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X. Morold.

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Was läng ich länger noch hieran?

Der landlose Tristan

Als der gen Cornwal wieder kam,

Eine Mär er allzuhand vernahm,

Die er ungern hat vernommen:

Von Irland wär gekommen

Morold der heldenstarke,

Und forderte von Marke

Mit kampflichen Handen

Den Zins von beiden Landen,

Von Cornwal und von Engelland.

Um diesen Zins wars so bewandt:

Der Englands Krone sonst besaß,

Wie ichs in der Historie las

Und die rechte Märe spricht,

Der hieß Gurmun und anders nicht,

Und war von Africa geboren

Und sein Vater dort zum Herrn erkoren.

Als der verschied, da fiel das Land

An ihn und seines Bruders Hand,

Der Erbe war so gut als er.

Doch wuste Gurmun sich so hehr

Und trug so hoch seinen Muth,

Er mochte kein gemeines Gut

Mit einem andern Mann empfahn.

Ihn wies das Herz auf andre Bahn:

Er wär gern selbst ein Herr gewesen.

Da begann er zu erlesen

Die Muth- und Ehrenfesten,

Zu aller Noth die Besten,

Die Jemand wust im Lande,

Ritter und Sarjande,

Die er mit seinem Gute

Oder höfischem Muthe

Bringen mocht in sein Geleit,

Und überließ zur selben Zeit

Seinem Bruder all sein Land.

So wandt er sich hinaus zuhand

Und erwarb auch bei den Römern bald,

Die der Welt geboten mit Gewalt,

Urlaub mit dem Bedinge:

Was seine Kraft bezwinge,

Daß er darüber schalte,

Und ihnen nur behalte

Gewisse Recht' und Ehren.

Da mocht ihm Niemand wehren,

Er fuhr mit einem starken Heer

Über Land und über Meer

Bis er zu den Iren kam,

Deren Land er siegreich nahm

Und sie so bezwang im Streit,

Daß sie, wenn auch unbereit,

Ihn zum Herrn und König nahmen

Und so in Knechtschaft kamen,

Daß sie zu allen Zeiten

Mit Stürmen und mit Streiten

Ihm die Nachbarn halfen zwingen.

So einmal im Gelingen

Unterwarf er seiner Hand

Auch Cornewal und Engelland.

Marke war da noch ein Kind,

Unwehrhaft wie die Kinder sind:

So nahm er ab an seiner Kraft

Und ward Gurmunen zinshaft.

Auch half dabei Gurmunen sehr

Und lieh ihm Macht und Ehre mehr,

Daß er Morolds Schwester freite:

Das half ihm, daß er Furcht verbreite.

Der ward da Herzog genannt

Und hätte gern ein Königsland

Selber auch beseßen;

Denn er war gar vermeßen

Und hatte Land und großes Gut,

Starken Leib und hohen Muth.

So focht er Gurmuns Heer voraus.

Nun aber leg ich euch aus

Wie es mit dem Zinse stand,

Der den Iren ward gesandt,

Aus jedwedem Lande zwar:

Sie sandten hin das erste Jahr

Dreihundert Mark Messinges

Und keines andern Dinges;

Das andre Silber, das dritte Gold.

Im vierten aber kam Morold

Der Starke von Irlanden

Und wollte sein bestanden.

So wurden denn vor ihn gesandt

Aus Cornewal und Engelland

Die Baronen all und Großen.

Die giengen da zu looßen

In seinem Beisein, Wer von ihnen

Sein Kind ihm gäbe, das zu dienen

Geschickt wär nach den Jahren

Und kundig zu gebahren

Nach Zucht und edelm Hofgebranch,

Schönen Leibes nicht minder auch:

Nicht Mädchen, lauter Knäbelein,

Und der Knaben sollten dreißig sein

Aus jedwedem Lande,

Und sollte dieser Schande

Niemand mögen widerstehn,

Es müst im Zweikampf denn geschehn

Oder auch im Landgefecht.

Nun mochten sie zu ihrem Recht

Mit offner Gegenwehr nicht kommen,

Denn die Lande hatten abgenommen.

So war auch Morold so stark,

So erbarmungslos und arg,

Daß Niemand wider ihn allda,

Der ihm in die Augen sah,

Verwagte Leben und Leib,

Ein Mann so wenig als ein Weib.

Und wenn der Zins für jedes Jahr

Nach Irland hingesendet war

Und nun das fünfte Jahr begann,

So musten beide Lande dann

Stäts zur Sonnenwenden

Romwärts solche Boten senden,

Die den Römern behagten,

Die dann den Boten sagten,

Welch Gebot und welchen Rath

Der gewaltige Senat

Auserdacht und festgestellt

Für ein jedes Volk der Welt,

Das den Römern pflichtig war.

Denn da las man ihnen jedes Jahr

Vor und ließ sie wißen,

Wie sie hinfort beflißen

Sollten sein, das Recht zu weisen

Nach Römerlandrecht, Römerweisen.

Sie musten dann auch immer leben

Wie ihnen Lehre ward gegeben.

Dieser Zins ward hingesandt

Aus diesem wie aus jenem Land

Roma der Gebieterin

Bei jedes fünften Jahrs Beginn.

Doch boten sie ihr solche Ehr

Und diese Zinspflicht nicht so sehr

Um Rechtes noch um Gottes willen

Als um Gurmuns Zorn zu stillen.

Laßt uns zurück zur Märe kommen.

Tristan hatte wohl vernommen

Dieses Leid zu Cornewal;

Auch hatt er früher manches Mal

Wohl gehört schon den Bericht

Wie es stand um dieses Zinses Pflicht.

Doch nun vernahm er alle Tage

Aus des Landvolkes Klage

Des Landes Leid und große Schmach,

Wohin er ritt dem Wege nach,

Vor Städten und Castellen.

Und als zu den Gesellen

Nach Tintajöl er jetzo kam,

Seht, da hört' er und vernahm

In Gaßen und auf Straßen

Die Klage schallen solcher Maßen,

Daß es ihm sehr zu Herzen gieng.

Nicht lange währt' es, so empfieng

Der Hof und König Mark die Märe,

Daß Tristan angekommen wäre;

Des waren sie da Alle froh.

Froh, das mein ich aber so,

Das Maß lag in der Dinge Stand.

Denn die Besten, die man fand

Im ganzen Lande Cornewal,

Waren eben dazumal

Alle an den Hof gekommen

Zur Schande, wie ihr habt vernommen.

Die Edeln und die Großen

Giengen da zu looßen

Ihren Kindern, ach, zum Falle.

So fand sie Tristan Alle

Niederknieend zum Gebete,

Denn ein Jeder bat und flehte

Ohne Scham und unverborgen,

Laut weinend in den Sorgen,

Mit inniglichen Schmerzen

Des Leibes und der Herzen,

Daß ihm Gott der milde

Beschirme und beschilde

Seinen Adel und sein Kind.

