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IX. Vaterrache.

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Trug jemals Einer stätes Leid

Bei währender Glückseligkeit,

So trug Tristan dieß stäte Leid

Bei währender Glückseligkeit

Wie ich euch nun bescheiden will:

Ihm war ein volles Maß und Ziel

Verliehn in zweien Dingen,

Im Leid und im Gelingen.

Denn Alles, was er nur begann,

Gelingen fand er stäts daran

Und war doch immer Leid dabei.

Wie ungleich dieses jenem sei,

Doch waren diese Gegenstücke,

Stätes Leid zu stätem Glücke

Gesellet bei dem einen Mann.

»So helfe Gott euch, sagt uns an:

Tristan hat nun das Schwert genommen,

Und ist zu reichem Glück gekommen

Mit ritterlicher Würdigkeit:

Laßt hören, welche Art von Leid

Er hat bei solchem Glücke?«

Weiß Gott, in Einem Stücke,

Das stäts mit Leid ein Herz befieng

Und auch dem seinem nahe gieng:

Daß ihm der Vater war erschlagen,

Wie er den Marschall hörte sagen,

Das that ihm weh in seinem Muth.

Also war Übel da bei Gut,

Bei Gewinn Verlust, bei Liebe Leid;

So geschieht es Manchem jederzeit.

Es zweifelt Niemand daran,

Es liegt bei dem jungen Mann

Haß dem Herzen näher an,

Als bei einem reifern Mann.

Über aller neuen Würdigkeit

Schwebte Tristan stäts das Leid

Und das verborgne Ungemach,

Von dem er keiner Seele sprach,

Das ihm Riwalinens Tod

Und Morganens Leben bot;

Mit Sorgen lag dieß Leid ihm an.

Der sorgenvolle Tristan

Und sein getreulicher Rath,

Der den Namen von der Treue hat,

Der tugendreiche Foitenant,

Rüsteten alsbald am Strand

Mit allem Zeuge, das da Noth

Und das ihnen sich die Fülle bot,

Eine herrliche Barke:

So kamen sie vor Marke.

Tristan sprach: »Lieber Herre mein,

Es soll mit euern Hulden sein,

Daß ich nach Parmenîe fahr

Und nach euerm Rathe nehme wahr,

Wie es uns da sei bewandt

Um die Leut und um das Land,

Von dem ihr sprechet, es sei mein.«

Der König sprach: »Freund, das soll sein.

Wie schwer ich dein auch mag entbehren,

Die Bitte will ich doch gewähren.

Fahr heim gen Parmenîe

Mit deiner Massenîe:

Und bedarfst du noch der Ritter mehr,

Die nimm nach Willen und Begehr.

Nimm dir Rosse, Silber, Gold

Wie dus bedarfst, ich bin dir hold,

Und was du brauchst, des nimm genug.

Wen du dir gesellst beim Zug,

Dem biet es so mit Gute

Und geselliglichem Muthe,

Daß er gern dein Diener sei

Und dir mit Treue stehe bei.

Viel lieber Neffe, leb und thu

Wie dir dein Vater räth dazu,

Der getreue Rual, der hier steht,

Der große Treu an dir begeht,

Und immer hat an dir begangen.

Und läßt dich Gott den Wunsch erlangen,

Daß du Alles wohl verrichtest

Und deine Sache schlichtest

Nach Frommen und nach Ehren,

So sollst du wiederkehren;

Kehre wieder her zu mir.

Ich gelob und leist es dir,

Meine Treu empfang in deine Hand,

Daß ich dir mein Gut und Land

Zu gleichen Stücken theile;

Und lägs an deinem Heile,

Daß du mich solltest überleben,

Seis ganz zu eigen dir gegeben,

Denn ich denke mir um deinetwegen

Ein ehlich Weib nicht beizulegen

So lang ich immer leben soll.

Neffe, nun vernahmst du wohl

Meine Bitt und meinen Sinn.

Bist du mir hold wie ich dir bin,

Trägst mir ein Herz wie ich dir trage

Weiß Gott, wir wollen unsre Tage

Zusammen fröhlich hier verleben.

