie Calderhan ließ sich lieber totschlagen, bevor er redete. Und er würde kaltblütig nur darauf hinarbeiten, daß die Ladung zündete.

Konnte man ihm durch psychologische Mittel beikommen? Wenn, dann bestimmt nur auf diesem Weg. Doch wie dieser Weg aussah, welche Mittel da anzuwenden waren, das wußte auch der Butler noch nicht.

Er paffte weiter an seiner spezialangefertigten Zigarre herum.

Zwei weitere Möwen gerieten in die aufsteigenden Rauschwaden und verloren prompt das Gleichgewicht. Nur durch einen gewagten Sturzflug vermochten sie sich gerade noch zu retten.

Der hüstelnde Taxifahrer ließ sich mit letzter Kraft aus dem Taxi rollen und robbte aus dem Bereich der Rauchschwaden.

Die beiden älteren Feriendamen verlangten inzwischen vom Portier, er müsse den städtischen Katastrophendienst alarmieren, da es draußen brenne oder aber eine Giftladung ausgelöst worden sei.

Ein eindeutiges, warnendes Hüsteln ließ dann Parker zusammenfahren.

»O Mister Rander... Sir«, sagte er dienstbewußt, als Mike Rander vor ihm stand, »Ich hatte mir erlaubt, hier auf Sie zu warten!«

»Man sieht, vor allen Dingen man riecht es penetrant«, sagte Mike Rander und hustete jetzt mittelstark. »Löschen Sie doch um Himmels willen das, was Sie hartnäckig eine Zigarre nennen!«

»Oh...!« Parker wurde sich seines Fehlers bewußt. Hastig ließ er die kaum angerauchte Zigarre zu Boden sinken und zertrat sie mit großem Bedauern.

»Was ist denn mit Ihnen los, Parker?« fragte Rander weiter. Er sah es seinem Butler an der Nasenspitze an, daß irgend etwas nicht stimmte.

Bevor Parker seine Geschichte noch einmal wiederholen konnte, erschien Criswood in der Tür. Langsam kam er auf Parker und Mike Rander zu.

»Es ist reiner Wahnsinn, aber wir sitzen an der Angel«, sagte Criswood mit heiserer Stimme. »Calderhan behauptet, der Zeitzünder müsse alle vierundzwanzig Stunden auf Null zurückgestellt werden, sonst ginge die Ladung hoch!«

»Zum Teufel, was mag er wollen?« fragte Tony Sherman wütend. Sein junger Mann Benson hatte ihm gerade Bericht erstattet. »Was hat das zu bedeuten, daß dieser komische Butler in der Stadt sitzt.«

»Auch im City-Hotel«, warf Benson ein. »Sie wohnen dort praktisch Tür an Tür!«

»Es geht bestimmt gegen Sie, Chef«, mischte sich Ideenlieferant Claddon ein. »Ich hab’ ja gesagt, er will Ihnen ein Bein stellen!«

»Dann werden wir eben schneller sein als er«, meinte Sherman. Seine Stimme klang ruhiger, aber die tödliche Drohung in ihr wuchs von Wort zu Wort. »Dann werden wir Calderhan ganz unauffällig aus dem Verkehr ziehen.«

»Soll ich das in die Wege leiten, Chef?« Claddon sah seinen bulligen Chef erwartungsvoll an.

»Es braucht ja nicht sofort zu sein«, sagte Sherman nachdenklich. »Bevor wir ihn erledigen, möchte ich genau wissen, was die Gegenseite plant.«

»Das bekommen wir schnell heraus, Chef.« Claddon lächelte fast überheblich Er wußte sehr gut, wie man verschwiegene Menschen zum schnellen Sprechen brachte.

»In Ordnung, Claddon, leiten Sie alles in die Wege«, sagte Sherman und nickte bestätigend. »Aber unauffällig, wenn ich bitten darf. Fahren Sie mit Calderhan raus in die Everglades! Dort sind Sie dann völlig ungestört.«

»Der Film ist schon gelaufen, Chef. Kann ich Benson mitnehmen?«

»Natürlich, Hauptsache, ich erfahre genau, was das FBI gegen mich plant.«

»Und was ist mit diesem Butler Parker?« wollte Benson nun wissen.

»Richtig, Parker...!« Sherman verzog sein Gesicht, als habe er in eine besonders saure Zitrone gebissen. Er erinnerte sich noch sehr gut jener Jahre, als Parker ihm die Organisation in Chikago zerschlagen hatte. Bisher war es noch zu keiner Endabrechnung gekommen.

»Sollen wir ihn auch...?« Benson brach mitten im Satz ab.

»Okay, schnappt euch auch diesen Parker. Es ist ein Aufwaschen! Ich möchte doch annehmen, daß die Sümpfe auch für beide groß genug sind, oder...?«

*

Calderhan wußte, daß er auf der ganzen Linie gewonnen hatte. Er hatte mit dem Agenten des CIA gesprochen und ihm seine Bedingungen genannt. Nun brauchte er nur auf die Reaktion der Regierung in Washington zu warten. Wie diese Reaktion aussehen würde, konnte er sich leicht an fünf Fingern ausrechnen und abzählen.

Calderhan saß in der Hotelbar und trank. Er trank nicht besonders viel, aber er genehmigte sich einige harte Drinks, um seinen sehr privaten Sieg zu feiern.

Er war allein, und im Moment paßte ihm das ausgezeichnet. Er mußte erst einmal mit der Vorstellung fertig werden, daß er praktisch in einigen Tagen mehrfacher Millionär wurde. Er mußte sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß er, Larry Calderhan, in Zukunft nur noch seine Wünsche zu äußern brauchte.

Ich muß die Daumenschraube noch fester anziehen, fuhr es durch seinen Kopf. Ich möchte mich mit irgendeinem Zeitungsmann zusammensetzen und ihm einige Schlagzeilen liefern. Die Leute in den Staaten müssen wissen, was ihnen passiert, wenn die Regierung nicht richtig spurt.

Die Sache mit dem irgendwo versteckten A-Geschoß muß um die ganze Welt gehen. Wer weiß, weiches Kapital sich sonst noch daraus schlagen läßt. Muß das Ding unbedingt in den Staaten versteckt worden sein? Ich kann verschiedene Regierungen ja auch einsuggerieren, daß ich mir ihr Land als Versteck ausgesucht habe. Wenn ich mich richtig ausdrücke und die Dinge geschickt in der Schwebe halte, dann kann ich tun und lassen, was ich will. Dann brauche ich nur noch meine Bedingungen zu kennen.

Calderhan rutschte vom Barhocker herunter und ging mit etwas zu schnellen und zu steifen Schritten hinüber in die Hotelhalle. Er ahnte, daß er bereits beobachtet und beschattet wurde. Doch das störte ihn überhaupt nicht. Er hatte sich in seinem Leben noch nie so sicher gefühlt wie innerhalb der vergangenen Stunde.

Calderhan betrat eine der vier Telefonzellen an der Stirnseite der Halle und suchte im Telefonbuch nach einem Ortsvertreter einer großen internationalen Nachrichtenagentur.

Er pfiff amüsiert, als er dann die Nummer wählte.

»Hier Larry Calderhan«, begann er mit etwas schwerer Zunge. »Kennen Sie mich nicht? Ich wette, das wird sich verdammt schnell ändern... Ich habe sensationelle Nachrichten für Sie, Schlagzeilen, wie Sie sie noch niemals hatten. Wovon ich spreche? Von einer kleinen Atombombe, die bald platzen kann... Wie ich heiße...? Calderhan. Prägen Sie sich diesen Namen ein! Sie werden ihn noch verteufelt oft hören, darauf können Sie sich verlassen... Kommen Sie nun, oder soll ich mich mit Ihrer Konkurrenz in Verbindung setzen? Schön, Sie erreichen mich im City Hotel. Ich warte in der Bar auf Sie...! Nein, kein Wort vorher... Was ich zu sagen habe, paßt nicht für den normalen Draht... Bis dahin...!«

Larry Calderhan legte auf und verließ die Telefonzelle.

Er zündete sich eine Zigarette an und sah auf seine Armbanduhr. Noch Zeit genug, den täglichen Anruf vorzunehmen, den Anruf, der den Zeitzünder auf einem kleinen Umweg zurückdrehte. Noch sehr viel Zeit. Etwa sechs Stunden...

Als Calderhan die Bar betreten wollte, kam ihm ein Page entgegen. Er drückte ihm einen Zettel in die Hand, nachdem er sich vergewissert hatte, daß er vor Calderhan stand.

»Von wem ist der Wisch?« fragte Calderhan.

»Eine junge Dame, Sir«, erwiderte der Page. »Sie erwartet Sie in der Cafeteria in der ersten Etage!«

Calderhan schmunzelte.

»Ist sie hübsch?« erkundigte er sich dann, denn jetzt hatte er nichts mehr dagegen einzuwenden, sich die Zeit zu vertreiben.

»Sehr hübsch, Sir«, erwiderte der Page. »Eine Blondine wie aus ’nem Film!«

»Genau das, was ich jetzt brauche«, sagte Calderhan, drückte dem Pagen ein großzügiges Trinkgeld in die Hand und ging zum Lift hinüber. Wie gesagt, einem Abenteuer war er wirklich nicht abgeneigt...

*

»Wo steckt Ihr Butler?« erkundigte sich Stew Criswood, nachdem er das Hotelzimmer Mike Randers betreten hatte.

»Neuigkeiten?« fragte der junge Anwalt.

»Ich bin von meinem Hauptquartier bevollmächtigt worden, mit Calderhan zu verhandeln«, sagte Criswood, ließ sich in einen tiefen Sessel fallen und wischte sich dicke Schweißperlen von der Stirn. »Fassen Sie’s nicht falsch auf, Rander, aber Ihren Butler hätte ich gern dabei. Dieser schlaue Fuchs.«

»Ich fasse überhaupt nichts falsch auf«, entgegnete Mike Rander lächelnd. »Ich bin genau Ihrer Meinung, Parker ist ein schlauer und gerissener Fuchs!

»Und wo steckt er im Moment?«

»Er wollte sich etwas die Beine vertreten und nachdenken«, sagte Mike Rander. »Er muß gleich zurückkommen. Um auf Ihr Hauptquartier zurückzukommen, Criswood, man wird also zahlen?«

»Zuerst will man Zeit gewinnen um zu verhandeln«, erwiderte Criswood und dämpfte unwillkürlich seine Stimme. »Sie wissen vielleicht nicht, daß Calderhan ausschließlich mit mir verhandeln will. Andere Gesprächspartner wie Regierungsvertreter und so weiter lehnt er strikt ab.«

»Er macht sich die Sache verdammt bequem«, sagte Rander. »Wie beurteilt man denn in Washington die Lage?«

»Ich habe bis jetzt ununterbrochen telefoniert«, sagte Criswood mit müder Stimme. »Ich habe den Leutchen klargemacht, um was es hier geht. Zuerst hielt man mich wahrscheinlich für vollkommen verrückt. Dann aber wurde man hellhörig und wurde sich klar darüber, wie tödlich Calderhans Drohungen sind.«

»Man glaubt also an das A-Geschoß in Calderhans Besitz?«

»Ob man fest daran glaubt oder nicht, Rander, man muß einfach so reagieren, als stimmte alles, was Calderhan uns erzählt hat. Ich brauche Sie nicht zu erinnern, was passieren wird, wenn dieses Ding eines Tages in die Luft geht. Und das dann in einer Millionenstadt!«

»Wie lange werden Sie Calderhan hinhalten können?«

»Keine Ahnung. Aber lange bestimmt nicht. Er kennt die Stärke seiner Position sehr genau. Er weiß, daß er allein die Bedingungen stellen kann.«

»Könnte man Calderhan nicht, sagen wir mit nachdrücklichen, aber nicht gerade lebensgefährlichen Mitteln zum Reden zwingen?«

»An welche Mittel denken Sie, Rander? Vielleicht fällt Ihnen etwas anderes und besseres ein als meinen Vorgesetzten. Natürlich haben wir über solche Dinge diskutiert. Ich sage Ihnen offen, wie ich darüber denke! Man sollte diesen Gangster Calderhan einlochen und ihn solange unter harten, körperlichen Druck setzen, bis er auspackt. Moment, ich weiß, was ich sage und vorschlage, ist keineswegs legal, aber schließlich geht es um das Leben von Millionen Menschen.«

»Lassen wir die moralischen Bedenken und Aspekte mal außer acht«, erwiderte Mike Rander. »Man könnte stundenlang darüber philosophieren, ganz klarer Fall, fragt sich nur, ob man einem Mann wie Calderhan mit körperlichen Druckmitteln beikommen kann. Und vergessen Sie nicht, daß er behauptet hat, er müsse den Zeitzünder alle vierundzwanzig Stunden wieder auf Null drehen.«

»Sie glauben, er könnte stur sein und bleiben?«

»Das mochte ich fast behaupten. Ich habe mich bereits mit Parker darüber unterhalten. Er sieht darin keinen Weg! Ein Mann wie Calderhan läßt lieber das Teufelsding hochgehen und Millionen Menschen sterben, bevor er seinen Plan aufgibt.«

»Eben, zu diesem Schluß sind schließlich auch wir gekommen«, entgegnete Criswood. »Mit anderen Worten, wir werden Calderhan die Stiefel lecken und uns beeilen, seine Wünsche zu erfüllen. Im Weißen Haus, das ganz unter uns, spricht man von einem nationalen Notstand!«

»Womit man sich noch überraschend höflich und vorsichtig ausgedrückt hat«, fiel Mike Rander dem Mann von der CIA ins Wort. »Haben Sie schon mal daran gedacht, daß Calderhan etwas passieren könnte?«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun ja, Calderhan ist schließlich nur ein Gangster. Wir wissen, daß er sich in seinen Kreisen nicht besonders beliebt gemacht hat. Angenommen, irgendwelche Konkurrenten bringen ihn um. Nicht mehr und nicht weniger!«

»Sie denken an den Zeitzünder, Rander?«

»Sie haben es erraten. Was passiert also, wenn Calderhan den Zeitzünder nicht Tag für Tag anhält und wieder auf Null dreht?«

»Dann passiert eine Katastrophe«, erwiderte Criswood. Und seine Stimme klang in diesem Augenblick sehr heiser.

Josuah Parker saß während der Unterhaltung zwischen Criswood und Mike Rander im Fond eines regulären Taxis und ließ sich durch die Straßen von Miami fahren.

Er hatte kein bestimmtes Ziel, denn der Wagen, den er verfolgen ließ, fuhr erst einmal entlang des Miami Kanals in nordwestliche Richtung und benutzte dazu eine sehr gut ausgebaute und asphaltierte Schnellstraße.

Parker brauchte eine vorzeitige Entdeckung nicht zu befürchten. Der Verkehr auf dieser Straße war recht stark. Die Schnellstraße führte schließlich in das Wunderland der Touristen, geradewegs hinein in die berühmten Everglades, jenen ausgedehnten Sümpfen und Urwäldern, die noch so etwas wie eine unberührte Landschaft der menschlichen Vorgeschichte darstellten.

Parker folgte dem Ford nicht aus Langeweile. Er interessierte sich für die Gäste in diesem Wagen. Einer von ihnen war Larry Calderhan. Und seine beiden Begleiter hatten auf den Butler einen äußerst energischen und zielsicheren Eindruck gemacht.

Zielsicher schon deswegen, weil sie sich nicht lange geziert hatten, Larry Calderhan in den Ford zu zerren und dann schleunigst mit ihm loszufahren. Wer diese beiden Männer waren, konnte der Butler natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Er rechnete aber mit Mitgliedern der Unterwelt.

Parker kümmerte sich bestimmt nicht aus reiner Menschlichkeit um das Schicksal Larry Calderhans. Calderhan war ihm im Grunde völlig gleichgültig. Im jetzigen Stadium der Entwicklung aber war Calderhan schließlich der wichtige und einzige Schlüssel zum A-Geschoß. Und dieser Schlüssel durfte sich schließlich nicht in den Everglades verlieren. Die Moore und Sümpfe waren dort leider sehr tief und verschwiegen.

Nach etwa dreißig Minuten bog der Ford in eine kleine Seitenstraße ab.

Der Fahrer des Taxis, in dem Parker saß, sah sich fragend nach dem Butler um.

»Kennen Sie sich hier näher aus?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen, zuvorkommenden Art.

»Klar, Sir. Der Weg endet vor einem versumpften Wasserlauf.«

»Sollte es dort vielleicht irgendwelche menschlichen Ansiedlungen geben?«

»Was soll’s da geben?«

»Ich meine Häuser!«

»Ach so, Häuser. Na ja, ein paar gibt’s schon, aber die sind alle vergammelt. Zu feucht da hinten.«

»Wie weit ist es von der Straße bis dorthin?« wollte Parker weiter wissen.

»Höchstens zehn Minuten. Zu Fuß!«

»Dann möchte ich mir die Freiheit nehmen und hier aussteigen«, sagte Parker. »Womit Ihr Auftrag sich keineswegs erschöpfen soll. Fahren Sie zurück ins City. Hotel und verlangen Sie nach einem Mister Mike Rander! Prägen Sie sich diesen Namen besonders gut ein! Bringen Sie Mister Rander hierher zum Weg! Haben wir uns verstanden?«

»Verstanden schon, Sir, aber wie ist es denn mit ein paar Scheinehen zur Sicherheit?«

Parker griff nach seiner Brieftasche und blätterte dem Fahrer die Scheine in die Hand. Dann aber, bevor der Mann sie in die Tasche seiner Lederweste stecken konnte, nahm Parker sie noch einmal hoch und zerriß sie in zwei Hälften.

»Diese Hälfte bekommen. Sie nach prompter Erledigung Ihres Auftrags«, verhieß er dem verdutzten Fahrer. »Das legen Sie mir bitte nicht als besonderes Mißtrauen aus. Betrachten Sie es als eine Art nachdrückliche Erinnerung!«

Dann stieg Parker aus dem Taxi, nickte dem immer noch reichlich verdutzten Fahrer, zu und marschierte in den Feldweg hinein, der zu beiden Seiten mit hohen Sträuchern und Tropenpflanzen bewachsen war.

Es sah schon recht ungewöhnlich aus, als Parker über den Weg einherschritt.

Der Taxifahrer sah ihm betroffen und amüsiert zugleich nach. Parker trug selbst in dieser schwülen, tropischen Hitze seinen schwarzen Zweireiher, die schwarzen Schuhe und die schwarze steife Melone. Zudem bediente er sich seines altväterlich gebundenen, schwarzen Spezialregenschirms, von dem er sich nur in den seltensten Fällen zu trennen pflegte.

»Komische Type«, murmelte der Fahrer. Dann starrte er auf die halbierten Banknoten in seiner Hand und erinnerte sich seines Auftrags. Er wendete den Wagen und preschte in schneller Fahrt zurück nach Miami.

Calderhan stöhnte.

Nach einer einfühlenden Behandlung durch Claddon und Benson stand er keuchend in einer Ecke des zerfallenen Bungalows und schnappte angestrengt nach Luft.

»Das ist erst mal der Anfang, Calderhan, damit Sie wissen, wer wir sind«, sagte Claddon lächelnd und zündete sich eine Zigarette an. »Und jetzt sollen Sie endlich auch wissen, was wir von Ihnen wollen!«

»Wer hat euch geschickt?« stöhnte Calderhan und krümmte sich. »Ihr könnt machen, was ihr wollt, ich werde nicht singen!«

»Nur nicht festlegen«, meinte Claddon gemütlich. »Dann brauchen Sie später auch nichts zurückzunehmen, Calderhan. Wir möchten gern wissen, weshalb Sie plötzlich mit dem FBI unter einer Decke stecken!«

»Tu ich ja überhaupt nicht«, erwiderte Calderhan, ohne sich um die genauen Regeln der Sprache zu kümmern. »Tu ich ja überhaupt nicht. Hat euch etwa Sherman geschickt?«

»Ist doch völlig gleichgültig! Was haben Sie mit dem FBI ausgeheckt? Was ist mit diesem komischen Parker los? Wir wissen genau, daß er sich ein paarmal mit Ihnen unterhalten hat.«

»Nicht über Sherman. Ich will überhaupt nichts von ihm. Um ihn geht es doch gar nicht!«

»Um was geht es denn sonst?« bohrte Claddon gelassen weiter. »Wetten, daß Sie gleich reden werden?«

Und um diese Wette möglichst schnell zu gewinnen, nickte er Benson und dem stämmigen Fahrer des Fords zu.

Diese beiden Männer waren nicht zimperlich. Während Claddon sich selbst schonte, droschen sie auf Calderhan ein. Sie placierten die Schläge so, daß dem Mann, Hören und Sehen verging.

»Wie steht es jetzt mit Ihnen?« erkundigte sich Claddon dann, nachdem die beiden Schläger eine kleine Pause eingelegt hatten. »Wollen Sie nicht doch auspacken, Calderhan?«

»Von mir aus bringt mich um, aber ich werde nicht reden«, erklärte Calderhan, der einer Ohnmacht ziemlich nahe war. »Aber wenn ich abkratze, dann wird die Welt einen einmaligen Paukenschlag erleben!«

Während seiner letzten Worte brach er plötzlich in hysterisches Gelächter aus.

Claddon und Benson sahen sich ehrlich betroffen an. Der stämmige Fahrer und Schläger stutzte, um sich dann an die Schläfe zu tippen.

»Der ist ja verrückt!« sagte er nicht ohne Berechtigung. »Der hat ja nicht mehr alle Tassen im Schrank!«

Calderhan lachte und lachte, bis er plötzlich lautlos in sich zusammensank und ohnmächtig wurde.

»Und jetzt?« fragte Benson, sich an Claddon wendend. »Hat’s überhaupt noch einen Sinn, ihm weiter die Daumenschrauben anzulegen?«

»Keine Ahnung, aber so schnell gebe ich nicht auf. Er kommt ja mal wieder zu sich. Ich will wissen, was er mit den Paukenschlag gemeint hat.«

»irgendeine dusselige Drohung«, meinte Benson verächtlich.

»Abwarten«, sagte Claddon. »Verpaßt ihm Handschellen, damit er sich nicht absetzen kann! Ich nehme ihn mir später noch mal vor!«

Nachdem die drei Gangster ein Handschellenpaar zweckentsprechend eingesetzt hatten, verließen sie den baufälligen Bungalow und gingen zum nahen Wasserarm hinunter. Sie wußten, daß Calderhan vor einer Viertelstunde bestimmt nicht wieder zu sich kam. Sie hatten Zeit.

Plötzlich zuckte der Fahrer des Wagens zusammen. Er hatte ein deutliches scharfes Zischen gehört.