Wie sie so im Beten sind,

Kommt Tristan hergegangen.

Wie ward er da empfangen?

Das sag ich euch, der Wahrheit nach:

Tristan ward an diesem Tag

Unter alle dem Gesinde

Von keinem Mutterkinde,

Auch Marken nicht, mit Grüßen

Empfangen also süßen,

Als er doch sicher wäre

Ohne dieses Leid, das schwere.

Des nahm nun Tristan wenig wahr;

Doch trat er kecklich vor die Schar,

Der man die Looße zog und las,

Wo Morold und Marke saß,

»Ihr Herren«, sprach er allzumal,

»Wie ihr auch heißt in diesem Saal,

Die hieher zum Looße laufen,

Ihre edeln Kinder zu verkaufen:

Schämt ihr euch nicht der Schande,

Die durch euch geschieht dem Lande?

So mannhaft wie ihr allezeit

In allen Dingen wart und seid,

So solltet ihr euch selbst zugleich

Und dieses Land und euer Reich

Zu Ansehn bringen und zu Ehren

Und eure Ehren immer mehren;

Und wollt eure Freiheit nun,

Wie verzagte Wichte thun,

Euern Feinden vor die Füße legen

Und ihm schnöden Zins erlegen!

Und eure edeln Kindelein,

Die eure Wonne sollten sein,

Euer Lust und euer Leben,

Gebt und habt ihr hingegeben

Zu Schalken und zu Waisen,

Und könnt doch nicht erweisen,

Daß euch Noth dazu bezwinge.

Denn hier brauchts nicht andre Dinge

Als ein Zweikampf und ein Mann;

Andre Noth hats nie gethan.

Doch könnt ihr in dem ganzen Reich

Nicht Einen finden unter euch,

Der wider Einen Mann sein Leben

An die Wage wolle geben

Ob er bleibe oder siege.

Sei es auch, daß er erliege,

So mag doch wohl ein kurzer Tod

Und diese währende Noth

Im Himmel und auf Erden

Nicht gleich gewogen werden.

Geschieht es aber, daß er siegt

Und das Unrecht erliegt,

So ist ihm Ehr hienieden,

Dort Gottes Lohn beschieden.

Soll doch der Vater für sein Kind,

Da beide nur Ein Leben sind,

Das Leben geben. so wills Gott.

Der treibt mit Gottes Willen Spott,

Der sein freigeboren Kind

Dem Zwingherrn auszuliefern sinnt,

Daß es in Knechtschaft schwebe

Und er in Freiheit lebe.

Soll Ich euch Rath zu euerm Leben

Nach Gott und nach den Ehren geben,

So dünkt michs beßer viel gethan,

Ihr erwählt euch einen Mann,

Wo man ihn immer finde

Unter diesem Landgesinde,

Der den Kampf nicht braucht zu meiden

Und dem Glück es freistellt, zu entscheiden,

Ob er siege oder falle:

Den Kühnen bittet Alle,

Um Gotteswillen allermeist,

Und fleht, daß ihm der heilge Geist

Glück und Ehre gebe,

Auf daß er nicht erbebe

Vor Morold, weil er stark und groß;

Auf Gottes Macht vertrau er bloß,

Denn der verließ noch keinen Mann,

Der auf gerechte Dinge sann.

So geht zu Rath denn schnelle,

Berathet euch zur Stelle,

Wie ihr die Schande von euch kehrt

Und euch des Einen Manns erwehrt:

Nehmt von Geburt und Adel

So großer Schande Tadel.«

»Ach«, sprachen Alle zu Tristan,

»Viel anders stehts um diesen Mann,

Vor dem kann Niemand gedeihn.«

Tristan sprach: »Laßt die Rede sein.

Gott zu Lieb besinnt euch noch:

Seid ihr von Geburt ja doch

Allen Köngen gleich entsproßen.

Aller Kaiser Genoßen,

Und wollt nun eure edeln Kinder,

Die edel sind wie ihr, nicht minder,

Verhandeln und verkaufen

Und zu Eigenschalken taufen.

Und mögt ihr Keinen eurer Mannen

Hierzu erherzgen und ermannen,

Daß er um eure Noth und Klage

Und des Landes Schmach und Niederlage

Kühnlich nach dem Rechte

In Gottes Namen fechte

Wider diesen Einen Mann,

Und geruhet ihr alsdann

Daß ihrs an Gott stellt und an mich,

Fürwahr, ihr Herren, so will Ich

Meine Jugend und mein Leben

Mit Gott auf Abenteuer geben,

Und euch zu lieb den Kampf bestehn.

Gott laß ihn euch zu Gut ergehn

Und helf euch noch zum Rechte.

Geschieht es im Gefechte,

Daß es mir am Glück gebricht,

Das schadet euerm Rechte nicht.

Find ich in dem Kampf den Tod,

Damit ist euer Aller Noth

Weder ab- noch angekehrt,

Nicht gemindert noch gemehrt,

Es steht noch wie es jetzo steht;

Und ists, daß es zum Heil ergeht,

Das kommt allein von Gotteswegen,

Und Gott verdankt allein den Segen.

Denn den ich soll bestehn allein,

Der ist, so sagt man allgemein,

So durch Muth und Leibeskraft

In aller ernsten Ritterschaft

Ein lange her bewährter Mann:

Ich aber, dem nur erst heran

Der Muth wächst und die Kräfte,

Bin zu des Kampfs Geschäfte

Noch nicht zu kürbar und so gut

Als uns Noth wohl jetzo thut;

Doch weiß ich im Gefechte

An Gott und an dem Rechte

Siegreiche Helfer bei mir stehn:

Die solln mit mir zum Kampfe gehn.

Auch hab ich willigen Muth,

Der ist auch zum Kampfe gut:

Und helfen mir nur diese drei,

Wie unversucht ich anders sei,

So hab ich guten Trost dazu,

Daß mir der Eine Mann nichts thu.«

»Herr«, sprach die ganze Ritterschaft,

»Die heilige Gotteskraft,

Die all die Welt geschaffen hat,

Die vergelt euch Trost und Rath.

Und der frohen Hoffnung Wahn,

Die ihr uns habt aufgethan.

Herr, laßt euch das Ende sagen:

Unser Rath hat wenig Frucht getragen.

Wollt unser Heil es uns gestatten,

So viel wie wirs versucht schon hatten

Und so oft als es begonnen ward,

So blieb es nicht auf heut verspart.

Wir haben nicht zu Einem Mal

Allein, wir hier in Cornewal,

Rath um unsre Noth gepflogen:

Wir sind auf manchen Tag gezogen

Und konnten, wie bedrängt wir sind,

Doch Keinen finden, der sein Kind

Nicht lieber wollt in Knechtschaft geben

Als in den Tod das eigne Leben

Im Kampf mit diesem Teufelsmann.«

»Wie sprecht ihr also?« sprach Tristan,

»Der Dinge sind doch viel geschehn:

Man hat oft Wunder gesehn,

Wie ungerechte Hochfahrt

Durch kleine Kraft geniedert ward.