Urlaub sei dir hiemit gegeben.

Der Sohn der Magd der hüte dein!

Und laß dir wohl befohlen sein

Dein Geschäft und deine Ehr.«

Es säumte sie nichts länger mehr:

Tristan und sein Freund Rual

Schifften hin von Cornewal,

Sie und die Massenîe

Heim gegen Parmenîe.

Hättet ihr nun gern vernommen,

Wie diese Herren da sind willkommen,

Ich sag euch, was ich selbst vernommen,

Gern von dieser Herrn Willkommen.

Ihr Führer und Gefährte,

Der in Treue stäts bewährte

Rual trat zuerst ans Land;

Sein Hütlein und sein Gewand

Legt' er höfisch beiseit,

Lief Tristan an mit Fröhlichkeit,

Küsst' ihn und sprach nun: »Herre mein,

Gott sollt ihr willkommen sein,

Euerm Lande dann und mir.

Schauet, Herr, ihr seht wohl hier

Das schöne Land an diesem Meer:

Veste, Städte, starke Wehr,

Und manches schöne Castel

Hat euer Vater Kanel

Erblich auf euch gebracht.

Seid bieder nun und wohlbedacht,

So entgeht euch nichts von dem Gebiet

So weit hier euer Auge sieht:

Dafür zum Bürgen habt ihr mich.«

Mit reichem Herzen freudiglich

Kehrt' er zurück nach diesem Wort

Und empfieng auch die Genoßen dort,

Die Ritter alle, Mann für Mann.

Wieder freundlich hub er an

Mit schönem Wort und süßen,

Sein Salutieren und Begrüßen.

Dann führt' er sie gen Kanoel:

Und jede Stadt und jed Castel,

Die seit Kanelens Jahren

In seiner Pflege waren

In allen den Landen,

Die gab er auf Tristanden

Getreulich nach dem Lehensbrauch;

Die seinigen darunter auch,

Die von den Vordern allen

Ihm waren angefallen.

Was braucht es langer Rede noch?

Rath und Ehre hatt er doch;

So bot er seinem Herren Rath

Als ein Mann, der Rath und Ehre hat.

Und mit ihm all den Seinen.

Das Fleißen und das Peinen,

Das er mit süßem Muthe

Ihnen allen zu Gute

In aller Weise wandt auf sie,

Das sah man noch auf Erden nie.

Wie nun? Wie ist mir denn geschehn?

Hab ich mich selber übersehn?

Wo that ich meine Sinne hin?

Die tugendreiche Marschallin,

Die reine, die stäte,

Meine Herrin Floräte,

Daß ich so lange schwieg von der,

Das kam mir nicht vom Hofe her.

Doch hoff ich es der süßen

Zu beßern und zu büßen.

Die höfische, die gute,

Die weiblich gemuthe,

Die wertheste, die beste,

Ich weiß, daß sie die Gäste

Nicht mit dem Mund allein empfieng;

Denn wie das Wort vom Munde gieng,

Gieng ihm der gute Wille vor.

Nicht höher flög ihr Herz empor

Wär es der Flügel mächtig.

Ihr waren einträchtig

Stäts ihr Wille und ihr Wort,

Ich weiß wohl, daß sie über Bord

Ihr alle beide giengen,

Als sie die Gäste empfiengen.

Die selige Floräte, was

Sie glücklich war im Übermaß,

Als sie ihren Herrn sah und ihr Kind,

Das Kind, des diese Mären sind,

Ihren Sohn Tristanden mein ich!

In Treuen, das bescheidet mich

All die Tugend und die Güte,

Die sie trug im Gemüthe

Wie ich von der Selgen las.

Daß sie beider viel besaß,

Das bewährte sie so wohl

Als ein Weib aufs Beste soll,

Denn sie schuf ihrem Kinde

Und seinem Ingesinde

Solch Gemach und den Empfang,

Keiner fand es beßer lebenslang.