»’ne Schlange«, sagte er angewidert und sah sich ehrlich ängstlich um.

»Kamel«, meinte Claddon lächelnd. »Der hintere Wagenreifen ist undicht, das ist alles!«

»Verdammt, auch das noch«, schimpfte der Fahrer. Er konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, bei dieser drückenden Hitze einen Reifen auswechseln zu müssen. Er erhob sich aber und ging hinüber zum Ford, der in der Nähe eines dichten Strauchwerkes stand.

Er sah den entlüfteten Reifen, bückte sich prüfend und wurde im gleichen Augenblick auch schon ohnmächtig. Diese plötzliche Ohnmacht hing mit dem bleigefütterten Bambusgriff eines Spezialregenschirms zusammen, der an seinem Hinterkopf höflich, aber nachdrücklich angeklopft hatte.

Der Fahrer rollte auf den weichen Boden und merkte nicht, daß er von starken Händen und Armen in das dichte Gebüsch hineingezogen wurde.

»Lauf ’rüber und geh’ ihm zur Hand«, sagte Claddon zu Benson. Sie hatten, von dem Zwischenfall seitlich neben dem Ford nichts gemerkt.

»Na gut, wenn’s sein muß«, meinte Benson träge. »Aber eigentlich müßte er mit dem Reifen allein fertig werden.«

Benson schlenderte zum Wagen hinüber und sah sich nach dem Fahrer um, der übrigens, es sei an dieser Stelle gesagt, Saul Natters hieß.

»Natters, wo steckst du?« rief Benson unwillig. Er hatte keine Lust, erst nach dem Mann zu suchen.

»Hier«, hörte er eine unterdrückte Stimme aus dem Buschwerk. »Verdammt!«

John Benson schüttelt den Kopf, teilte mit den Armen das Strauchwerk und hielt Ausschau nach Natters.

Viel sah er. nicht. Und was er sah, konnte er im Moment nicht mehr gedanklich verarbeiten. Er sah sich nämlich plötzlich einem schwarz gekleideten Mann undefinierbaren Alters gegenüber. Dann pochte etwas gegen seine Stirn und schon wurde auch Benson ohnmächtig. Er beeilte sich, ebenfalls auf den weichen Boden zu kommen, um sich dort genüßlich auszustrecken.

Claddon war inzwischen aufgestanden. Nicht, weil er etwa mißtrauisch geworden war. Nein, ihm ging das Wort »Paukenschlag« nicht aus dem Kopf. Was machte Calderhan damit wohl gemeint haben? Warum hatte er dabei fast wie ein Geisteskranker gelacht?

Claddon sah nur flüchtig zum Ford hinüber. Aber er schöpfte keinen Verdacht, als er weder Benson noch Natters sah. Er betrat den verfallenen Bungalow und bekam gerade mit, wie Calderhan sich aufrichtete.

Angst flackerte in den Augen des Gangsters.

Claddon lächelte. Er wußte nur zu gut, daß er dünn und gefährlich lächeln konnte.

»Wie steht’s denn mit der nächsten Runde?« fragte Claddon. »Immer noch stur, Calderhan? Was haben Sie da eben mit dem ›Paukenschlag‹ gemeint, he?«

»Fahrt alle zur Holle«, keuchte Calderhan. Kleine Speichelbläschen bildeten sich in seinen Mundwinkeln. »In ein paar Stunden fliegt ihr alle in die Luft. Aber aus mir holt ihr nichts ’raus!«

»Na gut, dann eben die nächste Runde«, sagte Claddon ungerührt. »Benson, Natters, hört mal für ’nen Moment mit dem Schlitten auf Calderhan braucht noch ’ne Abreibung!«

»Sind sie sicher?« fragte in diesem Augenblick eine höflich, gemessene Stimme von der demontierten Tür her.

Claddon wirbelte herum und starrte auf den Butler, der vor ihm stand.

Claddon war kein Schläger im üblichen Sinn. Mit einer Handfeuerwaffe wußte er nur sehr wenig anzufangen.

Schließlich hatte Sherman ihn nur als Ideenlieferant engagiert.

»Parker?« fragte Claddon. Seine Stimme war ein wenig belegt.

»In der Tat«, erwiderte der Butler. »Ich muß Ihnen meine deutliche Mißbilligung aussprechen. Ich habe es nicht besonders gern, wenn man Menschen mißhandelt. Mögen sie auch Calderhan heißen!«

Claddon brach der Schweiß aus. Er schielte seitlich vorbei an Parker und hielt verzweifelt Ausschau nach seinen beiden Mitarbeitern Benson und Natters.

»Ihr beide Partner sind im Moment etwas indisponiert«, entschuldigte der Butler das Fehlen dieser beiden Männer. »Sie haben sich aber, das möchte ich gleich betonen, keine ernsthafte Gesundheitsschäden zugezogen!«

»Was, was wollen Sie, Parker?«

»Erst einmal erfahren, in wessen Diensten Sie stehen! Könnte es sich nicht um Mister Tony Sherman handeln?«

»Wie, wie kommen Sie darauf?«

»Sherman residiert doch in Miami, wenn ich mich nicht sehr täusche. Ohne ihn geschieht hier nichts, was ungesetzlich ist. Oder sollte ich mich irren?«

»Ich, ich habe kein Wort gesagt«, stottert Claddon und suchte verzweifelt nach einer geeigneten Idee.

Im Gegensatz zu ihm hatte Parker bereits eine.

Er wollte die drei Gangster los werden. Er benötigte sie im Moment nicht. Es kam ihm aber darauf an, sie vorerst unschädlich zu machen.

»Ihre Schußwaffe, wenn ich bitten darf«, sagte Parker und streckte seine Hand aus.

Diese Geste war derart zwingend, daß Claddon überhaupt nicht auf den Gedanken kam, zu ziehen und etwa auf den Butler abzufeuern. Er fühlte deutlich und instinktiv, daß Josuah Parker ihm überlegen war.

»Sie werden sich noch einen Moment gedulden müssen«, sagte Parker dann, sich an Calderhan wendend, der kaum zuhörte. Dann bugsierte Parker den Ideenlieferanten vor das Haus und scheucht die beiden Gangster Benson und Natters aus den Träumen hoch. Er trieb sie wie eine Miniaturhammelherde an einem halb verfallenen Bootssteg zusammen.

»Mißverstehen Sie meine Absichten auf keinen Fall«, schickte der Butler dann höflich voraus, »aber ich muß darauf bestehen, daß Sie sich Ihrer gesamten Kleidung entledigen.«

Claddon, Benson und Natters starrten den Butler entgeistert an. Solch eine Anforderung hatten sie nicht erwartet.

»Zwingen Sie mich nicht, Sie zur Eile anzutreiben«, redete der Butler weiter.

»Sie wissen, mit einigen Schüssen aus Ihren erbeuteten Waffen ließe sich das sehr leicht bewerkstelligen.«

Die drei Gangster zögerten noch ein paar Sekunden, doch dann streiften sie ihre gesamte Kleidung ab. Parker nickte höflich und deutete auf die dunkelbraune Moorbrühe in dem ehemaligen Flußarm.

»Ich schlage vor, Sie begeben sich dort ins Wasser«, sagte er dann weiter. »So verletzten Sie wenigstens nicht das Schamgefühl zufällig vorbeikommender Touristen.«

Claddon, Benson und Natters stiegen in die moorbraune Brühe.

»Im Hinblick auf Ihre Gesundheit möchte ich nicht hoffen, daß sich Alligatoren im Wasser befinden«, meinte Parker dann scherzend. Anschließend sammelte er die abgelegten Kleider ein und ließ ein angerissenes und flackerndes Streichholz darauf hinunterfallen.

Claddon, Benson und Natters starrten auf die Flammen, die ihre Kleidung verzehrten. Und sie schworen in diesem Moment, sich blutig an Parker zu rächen. Vorsichtshalber äußersten sie sich aber nicht laut. Sie wollten nicht noch weitere Unannehmlichkeiten heraufbeschwören.

Parker lüftete höflich grüßend seine schwarze Melone und kümmerte sich dann um Calderhan, der sich inzwischen etwas erholt hatte.

»Die Handschellen kann ich Ihnen leider nicht abnehmen«, sagte er gemessen, »doch ich bin sicher, daß Sie dennoch mit mir zurück nach Miami fahren werden.«

»Los, eine Kanone!« schrie Calderhan, dessen Gesicht zu einer haßerfüllten Maske geworden war. »Los, machen Sie schon, damit ich die drei Kerle abknallen kann!«

»Bedaure, Mister Calderhan, aber diesen Wunsch kann ich Ihnen leider nicht erfüllen, obwohl ich ihn fast verstehen kann!«

»Parker, die Kanone!« fauchte Calderhan. »Oder soll ich das Ding hochgehenlassen? Sie haben sich nach meinen Wünschen zu richten, verstehen Sie! Mein Wort ist Gesetz! Ich kann verlangen, was ich will!«

»Selbstverständlich, Mister Calderhan«, antwortete Parker höflich und gemessen. »Sie können verlangen, was Sie wollen, aber Sie werden nicht in allen Fällen das bekommen, was Sie verlangen!«

Sie brachten Calderhan in einen Bungalow am Rande der Stadt.

Criswood hatte ihn aus dem Handgelenk heraus gemietet, damit man Calderhan unter Kontrolle hatte. In diesem Haus hielten sich außer Calderhan noch Criswood, Mike Rander und Josuah Parker auf.

Das Grundstück war von einer hohen Ziegelmauer umgeben. Das gesamte Grundstück wurde bereits von CIA-Agenten bewacht. Man wollte nicht noch einmal das Risiko eingehen, daß Calderhan entführt wurde.

Unter dem Eindruck der verabreichten Prügel hatte Calderhan zugestimmt. Im Haus selbst aber führte er sich wie ein Rasender auf. Er kochte vor Wut. Immer wieder verlangte er, daß man Benson-, Claddon und Natters auf der Stelle umbrachte.

»Reden Sie mit ihm«, bat Criswood, sich an den Butler wendend. »Wenn Calderhan sich weiterhin so aufführt, verliere ich noch die Nerven und schlage zu!«

Parker betrat den großen Salon, dessen Terrassentüren auf den Garten hinausführten.

Calderhan schien sich etwas beruhigt zu haben. Er saß vor dem eingeschalteten Fernsehgerät und trank in kurzen Abständen aus einer Flasche.

Als er Parker sah, sprang er sofort auf.

»Wo sind die Schweine«, sagte er, sich wenig fein ausdrückend. »Wenn die nicht umgehend abgeschossen werden, lasse ich die Kernsprengladung hochgehen. Ich mache keine Witze, Parker, glauben Sie mir!«

»Ich erlaube mir, äußerst diskret zu lächeln«, erwiderte Parker. »Ein Mann, der vor einem Riesengeschäft steht, wird doch dieses Geschäft nicht gegen drei belanglose Männer eintauschen!«

»Wie meinen Sie das?« erkundigte sich Calderhan, der bereits zuviel getrunken hatte.

»Wenn Sie die Kernladung hochgehen lassen, Mister Calderhan, besitzen Sie meiner bescheidenen Ansicht nach kein Druckmittel mehr. Mit anderen Worten, Sie wären dann aus dem Geschäft!«

Calderhan grinste und warf sich wieder in den Sessel.

»Mit Ihnen kann man wenigstens reden«, sagte er dann. »Die anderen Burschen gehen mir auf die Nerven!«

»Möglicherweise beruht das auf Gegenseitigkeit«, sagte Parker.

Calderhan nahm ruckartig den Kopf herum und sah den Butler prüfend an.

»Sie sind ein komischer Bursche«, fuhr er fort. »Warum fragen Sie eigentlich nicht nach dem Telefonanruf, den ich noch erledigen muß? Sie wissen doch, ohne diesen Anruf geht die Ladung hoch!«

»Sie werden selbst daran denken, Mister Calderhan. Ihr Druckmittel ist nur so lange wirksam, wie es nicht ausgespielt wird!«

»Sagen Sie mal, Parker, glauben Sie eigentlich, daß ich das vierte A-Geschoß besitze?«

»Ob Sie es besitzen oder nicht, Mister Calderhan, spielt kaum eine Rolle. Sie sitzen am längeren Hebel, und Sie wissen es auch!«

»Und ob ich das weiß! Wann bekomme ich mein Geld? Ich will nicht mehr länger warten! Wann bekomme ich das Dokument vom Bundesrichter?«

»So schnell wie möglich«, entgegnete der Butler ausweichend. Dann fügte er ablenkend hinzu: »Sagen Sie, Mister Calderhan, wo werden Sie Wohnung nehmen, wenn Ihre Bedingungen erfüllt sind?«

»Vielleicht Hawaii«, meinte Calderhan und griff wieder nach der Flasche.

»Vergessen Sie dann bitte nicht, das A-Geschoß mitzunehmen«, bat der Butler in einem Ton, dem nicht zu entnehmen war, wie ironisch er war.

»Verdammt. Das Ding. Ich muß anrufen!« Calderhan sah auf seine Armbanduhr und blickte hinüber zum Telefon. »Es wird langsam Zeit!«

»Ich nehme an, Sie wollen ungestört und allein mit Ihrem Mittelsmann sprechen, nicht wahr?«

»Von hier aus?« Calderhan lachte ironisch auf. »Ich weiß doch, daß die Leitung angezapft ist und überwacht wird. Nein, nein, so leicht legt man mich nicht auf Kreuz. Sie können mich zu irgendeinem Postamt fahren. Welches ich meine, sage ich Ihnen dann schon!«

Parker nickte. Mit solch einer Taktik hatte er gerechnet. Er hatte Calderhan niemals unterschätzt.

»Haben Sie bestimmte Wünsche, was den Wagen angeht?« erkundigte er sich mit der geschulten Höflichkeit eines Klassebutlers.

»Besorgen Sie irgendeinen, Parker.« Calderhan lachte plötzlich leise auf. »Ich hätt’s mir niemals träumenlassen, daß ich mal ’nen richtigen Butler herumscheuchen kann. Schönes Gefühl!«

»Hauptsache, Sir, Sie amüsieren sich«, erwiderte der Butler, ohne auch nur einen Muskel in seinem Gesicht zu verziehen.

Josuah Parker ließ sich seinen Arger selbstverständlich nicht anmerken. Dazu war er zu gut erzogen. Geduldig, wenigstens nach außen hin, fügte er sich den Wünschen des Gangsters, der zuerst einmal durch Miami gefahren werden wollte. Dann, nach einigen Haken, nannte er das Ziel. Er wollte nach Coral Gables, im Süden von Miami.

»Dort werde ich von irgendeinem Hotel aus anrufen«, sagte er grinsend. »Wenn ihr geglaubt habt, ihr könntet mich aufs Kreuz legen, dann seid ihr schief gewickelt.«

Parker war natürlich klar, daß sie von ausgesuchten CIA- und FBI-Agenten überwacht wurden. Aber das wußte schließlich auch Calderhan, der sich in seiner Rolle als Supererpresser ausgesprochen wohlzufühlen schien.

Nach etwa dreißig Minuten schneller Fahrt befanden sie sich in Coral Gables. Parker sah Calderhan stumm, aber fragend an.

»Los, raus, gehen Sie an den Hotels vorbei«, meinte Calderhan. »Ich sage Ihnen dann schon, wo Sie halten sollen!«

Calderhans Taktik war klar.

Er wollte vermeiden, daß sein Gespräch abgehört wurde. Er wollte verhindern, daß man seinen Verbindungsmann, wenn auch drahtlos, kennenlernte. Von diesem Verbindungsmann bis zum A-Geschoß ist der Weg dann nicht mehr weit.

»Anhalten«, kommandierte Calderhan, als sie an einem kleinen Hotel der Mittelklasse vorbeifuhren. Parker hielt den Wagen auf der Auffahrt an und stieg aus.

Unauffällig sah er sich in der Runde um.

Von Überwachern war nichts festzustellen. Die CIA- und FBI-Agenten verstanden sich zu tarnen. Parker war sicher, daß sie jeden Schritt von Calderhan kontrollierten.

»He, Parker, machen Sie schon die Tür auf«, rief Calderhan aus dem Wagen. »Wozu habe ich schließlich einen Butler?«

Parker deutete eine knappe Verbeugung an und öffnete dem Gangster die Wagentür. Er ließ sich nichts anmerken, obwohl es ihm in den Fingern juckte, Calderhan zumindest ein paar Ohrfeigen zu verabreichen.

Anschließend folgte er dem großspurig auftretenden Calderhan in die kleine Hotelhalle. Der Gangster sah sich nach einer Telefonzelle um und löste sich dann von Parker. Mit schnellen Schritten verschwand er in der engen Sprechbox, hob den Hörer ab und wählte über den Automaten selbst seine Fernverbindung.

Er baute sich vor dem Apparat so auf, daß der draußen wartende Butler nicht sehen konnte, welche Nummer Calderhan wählte.

Parker hatte mit solch einem Verfahren selbstverständlich gerechnet und seine Vorkehrungen getroffen.

Ihn interessierte es plötzlich zu erfahren, wie spät es inzwischen geworden war.

Parker zog seine unförmige Zwiebeluhr aus der Westentasche und ließ den Sprungdeckel aufklicken. Dann studierte er eingehend die Stellung der Zeiger.

Gleichzeitig aber richtete er die höchstempfindliche Membrane des Spezialmikrofons auf die Glasscheibe der Telefonbox. Es handelte sich um ein Richtmikrofon, das in der Lage war, Gespräche aufzunehmen, die hinter dicken Beton- oder Ziegelmauern geführt wurden. Parker hatte sich dieses Gerät aus dem riesigen Arsenal der Spezialitäten der CIA besorgen lassen.

Das so belauschte Gespräch wurde von einem dünnen Draht weitergeleitet, der in die Uhrkette eingeflochten war. Es endete in einem Miniatur-Tonbandgerät, das Parker in seiner Brusttasche trug.

Calderhan sprach nicht lange. Seine Unterhaltung war schon nach knapp zwei Minuten beendet. Er legte den Hörer auf und kam grinsend aus der Zelle.

»Alles mitbekommen?« fragte er dann ironisch.

»Das will ich doch sehr hoffen, Mister Calderhan«, erwiderte Parker, der stets für die Wahrheit war.

»Dann ist ja alles in bester Ordnung«, sagte Calderhan. »So, vierundzwanzig Stunden Galgenfrist für euch! Sie müssen zugeben, daß meine Methode erstklassig ist!«

»Sie wird zumindest in die Kriminalgeschichte eingehen«, antwortete der Butler höflich und gemessen.

»Aha, Sie glauben also, daß Sie mich eines Tages doch aufs Krenz legen werden?« Calderhans Lächeln wurde tückisch und lauernd.

»Gewiß, Mister Calderhan«, antwortete der Butler. »In meinen Augen und nach meiner bescheidenen Ansicht ist das nur eine Frage von Tagen.«

*

Criswood stellte das Miniatur-Tonband ab und sah den Butler fragend an. Wiederholt hatte er das Band abspielen lassen. Er kannte den Text inzwischen fast auswendig.

»Was haben Sie herausgehört?« fragte er Parker dann. »Und Sie, Rander? Ich bin gespannt!«

»Die Ausbeute kann man leider nur als äußerst mäßig bezeichnen«, antwortete der Butler, der seitlich hinter dem Sessel stand, in dem sein junger Herr Platz genommen hatte. »Mister Calderhan gab im Grund nur einige Schlüsselworte durch, die aber auf der Gegenseite durchaus verstanden worden sind.«

»Dreh die Uhr zurück«, rekapitulierte Criswood. »Bleib im Bau und warte auf den nächsten Anruf! Ist alles in Ordnung? Fein! In den nächsten Tagen schicke ich die erste Sendung an dich ab. Bereite alles vor! Sobald ich komme, muß die Transaktion über die Bühne gehen.«

»Genau das waren Calderhans Worte«, meinte Anwalt Rander und deutete auf das flache Tonbandgerät, das nicht größer war als eine Doppelpackung Zigaretten. »Die Gegenseite hat leider nicht geantwortet. Wir wissen noch nicht einmal, ob es sich um einen Mann oder um eine Frau gehandelt hat.«

»Mit dem Begriff »erste Sendung« dürfte Calderhan Geld gemeint haben«, sagte Criswood nachdenklich. »Aber was meinte er mit dem Ausdruck »Transaktion«?«

»Zudem will Calderhan früher oder später Miami verlassen«, warf der Butler gemessen ein. »Er sagte sinngemäß oder sogar wörtlich »sobald ich komme«!«

»Was können wir tun, um das nächste Telefongespräch abzuhören?« fragte Criswood. »Er wird natürlich wieder in letzter Minute von irgendeinem Hotel aus anrufen!«

»Damit entzieht er sich jeder Telefonüberwachung«, meinte Anwalt Rander. »Er weiß genau, wie er die Sache einfädeln muß!«

»Meine bescheidene Wenigkeit vielleicht auch«, warf der Butler in seiner gemessenen Art ein. »Wir wissen, wenn ich mir diesen Hinweis erlauben darf, zu wenig über Calderhan. Könnte man nicht Einblick in seine bisherigen Strafakte nehmen?«

»Die lasse ich sofort heranschaffen«, versprach Criswood, der den Butler aufmerksam ansah.

»Zudem möchte ich mich mit Andy unterhalten. Befindet er sich bereits in Miami?«

»Sie brauchen nur ins Stadtgefängnis zu fahren, Parker. Er wartet dort auf Sie!«

»Nun gut, möglicherweise habe ich in einer Stunde genügend Zeit, um mit ihm zu sprechen, Sir! Sie lassen mir freie Hand?«

»Natürlich, Parker! Calderhan spricht aber das letzte Wort. Er scheint ganz versessen darauf zu sein, Sie als Butler um sich zu haben. Jetzt ist es schon soweit, daß er nur noch mit Ihnen sprechen und verhandeln will!«

Parkers Gesicht deutete ein feines Lächeln an. Dann bat er um Entschuldigung und entfernte sich.

Es waren nur wenige Schritt bis hinüber in den Salon, in dem sich Calderhan befand. Der Gangster saß schon wieder vor dem Fernsehgerät und trank. Als er Parker sah, grinste er anzüglich.

»Na Kriegsrat gehalten?« fragte er dann.

»Warum sollte ich es leugnen, Mister Calderhan«, erwiderte der Butler.