Das möcht auch jetzt wohl noch geschehn,

Wagt' es Einer zu bestehn.«

Das hörte Morold all mit an:

Da verdroß ihm mächtig, daß Tristan

So eifrig nach dem Kampfe da

Verlangte, der so kindisch sah,

Und trug ihm drum im Herzen Haß.

Tristan sprach jedoch fürbaß:

»Ihr Herren alle, redet nun,

Was ist euch lieb, daß ich soll thun?«

»Herr«, sprachen Alle insgemein,

»Möcht es immer also sein,

Die Hoffnung, die ihr uns gemacht,

Daß die würde vollbracht,

So geschäh uns Allen nach Begehr.«

»Ist euch das lieb«, sprach wieder Er,

»Wohl, da es so auf diese Frist

Und mir vorbehalten ist,

Will es denn Gott gefallen,

So versuch ich, ob euch Allen

An meinen jungen Jahren

Gott Heil läßt widerfahren

Und ob mir selber blüht das Glück.«

Da zög ihn Marke gern zurück

Von so fährlichem Beginnen:

Er hofft es zu gewinnen,

Wenn ers ihn laßen hieße,

Daß ers ihm zu Liebe ließe;

Nein, Gott weiß, daß er das nicht that:

Wie er gebot und wie er bat,

Er konnt ihn nicht dazu bewegen,

Daß er abstünde seinetwegen.

Er gieng dahin, wo Morold saß,

Und redete darauf fürbaß:

»Herr«, sprach er zu ihm, »saget mir,

So helf euch Gott, was werbt ihr hier?«

»Freund«, sprach Morold da zur Stund,

»Was fraget ihr? euch ist wohl kund

Mein Gewerb und mein Begehr.«

»Ihr Herren alle, höret her,

Mein Herr der König und sein Bann«,

Sprach der weisliche Tristan;

»Mein Herr Morold, ihr redet wahr:

Ich weiß und kenn es ganz und gar.

Wie sehr es uns entehre,

Es ist doch eine Märe,

Die Niemand unterdrücken mag.

Man hat den Zins nun manchen Tag

Von hinnen und von Engelland

Gen Irland wider Recht gesandt.

Dazu hat man uns lange

Gebracht mit großem Zwange

Und mit mancherlei Gewalt.

Stadt und Burgen kamen bald

In den Landen rings zu Falle,

Und den Leuten that man alle

So großen und so manchen Schaden,

Bis sie wurden überladen

Mit Gewaltthat wider alle Rechte,

Und zuletzt die guten Knechte,

Die noch da am Leben waren,

Ihnen musten willfahren

Was man ihnen auch gebot.

Denn sie fürchteten den Tod

Und konnten wie die Sache stand

Nichts thun als dulden vor der Hand.

So ward die große Unbild,

Die für Recht noch heute gilt,

An dem Land begangen immerdar,

Ob längst die Zeit gekommen war,

Daß sie so schnöder Knechtschaft Ketten

Im Kriege abgeschüttelt hätten.

Denn sie sind sehr vorangekommen:

Die Lande haben zugenommen

An Heimischen und Gästen,

An Städten und an Vesten,

An Gut und an den Ehren.

Man soll zum Beßern kehren

Was versehen ward bisher,

Denn durch Gewalt allein und Wehr

Geneset unser Wesen;

Und soll es noch genesen,

Das kann es nur erreichen

Mit Krieg mit scharfen Streichen.

Die Leute hat es, wie es soll,

Beide Lande sind der Leute voll:

Man soll uns Alles wiedergeben,

Was man uns all unser Leben

Mit Gewalt hat genommen.

Wir wollen selbst zu ihnen kommen

Sobald uns Gott es will gestatten:

Was sie jemals von uns hatten,

Es sei wenig oder viel,

So man meinem Willen folgen will

Und meines Rathes pflegen,

Sie müßens auf die Wage legen

Wieder bis zum kleinsten Ring.

So mag noch unser Messing

Zu rothem Golde werden.

Es sind wohl schon auf Erden

Unerhörter Dinge viel geschehn,

Der sich Niemand hat versehn.

Und die Kinder dieser edeln Herrn,

Die zu Schälken wurden fern,

Die werden wohl noch wieder frei,

Wie unverhofft es ihnen sei.

Gott sei's, der mir das noch gewähre,

In Seinem Namen ichs begehre,

Daß ich noch mit dieser Hand

Die Heerfahn in der Iren Land

Mit dieses Landes Großen

So in die Erde dürfe stoßen,

Daß das Land dort und die Erde

Durch mich geniedert werde.«

Morold sprach wieder: »Herr Tristan,

Nähmet ihr euch minder an

Dieses Dings und dieser Märe,

Mich dünkt, daß es euch heilsam wäre.

Denn was man hier darüber spricht,

Wir laßen doch deswegen nicht

Was unser Recht war bisheran.«

Vor Marke trat der starke Mann,

»König Marke«, sprach er, »sprechet ihr

Und die Andern all, die hier

Gegenwärtig sind nicht minder,

Mit mir zu reden um die Kinder,

Gebt mir Bescheid und laßt mich hören:

Wollt ihr euch an die Rede stören,

Und begehrt, daß es gethan

Werde, wie eur Vogt Tristan

Mit Worten mich beschieden hat?«

»Ja, das ist unser Aller Rath,

Herr, unser Will und unser Muth,

Was er spricht und was er thut.«

Da sprach Morold: »So brechet ihr

Meinem Herren und mir

Eure Treu und euern Eid

Und alle Zuverläßigkeit,

Die jemals zwischen uns bestand.«

Der höfsche Tristan sprach zuhand:

»Nein, Herr, ihr irret euch hieran;

Es lautet übel, wer dem Mann

Wider seine Treue spricht.

Keiner von uns Allen bricht

Weder Treue noch Eid.

Ein Gelübd galt lange Zeit

Zwischen euch und ihnen doch,

Das bleibt in voller Kraft auch noch,

Daß sie nach Irland jedes Jahr

Sandten, ohne Weigrung zwar,

Von Cornwal und von Engelland,

Den Zins, der ihnen war benannt;

Es sei denn, daß sie sich zur Wehr

Mit Zweikampf setzten oder Heer.

Sind sie dazu nun noch bereit,

Und lösen Treue und Eid

Zinsend oder im Gefecht,

So thun sie nach dem alten Recht.

Herr Morold, das bedenket ihr,

Berathet euch und saget mir

Was euch minder sei verhaßt,

Worauf ihr lieber euch verlaßt,

Zweikampf oder Heeresstreit:

Des seid ihr nun und allezeit

Von uns gewiss und auch gewährt.