Eines Glaubens bin ich auch so voll,

Daß ichs nicht fester glauben soll,

Von dem höfschen Curvenal:

Daß sein Freund ihm dazumal

Ein willkommner Tristan war;

Des bin ich allen Zweifels bar.

Nach Diesem wurden besandt

Zu Parmenîe im ganzen Land

Die Herren und die Ritterschaft,

In deren Hand die Herschaft

Lag so in Stadt als in Castel.

Als nun die in Kanoel

All zusammen kamen

Und hörten und vernahmen

Von Tristan wahren Bericht

Wie diese Märe von ihm spricht

Und wie ihr selber habt vernommen,

Da flogen tausend Willkommen

Aus eines Jedem Munde.

Leut und Land zur Stunde

Erwachten aus dem langen Leid

Und wandten sich zur Fröhlichkeit,

Daß es ein Wunder war zu sehn.

Sie empfiengen ihre Lehn,

So die Leute wie das Land,

Von ihres Herren Tristan Hand;

Sie schwuren Huld und wurden Mann.

Derweil trug immer Tristan

Die heimlichen Schmerzen

Verborgen in dem Herzen,

Den ihm Morgans Unglimpf lieh.

Dieser Schmerz verließ ihn nie

War es Abend oder Morgen.

Er gieng zu Rath in Sorgen

Mit Freunden drauf und Mannen

Und sprach, zu den Britannen

Zieh ihn sein Verlangen,

Sein Lehen zu empfangen

Aus seines Widersachers Hand,

Damit er seines Vaters Land

Besäße vollen Rechtes froh.

So sprach er und er that auch so.

Er fuhr von Parmenîe

Mit seiner Companîe

Gerüstet und versehn so voll

Als sich Jeder rüsten soll,

Der auf ängstliche That

Den Willen fest gerichtet hat.

Als Tristan gen Britannien kam,

Geschah es, daß er bald vernahm

Und mit Gewissheit hörte sagen,

Morgan, der Herzog, reite jagen

Von Walde zu Walde.

Da hieß er eilen balde;

Die Ritter hielten sich bereit

Und legten unter ihrem Kleid

Den Halsberg an und all ihr Ding;

Doch so, daß sich kein Harnischring

Unterm Wappenrock ließ sehn:

Daran war Tristans Wunsch geschehn.

Darüber legte jeder Mann

Seinen weiten Reifrock an

Und saß alsdann zu Rosse.

Sie geboten ihrem Trosse

An sichre Statt zu reiten

Und mit keinem Feind zu streiten.

Getheilt dann ward die Ritterschar

Und was die größre Stärke war

Für den Rückzug versteckt

Und daß der Tross auch wär gedeckt,

Welchen Wegs der immer fuhr.

Als dieß geschehn war, sah man nur

Dreißig Ritter in der Schar,

Die bei Tristan geblieben war;

Doch jener, die den Rückzug deckten,

Sechzig waren der Versteckten.

Bald fügt' es sich, daß Tristan da

Die Hunde mit den Jägern sah.

Die frug er nach der Märe,

Wo der Herzog wäre.

Das zeigten sie alsbald ihm an

Und ritt er auch sogleich hindann

Und fand nach kurzer Stunde hier

In einem grünen Waldrevier

Viel britischer Barone;

Die hatten Pavillone

Und Hütten auf das Gras geschlagen,

Darum und auch darein getragen

Laub und lichter Blumen viel;

Ihre Hunde und ihr Federspiel

Hatten sie zu Handen.

Sie grüßten Tristanden

Und Die da mit ihm ritten auch

Höfisch nach des Hofes Brauch,

Und sagten ihm aufs erste Wort,

Morgan, ihr Herzog, reite dort

Nicht weit davon in dem Wald.

Da eilten sie dahin alsbald

Und fanden auch Morganen

Und auf Castilianen

Viel der britschen Ritter da.

Als er sie zu sich traben sah,

Empfieng Morgan die Gäste,

Deren Willen er aufs Beste

Deutete, so gut und wohl

Als man Gäste nur empfangen soll.