»Warum sagen Sie nicht ›Sir‹ zu mir, Parker?«

»Diese Bezeichnung, Mister Calderhan, behalte ich mir für Männer vor, die Anspruch auf diesen Titel haben.«

»Sie halten mich also für ein Schwein, wie?«

»Das sagten erfreulicherweise Sie, Mister Calderhan, nicht ich!«

»Wollen Sie mich provozieren?« Calderhan stand auf und lächelte nicht mehr. »Wissen Sie, was mir passiert, wenn ich Sie einfach niederknalle?«

»Ich bin gespannt, Ihre Ansicht zu hören, Mister Calderhan!«

»Nichts wird mir dann passieren, verstehen Sie? Nichts passiert mir dann. Sie alle werden kuschen. Ich besitze den Schlüssel zu der Kernwaffe! Ich allein!«

»Warum lassen Sie es, was das Schießen anbetrifft, nicht auf einen Versuch ankommen, Mister Calderhan?«

»Wollen Sie mich reizen?«

Während Calderhan noch redete, riß er plötzlich eine flache, automatische Pistole aus seinem Schulterhalfter und richtete den Lauf« auf Parker.

»Soll ich abdrücken?« fragte er dann lauernd.

»Selbstverständlich. Wenn es Ihnen einigen Spaß bereitet!«

Calderhan preßte die Lippen zusammen. Sein Zeigefinger krümmte sich. Dann riß er den Stecher durch.

Parker blieb unbeweglich stehen.

Was übrigens kein Wunder war, zumal sich überhaupt kein Schuß gelöst hatte.

Calderhan starrte auf die Waffe in seiner Hand, schüttelte ungläubig den Kopf und warf die Pistole dann wütend zu Boden.

»Ich weiß, daß das Ding geladen war«, sagte er und starrte den Butler äußerst gereizt an.

»Und ich weiß im Gegensatz zu Ihnen, Mister Calderhan, daß ich die Waffe entladen habe«, gab der Butler höflich zurück. »Ich wollte Sie damit vorsorglich vor irgendwelchen Affekthandlungen schützen, die Sie später vielleicht bereut hätten!«

Calderhan sah langsam hoch.

»Ich brauch nen Drink«, reagierte er dann überraschend friedlich.

»Es wird sofort serviert«, erwiderte der Butler, ging steif und gemessen hinüber zur Hausbar und mixte für Calderhan einen Drink. Da Parker über die Geschicklichkeit und Schnelligkeit eines Taschenspielers verfügte, bereitete es ihn keine Schwierigkeiten, diesem Drink einige Spezialtropfen beizumischen. Es handelte sich um eine färb- und geruchlose Flüssigkeit, die sich sofort innig mit dem Alkohol verband.

Calderhan war nicht eine Spur mißtrauisch, als er den Drink wie ein Verdurstender hinuntergoß. Dann ließ er sich wieder in den Sessel fallen und kümmerte sich nur noch um das Fernsehgerät, über dessen Bildschirm gerade ein Serienwestern flimmerte.

Parkers Spezialtropfen beeindruckten Calderhan mehr als das Western-Programm. Schon nach wenigen Sekunden gähnte er langanhaltend. Dann streckte er die Beine aus und schlief schnell und ohne Übergang ein.

Parker umsorgte den schlafenden Gangster.

Er beugte sich über Calderhan. Dann holte er eine leichte Decke und breitete sie über ihn aus. Als er die Hände wieder zurücknahm, sah er erstaunt und fast überrascht auf seine Finger. Sie hielten eine Brieftasche fest, die Parker vorher noch nie gesehen hatte.

Der Butler wollte keinesfalls als Taschendieb auftreten.

Nachdem er sich mit dem Inhalt der Brieftasche vertraut gemacht hatte, behielt er eine Quittung zurück, die ihn ungemein interessierte. Anschließend steckte er die Brieftasche samt Quittung wieder zurück in die Brusttasche. Er hatte sich den Text auf dieser Quittung sorgsam eingeprägt.

Die übrigen Taschen, die der Butler bei dieser Gelegenheit abklopfte, brachten keinen weiteren Hinweis. Parker warf noch einen letzten Blick auf den schlafenden Gangster, um dann den Salon steif und gemessen zu verlassen.

»Was war los?« fragte Criswood interessiert, als Parker im Vorraum erschien.

»Mister Calderhan ist eingeschlafen«, meldete der Butler. »Wie ich die Lage beurteile, wird sein Schlaf einige Stunden dauern. Mir bleibt also Zeit genug, mich mit Andy zu unterhalten!«

»Soll ich mitkommen?« erkundigte sich Criswood.

»Es wäre mir wesentlich lieber, Sir Sie würden sich weiterhin um Calderhan kümmern«, bat der Butler. »Darf ich damit rechnen, daß man mich ohne Schwierigkeiten zu Andy durchläßt?«

»Ist alles geregelt«, sagte Criswood. Es war offensichtlich, daß er von Stunde zu Stunde immer nervöser wurde. Eine ungeheure Verantwortung lag auf seinen Schultern. Er war schließlich dafür verantwortlich, daß Calderhan nichts passierte und daß der Kernsatz im A-Geschoß nicht doch noch explodierte.

Josuah Parker und Mike Rander verließen den Bungalow. Sie passierten dabei einige sehr genaue Wachen, die das gesamte Grundstück abschirmten. Es grenzte schon an das, was Parker einen blutigen Witz genannt hätte: FBI- und CIA- Agenten beschützten einen mehrfachen Mörder und Gangster. Sie lasen ihm jeden Wunsch von den Augen. Und erfüllten ihm auch diese Wünsche, wenn sie dabei auch innerlich mit den Zähnen knirschten.

»Haben Sie Calderhan eingeschläfert?« fragte Rander, als er zusammen mit Parker dann im Wagen saß.

»Ich möchte es nicht unbedingt leugnen, Sir!«

»Hat es sich wenigstens gelohnt?«

»Ich fand in Mister Calderhans Brieftasche eine Quittung, Sir, die für den Zeitraum von drei Wochen gilt.«

»Na und?«

»Diese Quittung, Sir, ist von einem Motel hier in Miami ausgestellt worden. Mit anderen Worten, Mister Calderhan hat zumindest drei Wochen in Miami verbracht, ohne Kontakt mit Washington aufzunehmen. Ich frage mich, warum er so lange damit gewartet hat.«

»Was vermuten Sie?«

»Ich möchte mich auf keinen Fall festlegen, Sir! Aber vielleicht hat Calderhan Miami nach seiner Flucht von der ›Insel der Haie« niemals verlassen.«

»Wollen Sie damit andeuten, das A-Geschoß könnte sich hier in Miami befinden?«

»Könnte dies nicht der Fall sein, Sir?«

»Natürlich, warum nicht. Lassen Sie mich nachdenken. Er floh von der »Insel der Haie‹ und hatte das vierte A-Geschoß bei sich. Er kann, aber er muß nicht sofort hierher nach Miami gekommen sein.«

»Richtig, Sir, und zwar mit dem vermißten A-Geschoß. Ich frage mich, warum Calderhan so lange wartete, bis er seine Erpressung offenbarte.«

»Vielleicht mußte er erst das richtige Versteck für die Kernladung aufbohren. Er brauchte ja zumindest einen sehr vertrauenswürdigen Mann, der die Zeituhr der Zündung immer wieder zurückdreht.«

»Offen gesagt, Sir, das alles wirkt zu sehr konstruiert«, meinte Parker mit unmerklichem Kopfschütteln. »Ich frage mich immer wieder, warum es zu dieser zeitlichen Verschiebung gekommen ist. Warum hat Mister Calderhan so lange gewartet, bis er aktiv wurde.«

»Wir werden gleich mal am Motel vorbeifahren«, schlug der Anwalt vor.

»Mit dem größten Vergnügen, Sir!« Parker bog in eine Seitenstraße ein, die zum Stadtgefängnis führte. »Darf ich Sie übrigens darauf aufmerksam machen, daß wir seit dem Verlassen des Bungalows ausgesprochen hartnäckig verfolgt werden?«

»Ach nee! Denken Sie an Shermans Leute?«

»In der Tat, Sir. Man wird meiner bescheidenen Wenigkeit noch eine Rechnung präsentieren wollen.«

»Parker, halten Sie sich aus allem heraus«, warnte Mike Rander eindringlich. »Wir haben jetzt andere Sorgen, als diesem Sherman auf die Füße zu treten.«

»Selbstverständlich, Sir! Wenngleich ich gestehen muß, daß mich ein Gespräch mit Sherman ungemein interessieren würde.«

»Was versprechen Sie sich davon?«

»Sherman und Calderhan sind und waren das, was man harte Konkurrenten nennt, Sir! Konkurrenten pflegen übereinander immer sehr gut informiert zu sein. Schon aus Gründen der Vorsicht. Vielleicht ist Mister Sherman in der erfreulichen Lage, meiner bescheidenen Wenigkeit einen wertvollen Tip zu geben!«

Sie hatten das Stadtgefängnis erreicht.

Der graue Block präsentierte sich im Licht der inzwischen eingeschalteten Lichter wie eine Drohung aus Ziegeln, Beton und Stahl. Eine hohe Mauer umgab den Komplex. Ein gut gesichertes Tor versperrte jeden Zutritt.

»Wo steckt der Verfolgerwagen?« fragte Rander, als er aus dem Wagen stieg.

»Seit der letzten Straßenecke entzog er sich meiner Sichtkontrolle«, antwortete Parker. »Aber Sie können sicher sein, Sir, daß der Wagen nicht zurückgekehrt ist!«

*

Kahlgeschoren und im Drillich der Gefängniskleidung sah Andy tatsächlich aus wie ein Neandertaler. Sein grobknochiges Gesicht mit dem mächtigen, vorgeschobenen Unterkiefer sah häßlich und furchteinflößend aus.

Andy, den Josuah Parker auf der »Insel der Haie‹ kennengelernt hatte, saß hinter dem starken, grobmaschigen Gitter, wodurch das Besuchszimmer in zwei Hälften geteilt wurde.

»Was wollen Sie?« fragte er Parker und zog die Augen mißtrauisch zusammen. »Sie haben mir gerade noch in meiner Sammlung gefehlt.«

»Wir können uns selbstverständlich über die Vergangenheit unterhalten«, meinte Parker höflich. »Ich muß gestehen, daß es mir keineswegs leid tut, daß ich Sie seinerzeit auf der Insel außer Gefecht setzen konnte.«

»Wegen Ihnen werd’ ich für wenigstens zehn Jahre sitzen müssen«, grollte Andy, »aber wenn ich ’rauskomm’, schlag’ ich Ihnen den Schädel ein, darauf können Sie Gift nehmen!«

»Bis dahin wird noch viel Zeit vergehen«, meinte Parker gemessen. »Ich bin wegen der Gegenwart gekommen.«

»Wegen was?«

»Nun, ich könnte auch Larry Calderhan sagen«, fuhr der Butler fort. »Im Gegensatz zu Ihnen hat er sehr viel Glück entwickelt.«

»Na und?«

»Aus diesem Grund hat er bisher wohl keine Zeit gehabt, sich um Sie zu kümmern.«

»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, he?«

»Mister Calderhan ist sehr vermögend, wenn nicht sogar reich geworden!«

Andy starrte den Butler nach wie vor mißtrauisch an.

»Mister Calderhan verfügt über beliebig viel Geld«, redete der Butler weiter. »Er kann sich jeden Luxus leisten.

Er wohnt zur Zeit in einem Bungalow!«

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« fragte Andy höhnisch zurück. »Ich weiß doch genau, daß Sie von mir nur ’rausbekommen wollen, wo Sie Calderhan finden können. Aber da haben Sie bei mir mit Zitronen gehandelt! Aus mir bekommen Sie kein Wort heraus! Ich werd’ doch meinen früheren Boß nicht verpfeifen!«

»Das brauchen Sie wirklich nicht, Andy. Dazu liegt überhaupt keine Veranlassung vor. Ich weiß sehr genau, wo Mister Calderhan wohnt. Ich war vor einer knappen, halben Stunde noch bei ihm.«

»Mensch, Sie machen mir vielleicht Spaß«, lachte Andy grölend. »Sie und bei Calderhan. Nee, das war’n prächtiger Witz!«

»Es ist ein Witz, aber ein äußerst schlechter«, erwiderte der Butler unbewegt. »Mister Calderhan besitzt, was Sie vielleicht nicht wissen, das vierte A-Geschoß, das sich zusammen mit drei anderen auf der »Insel der Haie‹ befand. Er hat dieses Geschoß irgendwo in den Staaten versteckt und droht, es in die Luft gehen zu lassen, falls die Behörden sich nicht seinen Wünschen beugen. Er wird in den nächsten zwei oder drei Tagen die erste Million Dollar als eine Art Anzahlung erhalten!«

Andys Augen verengten sich noch weiter. Sie starrten auf Parker, der steif und würdevoll auf dem harten Besucherstuhl saß.

»Warum erzählen Sie mir das alles?« fragte er dann.

»Um Ihnen zu beweisen, welch ein Glück Ihr damaliger Chef entwickelt hat. Nur sehr bedauerlich, daß er einen seiner engsten Mitarbeiter darüber total vergessen hat. Ich muß gestehen, daß ich dies nicht verstehen kann.«

»Sie wollen doch nur was aus mir herauskitzeln, oder?«

»Es steht Ihnen frei, mir zu glauben oder nicht«, entgegnete der Butler. »Aber ich wiederhole es noch einmal, Mister Calderhan, Ihr ehemaliger Bandenboß, ist ein vermögender Mann geworden, der sich jeden Luxus leisten kann.«

»Sie glauben doch nicht, daß ich Ihnen diesen Bluff abnehme, oder?«

»Natürlich nicht! Ich kann Sie sehr gut verstehen, Andy, während Sie hier im Untersuchungsgefängnis auf Ihren Prozeß warten, soll Ihr ehemaliger Chef Millionär geworden sein. Wirklich, kaum zu glauben! Ich frage mich übrigens, warum er seine Position nicht dazu benutzt hat, Sie aus dem Gefängnis zu holen. Im Vertrauen, Andy, die Behörden müßten sich solchen Wünschen sofort beugen. Sie wissen doch, man befürchtet, er könnte sonst unlustig werden und das vierte A-Geschoß zünden.«

Andy stand abrupt auf.

Er wandte sich zu dem diensthabenden Wärter um.

»Ich will weg«, sagte er. »Ich kann diese komische Type »nicht mehr hören. Die macht mich völlig verzückt. Ich will weg!«

Auch Parker erhob sich.

»Ich erlaube mir, Ihnen gute Nächte und fröhliche Träume zu wünschen«, sagte er dann verabschiedend. »Alles Dinge, die Larry Calderhan mit größter Sicherheit haben dürfte!«

*

Rander und Parker verließen das Stadtgefängnis und brachten ein Tor nach dem anderen hinter sich, bis sie endlich das schwere Haupttor erreicht hatten.

Schlüssel rasselten, Gitter wurden geöffnet, Ausweise studiert und nachkontrolliert, und dann endlich durften Rander und Parker durch die Torpforte hinaus in die Freiheit.

Der Wagen, den Mike Rander sich von einem Mietwagenunternehmen besorgt hatte, stand einladend auf dem sonst leeren Parkplatz. Verdächtige Personen oder Fahrzeuge waren weit und breit nicht zu sehen. Wenn es wirklich Verfolger gegeben hatte, wie Parker vermutete, dann mußten sie sich inzwischen aus Langeweile entfernt haben.

Rander steuerte auf den Buick zu und grub den Zündschlüssel aus seiner Rocktasche.

Als er die Tür aufschließen wollte, legte Parker seine Hand auf Mike Randers Unterarm.

»Ich würde zu einiger Vorsicht raten, Sir«, warnte er. »Gangster sind im allgemeinen sehr erfinderisch, wenn es darum geht, mißliebige Personen ins Jenseits zu befördern!«

»Sie glauben?« Mike Rander brach mitten im Satz ab und sah seinen Butler überrascht an.

»Ich glaube nicht, sondern spreche von einer Möglichkeit, Sir! Wenn Sie erlauben, werde ich mich kurz mit diesem Wagen befassen.«

Parker hütete sich, den Buick zu hart anzufassen. Er kontrollierte erst einmal die vier Türschlösser, deren Zustand aber seinen Beifall fanden; Er erkannte mit letzter Sicherheit, daß an ihnen nicht herummanipuliert worden war.

Woher der Butler das wußte?

Nun, als vorsichtiger Mensch, der erfahren im Umgang mit Gangstern war, hatte er die betreffenden Türschlösser vorher präpariert und in jedes Schloß eine winzige Spur einer Graphitpaste hineingedrückt. Diese Versiegelung war noch völlig intakt. Danach waren also weder Original- noch Nachschlüssel verwendet worden.

Mike Rander zündete sich eine Zigarette an und sah interessiert zu.

Josuah Parker beschäftigte sich inzwischen mit der Motorhaube. War sie in der Zwischenzeit vielleicht geöffnet worden? Und zwar durch einen Gewalteingriff von außen her?

Parker war erneut zufrieden. Er konnte nichts feststellen. Auch der Deckel des Kofferraums war intakt, Hatten die Gangster sich womöglich gar nicht um den Buick gekümmert? War Parker diesmal etwas zu vorsichtig und zu mißtrauisch gewesen?

»Dann werden Sie ja wohl nichts dagegen haben, daß wir einsteigen«, sagte Rander und lächelte.

»Einen Moment noch, Sir«

Parker beugte sich nieder und suchte die Unterseite des Wagens ab.

Schon nach wenigen Sekunden nickte er zufrieden.

Er griff mit der Hand unter den Auspuff und zog anschließend ungemein vorsichtig und langsam ein viereckiges Päckchen hervor, das sich als Metallkästchen entpuppte.

»Was haben wir denn da?« fragte Rander verdutzt.

»Eine Rüttelladung, Sir«, gab der Butler zurück. »Der in diesem Päckchen befindliche Sprengstoff wird durch einen Spezialzünder zur Explosion gebracht. Spezialzünder deshalb, Sir, weil er auf die typischen Rüttel- und Schüttelbewegungen einer Auspuffanlage anspricht.«

»Sind Sie wirklich sicher?« fragte Rander und sah sich das Metallkästchen vorsichtig an.

»Ziemlich sicher«, gab der Butler zurück. »Mister Criswood wird Ihnen meine Angaben bestätigen können!«

»Wie bekommen wir das vertrackte Ding jetzt weg?« wollte der junge Anwalt wissen. Dann weiteten sich seine Augen vor Schreck und Staunen, denn Parker war bereits damit beschäftigt, den Zünder auszuschrauben. Er besorgte das mit der Kaltblütigkeit und Geschicklichkeit eines ungemein erfahrenen Feuerwerkers.

»Nun steht der Rückfahrt nichts mehr im Wege, Sir«, meldete er anschließend.

»Und der Zünder? Immerhin dürfte er genügend Knallquecksilber enthalten, um uns Ärger zu machen.

Parker nickte zustimmend.

Er sah sich suchend um, entdeckte eine Batterie von Müllkästen, die auf der Straße vor einem großen Wohnblock standen. Er ging auf diese Müllkästen zu, öffnete eines dieser Gefäße, trat einige Schritt zurück und warf den Zünder dann gekonnt in den Mülleimer hinein.

Worauf der Mülleimer sich sofort selbständig machte und wenigstens zehn Zentimeter vom Pflaster hochsprang. Als er wieder zurück zur Erde kam, sah er recht deformiert und mitgenommen aus.

Randers ließ die Zigarette fallen und beobachtete seinen Butler sehr beeindruckt.

»Manchmal«, sagte er dann lächelnd, »bin ich direkt froh, Parker, daß es Sie gibt!«

Das Motel befand sich an der nördlichen Ausfallstraße und zeichnete sich nicht gerade durch Modernität oder Sauberkeit aus. Es war unterer Durchschnitt.

Hinter einer Einfahrt mit einer Schranke befand sich der Bürobau. An ihn schlossen sich zwei langgestreckte Holzhäuser an, in denen die einzelnen Apartments, untergebracht waren. Die Wagen der Gäste standen in einer offenen Remise.

Ein glatzköpfiger, mittelgroßer, dicker Mann mit kleinen, listigen Augen entpuppte sich als der Besitzer des Motels. Er hieß Lern Coltax und witterte sofort ein Geschäft, als Rander und Parker sein Büro betraten.

Coltax war ein guter Menschenkenner, wie sich schnell herausstellte.

Nachdem er Rander und Parker für wenige Sekunden gemustert hatte, wußte er sofort, daß hier keine Übernachtung zu verkaufen war. Rander und Parker gehörten nicht zu dem Kundenkreis, der in solch einem Motel zu verkehren pflegte.

»Was soll’s denn sein?« erkundigte sich Coltax; nachdem er sich vorgestellt hatte.

»Nur eine kleine Auskunft«, sagte Parker, während Mike Rander sich in dem schäbigen Büro interessiert umsah. »Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit interessieren uns für einen Ihrer Gäste, der für insgesamt drei Wochen hier bei Ihnen gewohnt hat.«

»Davon habe ich eine ganze Menge«, gab Coltax vorsichtig zurück.

»Wir meinen einen gewissen Larry Calderhan, Mister Coltax.«

»Nie gehört!« Coltax zuckte die Schultern.

»Er wohnte hier bei Ihnen unter dem Namen Jeff Canders. Auf diesen Namen lautete die Quittung!«

»Jeff Canders. Stimmt, der hat hier bei mir gewohnt. Was ist mit ihm? Darf ich mal fragen, wer Sie eigentlich sind?«

»Ich bin Anwalt«, sagte Mike Rander. Er deutete auf Parker und fügte hinzu, »und das Ist mein Butler!«

»Schön und gut. Mister Rander. Weshalb sind Sie hinter Canders her? Hat er was angestellt?«

»Man versucht, ihm gewisse Dinge in die Schuhe zu schieben, wie es im Volksmund so treffend heißt«, schaltete Josuah Parker sich wieder ein.