Es müßen einmal Sper und Schwert

Unter euch und uns entscheiden.

So wählt denn von den beiden

Eins und sagt uns von der Wahl:

Der Zins missfällt uns nun einmal.«

Morold sprach wieder: »Herr Tristan,

Mit dieser Wahl ists bald gethan,

Ich weiß wohl was ich wählen will.

Der Meinen sind hier nicht so viel,

Daß ich zum Heeresstreite

Irgend gerüstet reite.

Ich fuhr von Irland über Meer

Mit meiner Diener Schar nur her,

Und bin im tiefen Frieden

Aus der Heimat geschieden

Wie es noch immer ist geschehn;

Ich dachte nicht, so sollts ergehn.

Ich versah mich der Geschichten

Von diesen Herrn mit Nichten.

Ich wähnt, ich führ von hinnen

Mit Recht und auch mit Minnen;

Nun aber kommt ihr mir mit Streit:

Dazu bin ich noch unbereit.«

»Herr«, sprach Tristan, »ist euer Muth

Zu einem Landstreite gut,

So wendet euch zurück sogleich,

Fahrt wieder heim in euer Reich,

Besendet eure Ritterschaft,

Versammelt all eure Kraft,

Und kommt zurück und laßt uns sehn

Was uns solle geschehn;

Und thut das in kurzer Frist,

Eh ein halb Jahr verstrichen ist;

Sonst kommen wir zu euch, gebt Acht,

Und besehn was ihr in Irland macht.

Ist doch schon das Sprichwort alt,

Mit Gewalt vertreibe man Gewalt,

Mit Kraft begegne man der Kraft.

Richtet man mit Ritterschaft

Länder zu Grund und Rechte

Und macht aus Herren Knechte –

Wenn das nun billig heißen soll,

So vertrauen wir zu Gott noch wohl,

Daß aller unsrer Schmach Beschwerde

Euch noch einst heimkommen werde.«

»Gott weiß«, sprach Morold, »Herr Tristan,

Hier hör ich Dinge, daß ein Mann,

Der nie zu solchem Ruhme kam

Und solches Drohen nie vernahm,

Von solchen Maulwerksthaten

Wohl möcht in Angst gerathen;

Doch Ich mag wohl davor genesen.

Ich bin schon mehr dabei gewesen,

Wo große Pracht und Hochfahrt

Mit dem Mund getrieben ward.

Mein Vertrauen ist nicht klein,

Gurmun dürf ohne Sorge sein

Für seine Leute und sein Land

Vor eurer Fahn und tapfern Hand.

Auch wird so übermüthger Streit,

Man breche uns denn Treu und Eid,

Auf Irland nicht verschoben:

Wir wollens hier erproben,

Und unter uns Beiden

In einem Ring entscheiden,

Ob das Recht bei euch ist oder mir.«

Tristan sprach: »Das will ich hier

Mit Gottes Hülf erzeigen,

Und mög Er Den geschweigen,

Der Unrecht von uns Beiden thu.«

Da zog er aus den Handschuh

Und bot ihn Morolden dar:

»Ihr Herren«, sprach er, »nehmet wahr;

Herr König, Ihr und alle die,

So hier sind, sollen hören wie

Ich diesen Kampf bespreche,

Ob ich das Recht auch breche.

Daß Herr Morold nicht, den ihr erblickt,

Noch Der ihn hat hieher geschickt,

Noch mit Gewalt ein andrer Mann

Je den Zins mit Recht gewann

Von Cornwal noch von Engelland,

Das will ich nach der Dinge Stand

Vor der Welt und Gott erklären

Und mit meiner Hand bewähren

Gegen diesen Herren, der hier steht,

Ihn, der uns anthat früh und spät

All die Schmach und all die Schande,

Die je betraf die beiden Lande.«

Da rief zur selben Stunde

Von Herzen und von Munde

Manch edle Zunge hin zu Gott,

Daß er die Schmach und diesen Spott

Bedächte, und ihr langes Leid,

Und erlöste sie von Dienstbarkeit.

Wie groß jedoch um diese Fahr

Der Andern Leid und Sorge war,

Morolden giengs zu wenig ein

Zum Herzen oder zum Gebein,

Daß es ihm Sorg erwecke:

Der vielversuchte Recke

Legte den Sper nicht nieder:

Er bot auch ihm hinwieder

Den Handschuh hin, des Kampfes Pfand,

Mit vermeßener Hand,

Mit fierer Contenanze.

Es schien diese Schanze

Nach seinem Willen ganz zu sein:

Er getraute wohl drin zu gedeihn.

Nun dieß so vergewißert war,

Der Kampf ward dem vermeßnen Paar

Bis an den dritten Tag gespart.

Als der dritte Tag vermeldet ward,

Da kam die Landschaft allzumal

Und des Volks so ungezählte Zahl,

Daß das Gestade bei dem Meer

Ganz überdeckt war von dem Heer.

Da waffnete sich Morold bald.

Mit Des Gewaffen will ich halt,

Noch mit seiner Stärk und Kraft

Meines Herzens Merkereigenschaft,

Noch meiner Augen scharfe Sehe,

Indem ich nach ihm seh und spähe,

Nicht stumpfen noch schwächen,

So viel sie von ihm sprechen,

Er sei an Mannheit auserwählt.

Denn es wird gar viel von ihm erzählt,

Daß er an Muth, an Größ und Kraft

Und in vollkommner Ritterschaft

Den Preis in allen Reichen trug:

Hiemit sei Lobs von ihm genug.

Ich weiß gar wohl, er konnte dort

Und konnt an jedem andern Ort

Zu Kampf und zum Gefechte

Nach Rittersbrauch und Rechte

Seinen Leib wohl zieren auf dem Plan;

Er hatt es oft genug gethan.

Nun nahm der gute König Mark

Die Noth sich um den Kampf so stark

Zu Herzen, daß ein schwaches Weib

Wohl nie so sehr den schönen Leib

Gehärmt hat um den lieben Mann.

Er sahs für unvermeidlich an,

Es brächte Tristan den Tod,

Und hätte gerne jene Noth

Noch ferner mit dem Zins gelitten,

Blieb' ihr Kampf nur ungestritten.

Nun gieng es Alles beßer doch

Mit diesem und mit jenem noch,

Mit dem Zins und mit dem Mann.

Der unversuchte Tristan

In so nothhaften Dingen,

Begann sich auch mit Ringen

Vor des Kampfs Gefahren

Aufs Beste zu verwahren.

Seinen Leib und Beine beide

Versah er mit dem Unterkleide;

Darüber legt' er schönes Werk,

Zwo Hosen, einen Halsberg:

Die waren beide licht und weiß,

Nachdem der Meister allen Fleiß

Mit seiner kunstgeübten Hand

Jahrelang auf sie gewandt.