Das Gleiche that sein Landgesind:

Ein Jeglicher der kam geschwind

Mit seinem Gruß herbeigerannt.

Zuletzt als dieß ein Ende fand,

Daß all ihr Grüßen war gethan,

Zu Morgan hub da Tristan an:

»Herr, wißt, ich kam hieher

Nach meinem Lehn mit dem Begehr,

Daß ihr mir es leiht zu tragen

Und mir nicht wollt versagen

Was ich dem Recht nach haben soll:

So thut ihr höfisch und wohl.«

Morgan sprach: »Herr, saget mir,

Wer seid ihr und wie heißet ihr?«

Tristan sprach da unverwandt:

»Herr, Parmenîe heißt das Land,

Zu welchem ich geboren bin,

Und hieß mein Vater Riwalin;

Ich selber heiße Tristan.«

»Ihr kommt mir, Herr«, sprach Morgan,

»Mit so unnützen Mären,

Daß sie viel beßer wären

Verschwiegen, als hier vorgebracht.

Ich bin der Sache kurz bedacht:

Hättet ihr ein Recht an mir,

Das blieb' euch unverweigert hier;

Euch sollte nichts daran gebrechen.

Wäret ihr es anzusprechen

Ein Mann von ganzen Ehren,

Ich müst es euch gewähren;

Wir wißen aber Alle wohl,

Die Lande sind der Märe voll,

In welcher Weise Blanscheflur

Von Haus mit euerm Vater fuhr;

Zu welchen Ehren sie da kam

Und wie die Liebschaft Ende nahm.«

»Liebschaft, Herr? Wie meint ihr das?«

»Ich sag es euch nun nicht fürbaß,

Doch wie ich sagte, steht es drum.«

»Herr«, sprach Tristan wiederum,

»Versteh ich eurer Zunge Stich,

So meintet ihr es so, daß ich

Nicht ehlich wär geboren

Und hätte drum verloren

Mein Lehen und mein Lehenrecht.«

»Ja wahrlich«, sprach er, »guter Knecht,

Dafür halt Ichs und mancher Mann.«

»So sprecht ihr übel«, sprach Tristan:

»Ich wähnte doch, es wäre

Nach Pflicht gethan und Ehre,

Wer Einem was zu Leide that,

Daß er die Zunge doch zu Rath

Hielt' und schonte Sitt und Brauch.

Wär Sitt und Brauch nun in euch auch,

So möchtet ihr die Rede sparen

(Viel Leid ist mir schon widerfahren),

Die verharschten Kummer weckt

Und die alte Schuld erstreckt.

Ihr erschluget mir den Vater doch:

Hieran dünkt euch aber noch

Meines Leides nicht genug.

Ihr sagt, die Mutter die mich trug,

Habe kebslich mich getragen.

Das will ich Gott im Himmel klagen.

Ich weiß so manchen Edelmann,

Den ich jetzt nicht nennen kann,

Der die Hände faltete vor mir:

Hätt er solche Missezier,

Wie ihr da sprecht, an mir erkannt,

Deren Keiner hätte seine Hand

Zwischen meine je gebracht.

Die hatten wohl der Wahrheit Acht,

Daß mein Vater Riwalin

Meine Mutter bis ans Ende hin

Hoch hielt als sein ehlich Weib.

Wenn ich das auf euern Leib

Bewähren und erweisen soll,

In Wahrheit, das erweis ich wohl.«

»Fahrt«, sprach Morgan, »in Gottes Haß!

Eur Beweisen, was soll das?

Zum Kampfe taugt ihr keinem Mann,

Der je zu Hofe Recht gewann.«

»Das wird sich zeigen«, sprach Tristan,

Zog das Schwert und rannt' ihn an,

Und spaltet' ihm von oben her

Hirn und Hirnschal mit der Wehr,

Daß sie ihm auf die Zunge drang.

Dann stach er ihm im andern Gang

Das Schwert bis tief ins Herz hinein.

Da zeugte wohl der Augenschein

Für das Sprichwort, das da spricht:

Die Schuld liegt und fault doch nicht.