»Ach so. Sie wollen ihn ’rauspauken, was?«

»So ungefähr könnte man es nennen«, pflichtete Parker dem Besitzer des Motels bei. »Sind Sie in der Lage, uns etwas über Mister Canders zu erzählen?«

»Na gut, was wollen Sie von mir hören?«

»Die Wahrheit, wenn es sich eben einrichten läßt«, meinte der Butler würdevoll. »Wohnte Mister Canders länger als drei Wochen in Ihrem Motel? Was tat er? Erhielt er Besuch? War er häufig unterwegs? Telefonierte er oft? Wurde er vielleicht noch mehr angerufen? Fiel Ihnen irgend etwas an ihm auf?«

»Das sind ne Menge Fragen«, gab Coltax zurück. Er zündet sich eine Zigarette an und schloß für einen kurzen Moment nachdenklich die Augen. »Canders war ein angenehmer Zeitgenosse, kann ich nicht anders sagen. Keinen Ärger, keine Saufereien, keine Frauengeschichten. Er putzte sich noch nicht mal seine Schuhe an den Vorhängen ab. Nee, ein angenehmer Kunde. Er war insgesamt drei Wochen hier. Wie’s auf der Quittung steht. Telefoniert hat er. Doch, das stimmt. Oft sogar. Und immer mit Frisco. Vielleicht hat er da ’ne Freundin gehabt. Er ist auch oft angerufen worden. Auch aus Frisco, das weiß ich sehr genau. Besuch hat er kaum gehabt, darin war er sehr zurückhaltend.«

»War er häufig unterwegs? Er kann doch nicht die ganze Zeit über in seinem Apartment gewesen sein.«

»Doch, war er meist. Er schrieb an ’nem Buch, hat er mir wenigstens gesagt. Sie wissen doch, daß der Schriftsteller ist, nicht wahr?«

»Seine Phantasie ist in der Tat überraschend«, antwortete der Butler ohne jede Ironie. »Aus der bewußten Quittung geht hervor, daß Mister Canders vor einer Woche das Motel verließ.«

»Stimmt haargenau, muß ja auch stimmen, denn ich hab’ die Quittung selbst geschrieben. Eines Tages schnappte er sich sein Gepäck und fuhr los.«

»Besaß er einen eigenen Wagen?«

»Nehme ich doch an, daß es seiner war. Er fuhr einen Dodge. Neueres Modell.«

»Ließ Mister Canders durchblicken, wohin er fahren wollte?«

»Er wollte rüber nach Frisco! Wohin genau, sagte er mir natürlich nicht. Und danach hätt’ ich ihn auch niemals gefragt!«

»Können Sie sich an sein Gepäck erinnern?« schaltete Mike Rander sich ein.

»Und ob!« Motelbesitzer Coltax grinste und pustete unwillkürlich die Wangen auf. »Ich hab’ ihn damals gefragt, ob er Beton mit sich ’rumschleppen würde.«

»Wieso, Mister Coltax?«

»Na ja, da war ein Schrankkoffer, der es in sich hatte. Das Ding war kaum in den Wagen zu bekommen!«

»Canders und ich mußten noch ’ne Hilfe besorgen, bis es schließlich klappte.«

»Sagte er etwas über den Inhalt dieses Schrankkoffers?«

»Er sprach von Gesteinsproben. Richtig, er ist ja Geologe. Hat er wenigstens gesagt!«

Parker und Rander tauschten einen schnellen Blick des Einverständnisses. Sie verstanden sich, ohne auch nur ein einziges Wort zu wechseln.

»Was wissen Sie über Canders Barmittel?« stellte Rander dann seine nächste Frage.

»Zuerst sah’s happig damit aus«, erzählte Coltax weiter. »Als Hotelier spürt man ja so was. Er mußte mächtig haushalten. Aber dann, knapp nach einer Woche, traf für ihn eine dicke Geldsendung aus Frisco ein. Ich glaube, es waren tausend Dollar!«

»Erinnern Sie sich zufällig an den Absender?« fragte Rander.

»Es war ’ne Frau, das weiß ich noch genau. Damals hab’ ich noch gegrinst. Canders ist ja genau der Typ, der eine Frau um Geld angeßen kann. Wer die Frau aber ist, weiß ich nicht mehr! So genau hab’ ich mich auch nicht drum gekümmert.«

»Gestatten Sie, daß ich noch einmal zusammenfasse«, meinte der Butler, der einen überraschend aufgekratzten Eindruck machte. »Vor rund einer Woche verließ Mister Canders Ihr Motel, nachdem er insgesamt drei Wochen bei Ihnen verbrachte, nicht wahr?«

»Genau, wenn Sie den Mann meinen, von dem ich gesprochen habe.«

Parker lieferte aus Gründen der Genauigkeit eine Beschreitung von Larry Calderhan. Schon nach den ersten Worten begann Coltax zu nicken, bis er schließlich breit lächelte.

»Sie brauchen gar nicht weiterzureden«, sagte er dann, »das ist Jeff Canders, ein Zweifel ist ausgeschlossen. Das ist Jeff Canders gewesen.«

»Mister Canders transportierte vor etwa einer Woche einen betonschweren Schrankkoffer mittels seines Wagens hinüber nach San Francisco?«

»Das mit dem Koffer und dem Gewicht stimmt, ob er damit aber wirklich nach Frisco gefahren ist, kann ich natürlich nicht sagen. Ich weiß nur, daß er von dort Geld bekommen hat und daß man ihn von dort aus öfters an rief.«

»Ich denke, diese Auskünfte genügen«, sagte Josuah Parker, seinem jungen Herrn einen schnellen Blick zuwerfend.

»Mir kommt’s so vor, als wären Sie hinter Canders her«, sagte Coltax und sah Rander und Parker neugierig an. »Stimmt irgendwas mit ihm nicht? Ist er, sagen wir, ein Gauner?«

»Auf keinen Fall«, bemerkte Josuah Parker höflich und würdevoll, »ein Gauner ist er bestimmt nicht!«

Womit der Butler noch nicht einmal schwindelte. Ein normaler Gauner wäre ja niemals auf den Gedanken gekommen, die Regierung in Washington mit einem A-Geschoß zu erpressen. Um sich so etwas einfallen zu lassen, bedurfte es schon einer gewissen negativen Größe.

Nachdem Rander und Parker das kleine Büro verlassen hatten, konnten Sie ungeniert miteinander reden.

»Die Spur führt offensichtlich nach Frisco«, meinte Anwalt Rander. »Der Schrankkoffer sagt mir alles!«

»Die Unterhaltung mit Mister Coltax war überhaupt recht interessant und aufschlußreich«, antwortete Parker. »Vier Wochen im Leben von Mister Calderhan sind damit geklärt. Vier Wochen. Und es sind jetzt fast auf den Tag genau sechs Wochen her, daß er von der ›Insel der Haie« flüchtete. Bleiben noch zwei Wochen, die aufzudecken sind. Aber möglicherweise kommt es auf die überhaupt nicht mehr an!«

Sie gingen auf den Wagen zu, den sie draußen vor dem Schlagbaum am Straßenrand abgestellt hatten.

Sie hatten ihn noch nicht ganz erreicht, als plötzlich ein cremefarbener Wagen heranpreschte und dicht an die Bordsteinkante heranfuhr.

Parker verzichtete auf lange Erklärungen.

Er trat seinem jungen Herrn in die Kniekehlen und brachte ihn so zu Fall. Mike Rander rutschte zu Boden und kollerte hinter den Buick.

Parker tat es ihm freiwillig nach und landete neben seinem jungen Herrn.

Was sich auszahlte!

Denn Bruchteile von Sekunden später ratterte eine Maschinenpistole los, deren Geschosse wie wilde Hummeln durch die Luft zischten!

»Ich bedaure es ungemein, Sir, daß ich mich in Anbetracht der ungünstigen Umstände gezwungen sah, Sie ohne jede Formalität zu Boden zu werfen.«

Parker stand schon wieder korrekt und in steifer Haltung vor seinem jungem Herrn, der dem davonbrausenden Wagen verdutzt nachsah. Parker griff in eine seiner unergründlichen Anzugtaschen und holte eine kleine Kleiderbürste hervor. Damit wischte und bürstete er peinlich genau die Staubspuren von Randers Anzug.

»Wer mag uns diese Suppe eingebrockt haben?« fragte Rander ärgerlich. »Sherman könnte es gewesen sein!«

»Ich erlaube mir, Sir, Ihnen beizupflichten. Er wird vergrämt darüber sein, daß sein Sprengstoffanschlag nicht gelang. Er dürfte in Ihnen und in meiner bescheidenen Wenigkeit nach wie vor Polizeispitzel sehen, die zusammen mit Mister Calderhan auf ihn angesetzt worden sind.«

»Höchste Zeit, diesen Irrtum aufzuklären und Sherman gehörig auf die Finger zu klopfen«, antwortete Mike Rander. »Wie lange wird Calderhan noch schlafen, Parker?«

»Nach meinen Berechnungen noch etwa vier Stunden, Sir.«

»Müßte eigentlich reichen, Sherman einen kleinen Besuch abzustatten.«

»Sir, ich möchte meiner ehrlichen Freude darüber Ausdruck geben, daß Sie von sich aus zu solch einem Unternehmen auffordern«, sagte Josuah Parker beeindruckt.

»Ab und zu muß ich Ihnen ja mal eine kleine Freude bereiten«, antwortete Mike Rander lächelnd. »Vor diesem Ausflug sollten wir aber Criswood informieren.«

»Natürlich, Sir. Wenn Sie erlauben, werde ich das übernehmen. Sie können einstweilen im Wagen Platz nehmen.«

»Wollen Sie etwa drüben vom Motel aus anrufen?«

»Würde Ihnen das nicht sonderlich passen, Sir?«

»Hören Sie, Parker, ein Wunder, daß die Polizei nach dieser Schießerei noch nicht erschienen ist. Wollen wir es darauf ankommen lassen?«

Josuah Parker, Schießereien dieser Art durchaus gewöhnt, hätte die Polizei um ein Haar glatt vergessen. Jetzt aber, nachdem sein junger Herr ihn auf dieses Versäumnis aufmerksam gemacht hatte, beeilte er sich, schleunigst ans Steuer des Buick zu gelangen. Dann fuhr er so schnell und scharf an, daß die Hinterräder durchtourten.

Sie verschwanden gerade in einer Seitenstraße, als ein Streifenwagen der Polizei erschien, aber ahnungslos an ihnen vorbeizischte. Rander grinste wie ein Schuljunge, dem ein besonders guter Streich gelungen ist.

»Wir werden Criswood sagen, was sich zugetragen hat«, sagte er dann. »Er kann dann die örtliche Polizeibehörde verständigen, damit die Leute nicht unnötig herumrätseln müssen. Denken Sie auch daran, Parker!«

Von der nächst erreichbaren Telefonzelle aus rief Josuah Parker dann an. Er verständigte den CIA-Agenten Criswood, legte auf und suchte dann im Telefonbuch nach Tony Shermans Nummer, die er anschließend ungeniert wählte.

»Mister Sherman bitte«, meldete er sich. »Parker mein Name, Josuah Parker!«

»Moment bitte«, sagte die Stimme von Ernie Claddon, »ich habe keine Ahnung, wer Sie sind? Was wollen Sie von Mister Sherman?«

»Sie sind das, was man im Volksmund so treffend einen Scherz- oder Witzbold nennen würde«, gab der Butler gelockert zurück. »Halten wir uns doch nicht mit unnötigen Plänkeleien auf. Mister Sherman bitte, sonst betrachte ich dieses Gespräch als beendet!«

Ernie Claddon, Ideenlieferant von Tony Sherman, bat um einige Augenblicke Geduld. Wenig später meldete sich Sherman. Und seine Stimme ließ deutlich erkennen, wie neugierig und mißtrauisch er war.

*

Sherman gab sich als geschulter Gastgeber.

Nachdem Claddon einige Drinks serviert hatte, sah er Rander und den Butler abwartend an. Die vierschrötige Bulldogge - anders wirkte Sherman wirklich nicht - fühlte sich als Herr der Situation.

»Sie wollten mich also unbedingt sprechen«, meinte er, »was haben Sie auf Lager?«

»Zuerst möchte ich mir erlauben, meine Mißbilligung Ihnen gegenüber auszudrücken, Mister Sherman, Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit haben es nicht besonders gern, wenn man Sprengladungen an Wagen befestigt, die uns noch nicht einmal gehören. Ganz zu schweigen von der unnötigen Munitionsvergeudung mittels einer Maschinenpistole. Wir fragen uns, warum wir das Mißfallen Ihrer Person erregt haben.«

Sherman hatte alles erwartet, nur das nicht.

Rander schmunzelte in sich hinein. Er hatte nie etwas dagegen, daß sein Butler Unterhaltungen dieser Art eröffnete. Die gewundene und barocke Ausdrucksweise Parkers hatte schon so manchen Menschen ungemein verblüfft und ratlos werden lassen.

Sherman, ein harter Gangster mit mühsam angelernten Manieren, kannte derartige Töne nicht. Selbst Claddon, wesentlich geschliffener und differenzierter denkend, mußte erst einmal schlucken, bis ihm Parkers Worte eingingen.

»Wovon quasseln Sie eigentlich?« fauchte Sherman, nachdem er begriffen hatte. »Können Sie überhaupt beweisen, daß ich...«

»Halten wir uns doch nicht mit den üblichen Mätzchen auf«, schaltete sich Mike Rander ein. »Natürlich können wir nichts beweisen, was nicht heißen soll, daß wir nicht genau wissen. Wir kommen aus einem ganz anderen Grund.«

»Und der wäre?« Sherman sah den Anwalt abwartend an.

»Wir brauchen Angaben über Calderhan«, sagte Rander rund heraus. »Uns interessiert jedes Detail.«

»Soll das’n Witz sein?« erkundigte sich Sherman. »Warum wenden Sie sich nicht an Calderhan selbst? Sie stecken doch unentwegt mit ihm zusammen.«

»Stimmt, Sherman, aber er sagt uns nicht genug.«

»So was hab’ ich noch niemals erlebt«, meinte Sherman und sah seinen Ideenlieferanten Claddon fast hilflos an. »Ist das ein neuer Trick, den Sie ausprobieren? Oder wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Ich soll Ihnen Calderhan ans Messer liefern?

»Immer noch besser, bevor er es tut!«

»Seit wann ist man so an mir interessiert«, wollte Sherman ironisch wissen. »Toll, diese Fürsorge!«

»Sie irren sich, Mister Sherman, Sie sind im Augenblick völlig uninteressant«, erklärte Josuah Parker gemessen. »Ich darf Ihnen sagen, daß man Ihnen das Handwerk früher oder später legen wird. Daran ist überhaupt nicht zu zweifeln.«

»Langsam bringen Sie mich auf die Palme«, knurrte Sherman.

»Es geht, um es noch einmal zu wiederholen, ausschließlich um Larry Calderhan«, sagte Josuah Parker, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen. »Es geht darum, Calderhan daran zu hindern, ungeniert einige Millionen Dollar kassieren zu lassen. Und das ohne Risiko...!«

»Wie bitte?« Tony Sherman stand auf und starrte Parker mißtrauisch an.

»Ich will Ihnen die näheren Umstände erklären«, redete der Butler weiter, »Mister Calderhan ist es gelungen, sich in den Besitz eines Geschosses zu bringen, dessen Sprengsatz aus einer Kernladung besteht. Dieses Geschoß hat er irgendwo in den Staaten versteckt und droht mit einer Zündung, falls ihm die Regierung nicht jede gewünschte Summe zahlt.«

»Toll. Einfach toll.« Shermans Augen glänzten. Er grinste wie ein Satyr. Dann wandte er sich an Claddon und sagt, wütend: »Warum, zum Henker, sind Sie Trottel niemals auf solch einen Gedanken gekommen, he? Überlegen Sie mal, Millionen Dollar!«

»Millionen Dollar, die Calderhan ungeniert einstecken wird. Während Sie sich mühsam durchs Leben schlagen müssen, Mister Sherman!«

»Was passiert, wenn das Ding hochgeht?« fragte Sherman, der sich wieder etwas beruhigt hatte.

»Ist Ihnen bekannt, was damals in Hiroshima passierte?«

»Natürlich!«

»Verdreifachen Sie das, dann wissen Sie ungefähr, was passieren wird.«

»Ein einmaliges Druckmittel«, seufzte Sherman.

»Und das in Calderhans Hand. Unerreichbar für Sie, Mister Sherman.«

»Möglich!«

»Unerreichbar, Mister Sherman«, wiederholte der Butler noch einmal.

»Mister Calderhan, Ihr ehemaliger Konkurrent, wird wie ein Staatsschatz bewacht. Ihm darf nichts passieren, wie Sie sich vorstellen können. Und er wird selbst dann bewacht, wenn er die Erpressungssumme kassiert hat und versucht, irgendwo in der Welt ein neues Leben zu beginnen.«

Sherman verzog unwillkürlich sein Gesicht.

»Mister Calderhan wird Sie natürlich überflügeln«, stichelte Parker sanft und gekonnt weiter, »gegen ihn werden Sie noch nicht einmal eine lokale Größe bleiben. Ja, bei Licht betrachtet, wie es so treffend heißt, hat er das Druckmittel in der Hand, um sich endlich an Ihnen zu rächen.«

»Dazu gehören immer noch zwei Leutchen!«

»Mitnichten, Mister Sherman! Ihre Position ist denkbar schwach, zumal Sie sich bereits den Zorn von Calderhan zugezogen haben. Ich erinnere an das mißglückte Kidnapping, an dem Ihre Leute kaum Schuld hatten.«

»Sie glauben also, ich sollte Calderhan schleunigst in die Pfanne hauen, wie?«

»Ihr Verstand wird Ihnen sagen, was Sie tun müssen.«

»Welche Garantie habe ich, daß mir nichts passiert?«

»Keine, Mister Sherman! Rechnen Sie auch nicht mit irgendeiner Belohnung. In den Augen einer rechtsbewußten Öffentlichkeit und Polizei werden Sie immer das bleiben, was man einen miesen Gangster nennt. Ich hoffe, daß Sie mir diesen Ausdruck verzeihen! Aus reinen, selbstsüchtigen Motiven heraus habe ich mir erlaubt, Ihnen diesen Sachverhalt vorzutragen. Sie müssen wissen, wo Ihr Vorteil liegt.«

»Verdammt, so offen wie Sie hat noch niemand mit mir gesprochen.«

»Ich bin sicher, daß Sie das zu schätzen wissen, Mister Sherman.«

»An dem, was Sie da gesagt haben, ist was dran!«

»Ich bin mir dessen sogar sicher! Auf eine Kurzformel gebracht, würde ich so sagen: Sie liefern uns Details über Calderhan, damit wir ihn so schnell und nachdrücklich wie möglich hinter Gitter bringen können.«

»Moment mal, und wo liegt mein Vorteil?«

»In dem sicheren Gefühl, daß Calderhan eben kein Millionengeschäft machen kann. Mehr ist nicht drin, wie man es in Ihren Kreisen ausdrücken würde.«

Claddon und Sherman sahen sich kurz an.

»Ist wenigstens eine Belohnung ausgesetzt?« fragte Sherman dann.

»Nicht ein einziger Cent«, sagte Mike Rander und schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie werden nur die innere Genugtuung haben, daß Sie Calderhan ein Bein stellen konnten.«

»Schön, wir spielen mit«, sagte Sherman. »Sagen wir, in einer Stunde unten in der Stadt, einverstanden? Ich muß erst noch mit Claddon reden!«

»Wir könnten uns im City-Hotel treffen«, schlug Josuah Parker vor. »Ein angenehmes Hotel mit einer passablen Bar und einigermaßen guten Getränken!«

*

»Wenn er hinter Gittern sitzt, ist er nutzlos«, meinte Claddon, nachdem Mike Rander und Josuah Parker gegangen waren. »Haben Sie nicht gemerkt, worauf dieser Parker spekuliert?«

»Natürlich, Claddon«, erwiderte Sherman nachdenklich. »Er hat kein Blatt vor den Mund genommen.«

»Er spekuliert auf Ihren Neid, Chef«, redete Claddon eifrig weiter. »Er will Sie vor seinen Wagen spannen.«

»Klar, hat er ja offen heraus gesagt.«

»Wollen Sie etwa mitmachen, Chef? In dieser Sache sitzt viel mehr für uns drin...!«

»Los, sagen Sie schon, was...!«

»Wenn wir uns Calderhan unter den Nagel reißen, machen wir, ich meine natürlich, machen Sie das große Geschäft. Dann können Sie die Bedingungen stellen.«

»Angenommen, wir kidnappen Calderhan, wird er uns verraten, wo er das Ding versteckt hat?«

»Dafür garantiere ich, Chef...! Es gibt Mittel, um jeden zum Reden zu bringen. Auch einen Calderhan!«

»Angenommen, er tut es nicht. Was Passiert dann?«

»Dann könnte die Bombe hochgehen!«

»Und dann?«

»Na ja«, sagte Claddon und grinste schmierig, »dann haben wir eben Pech gehabt...«

»Und mit uns Millionen andere Menschen, oder?«

»Na und, Chef...?« Claddon glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Sein Chef zeigte plötzlich so etwas wie ein Gewissen. Das war immerhin neu an ihm.