Zwei edle Sporen schön und stark

Spannt' ihm dann sein Freund Herr Mark

Als sein getreuer Dienstmann

Mit weinendem Herzen an;

Die Waffenriemen er ihm band

Alle mit der eignen Hand.

Ein Waffenrock ward hingetragen,

Dem war, wie ich hörte sagen,

In den»Spelten« mit den »Drihen«,

An den Fugen Zier verliehen,

Und war an allen Enden

Von schönen Frauenhänden

Mit seltnem Preise bedacht

Und noch preislicher vollbracht.

Hei, als er den nun an sich nahm,

Wie lustig und wie wonnesam

Stand er unserm Helden!

Davon wär viel zu melden,

Nur daß ichs nicht noch längen will:

Der Rede würde gar zu viel,

Wenn ich es Alles wollte

Erschöpfen wie ich sollte.

Wißen sollt' ihr eins jedoch.

Der Mann stand seinem Kleide noch

Beßer als das Kleid dem Mann,

Das seine Zier von ihm gewann.

Wie gut sei, wie erlesen

Der Waffenrock gewesen,

Er war doch Seiner Würdigkeit,

Der nun die Zierde lieh dem Kleid,

Nur kaum und allzukaum noch werth.

Darüber schnallt' ihm Mark ein Schwert,

Das sein Herz und Leben war,

Durch das er diesmal der Gefahr

Entgieng und wohl noch oft hernach,

Und das so in der Schwebe lag

Und in so gefüger Maße

Sich hielt auf seiner Straße,

Daß es nicht auf noch nieder gieng

Und stäts in rechter Richte hieng.

Ein Helm ihm auch beschieden

war Recht wie ein Krystall so klar,

So lauter und so feste,

Der schönste und der beste,

Den ein Ritter je zu Häupten nahm.

Auch glaub ich, ein so guter kam

Nie gen Cornewal zuvor.

Darüber stand der Pfeil empor,

Der ihm weißagte Minne,

Was auch an seinem Sinne

Sich erfüllt hat allzu sehr,

Geschah es lange gleich nachher;

Den setzt' aufs Haupt ihm Marke da:

»Ach Neffe, daß ich je dich sah,

Das hab ich höchlich Gott zu klagen!

Ich will Allem widersagen,

Woran man seine Freude sieht,

Wenn mir an dir ein Leid geschieht.«

Nun ward ihm auch ein Schild gesandt,

An welchen sehr geschickte Hand

Gewendet hatte allen Fleiß.

Die ließ ihn eitel silberweiß,

Ihn überein zu bringen

Mit Helm und Panzerringen.

Sie hatt ihn aber poliert,

Und mit Lauterkeit geziert

Wie ein neues Spiegelglas.

Ein Eber drauf gebildet saß

Von Zobel schön und meisterlich

Und schwarz, daß er der Kohle glich.

Den hängt' ihm auch sein Oheim an:

Er stund dem kaiserlichen Mann

Und lag ihm an der Seiten

Nun und zu allen Zeiten,

Daß wie angeleimt er sah.

Als der werthe Jüngling da,

Der genehme kindsche Mann,

Tristan, noch den Schild gewann,

Da schienen die vier Dinge,

Helm und Panzerringe,

Hosen und Schilt einander an

So schön, und hätt ihr Werkmann

Sie alle vier dazu gemacht,

Daß eines jeden Schein und Pracht

Vom andern Schöne borgte,

Und mit Schöne dieß versorgte,

Dennoch wär der Schein der viere

Nicht lichter, gleicher als der ihre.

Doch nun das neue Wunderbild,

Das unter Ringen, Helm und Schild

Zu Schaden und zu Sorgen

Den Feinden war verborgen –

Hatte das nicht andre Kraft

Als all die seltne Meisterschaft,

Die ihm außen angebildet lag?

Ich weiß es klarer als den Tag,

Wie schön das Äußre mochte sein,

Doch war des innern Bildes Schein

Viel beßer erdichtet,

Gemeistert und gerichtet

Zu Ritterkraft und Stärke

Als all die äußern Werke.

Das Gebild inwendig drin

War in Erfindung und Sinn

Mit hoher Meisterschaft vollbracht.

Seines Werkmanns Kunst und Macht

Schienen groß und ungemein;

Seine Brust und Arm und Bein

Die waren herrlich und reich,

Wohl gebildet, herrengleich.

Und darüber stand das Eisen,

Man must es für ein Wunder preisen.

Sein Ross hielt ihm ein Knappe da;

In Spanienland, noch fern und nah,

Ward nie ein schöneres erzogen.

Man sah es nirgend eingebogen,

Sondern frei und offen

An der Brust und an den Goffen,

Stark von beiden Lenden,

Erwünscht an allen Enden.

An seinen Füßen und Beinen

Sah man Alles sich vereinen

Der Bildung, die sich Lob verspricht:

Die Füße grad, die Beine schlicht,

Und aufrecht alle viere

Wie einem wilden Thiere.

Auch war es anzuschaun mit Lust

Vom Sattel ab bis vor der Brust;

Da hielt es sich so grad und wohl

Als ein Ross nur immer soll.

Eine weiße Decke auf ihm lag,

Licht und lauter wie der Tag

Und den Harnischringen gleich.

Auch war sie lang und also reich,

Daß sie von oben niedergieng

Und dem Ross schier vor den Knieen hieng.

Nun Tristan zum Gefechte

Nach ritterlichem Rechte

Und wie gebräuchlich ist im Streit

Wohl und preislich war bereit,

Die da wohl konnten preisen

Und prüfen Mann und Eisen,

Die sahn es Alle dafür an,

Es hätten Eisen und Mann

Nie ein schöner Bild gewiesen.

Wie sehr das aber ward gepriesen,

Viel mehr die Augen doch ergetzte,

Als er sich jetzt zu Rosse setzte

Und den Sper zu Händen nahm:

Da war das Bild erst wonnesam,

Da schien der Ritter schön und reich,

Ob und unterm Sattel gleich.

Die Arme hatten Weite,

Die Schultern gute Breite;

In den Sattel wust er wohl

Wie man im Sattel sitzen soll

Sich zu setzen und zu fügen.

Neben des Rosses Bügen

Schwebten die Beine schön herab,

Strack und ebner als ein Stab.

Da stund das Ross, da stund der Mann

Eins sowohl dem Andern an,

Als wären sie so überein

Miteinander im Verein

Gewachsen und geboren.

Die Geberden waren auserkoren,

Stät und gleich zu allen Zeiten.

Die Tristan hatt im Reiten:

Doch wie schön auch von Gebahren

Tristans Geberden waren,

So war doch innerhalb sein Muth

So rein geartet und so gut,

Kühnern Muth und reinre Art

Hat nimmer wohl ein Helm bewahrt.

