Читать книгу Mords-Brand - Günther Dümler - Страница 11
ОглавлениеEin Mordsbrand
Als die Feuerwehr am Brandort eintraf hatten die gierigen Flammen bereits auf das Wohnhaus übergegriffen. Der Blitz hatte wahrscheinlich in den angebauten Schuppen eingeschlagen und das hölzerne Gebäude augenblicklich in Brand gesetzt. Das dort gelagerte Nachfüllbenzin für den Rasenmäher, Kettenöl und Lackreste wirkten als unfreiwilliger Brandbeschleuniger. Zum Glück für das gesamte Dorf stand das Haus der Familie Ziegler inmitten eines weitläufigen Gartens, so dass ein Übergreifen des lodernden Feuers auf Nachbargebäude nicht sehr wahrscheinlich erschien. Ob es noch Rettung für das Haus geben würde, stand im Moment noch völlig in den Sternen. Die Männer bemühten sich redlich, die Flammen mittels Unmengen von Löschwasser unter Kontrolle zu bringen. Laute Kommandos, verzweifelte Rufe hallten durch die taghell erleuchtete Nacht. Mittlerweile hatte das Feuer auch die dem Haus am nächsten stehenden herrlichen Obstbäume erfasst und sie in lodernde Fackeln verwandelt. Ein Angriffstrupp der freiwilligen Feuerwehr mit Atemschutzausrüstung hatte bereits die Bewohner herausgeholt und außer Gefahr gebracht. Schwer atmend und völlig ausgepumpt standen die Männer bei den Geretteten, dem alten Rudi Ziegler, seinem Sohn Bernd und dessen Ehefrau Lore, die fürsorglich von den herbeigeeilten Sanitätern betreut wurden. Deren Tochter Susanne, die normalerweise die Familie komplettiert, war heute glücklicherweise mit Freundinnen ausgegangen und so blieb ihr vorläufig der Anblick ihres zerstörten Zuhauses erspart. Es war mit Sicherheit nichts mehr zu retten. Der gesamte Hausstand, Papiere, wichtige Dokumente, Bargeld, alles war den gierigen Flammen zum Opfer gefallen. Der Dachstuhl, auf den das Feuer zuerst übergesprungen war, stand kurz vor dem Zusammenbruch, die emporzüngelnden Flammen beleuchteten den ansonsten pechschwarzen, wolkenbedeckten Nachthimmel. Selbst Mond und Sterne waren dahinter vollständig verschwunden. Glühende Funken wirbelten in einer gewaltigen Rauchsäule gefährlich hoch hinauf. Die Hitze war mittlerweile unerträglich geworden. Die gewaltigen Wassermassen, die aus den Schläuchen des Wassertrupps auf Dach und Fassade trafen, dienten nur noch der Eindämmung der Katastrophe und zur Sicherung der angrenzenden Anwesen.
Da löste sich urplötzlich eine einzelne Figur aus der Gruppe der Feuerwehrmänner und rannte wie von Sinnen auf den sperrangelweit offenen Hauseingang zu. Erregte Stimmen riefen ihn zurück, aber er schien sie nicht zu hören. Der Kommandant oder Gruppenführer, wie er offiziell heißt, schrie sich die Lunge aus dem Leib. Entweder übertönte das Krachen der berstenden Scheiben und herabfallenden Balken seine Warnungen oder der junge Mann wollte ihn nicht hören. Der Melder, neben dem der offenbar Wahnsinnige eben noch gestanden hatte, war ihm ein Stück hinterher gelaufen, um ihn zu stoppen, musste dann aber zu Gunsten seiner eigenen Sicherheit aufgeben und den Kameraden ziehen lassen. Der war noch nicht lange im Inneren des baufälligen Gebäudes verschwunden, als mit einem ohrenbetäubenden Geräusch die Dachkonstruktion in sich zusammenbrach und das Haus in einen einzigen glühenden Haufen Schutt verwandelte.
Der junge Feuerwehrmann war nicht mehr zu retten. Die Kameraden standen mit ungläubigen Blicken und offenen Mündern vor dem Schauplatz der Tragödie. Sie konnten es nicht fassen. Einige weinten stumm, andere schüttelten verständnislos den Kopf.
Wieso? Wieso ist der Udo in den sicheren Tod gerannt? Hat er einfach durchgedreht? Haben ihn seine Nerven im Stich gelassen? Was wollte er in dem unrettbar verlorenen Gebäude? War es vielleicht gar ein Selbstmord?
Niemand wusste eine Antwort darauf.
Die Feuerwehr hielt die ganze Nacht und bis in die Morgenstunden hinein Brandwache um den gefährlichen Funkenflug einzudämmen und ein erneutes Aufflackern des Brandes zu verhindern. Mehr konnte vorläufig nicht getan werden. Spezialisten der Kriminalpolizei würden die Brandursache zu klären haben und vor allem den Tod des Feuerwehrmannes untersuchen. Die erste Aufgabe schien relativ klar zu sein, denn der Brand war unmittelbar in dem Moment ausgebrochen, als ein tagheller Blitz und geradezu zeitgleich ein gewaltiger Donner durch ihre Heftigkeit das ganze Dorf zu Tode erschreckt hatten. Eine Brandstiftung, exakt zum gleichen Zeitpunkt verübt, schied wohl aus. Anders allerdings sah es mit der Wahnsinnstat des getöteten Feuerwehrmanns aus. Hier verlangten die Eltern, die Kameraden und nicht zuletzt die Öffentlichkeit eine Erklärung darüber, wie es zu dem Unglück kommen konnte.