»Parker hat deutlich genug gesagt, daß Calderhan für uns unerreichbar ist. Kann ich mir gut vorstellen, er wird bestimmt erstklassig abgeschirmt.«

»Dagegen läßt sich was tun! Chef, wir können Millionen machen. Wir können aufreißen, was wir wollen!«

»Und selbst dabei vor die Hunde gehen«, meinte Sherman, der ein harter Realist war. »Was ich habe, weiß ich, was ich bekommen kann, weiß ich nicht.«

»Aber Sie würden auf jeden Fall mit der Polizei Zusammenarbeiten. Wenn auch auf dem Umweg über Parker, Chef.«

»Was Parker sagte, saß«, erklärte Sherman, und sein faltiges Bulldoggengesicht wirkte bedrückt. »Gerade seine verdammte Offenheit hat mich angekratzt. Sage ich ganz offen! Er hat nicht die Spur versprochen. Er hat deutlich ausgedrückt, daß ich ihn an kotze!.«

»Macht Ihnen das etwa was aus, Chef?«

»Quatsch, Claddon! Darauf pfeife ich! Angenommen, ich gehe auf seinen Vorschlag ein. Was hätten wir an Informationen über Calderhan zu bieten?«

»Naja, wir wissen immerhin, wo er sein Haus hat. Mit wem er befreundet war und wer für ihn gearbeitet hat.«

»Warum sollen wir damit nicht herausrücken?« fragte Sherman. Er wanderte im Zimmer umher und rauchte wie ein Schlot. »Wenn ich schon nicht an Calderhan herankann, dann will ich ihm wenigstens die Tour vermasseln. Dieser Parker hat genau meinen schwachen Punkt getroffen.«

»Was halten Sie davon, Chef, wenn wir zweispurig fahren?« tippte Claddon bei seinem Chef an. »Kann ja nicht schaden, wenn wir wissen, wo Calderhan im Moment steckt. Und es kann nicht schaden, wenn wir Parker ein paar Tips geben, was mit Calderhan früher los war. Ist ja nicht anzunehmen, daß er das Atom-Ei bei sich in der früheren Wohnung versteckt hat!«

»Liegen wir richtig?« fragte Mike Rander etwa zu dieser Zeit, als er zusammen mit Josuah Parker zurück zum Bungalow fuhr, in dem Calderhan untergebracht war. »Ich habe das Gefühl, daß wir auf der Stelle treten. Wie sehen Sie den Fall?«

»Ich möchte sagen, Sir, daß ich relativ zufrieden bin«, antwortete der Butler. »Ich bin sicher, daß sowohl dieser Andy als auch Mister Sherman reden werden.«

»Was versprechen Sie sich davon?«

»Es geht mir um die zwei Wochen, die bisher noch nicht einzuordnen sind«, erklärte der Butler gemessen, während er den Buick durch die nächtlichen, dennoch aber strahlendhell erleuchteten Straßen von Miami steuerte. »Sechs Wochen sind seit der Aktion auf der ‚Insel der Haie’ verstrichen. Vier Wochen sind uns inzwischen mehr oder weniger bekannt. Drei Wochen verbrachte Calderhan in dem bewußten Motel des Mister Coltax, eine Woche benötigte er, um seinen schweren Schrankkoffer wegzuschaffen, wahrscheinlich hinüber nach Frisco, verbleiben zwei Wochen. Und diese zwei Wochen interessieren mich ungemein. Was tat Calderhan während dieser zwei Wochen? Warum benötigte er überhaupt die Anlaufzeit, um seinen Schrankkoffer mittels eines Wagens wegzuschaffen?«

»Keine Ahnung«, gab Mike Rander spöttisch zurück, »aber wie ich Sie kenne, werden Sie Calderhan ganz offen danach fragen, oder?«

»Gewiß, Sir, aber nicht umgehend. Mir geht es nun darum, Mister Calderhan erst einmal ein wenig psychisch aufzulockern.«

»Was soll ich denn darunter schon wieder verstehen?«

»Ich muß sein Druckmittel etwas aufweichen«, meinte der Butler gemessen. »Mister Calderhan muß erkennen lernen, daß sein Druckmittel nicht allmächtig ist.«

»Worauf wollen Sie hinaus, Parker? Provozieren Sie ihn nur nicht unnötig, sonst läßt dieser Irre das Ding einfach hochgehen.«

»Wegen kleinerer Unannehmlichkeiten kann er das nicht riskieren. Wenn das A-Geschoß tatsächlich explodiert, wird er wegen Mord vor ein Gericht gestellt und zum Tode verurteilt werden. Das weiß auch Mister Calderhan! Wegen Kleinigkeiten wird er das also niemals geschehen lassen.«

»Verraten Sie mir, was Sie unter Kleinigkeiten verstehen, Parker.«

»Kleine Nadelstiche, die ihn verwirren und ängstlich werden lassen. Ich möchte vorschlagen, daß man Calderhan aus der sichtbaren Überwachung entläßt.«

»Mit anderen Worten?« Rander sah seinen Butler erwartungsvoll an.

»Mister Calderhan muß den Eindruck gewinnen, daß die Behörden sich nicht mehr so intensiv um ihn kümmern wie bisher. Nach seinem Erlebnis mit Shermans Leuten wird ihn das unsicher und nervös, wenn nicht sogar ängstlich machen!«

»Und wenn er dann verrückt spielt?«

»Man muß Mister Calderhan selbstverständlich weiterhin darin bestärken, daß er die wichtigste Person der Staaten ist. Nur die Vorzeichen mußten geändert werden.«

»Gut, wir werden mit Criswood darüber reden«, meinte Anwalt Rander. »Eine Sorge habe ich, Parker, und die bleibt bestehen, was ist, wenn Calderhan die Nerven verliert? Was wird, wenn er die Zeituhr einfach nicht mehr zurückdrehen läßt? Denken Sie an die dann fällige Massenkatastrophe!«

»Ich werde diese tödliche Bedrohung selbstverständlich niemals vergessen, Sir, aber ich darf auf der anderen Seite auch nicht vergessen, noch einige Einkäufe zu tätigen. Ich habe in dieser Hinsicht sehr fest umrissene Vorstellungen!«

*

Calderhan sah übernächtigt aus.

Es war offensichtlich, daß er keinen erquickenden Schlaf hinter sich gebracht hatte. Er verschwand im Badezimmer und duschte ausgiebig. Dann kam er zurück in den Salon und starrte den Butler feindselig an.

»Wo haben Sie die ganze Zeit über gesteckt?« fragte er ärgerlich. »Ich wette, Sie drehen an dem Strick, den Sie mir eines Tages um den Hals legen wollen, oder?«

»Ich hatte es zwar anders ausgedrückt, Mister Calderhan, aber im Endeffekt treffen sich unsere Ansichten.«

»Sie gehen mir auf die Nerven, verschwinden Sie!«

»Mit dieser Tatsache und Neuigkeit wollte ich Sie ohnehin vertraut machen, Sir.«

»Womit? Mit welcher Neuigkeit?«

»Daß ich gehen werde... Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit werden Miami verlassen.«

»Ach nee... Und wohin wollen Sie?« Calderhan ließ sich in einem Sessel nieder und fingerte an einer Zigarettenpackung herum.

»Mister Rander wird in Chikago in reiner Praxis erwartet. Sie werden es in Zukunft nur noch mit Mister Criswood zu tun haben!«

»Sie bleiben hier, verstanden?« schnauzte Calderhan gereizt los. »Wer erlaubt Ihnen, hier einfach abzuhauen?«

»Wer will mir das verwehren, wenn ich die Gegenfrage stellen darf?«

»Ich... Haben Sie verstanden...? Ich...«

»Ich fürchte, Mister Calderhan, Sie überschätzen Ihren Einfluß...!«

»Sie wissen genau, daß ich zu befehlen habe! Sie bleiben hier! Klar?«

»Mitnichten... Und ich kann mir vorstellen, daß Sie wegen meiner bescheidenen Wenigkeit wohl kaum das A-Geschoß zünden werden.«

Calderhans Zigarette brannte.

»Holen Sie Criswood«, fauchte er dann übelgelaunt.

»Ich lege Ihnen nichts in den Weg, ihn selbst zu holen, Mister Calderhan.«

»Wollen Sie mich auf die Palme bringen?«

»Keineswegs, Mister Calderhan, ich möchte Ihnen nur deutlich zu verstehen geben, daß Sie über mich nicht mehr verfügen können.«

Calderhan sprang hoch, lief quer durch den großen Salon und riß die Tür auf.

»Criswood... Criswood...!« brüllte er dann gereizt.

Es dauerte fast zwei Minuten, bis Criswood erschien. Er sah Calderhan kühl an, sagte aber kein Wort.

»Parker will gehen«, schnauzte Calderhan wütend. »Sagen Sie ihm, daß er bleiben muß! Sagen Sie’s ihm! Verdammt, ich will doch sehen, wer hier der Boß ist...!«

»Sie, selbstverständlich, Mister Calderhan, aber nur im Hinblick auf die erste Million, die Sie bekommen werden.«

»Ich pfeife auf das Geld. Ich will, daß Parker hierbleibt!«

»Darauf wird Parker pfeifen«, meinte Criswood lächelnd.

»Dann... dann laß ich das Atom-Ei hochgehen«, schrie Calderhan wie wahnsinnig. »Ich mache keine leeren Drohungen! Ich laß’ das verdammte Ding hochgehen...!«

»In Frisco, nicht wahr?« schaltete Parker sich kühl und beherrscht ein.

»In Frisco...?« Calderhan sah den Butler überrascht an. »Wie kommen Sie auf Frisco...?«

»Nur eine Vermutung«, erwiderte Parker. Er hatte das Gefühl, daß Calderhan keineswegs so überrascht war, wie er tat. »Aber warum sollte es nicht Frisco sein?«

»Selbst wenn...!« Calderhan grinste plötzlich: »Finden Sie das Ding doch erst mal... Frisco ist groß!«

»Sie geben also offen zu, daß sich das A-Geschoß in Frisco befindet?« fragte Criswood, dessen Stimme jetzt scharf und drängend klang.

»Warum denn nicht?« Calderhan lachte laut, viel zu laut. »Wollen Sie Frisco jetzt evakuieren? Viel Vergnügen! Darüber kann ich mich ja auch mal mit dem Zeitungsfritzen unterhalten. Warum ist er noch nicht da? Ich wollte ihm doch ein Exklusivinterview geben.

»Darauf werden Sie verzichten müssen«, sagte Criswood.

»Wie wollen Sie mir das verbieten, he?«

»Wir werden keinen Zeitungsreporter zu Ihnen lassen, Calderhan.«

»Moment mal!« Calderhans Stimmung sank unter den Nullpunkt. »Sollen mir jetzt etwa die Daumenschrauben angelegt werden? Das könnt ihr mit mir doch nicht machen. Wißt ihr was? Dann seht mal zu, wer euch den Zeitzünder zurückdreht! Ich jedenfalls nicht. Mal sehen, wer die stärkeren Nerven hat!«

Calderhan drehte sich abrupt um und verließ den Salon. Nachdem der in seinem Schlafzimmer verschwunden war, sah Criswood den Butler in einer Mischung aus Triumph und Besorgnis an.

»Hoffentlich geht das gut«, sagte er dann leise. »Sie steuern einen verdammt gefährlichen Kurs, Parker. Sie wollen ihm Stück für Stück die Perlen aus seiner Krone brechen, wie?«

»Das umschreibt die Taktik erstaunlich kurz und prägnant«, sagte Parker »Mir geht es darum, daß Calderhan seine Grenzen kennenlernt. Ich räume ein, daß der Nervenkrieg jetzt beginnt! Es kann um Minuten gehen, wenn der fällige Anruf erfolgen muß!«

*

Calderhan beruhigte sich nur sehr langsam.

Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Erwanderte wie ein eingesperrtes wildes Tier durch das Schlafzimmer. Er fühlte instinktiv, daß seine Position entscheidend geschwächt worden war. Die Männer, die ihn bisher umgeben hatten, redeten plötzlich anders. Sie hatten ihm klargemacht, daß sie einfach nicht daran glaubten, daß er wegen einer Lappalie das Geschäft seines Lebens riskieren würde.

Die sollen sich noch wundern, schwor er sich. Ich lasse das Ding hochgehen, ganz gleich, was passiert. Und wenn ich selbst dabei draufgehe!

Wahrend er so dachte, sagte ihm sein Verstand, daß er es sich tatsächlich nicht leisten konnte. Die Erpressung war nur so lange wirksam, wie es um Millionenbeträge ging. In diesem Zusammenhang ging die Regierung ganz sicher kein Risiko ein.

In unwichtigen Belanglosigkeiten aber konnte er sich mittels des A-Geschosses nicht durchsetzen. Dazu war der Einsatz einfach zu groß. Wegen einer Kleinigkeit durfte er seine Trümpfe nicht aus der Hand geben.

Calderhan stand vor dem Fenster und schaute hinaus auf das dunkle, eingefriedete Grundstück. Am Horizont war der Widerschein der strahlendhell erleuchteten Stadt zu sehen. Calderhan hatte plötzlich das Gefühl, eingesperrt zu sein.

Er wollte gerade das Fenster aufstoßen, als er plötzlich wie unter unsichtbaren Peitschenhieben zusammenzuckte.

Schüsse waren zu hören. Dann Schreie, dann wieder Schüsse. Sie kamen drüben von der Mauer her, wo man wegen der Dunkelheit nichts erkennen konnte.

Und Sekunden später warf er sich entsetzt zurück.

Irgendein harter, aber lautloser Gegenstand zerriß die Fensterscheibe und sirrte durch das Zimmer. Glasscherben rasselten klirrend zu Boden.

Calderhan warf sich zu Boden und kroch zum Bett hinüber.

Erst dort merkte er, daß alles unheimlich still geworden war. Er blieb sicherheitshalber auf dem Teppich liegen und lauschte. Er hörte nur das harte, unregelmäßige Pochen seines Herzens. Es schlug ihm hoch bis zum Hals.

Natürlich dachte er sofort an Sherman.

Er wußte, wie sehr der Mann ihn haßte. Hatte sein ehemaliger Konkurrent einen Überfall aufgezogen? Versuchte er noch einmal, ihn zu entführen und unter Druck zu setzen?

Nach qualvoll langen Minuten erhob sich Calderhan. Auf Zehenspitzen schlich er durch das dunkle Schlafzimmer hinüber zur Tür und mußte sich zusammenreißen, um den Drehknopf herumzudrehen.

Er sah in den großen Salon hinein, in dem nur einige Stehlampen brannten und in dem ein unheimliches, weiches Licht lastete.

»He... Hallo...!« rief er zuerst mit leiser Stimme. Dann schrie er lauter, bis er schließlich brüllte.

Er schluchzte fast vor Erleichterung auf, als Criswood erschien. Der CIA-Agent hielt einen Revolver in der Hand und sah, was seine verschmutzte Kleidung anbetraf, ziemlich mitgenommen aus.

»Was... was war los?« fragte Calderhan mit heiserer Stimme.

»Überfall«, gab Criswood zurück. »Hoffentlich hat Sie’s nicht erschreckt oder gestört.«

Criswood hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als wieder eine Scheibe zersplitterte.

Calderhan brüllte auf, als er von einem kleinen Geschoß getroffen wurde.

Er spürte eine lauwarme, klebrige Flüssigkeit auf der linken Wange. Als er instinktiv dorthin faßte und sich dann die Finger betrachtete, fand er ohne Schwierigkeiten heraus, daß diese Flüssigkeit rot war.

Es handelte sich um ein harmloses Spezialgeschoß des Butlers. Doch das wußte Calderhan nicht... Er wußte auch nicht, daß dieser ganze Überfall von Parker inszeniert worden war.

*

Tony Sherman wollte gerade die Bar des City-Hotels verlassen, als Josuah Parker auftauchte.

»Ich sehe mich zu meinem Leidwesen gezwungen, mich bei Ihnen entschuldigen zu müssen«, sagte Parker gemessen und unnahbar. »Wichtige Umstände zwangen mich, verspätet zu kommen, ich hoffe, Sie werden mir das nicht zu sehr anlasten.«

»Was war denn los?« fragte Sherman mißtrauisch.

»Ein Überfallversuch auf Calderhan. Er mißlang selbstverständlich. Morgen werden Sie in allen Zeitungen von einer rätselhaften, nächtlichen Schießerei hören.«

»Wissen Sie, wer’s gewesen ist?«

»Auf keinen Fall Ihre Leute, Mister Sherman. So viel Dummheit traue ich Ihnen beim besten Willen nicht zu. An Calderhan kommt keiner heran, wie ich es schon einmal ausdrückte. Er ist unerreichbar für alle Sonderpläne.«

»Was schauen Sie mich dabei so an? Meine Leute sind’s wirklich nicht gewesen!«

»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Parker mit einem andeutungsweisen Lächeln, denn schließlich kam dieser angebliche Überfall ja auf sein Konto. »Ich bin sicher, daß Sie sich zu einer gewissen Mitarbeit entschieden haben, «

»Viel kann ich Ihnen nicht erzählen«, begann Sherman. »Aber vielleicht können Sie was damit anfangen!«

Parker und Sherman gingen in die Bar zurück. Sherman legte sich keinerlei Hemmungen auf und berichtete, was er von und über Calderhan wußte.

Parker hörte interessiert zu. Als ein bestimmter Name fiel, spitzte er im übertragenen Sinne die Ohren.

»Mister Calderhan hat also eine Freundin hier in Miami?« wiederholte er dann.

»Warum wundert Sie das?« fragte Sherman anzüglich zurück. »Calderhan richtete ihr einen Modesalon ein.«

»Wie heißt diese Freundin?« wollte Parker wissen.

»Ginger Coltax...! Ich weiß nicht, ob Sie damit was anfangen können.«

»Möglicherweise«, murmelte der Butler ausweichend. »Wo finde ich diesen Modesalon?«

»In einer Seitenstraße der Promenade, Carring Street.«

»Wohnte Calderman dort?«

»Keine Ahnung. Seine Hauptwohnung hatte er über einem Bootsverleih unten am Jachthafen. Ist sinnlos, Ihnen die genau beschreiben zu wollen. Wenden Sie sich an den Bootswart da unten, der wird Ihnen genau Bescheid geben können.«

»Warum gerieten Sie eigentlich mit Calderhan in Konkurrenz?« stellte der Butler seine nächste Frage. »Ich weiß, diese Frage ist etwas heikel.«

»Worauf Sie sich verlassen können. Deshalb antworte ich darauf auch nicht, Parker. Ich denke, Sie haben sich hinreichend mit Informationen gefüttert.«

»Ich weiß das zu schätzen, Mister Sherman.« Parker erhob sich und deutete eine höfliche, aber kühle Verbeugung an. »Darf ich Sie vor dem Abschied noch einmal hinsichtlich Calderhans warnen?«

»Ich soll also die Finger von ihm lassen, wie?« Cherman grinste.

»Ich empfehle es wirklich dringend«, antwortete der Butler. »Sie würden sich damit manchen Ärger ersparen. Ich könnte mir vorstellen, daß Ihr Mitarbeiter Claddon anders darüber denkt, aber lassen Sie sich nicht beeinflussen.«

»Bestimmen, was geschieht, tue immer noch ich«, gab Sherman schon wieder leicht gereizt zurück.

»Hoffentlich fallen Ihre Entscheidungen richtig aus«, meinte Parker gemessen. »Ich darf mich jetzt empfehlen, ja?«

Eine weitere, angedeutete Verbeugung, dann verließ der Butler die Hotelbar und kümmerte sich nicht weiter um Sherman, der ihm aus zusammengekniffenen Augen nachdenklich nachsah.

*

Obwohl Mitternacht längst überschritten war, herrschte noch starker Verkehr in der Stadt. Urlauber, die nach Florida kamen, speziell aber nach Miami, gingen keineswegs früh zu Bett. Das konnten sie schließlich zu Hause haben. Das Nachtleben war darauf eingerichtet, Betrieb um jeden Preis bis zum frühen Morgen zu entwickeln.

Da es in den Staaten keine festgesetzten Ladenschlußzeiten gibt, hatten die Geschäftsleute sich diesem Rhythmus angepaßt. Man kann und konnte praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit einkaufen.

Ginger Coltax machte darin keine Ausnahme.

Ihr kleiner, aber exklusiver Modesalon in der Carring Street war noch geöffnet. Sie hatte sogar Kundschaft, wie Parker nach einem flüchtigen Blick durch die Ladenscheibe feststellte.

Eine apart aussehende, kleine, schmale und zierliche Frau von etwa achtundzwanzig Jahren bediente zwei Matronen und verkaufte ihnen offensichtlich Bermuda-Shorts, jene häßlichen, fast knielangen Shorts, die jedes noch so schlanke Bein verunstalten.

Parker betrat das Geschäft und nahm ein heldisches Glockenspiel zu Kenntnis. Höflich zog er seine schwarze Melone. Dann blieb er geduldig neben einer leeren, kleinen Verkaufsvitrine stehen.

Die beiden älteren Matronen hatten inzwischen gewählt. Sie beglichen die Rechnung, ließen sich die häßlichen Beinkleider einpacken und verließen das Geschäft, nachdem sie Parker mit einem leicht giftigen Blick gemustert hatten.

»Sir...?« fragte die schlanke, zierliche Frau, deren Haar aschblond war.

»Miß Coltax?« fragte Parker zurück.

»Richtig...« Sie gab sich zurückhaltend, damenhaft.

»Ich komme wegen Mister Larry Calderhan«, erklärte der Butler. »Ich bin sicher, daß Ihnen dieser Name etwas sagt.«

»Möglich«, sagte sie. Parker merkte, daß sie sofort auf größte Vorsicht umschaltete.

»Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Wie schon gesagt, ich komme wegen Mr. Calderhan!«

»Und?« Mehr sagte sie nicht. Kühle, graue Augen sahen den Butler kritisch und forschend an.

»Ich stehe im Kontakt zu Mister Calderhan«, begann Parker mit seinem eigentlichen Anliegen. »Er befindet sich zur Zeit in einer äußerst kritischen Phase...!«

»Was soll ich darunter verstehen?« wollte sie wissen.

»Mister Calderhan ist dabei, ein einmaliges Geschäft mit der Regierung in Washington abzuwickeln.«

»Larry?« Sie lachte unwillkürlich auf. Und in dieses Lachen mischte sich reiner Spott. »Haben Sie sich da nicht getäuscht?«

»Larry Calderhan«, bestätigte der Butler. »Sein Geschäft bewegt sich in den Dimensionen von einer Million Dollar.«

»Das glauben Sie doch selbst nicht«, sagte sie ungläubig. »Larry mag tüchtig sein, aber so tüchtig nun auch wieder nicht. Warum sollte Washington ihm eine Million Dollar zahlen?«

»Hätten Sie etwas dagegen?«

»Natürlich nicht, doch das sind Larrys Angelegenheiten, mit denen ich nichts zu tun haben will.«

»Soll das heißen, daß Sie keinen unmittelbaren Kontakt mehr zu ihm haben?

»Richtig, Mister Parker. An sich sehe ich keinen Grund, mit Ihnen darüber zu sprechen, aber Sie würden ja wohl doch weiterbohren.«

»Wenn, dann nur in schonender und höflicher Form, Miß Coltax.«

»Larry und ich sind längst getrennt«, sagte sie und ihre Stimme klang sehr sachlich. »Bevor Sie fragen, will ich Ihnen sagen, seit wann. Schon seit vielen Monaten... Wir gingen ohne Streit auseinander. Larry überzog seinen persönlichen Kredit bei mir. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«

»Auch in den vergangenen sechs Wochen nicht?«

»Auch da nicht, Mister Parker. Unsere Wege hatten sich einfach getrennt.«

»Ihr Vater betreibt ein Motel, Miß Coltax?«

»Stimmt...! Hoffentlich spricht das nicht gegen mich.«

»Sie sehen Ihren Vater oft?«

»Fast gar nicht! Hin und wieder schaue ich einmal eine Viertelstunde bei ihm vorbei, mehr aber nicht. Wir haben getrennte Geschäfte und getrennte Interessen.«

»Darf ich indiskret sein und fragen, ob Sie sich wegen einer gewissen Susan Kelly zerstritten?«

»Schon möglich«, sagte sie, ohne sich über dieses Thema näher zu verbreiten.