Nun war den Kämpen, den zween,

Eine Kampfstatt ausersehn,

Eine kleine Insel in dem Meer,

So nah dem Ufer und dem Heer,

Daß man da wohl Alles sah

Was auf der Insel geschah;

Und sollt ein Jeder das vermeiden,

Ausgenommen diese Beiden,

Daß er auf die Insel käme

Bis der Kampf ein Ende nähme.

Das ward auch so gehalten.

Ans Gestade ließ man schalten

Zwei Schifflein, enge wohl und klein;

So stark doch mochte jedes sein,

Daß es Ross und Mann in Waffen

Wohl hinüber konnte schaffen.

Nun, diese Schifflein hielten dort:

In eines stieg Morold sofort;

Das Ruder nahm er an die Hand

Und schiffte jenseits an das Land;

Und als er auf den Werder kam,

Des Schiffleins Kette gleich er nahm

Und band es fest an den Strand.

Dann schwang er sich zu Ross gewandt,

Und nahm in seine Hand den Sper;

Über den Werder hin und her

Sah man ihn schön punieren

Und reichlich loisieren;

Er warf die Puneiße

In dem ernstlichen Kreiße

So leicht und lustig an das Ziel,

Als gält es hier nur Scherz und Spiel.

Als Tristan auch zu Schiffe kam

Und das Seine zu sich nahm,

Seinen Sper und auch sein Ross,

Vorn stand er eh das Schifflein floß.

»Herr«, sprach er, »König Mark,

Seid mir nun nicht allzu stark

Besorgt um Leib und Leben:

Gott seis anheim gegeben.

Unsre Angst mag hier nicht frommen.

Es mag zu beßerm Ende kommen,

Als man wähnt, mir wird zu Theil.

Unser Sieg und unser Heil

Hängt nicht ab von Ritterschaft;

Sie steht bei Gottes Macht und Kraft.

So laßt denn alle Sorgen sein,

Denn ich mag gar wohl gedeihn.

Ich fahre guter Dinge

Zu diesem Streitberinge.

Seid fröhlich und gehabt euch wohl

Es ergeht doch was ergehen soll.

Doch wie mir auch gelinge,

Zu welchem End ichs bringe,

So befehlet Ihr doch heute

Euer Land und eure Leute

Dem, welchem ich vertraue:

Gott, der zu dieser Aue

Mit mir geht zum Gefechte,

Der bringe Recht zu Rechte.

Gott muß wahrlich mit mir siegen

Oder sieglos erliegen:

Der muß es walten, muß es pflegen.«

So bot er ihnen seinen Segen;

Sein Schifflein stieß er von dem Ort

Und fuhr in Gottes Namen fort.

Da ward sein Leib und sein Leben

Von manchem Munde Gott ergeben;

Ihm ward von mancher edeln Hand

Manch süßer Segen nachgesandt.

Und als er ans Gestade stieß,

Der Held sein Schifflein fließen ließ

Und schwang sich auf sein Ross gewandt.

Gleich ritt auch Morold an den Strand.

»Was soll das heißen, thu mir kund«,

Sprach Morold, »und aus welchem Grund

Hast du das Schifflein laßen gehn?«

Er sprach: »Das ist darum geschehn:

Hier ist ein Schiff und sind zwei Mann,

Und ist kein Zweifel auch daran,

Bleiben wir nicht beide hier,

Daß Einer doch, Ich oder Ihr,

Auf diesem Werder bald erliegt:

So hat der Andre dann, der siegt,

Wohl an dem einen Schiff genug,

Das dich zu diesem Werder trug.«

Morold sprach: »Ich höre wohl,

Daß es dabei verbleiben soll,

Der Kampf müße vor sich gehn.

Gedächtest du noch abzustehn

Und schieden wir in Minnen

Mit dem Geding von hinnen,

Daß der Zins von beiden Landen

Mir bliebe zugestanden,

Das deuchte mich dein Glück zu sein;

Denn fürwahr, es schafft mir Pein,

Wenn ich dich erschlagen soll.

Mir gefiel kein Ritter noch so wohl,

Den meine Augen je ersahn.«

Da sprach der kühne Tristan:

»Wir mögen nicht zur Sühne kommen,

Der Zins sei denn hinweggenommen.«

Der Andre sprach: »Auf meinen Eid,

Solcher Sühne bin ich unbereit.

Wir kommen nicht zu Minnen,

Der Zins muß mit mir hinnen.«

»So stellen wir«, sprach Tristan,

»Hier sehr unnütze Theidung an.

Da du so gar nicht Zweifel trägst,

Morold, daß du mich erschlägst,

So wehr dich, so du willst gedeihn;

Es kann hier schon nicht anders sein.«

Er warf das Ross im Bogen

Und kam zurückgeflogen

In richtiger Schlichte.

Herstob er in der Richte

Nach seines Herzens Begehr.

Mit herabgesenktem Sper,

Mit fliegenden Schenkeln,

Mit Sporen und mit Enkeln

Nahm er das Ross in die Seiten.

Da muste Jener auch wohl streiten,

Es gieng um das Leben nun.

Da that er wie sie Alle thun,

Die zu rechter Mannheit

Mit allen Sinnen sind bereit:

Er nahm auch eine Kehre

Nach seines Herzens Lehre,

Geschwind hindann, geschwind hinwieder,

Warf auf den Sper und zuckt' ihn nieder.

So kam er her gerühret

Wie den der Teufel führet.

Sie stürmten beide, Ross und Mann,

Im Fluge gegen Tristan an

Noch schneller als der Falke thut;

So gierig war auch Tristans Muth.

Gleich heiß war beider Verlangen,

Die gleichen Flugs zusammen drangen

Daß sie die Spere stachen,

Die in den Schilden brachen

Wohl zu Tausend Stücken.

Da musten sie zücken

Die Schwerter von den Seiten.

Es gab zu Ross ein Streiten,

Gott selber möcht es gerne sehn.

Nun hör ichs allwärts so verstehn,

Und so heißts auch in der Märe,

Daß dieß ein Zweikampf wäre,

Und Alle denken sich dabei,

Da wären nur der Kämpfer zwei.

Doch bin ich zum Beweis bereit,

Daß es ein offener Streit

Zweier ganzen Rotten war.

Nicht gelesen hab ichs zwar

Noch je an Tristans Märe;

Doch hört ob ichs bewähre.

Morold, wie uns der Wahrheit nach

Gemeldet ward seit manchem Tag,

Besaß vierfache Manneskraft:

Das zählt für vier Mann Ritterschaft.

So stand es diesseits mit dem Streite;

Wer stand nun auf der andern Seite?

Erstlich Gott, zum andern Recht,

Der dritte war der beiden Knecht

Und getreuer Dienstmann,

Der wohlgemuthe Tristan;

Das vierte war bereiter Muth,

Der Wunder stäts als Streiter thut:

Hier vier und drüben wieder vier,

Aus diesen bild ich dort und hier

Zwei ganze Rotten, sind acht Mann,

So übel ich auch rechnen kann.