Die Stimmung im Goldenen Adler war gleich nach dem Bekanntwerden des Unglücks umgeschlagen. Keine Spur mehr von fröhlichem Feierabendgeplauder. Niemand dachte mehr ernsthaft daran, die lustige Kartelrunde fortzusetzen, zu sehr waren alle Anwesenden mit dem Brandgeschehen und seinen möglichen Folgen beschäftigt. Nach Hause wollte man auch nicht gehen, vielleicht würde man im Laufe des Abends noch Näheres über das Ausmaß und die Einzelheiten des Unglücks erfahren.
Nach und nach drang dann auch die Kunde vom Geschehen am Brandort bis in die Gaststube vor, nachdem Gaffer und Neugierige, die müde vom Zusehen und verscheucht durch die Einsatzkräfte, ihr Wissen unbedingt den Gasthausbesuchern mitteilen wollten.
„Es wär ja außer ann riesichn Sachschadn ja weider garnix bassierd, wenn nedd auf aamol und ohne irchnd eine Vorwarnung anner von die Feierwehrler in dess brennerde Haus neigschdürzt wär, kurz bevor dass endgüldich in sich zsammgfalln iss. Der hodd keine Chance mehr ghabt. Überhabbds kanne! Kein Schwein wass, warum der dess gmachd hodd. Die Bewohner warn doch scho alle geredded im Gardn draußn gschdandn, der alde Ziegler, sei Sohn und denn sei Frau. Die Susi hodd mer ghärd, war ja gar nedd derhamm, homms gsachd, also war ka Mensch mehr in derer Hüddn drin.“
Andere wussten bereits bis ins Detail, welche Sachwerte endgültig vernichtet wurden, dass die Zieglers aber gottseidank gegen Blitzschlag versichert seien.
„Im Momend iss hald aweng bläid, abber im Grund gnummer, hodd denne doch nix Bessers bassiern könner, als dass dee alde Hüddn wechbrennd iss. Etz könners endlich amal midd dem Geld von der Brandversicherung a moderners Häusler mit allem Bi-Ba-Bo hieschdelln.“
Von Mitgefühl für die Geschädigten, die wohl den Schock ihres Lebens davongetragen hatten oder gar für den armen Feuerwehrmann keine Spur. Andere waren da weniger kaltblütig. Einer kannte sogar die Identität des tödlich Verunglückten.
„A so a nedder und düchdicher junger Mann, der Weinmann Udo, und etz sowoss. Scho richdichgehend draagisch, dasser ausgrechned im Haus von der Ziegler Susi umkommer iss. Dou maansd ja grod äs Schiggsal machd si manchmal an Schbass draus, die Leit ins Unglück zu schdürzn.“
„Wäi maansd etz dess?“, wollten andere wissen.
„Na, der Udo war doch bis ieber beide Ohrn in die Susi vergnalld, dess iss doch bekannd. Affd Letzd hodder gmaand, dee iss noch im Haus drinner und iss nei, kosde es was es wolle.“
Auch am Tisch der Freunde wurde über die Folgen des Brandes diskutiert.
„Wärd denn dou nedd scho von Seidn von der Einsatzleidung überbrüfd, ob alle draußn sinn?“, warf Lothar in die Runde.
„Nadürli homm dee midd der Familie abgeglärd, ob alle draußn sinn, dess iss doch sogar in der Diensdvorschrifd von der Feierwehr fesdgleechd“, konnte sich Simon an seine aktive Zeit bei der Jugendfeuerwehr erinnern, auch wenn diese Zeiten schon lange zurück lagen. „Außerdem gibbd der Grubbnführer als aanzicher a Kommando zum Angriff, einfach äso neirennen, dess gibbds normalerweis überhaubds nedd.“
„Abber in dem besondern Fall, wo‘s doch sei Angebeedede bedroffn hodd, vielleichd hodd er junge Bursch einfach die Nervn verlorn?“, meinte Peter.
„Glaabi nedd“, entgegnete Simon, „solche Informationer wern auf jedn Fall an alle Einsatzgräffde weidergebn, endweder vom Grubbnführer selber odder wenigsdns vom Melder. Sonsd herrscherd doch sofford äs absoludde Chaos.“ Und ergänzend fügte er hinzu: „Von der Feierwehr hobbd ihr wohl übberhabbds ka Ahnung?“
„Also in deine Augn, Simon, ä echdes Rädsl?“, fasste Peter zusammen.
Simon konnte gerade noch zustimmend nicken, bevor die Marga aufgeregt dazwischenfuhr.
„Rädsl odder nedd, dess glärd die Feierwehr scho selber und auf kann Fall ein gewisser Herr Gleinlein. Hommer uns verschdandn, Beder?“
„Hunderdbrozendich, Marga! Mer fraachd sich hald bloß, woss hinder solche Sachn schdeggd, rein indressehalber und rein deoredisch, sonsd nix. Konnsd di drauf verlassn.“