»Ich lernte Miß Kelly auf einer Insel der Bahamas kennen«, sagte Parker. »Sie kam später auf See um...!«

»Wenn schon«, gab sie zurück, »das alles interessiert mich nicht mehr.«

»Ihr Vater und Calderhan sind gut miteinander befreundet?«

»Ich weiß es nicht. Sie waren es einmal, aber ob es noch so ist, kann ich nicht sagen. Haben Sie sonst noch Fragen?«

»Ich bedanke mich für dieses Gespräch«, sagte Parker und deutete "eine höfliche Verbeugung an. »Vielleicht ist es ganz gut, daß Sie sich seinerzeit von Mister Calderhan trennten.«

»Auch das ist möglich«, erwiderte Ginger Coltax. »Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen, mich interessiert das alles nicht mehr. Das Kapitel Calderhan ist aus meinem Leben gestrichen!«

Parker verließ das Geschäft und ging würdevoll und gemessen zurück zu seinem Wagen. Als er einsteigen wollte, hörte er plötzlich hinter sich ein feines, knirschendes Geräusch. Bruchteile von Sekunden später trieb ein Schlag ihm die steife, mit Stahlblech ausgefütterte Melone tief in die Stirn. Und weitere Bruchteile später war Parker ohnmächtig.

Als er wieder zu sich kam, saß er im Fond eines Wagens und hätte allen Grund gehabt, sich über mangelnde Bewegungsfreiheit zu beschweren.

Seine Hände waren gebunden. Die Füße ebenfalls. Man hatte Blumendraht dazu verwendet und ihn verschwenderisch um die Gelenke gewickelt.

‘ Parker blieb entspannt halb auf dem Sitz liegen. Seine Entführer brauchten schließlich nicht zu wissen, wie es um ihn stand. Sie konnten nicht wissen, daß das Stahlblech in der Melone die Wucht des Schlages aufgehoben hatte.

Parker erkannte zwei Männer im Wagen. Wenn ihn nicht alles täuschte - und er täuschte sich nur sehr selten handelte es sich um den Ideenlieferanten Claddon und um den Jungen Benson. Es waren jene beiden Männer, mit denen er bereits schon einmal in den Everglades zu tun gehabt hatte.

Miami mußte längst hinter ihnen sein, denn sie befanden sich auf einer gut asphaltierten Straße, auf der kaum noch Verkehr herrschte. Bevor Parker dazu kam, sich mit dieser Gegend vertraut zu machen, bog der Wagen scharf von der Straße ab und rumpelte ab sofort durch tiefe Schlaglöcher. Er hielt vor einem kleinen Holzhaus, das von den Scheinwerfern des Wagens hell angestrahlt wurde.

»Fassen Sie an, Benson«, sagte Claddon zu seinem Begleiter. Parker rührte sich nicht und ließ alles mit sich geschehen. Er ließ sich genußvoll in das Holzhaus hineintragen und auf einer Couch betten.

Während Claddon und Benson sich den Schweiß von der Stirn wischten, öffnete der Butler endlich seine Augen und sah sich in dem großen Zimmer um. Es mochte so groß wie das ganze Haus sein.

»Er ist wach«, rief Benson aus, der Parker wohl beobachtet hatte.

»Das erspart uns Zeit und Mühe«, meinte Claddon und baute sich vor dem liegenden Parker auf. »Reden wir nicht um die Dinge herum, Parker. Hören Sie genau zu, was ich von Ihnen will!«

»Sie erlauben wohl, daß ich mich aufrichte«, erwiderte der Butler höflich und wartete die Erlaubnis erst gar nicht ab. Er richtete sich auf und sah ein wenig unglücklich aus, denn die steife Melone saß noch immer tief auf seinem Kopf.

Die beiden Gangster hatten zudem den Leichtsinn begangen, Parkers Universal-Regenschirm mit ins Haus zu bringen. Aus Gründen der Bequemlichkeit hatten sie ihn in die gebundenen Arme des Butlers geschoben.

»Kommen wir also sofort zur Sache«, sagte Parker in einem Ton, als sei er überhaupt nicht gefesselt.' »Sie wollen von mir, wenn mich nicht alles täuscht, Calderhan ausgeliefert bekommen, nicht wahr?«

»Sie begreifen schnell, ich wußte es gleich!« Claddon schmunzelte. »Wenn Sherman das Geschäft nicht machen will, müssen wir eben eingreifen.«

»Er wird mit Ihrem eigenmächtigen Vorgehen keineswegs einverstanden sein.«

»Wenn schon!« Claddon grinste amüsiert. »Seine Zeit dürfte abgelaufen sein. Er ist zu satt, zu vorsichtig geworden. Er hat einfach keinen Schwung mehr!«

»Und das im Gegensatz zu Ihnen, nicht wahr, Mister Claddon?«

»Sie sagen es, Parker, Sie sagen es. Machen wir’s also kurz. Ihr Arbeitgeber Rander kann Sie gegen Calderhan austauschen. Dann passiert Ihnen nichts. Geht er auf mein Angebot nicht ein, dann sind Sie innerhalb der nächsten zwei Stunden ein toter Mann!«

»Das schätze ich an Ihnen, Mister Claddon. Sie drücken sich wenigstens konzentriert und ohne jede Umschweife aus.« Parker nickte anerkennend. »Ich fürchte nur, daß dieser Tausch Ihre Kräfte bei weitem übersteigen wird!«

*

Criswood wischte sich den Schweiß von der Stirn, nachdem Mike Rander ihn eingelassen hatte. Rander wohnte nach wie vor in dem Bungalow, in den man Calderhan als wichtigsten Gast der Regierung untergebracht hatte.

»Ich werde noch wahnsinnig«, sagte Criswood und ließ sich in einen Sessel fallen.

»Wollen Sie mir nicht wenigstens sagen, warum?« erkundigte sich der Anwalt.

»Parker sitzt in der Klemme«, sagte Criswood und richtete sich wieder auf.

»Er ist von irgendwelchen Gangstern gekidnappt worden. Und wissen Sie, was man im Austausch gegen ihn verlangt?«

»Ich nehme an, Calderhan, oder?«

»Sie hätten eine Wette darüber gewonnen«, redete Criswood weiter. »Ich nehme an, daß Sherman hinter diesem Kidnapping steht. Er weiß ja aus erster Hand, was mit Calderhan los ist. Glauben Sie mir, Rander, es war fast ’ne Schnapsidee, daß Parker diesem Gangster alles auf die Nase gebunden hat.«

»Das muß sich erst noch herausstellen«, sagte Mike Rander. Er zündete sich eine Zigarette an. »Klar ist nur, daß wir jetzt in der Patsche sitzen!«

»Worauf Sie sich verlassen können! Selbst wenn ich persönlich wollte, ich kann Calderhan nicht ausliefern und gegen Parker eintauschen. Das sitzt einfach nicht drin. Und das wissen Sie hoffentlich, Rander! Calderhan ist jetzt wichtiger!«

Rander antwortete nicht sofort. Er ging vor dem Bett auf und ab. Er trug nur seinen Schlafanzug, denn er hatte sich bereits niedergelegt, bevor Criswood aufgetaucht war.

»Sagen Sie doch endlich was«, fuhr Criswood ihn nach wenigen Sekunden nervös an. »Begreifen Sie denn nicht, in welcher Zwangslange ich mich befinde?«

»Nicht mehr lange«, antwortete Mike Rander. Er griff nach seiner Kleidung und zog sich schnell an. »Ich werde mich um Parker kümmern, Criswood. Wenn das überhaupt noch nötig ist. Ich kenne doch Parker! Er hat immer etwas dagegen gehabt, daß man ihn unter Druck setzt!«

*

Josuah Parker war ehrlich froh, daß die beiden Gangster ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden hatten. Ohne sich verrenken zu müssen, kam er ohne weiteres an seine Schuhe heran. Dazu brauchte er nur seine Beine anzuwinkeln.

Was er selbstverständlich auch tat.

Parkers Schuhe entsprachen ganz gewiß nicht dem letzten Modeschrei. Sie waren konservativ und sahen ungemein solide aus. Die Absätze waren sogar mit kleinen Hufeisen bewehrt, um einem vorzeitigen Verschleiß entgegenzuwirken.

Zudem ließen die Absätze sich zur Seite schieben. Dann wurde ein Miniatur-Sägeblatt frei, das aus bestem Spezialstahl bestand. Parker brachte den Blumendraht an seinen Handgelenken an dieses Sägeblatt heran und durchtrennte geduldig, wie er es nun einmal war, die einzelnen Wicklungen durch, bis er seine Hände wieder frei zu bewegen vermochte.

Der Rest war eine Kleinigkeit.

Mit freien Fingern löste er den Blumendraht an den Fußgelenken. Zusätzlich bemühte er dazu eine kleine Feile, die er dem hohlen Absatz entnommen hatte.

Auch diese Arbeit ließ sich innerhalb weniger Minuten bewerkstelligen. Parker war schließlich ein handwerklich geschickter Mensch. Und zudem jeder unnötigen Anstrengung abhold.

Obwohl frei und bewegungsfähig, blieb er auf der Couch liegen, die von der Tischlampe kaum beleuchtet wurde. Parker sah hinüber zum Tisch, um den Claddon und Benson saßen und Bierkonserven leertranken.

Claddon entwickelte Ideen.

Er ließ deutlich durchblicken, daß er sich bereits als Chef der Sherman-Gang betrachtete. Er warf mit den Millionen nur so um sich und entwickelte immer neue Theorien, wie man die Regierung in Washington mittels des A-Geschosses unter Druck setzen konnte.

Benson hörte fasziniert zu. Er war noch zu jung, zu kritiklos und zu geldgierig, um die Haare in der Suppe entdecken zu können. Er träumte von Reichtum und von einem Leben in Luxus und zügelloser Freiheit.

»Hauptsache«, warf er endlich ein, »daß man Calderhan gegen den komischen Butler austauscht.«

»Das geht klar, dafür lege ich meine Hand ins Feuer!«

»Und wenn sie’s nicht tun, Claddon?«

»Dann verschwindet Parker hier irgendwo in den Sümpfen.«

»Und was wird dann aus unserem Geschäft?«

»Dann ziehen wir eben ’ne andere Masche auf«, sagte Claddon und entwickelte schleunigst eine neue Idee.

Parker hielt es für an der Zeit, nun aktiv zu werden.

Er langte verstohlen nach einer kleinen Ziervase, die auf dem Rauchtisch neben der Couch stand. Sie schleuderte er kraftvoll quer durch das Zimmer gegen eines der Fenster.

Als die Scherben aus dem Fensterrahmen spritzten, fuhren Benson und Calddon entsetzt hoch. Und als sie endlich begriffen, daß irgend etwas mit Parker nicht stimmte, da war es für sie bereits zu spät.

Parker stand dicht hinter ihnen. In der Hand hielt er seinen Universal-Regenschirm.

»Tut mir fast leid, Ihre Träume zerstören zu müssen«, sagte er höflich und würdevoll, »aber Sie werden verstehen daß ich diesem Spiel ein Ende bereiten muß.«

Benson beging den Kardinalfehler, sich auf den Butler zu werfen.

Parker wich geschickt zurück und stellte dem vorprellenden Benson ein Bein.

Benson stolperte, verlor das Gleichgewicht und landete in wenig schöner Haltung auf dem Boden.

Claddon, als Einzelkämpfer nicht besonders geschult, wollte die Flucht ergreifen.

Parker trat gegen die Tischkante, die sich daraufhin sofort in Bewegung setzte, und Claddon folgte.

Claddon und Tisch trafen sich einen knappen Meter vor der Tür. Claddon brüllte auf, wurde vom Schwung des Tisches gegen die noch geschlossene Tür gepreßt und leicht lädiert.

Benson war schon wieder auf den Beinen.

Er erinnerte sich seiner Schußwaffe im Schulterhalfter. Er riß sie heraus und wollte auf Parker schießen.

Ein Aschenbecher hinderte ihn daran.

Der massive Metallaschenbecher segelte durch die Luft und traf das Handgelenk des Gangsters.

Benson brüllte auf und starrte verwundert auf die schmerzende und jetzt leere Hand.

Was Claddon zum Anlaß nahm, Parker anzugreifen. Er war wie eine Ratte, die man in die Enge getrieben hat. Auch er erinnerte sich seiner Schußwaffe und riß sie aus der Außentasche seines Jacketts.

Er vergaß, daß er sie gesichert hatte.

Hastig legte er den bewußten Hebel herum und feuerte den ersten und einzigen Schuß ab.

Worauf er losbrüllte, als hätte man ihn aufgespießt.

Was sogar zu verstehen war, denn in der Hast hatte er viel zu früh abgedrückt und sich selbst in die Wade geschossen. Claddon ließ die Waffe fallen und beteiligte sich ab sofort nicht mehr an dieser Auseinandersetzung.

Im Gegensatz zu Benson, der es unbedingt wissen wollte.

Benson bückte sich nach der entfallenen Schußwaffe und erreichte sie auch mit seinen Fingern.

In diesem Augenblick war wieder der Butler an der Reihe.

Er stand unmittelbar vor dem elektrischen Herd, über dem einige Behälter mit Grundnahrungsmitteln angebracht waren. Unter anderem war dort auch feines Weizenmehl zu finden.

Diesen Behälter nun warf Parker dem jungen, drahtigen Gangster an den Kopf.

Das feine Weizenmehl stäubte hoch und vernebelte Benson die Sicht. Er kam zwar noch dazu, einen Schuß zu lösen, doch er traf nur Claddon, der noch lauter brüllte. Was ebenfalls zu verstehen war, denn der Streifschuß hatte seine Schulter verletzt.

Bevor Benson mit der Waffe noch weiteres Unheil anrichten konnte, fischte Parker mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms nach ihr und brachte sie außer Reichweite des Gangsters.

Benson hustete und spuckte.

Sein Gesicht war zu einer weißen Maske geworden. Die gereizten Augen produzierten Tränen, die sich mit dem Weizenmehl innig vermischten. Aus dieser Verbindung wurde ein salzig schmeckender, zäher Kleister, der Benson die Augen verschmierte.

»Wen soll ich jetzt informieren?« erkundigte sich Parker dann bei Claddon. »Ist Ihnen Sherman lieber oder die Polizeibehörde?«

Claddon entschied sich für die Polizei, da er am Weiterleben durchaus interessiert war.

Nachdem Parker per Telefon die Polizei verständigt hatte, läutete er im Bungalow an.

Criswood meldete sich. Seine Stimme klang belegt.

»Butler Parker am Apparat«, sagte Parker höflich. »Ich möchte mich nach einem kleinen Umweg nur zurückmelden! Die beiden Herren Claddon und Benson werden wohl gleich von der Polizei abgeholt und verarztet. Ich selbst werde in etwa einer Stunde zurück im Bungalow sein!«

»Beeilen Sie sich, Ihren Chef abzufangen«, sagte Criswood hastig. »Er ist auf dem Weg zu Sherman, um ihm auf die Finger zu klopfen! Beeilen Sie sich, bevor es ein Unglück gibt!«

»Ich werde mich bemühen«, erwiderte der Butler gemessen und ohne jede Hast. »Darf ich fragen, wie es Mister Calderhan geht?«

»Moment mal«, sagte Criswood, der von einer gedämpften Stimme im Hintergrund unterbrochen wurde. »Moment mal. Wie bitte?«

Parker wartete geduldig, bis Criswood wieder mit ihm sprach.

»Parker«, sagte Criswood dann allerdings mit einer Stimme, die nichts Gutes verhieß, »Parker, ich werde endgültig wahnsinnig. Calderhan ist verschwunden!«

*

Parker verzichtete auf eine weitere Unterhaltung. Was er gehört hatte, reichte ihm vollkommen. Er spürte, daß die Dinge ihrem Höhepunkt zujagten. Jetzt mußte sehr schnell gehandelt werden.

Er warf einen prüfenden Blick auf Claddon und Benson. Er konnte sie unmöglich alleinlassen. Sie hätten sich verständlicherweise sofort abgesetzt und bestimmt nicht ruhig auf das Eingreifen der verständigten Polizei gewartet.

Parker, sonst stets gegen Hast und unnötige Eile, stand wie auf glühenden Kohlen. Da waren schließlich nicht nur diese beiden Gangster, da gab es nicht nur Calderhan, der sich, aus welchen Gründen auch immer, abgesetzt hatte, nein, da war vor allen Dingen Mike Rander, der racheschnaubend auf dem Weg zu Tony Sherman war.

Wie war das alles unter einen Hut zu bringen?

Parker bedauerte es ungemein, daß er nicht über den Inhalt seines Spezialkoffers verfügen konnte. Er enthielt alle jene Utensilien, die Parker im Kampf mit Gangstern brauchte.

Er mußte also improvisieren, wenn er nicht unnötig Zeit verlieren wollte. Es war fraglich, wann die Polizei hier draußen am Rande der Everglades eintraf.

Parker ließ sich wieder einmal etwas einfallen.

Er veranlaßte Claddon und Benson, in den niedrigen, kleinen Vorratskeller zu steigen, der durch eine Falltür zu erreichen war. Nachdem die beiden Gangster darin verschwunden waren, schloß der Butler die Falltür und nagelte sie mittels einiger langer Nägel und eines Hammers zu. Diese Gegenstände boten sich förmlich an. Sie lagerten in einer Werkzeugkiste unter dem Spülbecken.

Mit Mehl legte der Butler eine Spur zur Falltür aus. Sie konnte unmöglich übersehen werden. Dann ging er ausgesprochen eilig hinaus zu dem Wagen der Gangster, setzte sich ans Steuer und fuhr los.

Es dauerte fast eine kleine Ewigkeit, bis er endlich die Hauptstraße erreicht hatte. Dann aber drehte der Butler in einer Form auf, wie er es selten zu tun pflegte. Zu seinem Glück war die Straße noch leerer geworden.

Wie ein unheimliches Phantom jagte er in Richtung Miami. Ihm ging es darum, seinem jungen Herrn behilflich zu sein. Er fühlte sich eigentlich immer für ihn verantwortlich.

Unterwegs - er hatte die Stadtgrenze fast erreicht - kamen ihm zwei Streifenwagen der Polizei entgegen. Parker kümmerte sich nicht weiter um sie.

Dann erreichte er den Bungalow von Tony Sherman.

Durch das starke Holztor konnte er hinüber zum Haus sehen. Licht war kaum zu erkennen. Es war sehr fraglich, ob Sherman überhaupt zu Hause war.

Parker stieg aus und versuchte das Tor zu öffnen.

Es war selbstverständlich verschlossen.

Parker musterte die Mauerkrone.

Dünne Drähte spannten sich von Pfeiler zu Pfeiler. Sie gehörten augenscheinlich zum System einer privaten Alarmanlage. Sie schimmerten im Mondlicht.

Der Butler verzichtete auf alle Tricks. Zeit war jetzt alles.

Er stieg zurück in den Wagen der Gangster, fuhr ein Stück die Straße hinunter, wendete und fuhr zurück zum Grundstück. Diesmal aber bremste er den Wagen nicht ab.

Er riß ihn nur auf die Zufahrt und gab Vollgas.

Der Wagen verwandelte sich augenblicklich in einen riesigen, nicht mehr zu bremsenden Rammbock.

Ein harter Stoß rüttelte den Butler durch.

Holz kreischte und splitterte.

Bretter wirbelten durch die Luft.

Der Wagen schleuderte, aber er durchbrach das starke Hindernis und jagte dann auf zwei platten Vorderreifen genau auf den Bungalow zu.

Parker versuchte zu bremsen.

Die Bremse erwies sich als unzuverlässig. Sie packte nicht mehr.

Der Wagen brauste weiter und landete dann im Windfang des Hauses.

Parker öffnete die Tür. Er konnte von Glück sagen, daß sie sich nicht verklemmt hatte. Er barg seinen Universal-Regenschirm und stieg neben der Garderobe aus.

Genau in diesem Augenblick erschienen zwei stämmige Männer, die zu Shermans Leibwache gehörten. Parker hatte sie schon einmal gesehen.

»Melden Sie mich bitte Mister Sherman«, sagte er in seiner würdevollen und höflichen Art. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker!«

Die beiden Leibwächter waren perplex.

Besucher dieser Art hatten sie noch niemals vorher erlebt und gesehen. Schließlich war es ja auch ungewöhnlich, daß die Gäste durch die Haustür direkt in die Garderobe hineinfahren.

Dann schalteten die beiden stämmigen Männer. Und sie fühlten sich veranlaßt, Parker zur Rechenschaft zu ziehen.

Sie hätten es besser nicht getan.

Parker ließ seinen Universal-Regenschirm kreisen. Worauf die beiden stämmigen Männer wortlos zu Boden gingen und neben dem Wagen parkten.

Der Butler barg zwei Revolver, Kaliber 45, zwei Dolchmesser und zwei Schlagringe. Anschließend betrat er den großen Salon, der sich aber als leer erwies.

Parker sah sich suchend um.

Die Anwesenheit der beiden Leibwächter deutete schließlich daraufhin, daß Sherman zu Hause war.

Bevor Parker sich die Mühe machte, das ganze Haus anzusuchen, hörte er schnelle Schritte.

Sekunden später erschien Sherman in einer Seitentür.

»Sie?« Sherman sperrte Mund und Nase auf.

»Ich wünsche einen guten Abend«, sagte Parker beherrscht. »Ich bin gekommen, um Mister Rander abzuholen!«

»Mister Rander?« Sherman war ein äußerst schlechter Schauspieler. Er konnte sich nicht verstellen. Er sah sich unwillkürlich nach der Tür um, die er gerade durchmessen hatte.

Diese Geste sagte dem Butler bereits genug.

»Sie erlauben doch«, bat er, um dann sofort mit einer Tischlampe nach Sherman zu werfen. Sherman hatte nämlich den Fehler begangen, nach seiner Schußwaffe zu greifen, eine Handlungsweise, die der Butler stets und unter allen Umständen mißbilligte.

Sherman kickste auf, taumelte und fiel mit dem Kopf gegen die Wand. Bevor er den Boden vollends erreicht hatte, stand der Butler bereits vor ihm und zog ihn an den Aufschlägen seines Jacketts hoch.

Übrigens im genau richtigen Moment, denn zwei Schüsse fielen.

Sie waren sehr wahrscheinlich für Parker gedacht gewesen, doch sie erreichten jetzt nur Tony Sherman. Er stöhnte, wurde weich und schlaff in Parkers Armen und war plötzlich nicht mehr zu halten.

Parker ließ den Gangsterboß zu Boden gleiten und betrat das Nebenzimmer.

Er sah Mike Rander auf den ersten Blick.

Sein junger Herr saß auf einem einfachen Stuhl, doch er konnte sich nicht bewegen. Er war darauf festgebunden worden und hatte bereits so etwas wie eine erste Runde der Befragung hinter sich. Parker konnte das den kleinen Riß- und Platzwunden in Randers Gesicht entnehmen.

Hinter Mike Rander stand ein Leibwächter.