Ihr hättets sonst für Lüge

Gehalten, ungefüge,

Daß auf zwei Rossen sich zwo Scharen

Zum Kampf entgegen möchten fahren;

Nun habt ihr es für wahr vernommen:

Zusammen waren hier gekommen

Unter Einem Helm auf jeder Seite

Vier Ritter zum Vierritterstreite.

Die kamen nun geritten,

Daß sie sich stark bestritten.

Zuerst fuhr Eine Ritterschaft,

Morold mit der Viermannskraft,

Tristanden wie ein Donner an.

Derselbe leidge Teufelsmann

Schlug auf ihn so kräftiglich,

Kraft und Sinne sicherlich

Hätt er mit Schlägen ihm benommen,

Wär der Schild ihm nicht zu Gut gekommen,

Darunter er mit Listen

Sich schirmen konnt und fristen.

Weder Helm noch Halsberg,

Noch ein ander Waffenwerk

Hätt es ihm jemals aufgetragen:

Durch die Ringe hätt er ihn erschlagen:

Er wollt ihm so viel Zeit nicht gönnen,

Daß er vor Schlägen aufsehn können.

So gieng er ihn mit Schlägen an

Bis ers ihm mit Schlägen abgewann,

Daß Tristan von der Schläge Noth

Den Schild zu ferne von sich bot

Und so hoch die Deckung trug,

Daß er ihm durch die Hüfte schlug

Solch einen häßlichen Schwang,

Der ihm hart ans Leben drang,

Daß sein Fleisch und Gebein

Durch Ring' und Hosen warf den Schein

Und das Blut aufblitzte

Und den Werder überspritzte.

»Wie nun? Willst du mirs eingestehn?

Du magst hieran wohl selber sehn,

Daß Niemand Unrecht führen soll;

Man sieht hieran dein Unrecht wohl.

Nun bedenke, willst du noch gedeihn,

In welcher Weis es möge sein.

Denn wahrlich, Tristan, diese Noth,

Sie ist dein endlicher Tod,

Ich müst es denn noch wenden;

Von Weibs- noch Manneshänden

Wirst du sonst nicht mehr gesund.

Du bist von einem Schwerte wund,

Das tödtlich und vergiftet ist.

Aller Ärzte Kunst und List

Heilt dich nicht von dieser Noth;

Nur meine Schwester kanns, Isot,

Die Königin von Irland.

Die kennt der Würzen allerhand

Und weiß aller Kräuter Kraft

Und viel ärztliche Meisterschaft;

Die weiß auch diese Kunst allein

Und Niemand anders, wer sie sei'n;

Todt bist du, wenn dich Die nicht heilt.

Willst du mir folgen unverweilt

Und den Zins nicht weigern fürderhin,

Meine Schwester soll, die Königin,

Mit eigner Hand dich heilen;

Und Ich will mit dir theilen

Gesellig Alles was ich habe,

Und weigre nie dir eine Gabe

Was auch dein Wunsch begehre.«

Tristan sprach: »Meine Ehre

Und mein Recht geb ich nicht auf,

Deiner Schwester nicht, noch dir zu Kauf.

Ich hab in meiner freien Hand

Hieher gebracht zwei freie Land'

Und bringe sie von hinnen

Oder ich muß gewinnen

Größern Schaden noch, den Tod.

Ich bin auch noch zu solcher Noth

Mit Einer Wunde nicht getrieben,

Daß dir der Sieg schon wär geblieben.

So leicht mag sich uns Beiden

Der Kampf hier nicht entscheiden.

Der Zins sei Dein Tod oder Meiner!

Das ist der Ausgang, anders keiner.«

Hiemit ritt er ihn wieder an.

Nun spricht vielleicht ein kluger Mann

(Ich muß die Rede für ihn thun):

»Gott und Recht, wo sind sie nun,

Tristans Kampfgefährten?

Daß sie ihm nicht Schutz gewährten,

Das muß mich Wunder nehmen.

Zeit wär es, daß sie kämen:

Ihre Rotte und ihr Orden

Ist gar schadhaft geworden.

Wenn sie nicht eilends kommen,

So kann es nicht mehr frommen;

Darum so kommt in Eil, denn hier

Reiten zweie gegen vier

Und streiten um das bloße Leben;

Das ist auch hingegeben

Schon dem Zweifel und dem Bangen.

Sollen sie noch Trost empfangen,

Wohlan, so sei es nur schnelle.«

Nun reiten Gott und Recht zur Stelle

Nach gerechtem Urtheile;

Ihrer Rotte zum Heile,

Ihren Feinden zum Falle.

Schon beginnen sie sich Alle

Gleichmäßig zu rottieren,

Vier entgegen vieren,

Und reiten Schar wider Schar.

Und Tristan als er gewahr

Wird seiner Kampfgesellen,

Fühlt Muth und Stärke schwellen:

Ihm brachte die Genoßenschaft

Neues Herz und frische Kraft.

Das Ross er mit den Sporen nahm,

So schnell er hergeschoßen kam,

Daß er nach ganzer Herzenslust

Anstoßend mit des Rosses Brust

So auf den Gegner schnellte,

Daß er zur Erd ihn fällte

Mit Ross und mit Allem;

Und als er von dem Fallen

Wieder auf die Füße kam

Und schon das Ross beim Zügel nahm,

Schlug Tristan, eh ers glaubte,

Ihm den Helm vom Haupte,

Daß er hinflog über all den Plan.

Da lief ihn Morold wieder an:

Durch die Couvertüre schlug

Er Tristans Rosse weg den Bug,

Daß es unter ihm darniederfiel.

Doch Er bedachte sich nicht viel.

Aus dem Sattel schwang er sich in Eil.

Morold der listige derweil

Den Schild zum Rücken kehrte

Wie ihn die Schlauheit lehrte,

Griff mit der Hand hernieder

Und nahm den Helm sich wieder.

Er hatt in seinen Listen

Gedacht sich so zu fristen:

Wenn er zu Rosse käme

Und den Helm zu Haupte nähme,

Auf Tristan ritt' er wieder an.

Als er nun den Helm gewann,

Nach dem Rosse lief er da

Und kam dem auch bereits so nah,

Daß er mit der Hand den Zügel

Ergriff und schon im Bügel

Mit einem Fuße stand, gottlob;

Wie er da die Hand zum Sattel hob,

Da hatt ihn Tristan erflogen

Und schlug ihm auf dem Sattelbogen

Das Schwert weg samt der rechten Hand,

Daß sie beide fielen auf den Sand

Mit den Ringen alle;

Und über diesem Falle

Gab er ihm wieder einen Schlag,

Der, wo des Helmes Kuppe lag,

So mächtig fuhr hernieder,

Daß er nur schartig wieder

Seine Waffe zog zurück,

Indem des Schwerts ein kleines Stück

In dem Hirnschädel blieb,

Das denn in Ängste später trieb

Tristanden und in große Noth:

Es bracht ihm nahezu den Tod.