Morganens Barone,

Die kühnen Britone,

Die mochten ihm da wenig frommen,

Noch ihm so bald zu Hülfe kommen

Daß er entgieng dem Falle.

Doch stellten sie Alle,

So schnell sie mochten, sich zur Wehr;

Ihrer sah man bald ein mächtig Heer.

Ungewarnt wie sie auch waren,

Der Feinde wollten sie nicht sparen,

Und zeigen mannlichen Muth.

Auf Warnung oder auf Hut,

Nahm da selten Wer Bedacht:

Sie drangen haufenweis zur Schlacht

Und warfen Alle mit Gewalt

Ins Feld hinaus und vor den Wald.

Da hub sich lautes Wehgeschrei

Und großen Jammers Noth dabei.

So flog da Morganens Tod

Mit vieler Klage, mancher Noth

Als ob er flügge wäre.

Er sagte leide Märe

Den Burgen an und rings dem Land.

Durch die Lande flog zuhand

Nur das Eine Klagewort:

»Ah! noster sires, il est mort!

Wer sorgt nun für des Landes Heil?

Ihr zieren Helden, zieht in Eil

Von Städten und von Vesten

Und lohnet diesen Gästen:

Durch sie ist uns groß Leid geschehn!«

Sie ließen über sich ergehn

Alle bittre Noth des Streits;

Doch fanden sie auch andrerseits

An den Gästen vollen Streit.

Die kehrten stäts von Zeit zu Zeit

Mit einer ganzen Rotte wieder

Und warfen ihrer viel darnieder;

Dann suchten sie im Fliehen

Sich dahin zurückzuziehen,

Wo sie wusten ihre Kraft

Und die versteckte Ritterschaft,

Und nahmen da Herberge

Auf einem festen Berge

Und hielten sich da über Nacht.

Über Nacht ward dann des Landes Macht

So stark vor ihrer Veste,

Daß sie die leiden Gäste,

Wenn es begann zu tagen,

Hinunter mochten jagen,

Und Manchen niederstachen,

Die Haufen oft durchbrachen

Mit Speren und mit Schwerten,

Die da unlange währten.

Sie hatten da an Schwert und Sper

Unlange währende Wehr,

Denn Schäfte brachen, Schwerter sprangen,

Wenn sie in die Rotten drangen.

Auch sah man Tristans kleines Heer

So kühn in seiner Gegenwehr,

Daß viel Schade kam danach,

Wenn man in die Haufen brach.

Die Scharen wurden beiderseit

Nicht einmal, nein zu mancher Zeit,

Mit großem Schaden überladen.

Sie nahmen da und thaten Schaden,

Schädlichen, an manchem Mann,

Und hielten sich so lang daran

Bis das innere Heer

Schwächer ward an seiner Wehr.

Denn Ihm gieng ab und Jenem zu:

Jenen mehrte spät und früh

Sich der Vortheil wie die Macht,

So daß sie wieder noch vor Nacht

Belagerten die Gäste

Vor einer Waßerveste,

Aus der die Gäste sich wehrten,

Sich drin zu fristen begehrten.

So war das Haus umseßen

Mit Scharen unermeßen

Als obs umzäunet wäre.

In ihres Leides Schwere

Tristan und sein kleiner Bann,

Nun, wie stellten sie es an?

Hört zu, so meld ich wohl euch dieß,

Wie ihre Sorge sich zerließ,

Und sie von dannen kamen,

Sieg an den Feinden nahmen.

Als Tristan von dem Lande schied,

Wie ihm Rual, sein Rather, rieth,

Das Lehen zu begehren

Und wieder heimzukehren,

Da lags dem seligen Rual

Im Herzen stäts, und schuf ihm Qual:

Es ahnt' ihm wohl, es werd ergehn

Wie es auch mit Tristan ist geschehn;

Nur daß ihm in den Sinn nicht kam

Wie großen Schaden Morgan nahm.

Hundert Ritter nahm er an

Und folgte seinem Herrn Tristan

Des Wegs, den er geritten

War in das Land der Britten.