Er preßte die Mündung seiner gerade gebrauchten Waffe gegen Mike Randers Schläfe.

»Keinen Schritt weiter«, befahl der Leibwächter. Bei näherem Hinsehen erkannte Parker den stämmigen Fahrer von Sherman, Saul Natters.

»Sie werden schnell genug sein, Mister Rander zu taten«, sagte Parker, ohne sich beirren zu lassen. »Sie werden aber ganz sicher nicht schnell genug sein, um dann meinem Schuß zu entgehen!«

Saul Natters schluckte. Er hatte deutlich verstanden.

»Werfen Sie die Waffe zu Boden«, herrschte Parker den Fahrer des Gangsterbosses an. Seine Stimme klang scharf wie ein Rasiermesser, wie der Volksmund es wohl ausgedrückt hätte.

Natters schluckte noch einmal. Dann steckte er auf. Er ließ die Waffe zu Boden fallen und hob beide Arme.

»Stehen Sie nicht nutzlos herum«, sagte Parker schon wieder wesentlich ruhiger. »Beeilen Sie sich, Mister Rander loszubinden!«

Saul Natters kam Parkers Bitte sofort nach.

»Ich hab’s geahnt, daß Sie auf der Bildfläche erscheinen würden«, meinte Mike Rander und versuchte zu lächeln, was ihm wegen eines blutenden Mundwinkels nur unvollkommen gelang.

»Ich bedaure sehr, Sir, daß ich nicht früher kommen konnte«, entschuldigte sich der Butler. »Ich wurde leider von Ereignissen überrascht, die ich nicht vorher einkalkulieren konnte.«

»Was ist denn passiert?« fragte Rander. Er stand vorsichtig auf, reckte und dehnte sich. Er war noch etwas schwach auf den Beinen.

»Mister Calderhan ist verschwunden«, sagte der Butler. »Ob freiwillig oder entführt, weiß Mister Criswood im Augenblick nicht zu sagen. Im Grund dürfte das auch vollkommen gleichgültig sein. Ich erlaube mir nämlich, an den Zeitzünder zu denken!«

Es war Tag geworden!

Criswood, Mike Rander und Josuah Parker hielten Kriegsrat. Ihre Gespräche kreisten um einen einzigen Punkt. Wie konnte man Calderhan bis gegen Abend finden? Gegen sechs Uhr abends mußte der Zeitzünder von ihm durch ein Stichwort zurück auf Null gedreht werden, sonst ging die Kernladung hoch.

»Die ganze Stadt wird durchkämmt«, berichtete Criswood, »aber offen gesagt, viel verspreche ich mir nicht davon. Wenn Calderhan sich verstecken will, ist er nicht zu finden. Und wenn er gekidnappt wurde, wird sein Versteck ebenfalls unauffindbar bleiben.«

»Er ist ganz sicher nicht gekidnappt worden«, warf Mike Rander ein.

»Glaube ich auch nicht, Rander.« Criswood nickte. »Er hat sich freiwillig abgesetzt. Ich möchte nur wissen, was er damit bezweckte.«

»Ich fürchte, Sir, daß ich die Schuld daran trage«, meldete Josuah Parker sich zu Wort, »ich dürfte ihn mit meiner Taktik in eine Angstpsychose hineingetrieben haben.«

»Möglich, aber keineswegs sicher. Ein Mann wie Calderhan ist im Grunde unberechenbar. Gerade so gut kann ich mir auch die Schuld zuschreiben. Meine Leute und ich hätten besser auf ihn aufpassen müssen!«

»Ob Calderhan von sich aus daran denkt, die Zeituhr zurückstellen zu lassen?« fragte Mike Rander.

»Wahrscheinlich«, entgegnete Criswood. »Noch hat er ja keinen einzigen Cent erhalten! Ich glaube sogar, daß er sich bald melden wird. Aus irgendeinem sicheren Versteck heraus!«

Es war wie bei einem Stichwort auf der Bühne.

Das Telefon klingelte.

Criswood sprang auf, ging ans Telefon und meldete sich.

Dann wandte er sich blitzschnell zu Rander und Parker um und nickte.

»Ja, sprechen Sie, Calderhan«, sagte er dann in den Hörer hinein. »Wo stecken Sie zum Teufel? Sind Sie nicht mehr scharf auf das Geld?«

Criswood hörte einen Moment zu.

»Gut«, sagte er dann, »das Geld steht bereit. Sagen Sir mir, wohin wir es bringen sollen!«

Er erhielt eine Antwort auf seine Frage und legte dann auf.

»Calderhan will noch heute das Geld! Und zwar will er es nicht abholen. Er scheint sich eine völlig neue Taktik zugelegt zu haben. Jetzt sollen wir die Scheine in Koffer verpacken und die in den Everglades an einer bestimmten Stelle abstellen.«

»Klingt das eigentlich nach Calderhan?« fragte Mike Rander und schüttelte ungläubig den Kopf.

»Kein Zweifel, ich habe gerade mit ihm gesprochen«, sagte Criswood. »Ich habe seine Stimme sofort erkannt.«

»Das meine ich nicht«, widersprach der Anwalt. »Was sagen Sie, Parker? Klingt das alles noch nach Calderhan?«

»Auf keinen Fall, Sir«, antwortete der Butler gemessen. »Calderhan zeichnete sich durch eine Kombination von Unverfrorenheit, Frechheit und Naivität aus. Von Vorsicht war an ihm nichts zu verspüren. Nun aber bedient er sich plötzlich der Methoden normaler und durchschnittlicher Erpresser.«

»Ob er uns die ganze Zeit über nur getäuscht hat?« Criswood fuhr sich durch das spärliche Haar.

»Das glaube ich nicht, Sir«, erwiderte der Butler. »Ich möchte eher annehmen, daß sich ein anderer Mann eingeschaltet hat! Oder, was vielleicht noch verständlicher ist, irgendeine Frau!«

»Wer könnte das sein?«

»Ich müßte darüber nachdenken«, sagte Parker und verzichtete darauf, von Ginger Coltax zu erzählen. Er sah auf seine unförmige Zwiebeluhr und fuhr fort: »Bis achtzehn Uhr sind es noch knapp acht Stunden. Diese Zeitspanne müßte eigentlich reichen, Calderhan aufzuspüren!«

»Bis wann sollen die Geldkoffer draußen in den Everglades sein?« fragte Mike Rander.

»Pünktlich um fünfzehn Uhr«, antwortete Criswood.

»Werden Sie das Geld hinausschaffen lassen?«

»Selbstverständlich! Oder wollen Sie das Risiko eingehen, daß das A-Geschoß in die Luft fliegt? Jetzt, wo Calderhan nicht mehr greifbar ist, müssen wir seine Wünsche prompt erfüllen!«

»Warum haben Sie Criswood nicht alles gesagt, Parker?« fragte Mike Rander, nachdem sie den Bungalow verlassen hatten und im Wagen zurück ins Hotel fuhren.

»Spielen Sie auf Lern Coltax und dessen Tochter Ginger an, Sir?«

»Das wissen Sie doch genau!«

»Großangelegte Fahndungen, Sir, sind nutzlos. Wir haben es mit Gangstern zu tun, die so ziemlich alle Winkelzüge ihrer Branche kennen. Das wenigstens ist meine bescheidene Ansicht.«

»Wollen wir’s mit einer Alleintour versuchen? Gut, aber wo den Hebel ansetzen, Parker?«

»Calderhan dürfte sich nach wie vor in Miami aufhalten, Sir. Hier in dieser Stadt kennt er sich aus. Hier hat er Freunde und auch Freundinnen, wenn ich darauf besonders aufmerksam machen darf! Mister Criswood ist angewiesen, das Geld in die nahen Everglades zu bringen. Ein zusätzliches Indiz dafür, daß Mister Calderhan noch in der Stadt ist.«

»Stimmt, klingt durchaus plausibel. Wir überraschen also diese Ginger Coltax und ihren Vater, ja?«

»Das, Sir, dürfte keinen Sinn haben, wenn ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen darf. Sowohl Miß Ginger als auch Mister Lern Coltax wissen ja, daß wir von ihnen Kenntnis haben.«

»Dann müssen wir die beiden eben beschatten!«

»Gewiß, Sir. Und wir sollten uns vielleicht einmal in seiner früheren Wohnung umsehen. Sie befindet sich oberhalb eines Bootsverleihs im Jachthafen!«

»Sie haben aber ganz flotte Informationen gesammelt«, meinte der junge Anwalt anerkennend. »Haben Sie noch mehr davon auf Lager?«

»Im Moment leider nicht, Sir«, sagte Parker bedauernd. »Aber das kann sich unter Umständen sehr schnell ändern!«

*

Ein krummbeiniger, ehemaliger alter Seebär wußte Bescheid.

Er kannte Calderhan, kassierte von Rander ein dickes Trinkgeld und bequemte sich, ihnen die Wohnung von Calderhan zu zeigen. Rander und Parker brauchten nicht weit zu gehen. Der Bootsverleih war nicht zu übersehen. Auch nicht die drei Fenster darüber, deren Jalousien geschlossen waren.

»Haben Sie Mister Calderhan in der letzten Zeit häufiger gesehen?« erkundigte sich Josuah Parker würdevoll.

»Was verstehen Sie unter letzter Zeit?« fragte der krummbeinige Bootswart.

»Nun, ich würde sagen, innerhalb der vergangenen vier bis sechs Wochen I«

»Nee, da war er mit Sicherheit nicht hier im Gelände. Ich hätte ihn sonst bestimmt gesehen.«

»Konnte er sich nicht heimlich in seiner Wohnung aufgehalten haben? Sie ist schließlich nicht identisch mit seinem wirklichen Wohnsitz drüben in der Stadt.«

»Nee, sitzt einfach nicht drin«, wiederholte der Seebär noch einmal. »Er muß ja schließlich leben. Er hätte sich was kaufen müssen und so. Aber das hat er eben nicht!«

»Sind Sie vollkommen sicher?«

»Fast. Sagen Sie, was hat er denn ausgefressen?«

»Eine geschäftliche Sache, in der er als Zeuge benötigt wird«, meinte Anwalt Rander ausweichend.

»Dann müssen das bestimmt faule Geschäfte gewesen sein.« Der Seebär schmunzelte. »Wenn Sie mich fragen, dann ist Calderhan ein Gauner! Aber ich will nichts gesagt haben!«

»Wir haben selbstverständlich auch nichts gehört«, gab Mike Rander zurück, ohne auf die Angaben und Vermutungen des Seebären näher einzugehen.

Rander und Josuah Parker balancierten über einige Stege und Planken. Dann brauchten sie nur noch eine Holztreppe zu ersteigen, bis sie die Wohnungstür erreicht hatten.

Eine Art Balkon oder Galerie führte um das ganze Haus herum. Von dieser Galerie aus erreichte man die Tür, die einen festverschlossenen Eindruck machte.

»Klingeln dürfte sinnlos sein«, meinte Rander und zündete sich eine Zigarette an. »Wissen Sie, Parker, ich wundere mich, warum man diese Zweitwohnung von Calderhan nicht viel früher ausfindig machen konnte.«

»Criswoods Leute begingen möglicherweise eine gewisse Nachlässigkeit, Sir.«

»Ich werde mal um die Etage herumgehen«, schlug der Anwalt vor. »Nehmen Sie dort die Seite, ich die andere. Wir treffen uns drüben!«

Sie trennten sich und suchten die Fensterfronten der oberen Etage ab. Parkers Suche blieb erfolglos. Doch plötzlich hörte er seinen Namen.

»Sir?« Parker war mit wenigen, raumgreifenden Schritten neben Rander, der auf eines der Fenster deutete.

»Kratzspuren«, sagte Rander. »Taufrische Kratzspuren. Mal sehen, ob das Fenster sich hochschieben läßt!«

Nun, es ließ sich tatsächlich hochschieben.

Rander und Parker sahen sich für einen kurzen Moment an. Dann stieg der Anwalt in die Wohnung.

Muffige und verbrauchte Luft schlug ihm entgegen. Und in diesen Geruch mischte sich eine zusätzliche Note, die er nicht auf Anhieb zu deuten vermachte.

Bis er den Toten sah!

Der Mann lag auf dem Bauch. Er war halb unter eine Couch geschoben worden und mußte schon seit gut einer Stunde tot sein.

Es handelte sich übrigens um Calderhan, um ganz genau zu sein!

»Erschossen«, stellte der Butler nach einer flüchtigen Untersuchung fest. »Hinterrücks erschossen. Offensichtlich ein Mord.«

»Und kurz nach dem Anruf passiert«, sagte Rander. Er entdeckte das Telefon auf dem Sideboard. Es war total verstaubt, bis auf die Wischspuren am Hörer und unter der Wählerscheibe.

»Von hier aus hat Calderhan wohl mit Criswood gesprochen«, meinte der Anwalt. »Zeitlich paßt das genau ineinander. Länger als eine Stunde waren wir nicht unterwegs, oder?«

»Auf keinen Fall, Sir.« Parker deutete auf den toten Calderhan, »man wird nicht umhin können, die Polizei zu verständigen.«

»Sagen wir lieber, daß Criswood Bescheid bekommen muß, Parker.«

»Er wird wahrscheinlich einem Nervenzusammenbruch nahe sein, wenn er von diesem Mord erfährt«, erklärte der Butler, »die Frage ist jetzt, wer den Zeitzünder des A-Geschosses zurückstellen soll?«

»Mein Gott, daran habe ich jetzt überhaupt nicht gedacht«, rief der Anwalt entgeistert aus. »Parker, Mann. Das gibt ja eine Katastrophe! Das Ding wird ohne jede Vorwarnung hochgehen!«

»Noch knapp sieben Stunden, Sir«, meldete der Butler, nachdem er seine unförmige Zwiebeluhr erneut befragt hatte. Seine Stimme klang völlig neutral, ja, fast harmlos. Für ihn schienen die sieben Stunden gleichbedeutend mit sieben Tagen zu sein.

»Wo steckt Ihr Butler?« fragte Criswood eine halbe Stunde später. Er konnte seine Nervosität kaum noch verbergen. Er rauchte ununterbrochen und lief hin und her.

»Unterwegs. Es hat keinen Sinn, ihn näher zu befragen. Sie wissen doch, daß er seine eigenen Wege geht!«

»Ich weiß mir keinen Rat mehr«, stöhnte Criswood und sah auf den toten Calderhan. »Um fünfzehn Uhr muß ich das Geld zum Okeechobee-Kanal schaffen lassen. Hinter Pennsuco gibt es einige alte Wasserarme. Dort, an einem alten Farmerhaus, muß das Geld abgestellt werden!«

»Calderhan wird es auf keinen Fall abholen können«, sagte Rander. »Höchstens sein Mörder!«

»Der dann gegen achtzehn Uhr das A-Geschoß hochgehen läßt.«

»Stimmt, Criswood! Sieht so aus.«

»Dann brauche ich die Dollar auch nicht in die Everglades zu transportieren«, folgerte Criswood. »Was hätte das noch für einen Sinn?«

Rander und Criswood sahen sich betreten an. Sie wußten, daß dieses gefährliche und tödliche Spiel verloren war. Nur noch wenige Stunden bis zur Explosion.

»Warum ist Calderhan wohl ermordet worden? Warum hat er den Bungalow wohl verlassen?« Criswood sah den Anwalt fragend an.

»Um sich mit seinem Mörder zu treffen«, antwortete Mike Rander. »Wer dieser Mörder aber ist, weiß ich nicht.«

»Und Parker? Hat er denn wenigstens eine schwache Vorstellung?«

»Ich hoffe doch, Criswood!«

»Parker und seine verdammte Geheimniskrämerei«, schimpfte Criswood plötzlich wütend los. Die Nerven gingen mit ihm durch. Sekunden später merkte er es und sah den Anwalt nur entschuldigend an.

»Ich weiß, wie es in Ihnen aussieht«, sagte Mike Rander. »Ich muß auch unentwegt an dieses Atomei denken, das irgendwo in Frisco versteckt ist.«

»Frisco kann man doch nicht evakuieren!« murmelte Criswood. »Unsere einzige Hoffnung besteht darin, daß Calderhans Mittelsmann den Zeitzünder von sich aus zurückdreht.«

»Wenn dieser Vertrauensmann überhaupt weiß, um was es geht, Criswood. Und das bezweifle ich sehr. Calderhan wird ihn bestimmt nicht eingeweiht haben. Wäre ja auch viel zu gefährlich. Der Mann müßte ja stets damit rechnen, daß er selbst in die Luft gepustet und atomisiert wird.«

»Wenn man nur wüßte, ob Parker etwas erreicht«, murmelte der CIA-Agent. »Ich bin mit meinem Latein am Ende!«

Parker hörte das melodische Glockenspiel über sich und nahm grüßend die schwarze steife Melone ab.

Er wollte Miß Ginger Coltax einen kleinen Höflichkeitsbesuch abstatten.

Doch statt Ginger Coltax erschien eine ebenfalls recht attraktiv aussehende junge Dame, die aber um gut fünf Jahre jünger war.

»Sie wünschen, Sir?« fragte sie.

»Ich bin mit Miß Ginger Coltax verabredet«, sagte Parker, die Wahrheit ein wenig korrigierend.

»Oh, das tut mir aber leid«, erklärte die Verkäuferin. »Miß Coltax ist vor etwa zwei Stunden weggefahren.«

»Etwa für längere Zeit?«

»Doch, Sir. Sie nahm den Wagen. Sie will übermorgen erst wieder zurück sein.«

»Sie wissen nicht zufällig, wo ich Miß Coltax erreichen kann?«

»Sie hat keine Adresse hinterlassen, Sir. Tut mir leid!«

»War denn wenigstens Mister Calderhan hier?« fragte der Butler harmlos und freundlich weiter.

»Doch ja, Sir!«

»Wann ist das gewesen? Es ist ungemein wichtig, es geht um ein wichtiges Geschäft in Sachen Edelpelzen!«

»Das war vor einigen Stunden«, erwiderte die Verkäuferin arglos. »Miß Coltax nahm ihn sofort mit hinüber in ihr Büro.«

»Und dann fuhren sie gemeinsam weg, nicht wahr?«

»Ja, das stimmt!«

»Fiel Ihnen irgend etwas auf?«

»Nun ja, Mister Calderhan sah ziemlich mitgenommen aus, richtig ungepflegt. Er war noch nicht einmal rasiert!«

»Es kam selbstverständlich zu einem Streit zwischen Miß Coltax und Mister Calderhan, nicht wahr?«

»Doch, das stimmt auch, Sir«, gab die arglose Verkäuferin zurück. Sie freute sich, solch einem gepflegt aussehenden Mann behilflich sein zu können. Hinzu kam selbstverständlich ihre Klatschsucht, gegen die der Butler aber nichts einzuwenden hatte.

»Eine Frage am Rande. Besitzt Miß Coltax ein Boot draußen im Jachthafen?«

»Nein, leider nicht, aber ihr Vater. Sie benutzt es hin und wieder, wenn sie übers Wochenende ausspannt. Mich hat Miß Coltax auch schon häufig mitgenommen.«

»Sie wissen ja dann, um welch ein Boot es sich handelt, nicht wahr?«

»Ja, ein Motorboot. Nicht besonders schnell, aber sehr flach! Das ist für die Everglades gut, müssen Sie wissen, dort gibt es viele flache und sumpfige Stellen.«

»Demnach kennt Miß Coltax sich in den Glades recht gut aus, nicht wahr?«

»Doch, bestimmt, Sir! Sie hat ja draußen in der Nähe von Pennsuco ein Ferienhaus.«

»Glücklich, so etwas zu besitzen«, meinte Parker elegisch. »Gibt es eine Telefonverbindung dorthin?«

Die junge Verkäuferin schüttelte den Kopf.

»Darauf hat Miß Coltax ganz bewußt verzichtet«, erklärte sie dann, »wenn sie ausspannt, will sie ungestört sein!«

Parker sah auf seine unförmige Zwiebeluhr und übersah das erstaunte Glucksen des jungen Mädchens, das solch eine Uhr noch nie gesehen hatte.

»Verzeihen Sie einem alten Mann«, sagte Parker dann in seiner üblichen Untertreibung, »ich verplaudere mich hier und stehle Ihnen die wertvolle Zeit. Grüßen Sie Miß Coltax, wenn Sie zurückkommt. Ich werde mich nochmal melden!

Criswoods Leute sicherten den Tatort ab und entwickelten eine Betriebsamkeit, die dem CIA-Agenten auf die Nerven ging. Er ging zusammen mit Mike Rander hinaus auf die Galerie, um dort in halbwegs frischer Luft eine Zigarette zu rauchen.

Die Sonne stand bereits hoch. Es war heiß geworden. Über dem Wasser des Jachthafens lagerte milchig weißer Dunst.

Criswood zuckte zusammen, als in Calderhans Wohnung das Telefon schrillte. Sekunden später steckte einer seiner Leute den Kopf durch das Fenster und rief nach Criswood.

»Anruf für Sie, Chef«, sagte er.

»Anruf für mich, Parker? Wer weiß denn sonst, daß ich hier bin?«

»Vielleicht der Mörder von Calderhan«, antwortete Mike Rander trocken und ahnte nicht, wie richtig er mit seiner vagen Vermutung lag.

Criswood kam schon nach knapp zwei oder drei Minuten zurück. Er stieg einfach durch das Fenster und kam mit schnellen Schritten auf den Anwalt zu.

»Es war der Mörder«, sagte Criswood dann heiser, »dieser Hund stellte einfach seine Bedingungen!«

»Soll das heißen, daß er die Erpressung von Calderhan übernommen hat?«

»Genau das, Rander. Dieses Schwein, anders kann ich mich nicht ausdrücken, weiß von dem A-Geschoß und von dem Zeitzünder, der alle vierundzwanzig Stunden auf Null zurückgedreht werden muß. Er verlangt die Million Dollar und verbittet sich jede Falle draußen in den Everglades. Sonst. Na, Sie können sich ja vorstellen, womit er gedroht hat!«

»Erfreuliche Nachrichten«, meinte Rander lakonisch. »Damit ist immerhin die Explosion des Atomeis verschoben! So sehe ich es wenigstens.«

»Ein relativ schwacher Trost. Der Mörder Calderhans weiß sehr genau, was er will!«

»Ein Mann oder eine Frau, Criswood?«

»War nicht zu ermitteln. Die Stimme war wie üblich verfälscht. Läßt sich ja leicht machen!«

»Womit sich auch nichts andern würde«, stellte Mike Rander fest. »Die Namen haben gewechselt, die Methoden sind geblieben!«

»Was würde Ihr Butler wohl dazu sagen?« fragte Criswood.