Morold, das trostlose Heer,

Als er ohne Kraft und Wehr

Hingieng mit taumelndem Schritt

Und schon schier zu Boden glitt,

»Wie nun, wie nun«, sprach Tristan,

»Helf dir Gott, Morold, sag an,

Ist dir diese Märe kund?

Mich dünkt, du bist auch übel wund;

Nicht zum Besten scheints um dich zu stehn.

Was mit Meiner Wunde mag geschehn,

Dir wäre guter Würze Noth.

Was deine Schwester je, Isot,

Von Arzneikunst hat gelesen,

Das wird dir Noth, willst du genesen.

Der gerechte, wahre Gott,

Siehst du, duldet keinen Spott:

Er hat dein Unrecht wohl bedacht

Und Recht an mir zu Recht gebracht.

So mög er mein auch fürder pflegen:

Doch deine Hochfahrt ist erlegen.«

So trat er ihm erst beßer nah,

Er nahm das Schwert und gab es da

In seine beiden Hände:

Er schlug, das war das Ende,

Das Haupt ihm mit der Kuppen ab.

Dann gieng er an die Bucht hinab,

Wo er Morolds Schifflein fand,

Sprang hinein und fuhr zu Land

Ans Gestad und zu dem Heer.

Da vernahm er bei dem Meer

Große Freud und große Klage:

Freud und Klage wie ich sage:

Deren Glück an seinem Siege lag,

Denen war ein selger Tag,

Ein Heil erschienen sonder Ende:

Sie schlugen fröhlich in die Hände,

Lobten Gott aus vollem Mund,

Und thaten freudgen Dank ihm kund

Durch laute Siegeslieder.

Dem fremden Volk hinwieder,

Den leiden Gästen, die gesandt

Waren aus der Iren Land,

Hatte großes Leid getagt.

Von denen ward so viel geklagt

Als die andern sangen;

Wie sie die Hände rangen,

Sie verwanden nicht die Noth.

Die Betrübten auf den Tod,

Die bestürzten Irlandsmannen,

Da sie nun wollten dannen

Zu Schiffe gehn mit Spott und Schmach,

Da gieng Tristan ihnen nach

Und traf sie am Gestade noch:

»Ihr Herren«, sprach er, » eilet doch

Jenes Zinsrecht zu empfangen,

Das ihr auf dem Werder sehet prangen,

Und bringt es euerm Herren heim,

Und meldet ihm, mein Oheim

Von Cornwal und von Engelland

Schick ihm diesen Prisant

Und entbiet ihm dabei:

Wenn es sein Wille künftig sei,

Daß er geruhe noch einmal

Seine Boten her gen Cornewal

Nach solchem Zins zu senden,

Man läßt mit leeren Händen

Sie nicht nach Hause kehren,

Nein, mit gleich vollen Ehren

Senden wir sie von hinnen,

Wie schwer wirs auch gewinnen.«

Derweil er also sprach und stand,

Deckt' er mit dem Schildesrand

Weislich Blut und Wunde,

Daß Keinem ward die Kunde.

Das gerieth ihm noch hernach zum Glück,

Denn jene kehrten so zurück,

Daß sie sich dessen nicht versahn.

Jetzt bestiegen sie den Kahn

Und fuhren nach dem Werder fort,

Und fanden statt des Herren dort

Einen schwer verhaunen Mann:

Denselben brachten sie hindann.

Als sie zu Lande kamen,

Da giengen sie und nahmen

Den jammervollen Prisant,

Der da durch sie ward übersandt:

Ich meine die zerstückten Glieder.

Die legten sie zusammen wieder,

Daß sich keins davon verlor,

Und trugen sie dem Herren vor,

Und sagten ihm genau dabei

Was ihm durch sie entboten sei.

Da verseh ich mich nun wohl

Wes ich mich wohl versehen soll:

Dem König Gurmun Wohlgemuth

War da gar nicht wohl zu Muth.

Auch stand ihm all sein Leid wohl an:

Er verlor an diesem einen Mann

Herz und Muth, Trost und Kraft

Und manches Mannes Ritterschaft.

Das Rad, das sein Glück getragen,

Das Morold hoch emporgeschlagen

In den Nachbarlanden allen,

War in den Staub gefallen.

Seine Schwester auch, die Königin,

Beklagte diesen Ungewinn

Mit Jammer und mit großer Noth;

Und ihre Tochter mit, Isot.

Sie quälten sehr den schönen Leib,

Wie ihr wohl wißet, daß ein Weib

Gar bitterliche Klage führt,

Wenn ein Leid ihr Herz berührt.

Sie sahen diesen todten Mann

Nur um des Jammers Willen an,

Daß ihres Leides Bürde

Noch desto schwerer würde.

Das Haupt sie küssten und die Hand,

Die vordem manch fernes Land

Ihrer Herschaft unterwarf,

Wie ich nicht wiederholen darf.

Die seinem Haupte war geschlagen,

Die Wunde fanden sie mit Klagen

Und besahen sie genau;

Da fand die sinnreiche Frau,

Isot, die weise Königin,

Jene Scharte darin.

Ein kleines Zänglein ließ sie bringen:

Damit must es ihr gelingen,

Daß sie das Schärtlein gewann.

Sie und die Tochter sahens an

Mit Jammer und mit Leide:

Dann nahmen sie es beide

Und legten es in einen Schrein.

War dieses Stück auch noch so klein,

Doch schuf es Tristan große Noth.

Nun, Herr Morold ist todt.

Wenn ich nun lang erzählte,

Wie sich ein Jeder quälte

Und ihn beklagte, könnt es frommen?

Wir wären weiter nicht gekommen,

Wer möcht ihr Aller Leid beklagen?

Morold ward zu Grab getragen,

Begraben wie ein andrer Mann.

Gurmun hob zu trauern an

Und ließ gebieten allzuhand

Über alles Irenland,

Daß man Acht hätt an der See,

Was Lebendiges je

Dahin von Cornwal käme,

Daß man dem das Leben nähme,

Es wäre Weib oder Mann.

Dieß Gebot und dieser Bann

Ward so streng vollzogen,

Daß Niemand von den Wogen

Mehr nach Irland ward gebracht

Seis bei Tag oder Nacht

Aus cornewalischem Land,

Mocht er noch so reiches Pfand

Zur Lösung bieten oder geben,

Es gieng ihm eben nur ans Leben,

Bis mancher Mutter Kind damit

Unschuldig großen Schaden litt.

Das war doch Alles ohne Noth,

Denn Morold starb verdienten Tod:

Nur seiner Kraft hatt er getraut,

Auf Gottes Hülfe nicht gebaut,

Und sein Ding zu allen Zeiten,

In allen seinen Streiten

Auf Gewalt und Hochfahrt nur gestellt;

In diesen ward er auch gefällt.

Tristan und Isolde

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