Als er dahin gekommen,

Da hatt er bald vernommen

Wie es ergangen wäre

Und nach des Landes Märe

Führt' er seine Fahrt hinaus

Zu dem umseßnen Waßerhaus.

Als sie diesen jetzt zu nahn

Begannen und die Feinde sahn,

Da ward von ihrer Rotte

Nicht Einer so zu Spotte,

Daß ihn Furcht gesäumt und abgezogen:

Sie kamen allesamt geflogen

Mit fliegenden Banieren.

Da gabs ein laut Croijieren

Von ihrer Massenîe:

»Schevalier, Parmenîe!

Parmenîe, Schevalier!«

Da schuf Banier auf Banier,

Das durch die Zeltschnüre brach,

Schaden und groß Ungemach.

Sie trafen die Bretonen

In ihren Pavillonen

Mit tödtlichen Wunden.

Die in der Veste stunden,

Als sie ihr Landbanier erkennen

Und ihren Feldruf hören nennen,

Wollen sie den Raum sich weiten

Und hinaus ins Weite reiten:

Da säumt sie Tristan nicht daran.

Großer Schade ward gethan

An den Landgesellen:

Fahen und Fällen,

Schlagen und Stechen,

Damit sah man durchbrechen

Zu beiden Seiten ihr Heer;

Auch brachte das sie außer Wehr,

Daß jedwede Companîe

Ihr »Schevalier, Parmenîe«

So viel riefen und schrien:

Damit war ihre Wehr dahin.

Ihnen blieb nicht Wehr noch Wiederkehr,

Nur verdecktes Fliehen

Und zögerndes Ziehen

Nach dem Berg und nach dem Wald;

Da ward der Streit erst mannigfalt.

Die Flucht war da ihr letzter Trutz

Und vor dem Tod ihr bester Schutz.

Nun dieser Sieg erfochten war,

Da ruhte sich die Ritterschar;

Sie schlugen Hütten auf dem Plan

Und die sie des Gesindes sahn

Sich auf dem Feld erschlagen,

Die ließen sie zu Grabe tragen;

Und Die verwundet waren,

Legten sie auf Bahren

Und zogen heim zu ihren Landen.

Hiemit war jetzo Tristanden

Sein Lehn und sein gesondert Land

Verliehn aus seiner eignen Hand;

Er war von Dem auch Herr und Mann

Das noch sein Vater nie gewann.

So hatt ers in die Richte gebracht

Und seine Sache schlicht gemacht:

In die Richte gebracht am Gute

Und schlicht gemacht im Muthe.

All sein Unrecht war nun recht,

Seine Schwermuth eben und schlecht.

Er hatte nun aus freier Hand

Sein Vatererb und all sein Land

Unangefochten und also,

Daß Niemand irgend wann noch wo

Anspruch erhob an all sein Gut.

Hiemit so wandt er seinen Muth,

Wie ihm da gebot und rieth

Sein Oheim als er von ihm schied,

Wiederum gen Cornewal;

Und mochte doch auch von Rual

Nicht wenden sein Gemüthe,

Der ihm so manche Güte

Mit väterlicher Stätigkeit

Erwiesen hatte jederzeit.

An Rual und an Marke lag

Tristans Herz bei Nacht und Tag;

An diesen zwein lag all sein Sinn:

Der Sinn, der lockt' ihn her und hin.

Nun spräche wohl ein werther Mann:

»Unser werther Tristan

Wie verhält er sich hiezu,

Daß er Recht Jedwedem thu

Und Beiden lohne wie er soll?«

Ein Jeder sieht und weiß das wohl,

Er kann sichs nicht ersparen:

Einen muß er laßen fahren,

Daß er bei dem Andern bleibe.

So laßt denn hören, wie ers treibe?

Kehrt er gen Cornewal sich wieder,

So sinkt ihm Parmenîe nieder

Und büßt an seinen Würden ein;

So muß verkürzt auch Rual sein

An Freuden und frohem Muth

Und an alle dem Gut,

Dem seine Wonne sollt entblühn;

Und will er nicht von hinnen ziehn,

So muß er entbehren

Höherer Ritterehren

Und setzt auch Markes Rath hintan,

Von dem er Ehre mag empfahn.