»Keine Ahnung, Criswood. Durchaus denkbar, daß er mit dieser Entwicklung gerechnet hat!«

*

Parker stand um diese Zeit mit dem Rücken zu einem Schnellimbiß und beobachtete das Motel eines gewissen Lern Coltax.

Parker schien auf eine diskrete Beobachtung überhaupt keinen Wert zu legen. Er war auch tatsächlich nicht zu übersehen. Er schlenderte später gemütlich ein Stück die Straße hinunter, überquerte sie und kam hart am langen Grundstück des Motels vorüber.

Hier blieb er erneut stehen, warf indiskrete Blicke auf das Grundstück und ging dann langsam weiter.

Von Ginger Coltax war übrigens nichts zu sehen, was den Butler auch nicht weiter wunderte.

Schließlich überwand er seine angeborene Zurückhaltung und ging noch einmal zurück. Diesmal betrat er das Büro und nickte dem dicken, kahlen Mister Coltax zu, der hinter seinem Sehreibtisch saß und in einer Zeitung blätterte.

»Ich wünsche Ihnen einen guten, geschäftlich erfolgreichen Tag«, sagte Parker und lüftete seine schwarze Melone, »möglicherweise erinnern Sie sich noch an mich, Mister Coltax!«

»Klar! So was wie Sie vergißt man nicht«, gab Coltax lächelnd zurück, »eh, entschuldigen Sie den kleinen Witz, war nicht böse gemeint. Was kann ich für Sie tun?«

»Einige kleine Auskunftei«

»Na ja, hoffentlich kann ich helfen!«

»Sie haben eine Tochter?«

»Ginger? Ist das wirklich meine Tochter? Manchmal zweifle ich dran!«

»Sie verstehen sich nicht mit ihr?«

»Das ist noch vornehm ausgedrückt. Sie hat einen Spleen bekommen, verstehen Sie?«

»Kein Wort, um der Wahrheit die Ehre zu geben!«

»Sie war ’ne nette, kleine Verkäuferin in einem Modesalon. Eines Tages machte sie die Bekanntschaft mit irgendeinem reichen Burschen, der ihr später einen eigenen Salon einrichtete. Von dem Zeitpunkt ab, war’s aus mit ihr. Sie kannte mich fast nicht mehr!«

»Wissen Sie zufällig, wie dieser Geldgeber heißt?«

»Woher denn? Von Ginger habe ich niemals etwas erfahren. Über solche Dinge redet sie doch nicht mit mir!«

»Haben Sie sich völlig auseinandergelebt?«

»Na ja, in letzter Zeit klappt es etwas besser. Aber nur dann, wenn sie mein Boot haben will. Sie ist berechnend, das kann ich Ihnen sagen! Sie ist katzenfreundlich, wenn sie einen Vorteil wittert.«

»Haben Sie ihr für heute das Boot geliehen?«

»Nee, bestimmt nicht. Warum fragen Sie!«

»Können Sie von hier aus vielleicht per Telefon feststellen, ob es noch an seinem Liegeplatz liegt?«

»Ist das für Sie so wichtig?«

»In etwa«, murmelte Parker ausweichend.

»Gut, das werden wir gleich haben!« Coltax nahm den Telefonhörer hoch, wählte eine Nummer, brach mitten im Wählen ab und mußte erst nach der Gesamtnummer suchen, die er vergessen hatte.

Die Unterhaltung dauerte nicht lange.

Dann wandte Coltax sich dem Butler zu.

»Soweit ist es schon«, klagte er dann, »das Boot ist weg. Ginger hat’s abgeholt!«

»Wann?« fragte Parker knapp.

»Vor ein paar Stunden, genau konnte sich der Bootswart nicht mehr erinnern. Sagen Sie, hat Ginger irgend etwas ausgefressen? Würde mich kaum wundern!«

»Ich danke Ihnen für die Auskünfte«, sagte Parker höflich, ohne Coltax’ Frage zu beantworten. Er deutete eine seiner ungemein knappen Verbeugungen an und verließ das Büro des Motels.

Später nahm Parker sich ein Taxi und fuhr in die Innenstadt. Im City-Hotel traf er auf Criswood und seinen jungen Herrn, die gerade vom Jachthafen zurückgekommen waren.

»Wo haben Sie denn eigentlich gesteckt«, fragte Criswood, der unerklärlich gereizt war. »Sie haben eine Menge verpaßt, Parker. Wenn Sie mich fragen, dann haben Sie sogar den Anschluß verpaßt!«

Parker ließ sich von Mike Rander die Geschichte mit dem Anruf erzählen.

Schweigend hörte der Butler zu.

»Nun, Parker; was sagen Sie dazu?« fragte Criswood, dessen Ton sich schon wieder beruhigt hatte, »die Erpressung läuft unter anderem Namen weiter. Wir stehen da, wo wir angefangen haben.«

»Und wir haben nur noch fünf Stunden Zeit«, fiel Mike Rander ein.

»Nur noch zwei Stunden«, korrigierte ihn Criswood säuerlich. »Vergessen Sie nicht, daß ich die Dollarkoffer ’rüber in die Everglades schaffenlassen muß. Der Mörder und neue Erpresser erwartet das Geld um fünfzehn Uhr!«.

»Ich weiß, daß Sie pünktlich sein werden«, antwortete der Butler ohne jede Ironie.

»Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen, Parker?« Criswood erregte sich bereits wieder. »Können Sie Wunderknabe denn wirklich nichts tun?«

»Doch«, gab Parker zurück.

»Was denn?« Criswood beugte sich neugierig vor.

»Ich werde mir erlauben, erst einmal eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen«, gab der Butler zurück, worauf Criswood fast so etwas wie einen mittelschweren Schlaganfall bekam.

Parker hatte es sich bequem gemacht und studierte angelegentlich ein Magazin. Er überflog einige Kurzgeschichten, die alle einen Kriminalhintergrund hatten und wunderte sich wieder einmal wie scharfsinnig die Detektive doch waren, die in solchen Stories agierten.

17.40 Uhr!

Parker hatte es vorgezogen, dem ganzen rummelartigen Betrieb um die Auslieferung der Dollarmillionen aus dem Weg zu gehen. Er haßte unnötige Wege.

Um diese Zeit mußte sich das Geld längst in der Hand des neuen Erpressers befinden. Es lag ja schließlich schon seit fünfzehn Uhr für ihn bereit.

Criswood hatte Betriebsamkeit entwickelt und alles in die Wege geleitet. Nun mochte er irgendwo mit der Uhr in der Hand sitzen und die Minuten zählen.

Parker war sicher, daß der Erpresser seine Waffe nicht aus der Hand gab. Warum sollte dieser Mann oder diese Frau das A-Geschoß zünden? Blieb es wohlerzogen in seinem Versteck, konnte der Mörder Calderhans noch weitere Summen an sich bringen. Und diesmal unerkannt. Das im Gegensatz zur Taktik Calderhans.

Criswood hatte auf Weisung von Washington auf jede Falle verzichtet. Man wollte jedes unnötige Risiko vermeiden. Was vom Standpunkt der Regierung aus sehr gut zu verstehen war. Geld war nicht so wichtig wie ein Menschenleben.

Zudem gewann man Zeit, um den neuen Erpresser einzukreisen. Zeit war wichtiger als Geld. Vielleicht kam man im Lauf der Zeit doch dahinter, wo die Bombe versteckt war. Früher oder später, das war eine alte Polizeiregel, beging jeder Verbrecher seinen ganz speziellen Fehler. Das konnte unter Umständen Jahre dauern, es konnte aber auch sehr schnell gehen.

Als Parker Schritte hörte, legte er das Magazin aus der Hand und stand auf.

Die Schritte kamen schnell näher. Dann wurde die Tür aufgestoßen. Mister Lern Coltax trat ein.

Als er Parker in seinem Büro erkannte, stutzte er und sah ihn fragend an.

»Hat alles geklappt?« erkundigte sich der Butler höflich.

»Wie bitte?«

»Haben, Sie die mit Dollar gefüllten Koffer auch wirklich gefunden?«

»Wovon reden Sie eigentlich?« fauchte Coltax verärgert.

»Von einer Million Dollar«, erwiderte der Butler. »Richtig, ich kann verstehen, daß Sie das alles abstreiten, obwohl es sinnlos ist!«

»Sie müssen verrückt sein. Ich verstehe kein Wort.«

»Dann darf ich wohl etwas weiter ausholen und Ihnen alles auseinandersetzen«, meinte der Butler und warf einen Blick auf seine Uhr. »Die Vorgeschichte ist bekannt. Calderhan stahl vier A-Geschosse und schaffte sie auf die ›Insel der Haie‹. Drei dieser Geschosse konnten ihm abgenommen werden, mit dem vierten flüchtete er von der Insel. Das alles ist etwa sechs Wochen her! Calderhan geriet an einen sachkundigen und phantasievollen Mann, nämlich an Sie, Mister Coltax! Sie witterten sofort das Geschäft Ihres Lebens. Sie redeten Calderhan einen ganz bestimmten Plan ein, auf den Calderhan nur zu gern einging, zumal er Sie sehr gut kannte.«

»Wer die größere Phantasie von uns beiden hat, muß sich erst noch herausstellen«, spottete Coltax und lachte amüsiert. »Aber reden Sie weiter!«

»Calderhan startete also seine grandiose Erpressung. Mit dem vierten A-Geschoß in der Hinterhand, wenn ich mich so ausdrücken darf, konnte er sich jede Frechheit leisten. Er hatte ja einen Mittelsmann, der die Zeitzünderuhr des A-Geschosses alle vierundzwanzig Stunden zurückdrehte und das A-Geschoß daran hinderte, in die Luft zu fliegen.«

»Es wird immer interessanter«, sagte Coltax interessiert.

»Hier wurde bereits der erste Fehler begangen«, sagte Parker ruhig. »Wo gibt es einen Mittelsmann, der mit solch einer Kernladung Tür an Tür wohnt und lebt? Wo ist der Mann, der das Risiko auf sich nimmt, zusätzlich noch mit einem Zeitzünder zu spielen?«

»Weiter«, drängte Coltax.

»Calderhans Erpressung gelang«, zählte der Butler weiter auf. »Die Drohung, das bewußte Geschoß könnte in einer Großstadt explodieren, machte die verantwortlichen Behörden verhandlungsreif, was durchaus richtig gewesen ist. Calderhan aber beging einen weiteren Fehler. Er übertrieb seinen Part, er drohte zu häufig. Er mußte bald einsehen, daß er im begrenzten Rahmen mit dem A-Geschoß nichts, aber auch gar nichts unternehmen konnte.«

»Warum erzählen Sie mir das alles?« wollte Coltax wissen. Er zündete sich vollkommen ruhig eine Zigarette an.

»Um Sie auf Ihre begangenen Fehler aufmerksam zu machen«, antwortete der Butler. »Calderhan und Sie rechneten mit irgendwelchen Tricks. Aus diesem Grund fertigten Sie eine Motelquittung an. Diese kleine Spur sollte zwangsläufig zu Ihnen führen. Sie waren dann in der Lage, von Calderhan zu erzählen, von einem riesigen, und betonschweren Schrankkoffer und von einer angeblichen Reise nach Frisco. Das alles hatte nur den einen Sinn, die Gegenwart des A-Geschosses deutlich werden zu lassen. Wenn Sie mich fragen, so wurde hier das Spiel bereits überreizt, wie es in Fachkreisen so treffend heißt.

»Sie machen sich immer lächerlicher, Parker!« Coltax schüttelte den Kopf. »Gut, daß wir unter uns sind, sonst würden Sie sich unsterblich blamieren.«

»Ihr nächster Fehler war, daß Sie Calderhan angeblich nicht kennen wollten. Und das, obwohl Ihre Tochter von ihm einen Salon eingerichtet bekam. Das wollten Sie nicht gewußt haben? Ausgeschlossen! Ihre Tochter hat nämlich niemals abgestritten, daß sie mit Calderhan befreundet war.«

»Weiter, Parker, weiter!« Coltax grinste schon längst nicht mehr.

Er fühlte wohl, daß ihm die Felle wegschwammen.

»Als Calderhan den Bungalow der CIA verließ und sich mit Ihnen in seiner Zweitwohnung über dem Bootsverleih trafen, da ermordeten Sie ihn! Sie hatten erkannt, daß Calderhans Nerven streikten, daß er seine Rolle nicht mehr durchhalten würde. Sie sind übrigens gesehen worden, doch das nur am Rande!«

Parker ging auf seine Behauptung absichtlich nicht näher ein. Er wollte nur so ganz nebenbei ein wenig bluffen.

»Sie veranlaßten Calderhan, den CIA-Agenten Criswood anzurufen. Nach diesem Gespräch brachten sie ihn um. Sie brauchten ihn nicht mehr. Er hätte ja vielleicht die Katze aus dem Sack lassen können. Nach seinen Erlebnissen auf der ›Insel der Haie‹, war Calderhan nämlich nicht mehr in Form. Er brauchte zwei Wochen, um wieder auf die Beine zu kommen. Diese zwei Wochen verbrachte er hier bei Ihnen zusätzlich im Motel. Nämlich vom ersten Tag seiner Ankunft hier in Miami bis zu seinem Auftauchen im City-Hotel! Auch dafür sind Zeugen vorhanden!«

»Angenommen, es stimmt, was Sie da behaupten«, meinte Coltax und lachte grimmig, »was wollen Sie schon groß. Das A-Geschoß ist nach wie vor vorhanden. Ist es nicht gleichgültig, ob ich die Zeituhr zurückstellen lasse oder Calderhan?«

»Haben Sie es bereits getan. In wenigen Minuten ist es soweit. Sie haben noch genau sechs Minuten, um mit Frisco zu telefonieren!«

»Na also!« Coltax lachte plötzlich schallend auf. »Warum haben Sie mir das alles erzählt? Ohne meinen Anruf seid ihr alle geliefert. Calderhan mag schwache Nerven gehabt haben, ich habe sie nicht, darauf können Sie sich verlassen! Mich machen Sie mit Ihren Mätzchen nicht fertig!«

»Sie räumen also ein, daß meine Schilderung richtig gewesen ist?«

»Gut, ich gebe das alles zu! Warum eigentlich nicht? Das Atomei bleibt, Parker! Und ohne mich geht es hoch. Drüben in Frisco!«

»Sind Sie so sicher?« erkundigte sich Parker und warf einen verstohlenen Blick auf seine Uhr, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag.

»Soll ich jetzt anrufen oder nicht?« fauchte Coltax. »Wollen Sie, daß das Ding hochgeht?«

»Natürlich nicht«, erwiderte Parker.

»Dann verschwinden Sie, damit ich ungestört sprechen kann!«

»Wir werden gleich weiterreden«, sagte Parker und beeilte sich, zur Tür zu kommen. Nach seiner Uhr verblieben Coltax noch vier Minuten.

»Falls ich Lust dazu verspüre«, höhnte Coltax.

Parker schloß die Tür hinter sich und blieb in dem kleinen Vorraum stehen. Auf seinem Gesicht war der Anflug eines Schmunzelns zu erkennen. Es konnte sich unmöglich um eine Täuschung handeln.

»So, Sie können wieder reinkommen«, sagte Coltax, in der Tür auftauchend. »Und Sie können sich sofort anhören, welche Bedingungen ich demnächst erfüllt haben möchte! Reichen Sie das an die entsprechenden Stellen weiter!«

»Haben Sie mit Frisco gesprochen?« erkundigte sich Parker.

»Sie können froh sein, daß ich es getan habe«, erwiderte Coltax wütend.

»Dann sind Sie ein Magier, ein Zauberer, ein technisches Wunderkind«, meinte Parker gelassen. »Ich habe nämlich Zeit genug gehabt, den Apparat unbrauchbar zu machen!«

Die Reaktion von Coltax bestand in einem wütenden Aufschrei. Dann riß er eine Pistole aus der Tasche und feuerte auf Parker.

Parker wurde nicht getroffen. Dazu war er einfach zu schnell. Doch als Coltax einen zweiten Schuß anbringen wollte, schlug der Butler mit seinem Universal-Regenschirm zu.

Coltax brüllte auf, als die Waffe aus seiner Hand zu Boden fiel. Er wollte sich mit seinen nackten Fäusten auf den Butler werfen, doch Parker bremste den aufgebrachten und rasenden Mann mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Schirms.

Coltax stöhnte leise auf, sackte in sich zusammen und fiel in einen Bürosessel. Parker griff nach der Waffe, stellte sie sicher und wendete den Telefonapparat herum.

Mit einigen schnellen, geschickten Handgriffen reparierte er den absichtlich hervorgerufenen Fehler. Dann stellte er den Apparat wieder auf den Tisch und rief Criswood an.

Für ihn war der Fall erledigt. Zumal er das Geständnis von Coltax auf dem Miniatur-Tonbandgerät mitgeschnitten hatte!

18.30 Uhr!

Obwohl Coltax nicht mit Frisco gesprochen hatte, war die Kernladung drüben in Frisco nicht hochgegangen. Das stand inzwischen einwandfrei fest.

Criswood war innerhalb weniger Minuten wieder zu einem netten, höflichen Menschen geworden. Rander lächelte nur, wenn er Parker betrachtete. Es wunderte ihn kaum, daß der Butler wieder einmal überlegen durchs Ziel gegangen war.

Coltax befand sich bereits in Haft. Er saß draußen in einem Streifenwagen der Polizei und haderte mit seinem Schicksal.

»Bleibt die letzte Frage!« sagte Criswood. »Wo steckt das vierte A-Geschoß? Es kann sieh ja nicht in Luft aufgelöst haben. Hat Coltax darüber nichts gesagt?«

»Er schweigt sich aus, Sir«, erwiderte der Butler, »er muß wohl erst seiner grenzenlosen Enttäuschung Herr werden.«

»Ich bin erst wieder vollkommen ruhig, wenn dieses verdammte Ding sichergestellt ist. Aber jetzt können wir ja in aller Ruhe in Frisco danach suchen.«

»Warum in Frisco, Sir?« erkundigte sich Parker.

»Wissen Sie etwa, wo dieses Ding sich befindet?«

»Nur hier in Miami, Sir!«

»Wie kommen Sie denn darauf?« Criswood staunte nur noch.

»Weil man mir auf dem Umweg über Coltax zuerst weismachen wollte, daß ein betonschwerer Schrankkoffer nach Frisco transportiert wurde. Wozu dieser Umstand, fragte ich mich? Doch wohl nur, um Spuren zu verwischen und von Miami abzulenken.«

»Tatsächlich, das leuchtet ein, Parker. Aber wo hier in Miami?«

»Sie müßten das Versteck längst erraten haben, Sir.«

Mike Rander hatte bereits begriffen. Schließlich kannte er die Art der Beweisführung seines Butlers.

»Sie meinen?« Criswood getraute sich kaum, seinen Verdacht laut auszusprechen.

»Das sicherste Versteck ist dieses Büro«, sagte der Butler und deutete auf den Fußboden. »Wie ich mich bereits informiert habe, existiert dort ein Heizungskeller mit Öltanks und Brenner. Dort müßte sich das Geschoß befinden.«

»Das, das darf doch wohl nicht wahr sein«, sagte Criswood und griff sich unwillkürlich an den Kopf. »Das darf doch nicht wahr sein!«

»Ich weiß nicht, was Sie gegen solch eine Lösung einzuwenden haben«, meinte Anwalt Rander lächelnd. »An Ihrer Stelle würde ich zumindest mal nach suchen lassen!«

Criswood stutzte, lief dann aus dem Büro und kommandierte draußen mit seinen Leuten herum.

»Sind Sie sicher?« fragte Rander, sich dann an seinen Butler wendend.

»Vollkommen sicher, Sir, sonst hätten mich meine Gedanken zum erstenmal getrogen!«

»Dann wissen Sie auch sicher, wo sich die Dollarmillion befindet, oder? Die ist nämlich prompt abgeholt worden.«

»Sie kann sich meiner bescheidenen Meinung nach nur in dem Ferienhaus von Miß Ginger Coltax befinden, Sir. Dieses Ferienhaus befindet sich in der Nähe von Pennsuco in den Everglades, also nicht weit von der Stelle entfernt, wo die dollarschweren Koffer abgestellt werden mußten.«

Bevor Mike Rander etwas sagen könnte, stürmte Criswood herein. Schon allein seinem Gesicht war anzusehen, daß Parker ihm den richtigen Tip geliefert hatte.

»Stimmte haargenau«, sagte er überglücklich, »das verdammte Ding liegt unversehrt im Keller. Ich lasse es gleich wegschaffen! Sagen Sie, Parker, woher haben Sie das nun wirklich gewußt?«

»Nun ja, Sir, die CIA lieferte mir für meine Arbeit auf der »Insel der Haie‹ einen Miniaturgeigerzähler«, erinnerte der Butler und sein Gesicht nahm einen verschmitzten Ausdruck an. »Ich muß gestehen, daß ich vergaß, dieses Gerät wieder abzuliefern! Es leistete mir allerdings wertvolle Hilfe, als ich mich zum erstenmal mit Mister Coltax hier im Büro unterhielt. Es zeigte eine gedämpfte leichte Strahlung an, die mich mißtrauisch werden ließ.«

»Er arbeitet eben mit allen Tricks«, sagte Rander auflachend. »Er kann Ihnen auch den richtigen Tip geben, wie Sie die Dollarmillion wieder zurückholen können.«

»Diesmal glaube ich Ihnen, bevor ich den Beweis dafür habe«, antwortete Criswood. »Schade, wirklich schade, daß Sie nicht zur CIA wollen. Wir hätten da tolle Jobs für Sie parat, Parker!«

»Zur gegebenen Zeit werde ich auf Ihr Angebot zurückkommen«, meinte der Butler würdevoll, »im Augenblick sind Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit zu sehr beschäftigt.«

»Soll das heißen, daß Sie sich schon wieder in den nächsten Fall stürzen wollen, Parker?«

»Die Umstände zwingen Mister Rander und mich dazu, Sir! Chikago und seine Unterwelt verlangen dringend nach einer Schockbehandlung. Dieser Aufgabe möchte Mister Rander sich auf keinen Fall entziehen.«

»Sagen Sie lieber, daß Sie’s kaum erwarten können, bis es wieder losgeht«, wehrte Mike Rander entschieden ab. »Wer hetzt mich denn von Fall zu Fall?«

»Die widrigen Umstände, Sir«, gab der Butler gemessen zurück.

»Die demnach Josuah Parker heißen müssen«, erklärte Criswood auflachend. »Wenn es Sie nicht gäbe, Parker, müßte man Sie direkt erfinden!«

- ENDE-

Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman

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