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»WIR HABEN DAS GEMACHT, WOMIT WIR SAGEN KONNTEN, WAS WIR SAGEN WOLLTEN«
Оглавление»Wow, sowas gibt’s nicht nur in Nottingham, sondern auch in Gießen«, so Sean Patten rückblickend auf die ersten Begegnungen mit Studierenden am Gießener Institut. »Wir hatten plötzlich entdeckt, wir gehören zu einer internationalen Community von Künstler*innen, die null Interesse an konventionellem Theater und Stückinterpretationen hat. Für viele von uns war es ein Traum, als Kollektiv Performances zu machen, und zwar ausschließlich im öffentlichen Raum.«
Und so führte die Zusammenarbeit während des Studiums schon bald, im Jahr 1994, zur offiziellen Gründung des deutschenglischen Performancekollektivs Gob Squad mit dessen Gründungsmitgliedern Johanna Freiburg, Alex Large, Sean Patten, Liane Sommers, Berit Stumpf und Sarah Thom.
Von Anfang an galt die Verabredung: Keinen Geniekult um eine/n Regisseur*in und keine Theaterbühne als Spielort, stattdessen Performances in Echtzeit, entwickelt als Kollektiv und an realen Orten im öffentlichen Raum! Das konventionelle Theater war als Referenz für die eigene Arbeit kaum von Bedeutung. Eher dienten Performancekunst, Film, bildende Kunst, Popkultur und -musik als Inspirationsquellen. Alles ist Material und die Gleichwertigkeit der ästhetischen Mittel dabei Voraussetzung.
Seit Beginn der Zusammenarbeit ging es um die Herausforderung, jenseits von vorgegebenen institutionellen Strukturen eigene Arbeitsweisen zu entwickeln und sich immer wieder, so wie es jeweils Sinn macht, neu zu erfinden.
Das Arbeiten in einer Gruppe, die sich eher als Band verstanden wissen will und keine Hierarchien kennt, war dabei für Gob Squad unverzichtbare Ingredienz. »In der für uns relevanten Kultur ging es um Bands und Künstler*innen in Gruppen, deswegen war es für uns mehr als selbstverständlich, inspiriert von diesem Umfeld eigene Wege zu suchen«, so Sean Patten.
Und das hieß konkret: kollektive Autorschaft, eigene Bilder herstellen und Entertainment im besten Sinne. Durch diese Arbeitsweise wurde die Funktion der/des Regisseur*in genau genommen abgeschafft. Das gemeinschaftliche Arbeiten steht im Mittelpunkt: »Keiner von uns strebt ein spezifisches Handwerk an, das nur er beherrscht und die anderen nicht«, sagt Bastian Trost. »Stattdessen setzt sich das Handwerk bei Gob Squad gerade aus der Kombination von Dramaturg-Sein, Performer-Sein, Autor-Sein und Zuschauer-Sein zusammen.«
Schnell wurde deutlich, dass das Bedürfnis, eine Definition für diese Kunstrichtung zu finden, wichtiger für die Journalist*innen und Kulturpolitiker*innen war als für die Akteur*innen selbst: »Wir dachten, es ist uns eigentlich egal, wie ihr das nennt. Für uns war es etwas zwischen Theater, Live Art, Performance Art und Happening, und wir haben das gemacht, womit wir sagen konnten, was wir sagen wollten«, erklärt Sarah Thom.
So fanden die oft mehrstündigen Performances anfangs auf öffentlichen Parkplätzen, in Wohnhäusern, Shoppingmalls, Hotels, einem Kleintransporter oder einer eigens für den Auftritt entwickelten beidseitig verspiegelten Box statt. Schon seit Mitte der 1990er Jahre unterstützten internationale Veranstalter*innen die Arbeiten von Gob Squad. Allen voran das NOW Festival in Nottingham und das Frankfurter TAT, später auch das Berliner Podewil, Kampnagel Hamburg und die Berlin Biennale. Als Koproduzent*innen brachten sie die frühen Projekte der Gruppe, deren Mitglieder damals zum großen Teil noch auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld angewiesen waren, mit auf den Weg.
Work, 1995