Wie soll er nun sein Heil bewahren?

Weiß Gott, er muß von hinnen fahren:

Man soll ihm Urlaub geben.

Er muß noch höher schweben

An Ehren und am Muthe,

Soll sich sein Glück zu Gute

Noch und zu Freuden kehren.

Nach den höchsten Ehren

Soll er noch trachten können.

Will die sein Heil ihm gönnen,

Es hat wohl Recht, daß es das thu,

Steht ihm doch all sein Muth dazu.

Der sinnreiche Tristan

Gar sinnigen Rath ersann:

Er war bedacht, so eben

Und gleich sich zu vergeben

An seine Väter beide

Als ob man ihn zerschneide.

Er theilte selber sich entzwei

So gleich und eben wie ein Ei,

Und gab Jedwedem dann den Theil,

Der am Meisten ihm zum Heil

Kam nach seinem ganzen Wesen.

Wer nun von Theilung nie gelesen,

Die man an sich selber macht,

Dem sag ich wie sie wird vollbracht.

Es zweifelt Niemand doch daran:

Zwei Dinge machen einen Mann

Und diese zwei sind Leib und Gut;

Von diesen zwein kommt edler Muth

Und weltlicher Ehren viel.

Wenn man die beiden scheiden will,

So wird das Gut zur Armut,

Und der Leib, dem man sein Recht nicht thut.

Kommt auch von seiner Würde dann,

Und wird der Mann ein halber Mann.

Und doch mit ganzem Leibe.

So ists auch mit dem Weibe.

Es sei Mann oder Weib,

Immer müßen Gut und Leib

Gesellt in allen Sachen

Erst ein ganzes Wesen machen;

Will man sie aber scheiden,

So ist es aus mit beiden.

Diese Theilung begann

Der sinnreiche Tristan

Und vollführte sie mit Sinnen.

Man must ihm erst gewinnen

Schöne Ross und reich Gewand

Und Speis und Vorrath mancherhand

Wie ein Fest sie nöthig macht,

Denn auf ein Fest war er bedacht.

Dazu lud er aus dem ganzen Land

Die Edelsten, in deren Hand

Die Kraft des Landes war gelegen.

Die thaten wie die Freunde pflegen

Und kamen zu der Lustbarkeit.

Nun war auch Tristan bereit

Mit allen seinen Dingen.

Er gab zwei Jünglingen,

Ruals Söhnen, da das Schwert,

Die ihm das Lehn zu erben werth

Nach ihrem Vater schienen.

Und Alles was er ihnen

Zu Würden und zu Ehren

Nur wenden mocht und kehren,

Da sah er keine Kosten an,

Das ward so williglich gethan

Als wär es für die eignen Kinder.

Nun sie Ritter wurden, und nicht minder

Zwölf Gesellen zumal,

Da war der höfsche Curvenal

Auch mit in der Zwölfe Schar.

Tristan, des Herz nur Zucht gebar,

Nahm seine Brüder bei der Hand

Höfisch, wie man ihn immer fand,

Und führte sie von dannen.

Seine Freund und Mannen,

Und Alle, die da waren

Von Sinnen oder Jahren

Oder schon von beiden

Verständig und bescheiden,

Die wurden Alle zuhand

An den Hof entboten und besandt.

Als er sie sah erschienen,

Tristan stand auf vor ihnen,

»Ihr Herren«, sprach er zu der Schar,

»Denen gern ich immerdar

In Treuen und mit Lauterkeit

Zu allen Diensten bin bereit

So fern als ich das immer kann –

Freund', und mein getreuer Bann,

Von deren Gnaden ich empfieng

Was Gott zu Ehren mir verhieng;

Denn mit eurer Hülfe lediglich

Ist Alles nun vollführt, was ich

In meinem Sinn begehrte.

