Читать книгу Die Teide-Fibel - Günter Voss - Страница 6
Rast Scory
ОглавлениеNachdem wir die Herren Scory und Edens sowie die unbenannten Kaufleute auf den Pik hinauf und wieder herunter begleitet haben, gönnen wir uns eine Rast und schauen uns die Schilderungen näher an. Aus dem VI. Buch der Allgemeinen Historie haben wir zuerst drei Abschnitte aus der Beschreibung von Teneriffa des Thomas Nicols, auch Nichols geschrieben. Die Sätze in runden Klammern waren ursprünglich Fußnoten, eventuell Zusätze von Schwabe oder schon von Nicols. Nicols wurde etwa im Jahr 1532 geboren und war1556 und auch später auf der Insel. Dann folgen die drei Berichte Scory 1582, Sprat 1680 und Edens 1715. Von Sprat gibt es noch eine Version in der deutschen Übersetzung von Dappers Africa. Zum Vergleich habe ich auch noch das englische Original mit aufgenommen. Soweit zur Form.
Nun zum Inhalt. Es ist leichter die angegeben Fakten zu bezweifeln, als sie zu bestätigen. Das englische yard – etwa 90 cm – wird immer als Elle – etwa 60 cm – übersetzt. Auch mit den Meilen ist einiges faul. Im englischen Original steht statt Meilen auch mal Leagues, das sind drei Meilen. Und dann muss man sich doch fragen, wie hat man diese Entfernung bestimmt? Durch Schätzung, Messung oder wie? Die Caldera ist in einer Übersetzung ungefähr achtzig Ellen tief, in der anderen wohl hundert, im Original fourscore yards – achtzig. Die Höhe des Pic wird zu „drittehalb Englische Meilen bzw Meilweges“ angegeben, was etwas verwirrend ist, falls man nicht in Grimms Deutschen Wörterbuch nachschlägt und für „drittehalb“ die alte Bedeutung: das Erste ganz, das Zweite ganz, das Dritte halb, findet. Das Drittehalb findet sich öfters bei Schwabe.
Zur Höhe des Berges wird geschrieben, dass er der höchste bekannte Berg sei und 4, 9 und 15 Meilen hoch sei. Sehr variabel. Mit der barometrischen Höhenmessung wurde die Höhe zu zwei und eine viertel Meile berechnet. Wieviel Meter das sind könnte man ausrechnen, wenn man wüsste, wie lang eine Meile ist. Das Barometer wurde erst 1643 erfunden, die Angaben sind also nicht von Nicols, und vielleicht auch die Angaben zur Sichtweite nicht. Und wie weit war er sichtbar, wenn man mit einem Schiff dahin segelte? Es werden dazu Angaben von sechs Zeitgenossen angeführt, von 40 bis 300 Meilen.
Nicols, der angibt, sieben Jahre hintereinander auf den Kanaren gewohnt zu haben, bemerkt: „ … hinter diesen zwo Meilen ist die kalte Gegend, welche das ganze Jahr mit Schnee bedecket ist.“ Ein Nachweis für einen Klimawandel oder Beginn des Märchens vom ewigen Pikschnee?
Welche Merkwürdigkeiten finden sich bei Edmund Scory über den Pico? „In der Mitten ist eine Kluft, aus welcher mit einem entsetzlichen Geräusche, Flammen und Rauche, große Steine geworfen werden.“ Scory wird doch nicht dort oben gewesen sein, als ihm große Steine um den Kopf flogen. Woher wusste er das? Wer hatte das ihm erzählt?
Die Wanderung von „einigen ansehnlichen englischen Kaufleuten“ wird hier in drei Fasssungen gegeben, die etwas voneinander abweichen. Wie Scory nahmen auch die Kaufleute Wein mit hinauf, auf ihres Königs Gesundheit zu trinken. Ihre Füße hatten sie durch breiterer Sohlen an den Schuhen gesichert, aber der Höhenkrankheit – Durchfall, Erbrechen, fieberhafte Anfälle – entgingen sie nicht. Wussten sie überhaupt etwas von Höhenkrankheit und Vorbeugung?
Auch auf der dritten Reise wird Wein mitgenommen und Herr Edens erwähnt als Besonderheit Spazierstöcke, „um sich beym Hinaufsteigen auf den Pico zu helfen“. Bei einem Ort, den er Caravalla nennt, stand ein großer Baum, der „einem herausgewachsenen Ast hatte, welcher mit den Zweigen daruf, wie das Vordertheil eines Schiffes aussieht“. Und noch etwas sonderbares: „Unter diesen Bäumen, nicht eben sonderlich hoch in der Luft, sahen sie den Schwefel sich selbst, gleich einer Rakete oder Schlange von Schießpulver, entzünden. Das Feuer lief in einem Strome herunter, und der Rauch stieg von dem Orte auf, wo er zuerst Feuer fing. Sie sahen in der folgenden Nacht eben das, als sie unter den Felsen bey la Stancha lagen. Er konnte aber nicht merken, ob etwas davon einen Knall gäbe.“ Höhenkrank wurden sie nicht: „Er beobachtet, daß die Erzählung, von der Schwierigkeit auf der Spitze Athem zu holen, falsch ist; denn sie holten da so gut Athem, als unten.“ Höhenangaben macht er auch nicht.
Auch Dapper gibt in seiner Beschreibung von Africa Sprats Bericht wieder. Seine Entfernungsangaben weichen nicht nur vom Original und von Schwabe ab, sondern auch von der Wirklichkeit. Genauso wie das Bild vom Pico. So schrecklich ist er doch nicht!