Ob Gott es mir gewährte,

So weiß ich doch, es ward vollbracht

Durch eure Tugend, eure Macht.

Was soll ich weiter noch sagen?

Ihr habt in diesen wengen Tagen

Eure Ehr und euern Preis

An mich gewandt so mancherweis,

Es bleibt kein Zweifel mir daran,

Eher ists um diese Welt gethan,

Eh ihr zu irgend einer Zeit

Entgegen meinem Willen seid.

Freund' und Mannen alle, schau ich sie

Nun kraft meines Willens hie

Oder durch ihr eigen Recht,

Laßt euch nun nicht allzuschlecht

Meiner Rede Sinn gefallen.

Ich künd und sag euch Allen,

Wie auch mein Vater hier, Rual,

Gesehn hat und gehört zumal,

Daß mein Oheim sein Land

Gestellt hat in meine Hand

Und sich auch um meinetwegen

Kein ehlich Weib denkt beizulegen,

Daß Ich sein Erbe möge sein;

Auch sah er gern mich nahe bei

Wo er auch sei mit den Genoßen.

So hab ich denn mich entschlossen

Und steht mir all der Sinn dazu,

Daß ich seinen Willen thu

Und wieder zu ihm kehre.

Die Gülten und die Ehre

Und was ich hier noch nenne mein,

Die will ich laßen und leihn

Meinem Vater Rual:

Wenn es mir in Cornewal

Nicht ergeht wie ich gedenke,

Daß ich sterbe oder sänke,

Daß es sein Erblehen sei.

Hier stehn auch seiner Söhne zwei

Mit noch manchem andern Kind;

Und Die ferner seine Erben sind,

Die haben alle Recht daran.

Hört Alle, Dienstmann oder Mann,

Die Lehen über all dieß Land

Sollen stehn zu meiner Hand

All meine Jahr und meine Tage.«

Groß war der Jammer und die Klage

Bei aller dieser Ritterschaft;

Ihre Freude lag in Kummers Haft,

Ihr Mut, ihr Trost war ganz dahin.

»Ach,« sprachen Alle wider ihn,

»Viel besser wär uns da geschehn,

Hätten wir euch nie gesehn:

So wäre dieses Los vermieden,

Das uns jetzo nimmt den Frieden.

Herr, unser Trost und lieber Wahn,

War immer dieser bisheran,

Wir sollten miteinander leben;

Nein, unserm Leben ist vergeben,

Das wir zu Freuden sollten haben:

Erstorben ist es und begraben,

Wenn ihr euch von hinnen kehrt.

Herr, so habt ihr uns gemehrt

Und nicht gemindert unser Leid.

Unser aller Seligkeit

War kaum ein wenig aufgestiegen;

Nun muß sie gar darnieder liegen.«

Ich weiß es sicher wie den Tod,

Wie groß der Andern Klag und Noth

Und ihres Herzens Schwere

Auch war um diese Märe,

Rual, dem es zu Gut geschah,

Der davon so großes Frommen sah

An der Ehre wie am Gut,

Dem schuf es doch in seinem Muth

Mehr als all den Andern Qual:

Er empfieng ein Lehen dazumal,

Weiß Gott, ihm ward all sein Leben

Mit solchem Jammer keins gegeben.

Nun Rual und seine Kinder

Belehnt sind und beerbt nicht minder

Von Tristan, ihres Herren Hand,

Tristan befahl Gott Leut und Land

Und fuhr aus seinen Landen;

Da fuhr auch mit Tristanden

Sein treuer Meister Curvenal.

Seine Mannen mit Rual,

Dazu das Landvolk insgemein,

War ihr Kummer da nur klein

Und ihres Herzens Leiden

Um des trauten Herren Scheiden?

In Treuen, das vernein ich wohl.

Parmenîe war da voll

Des Jammers und der Klagen;

Es war nicht auszusagen.

Die Marschallin Floräte,

Die treue, die stäte,

Marterte den schönen Leib

Wie es billig thut ein Weib,

Der Gott ein gehehrtes Leben

An Weibesehren hat gegeben.

Tristan und Isolde

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