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XI. Tantris.

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Nun nahm ichs auf, wo ich es ließ.

Als Tristan ans Gestade stieß

Ohne Ross und ohne Sper,

Da drangen tausend Rotten her

Zu Ross und auch zu Fuße:

Mit ihrem Jubelgruße

Empfiengen sie ihn freudenreich.

Der König und sein Königreich

Erlebten nie so lieben Tag

Wie man gern von ihnen glauben mag.

Viel Ehre war den Landen

Ja heut durch ihn erstanden;

Von großem lästerlichem Leid

Hatt Er sie allein befreit.

Die Wunde zwar, die er trug,

Die beklagten sie genug:

Sie gieng wohl ihnen Allen nah;

Doch weil ein Jeder sich versah,

Daß er von dieser Bürde

Gar bald genesen würde,

So schlugen sie es aus dem Sinn

Und führten ihn gerade hin

Zu des Königs Castell.

Sie entwaffneten ihn schnell

Und schufen ihm Gemach und Rast

So gut sie wünschen mocht ein Gast.

Nach Ärzten wurde gesandt,

Den allerbesten, die man fand

In Burg und Städten fern und nah.

Als die beisammen waren da,

Sie wandten allen Fleiß und Sinn

Und ärztliche Kunst auf ihn:

Was halfs, was war damit gethan?

Er war noch um nichts beßer dran.

Was sie von Heilkunst insgemein

Wusten und von Arzenein,

Das konnt ihm keine Hülfe schaffen,

Denn das Gift war so beschaffen,

Sie wustens von der leiden

Wunde nicht zu scheiden

Bis es den ganzen Leib einnahm,

Der eine Farbe bekam,

Bleich und fahl, daß ihn beinah

Nicht mehr erkannte, wer ihn sah.

Auch gieng nun von der Wunde gar

Ein Geruch, der so abscheulich war,

Daß ihm das Leben ward zur Last

Und der eigne Leib verhaßt.

Das war sein gröstes Ungemach,

Denn er beschwerte nach und nach,

Er must es selbst wohl gewahren,

Die Freunde, wenn sie bei ihm waren.

Nun verstand er mehr und mehr

Morolds Rede. Oft vorher

Hatt er wohl auch vernommen

Wie schön und wie vollkommen

Die Schwester Morolds wäre.

Es flog von ihr die Märe

Weithin durch alle Gauen.

Stäts hieß es von den Frauen:

Die weise Isot, die schöne Isot,

Die leuchtet wie das Morgenroth.

Hieran gedachte Tristan

Allzeit, der kummervolle Mann,

Und wuste wohl, sollt er genesen,

So möcht er andres nichts erlesen

Als ihre kunstbegabte Hand,

Die diese Kunst allein verstand,

Die sinnreiche Königin.

Doch wollt ihm noch nicht in den Sinn,

Wie die sein sollte pflegen.

Doch begann er zu erwägen,

Da der Tod ihm doch nicht fehle,

Daß er dann besser wähle,

Den Leib zu wagen auf den Tod

Als diese tödtliche Noth.

Da setzt' er sich es in den Sinn,

Er wolle wahrlich dahin,

Es ergeh ihm wie Gott wolle:

Er genese, wenn er solle.

Da berief er seinen Oheim

Und vertraut' ihm Alles insgeheim,

Wie der Freund dem Freunde thut,

Was er trug in seinem Muth,

Und was nach Morolds Märe

Er zu thun gesonnen wäre.

Dem gefiel es übel und auch wohl,

Da man in den Nöthen soll

Dem Schaden steuern wie man kann:

Von zweien Übeln wähle man

Was das kleinste Übel ist,

Das heißt wohl eine nütze List.

Die Zwei da kamen ganz allein

Aller Dinge wegen überein,

Wie es dann auch gehalten ward,

Wie er vollbrächte seine Fahrt;

Wie mans verschweigen sollte,

Daß er nach Irland wollte

Und ausstreun nah und ferne,

Er wäre gen Salerne

Der Heilung halb gefahren.

Als sie nun einig waren

Ward auch nach Curvenal gesandt

Der kam, sie sagten ihm zuhand

Ihren Willen allzumal.

Des freute sich da Curvenal;

Er sprach, er wolle mit ihm sein,

Mit ihm ersterben und gedeihn.

Als der Abend kam heran,

Zu ihrer Fahrt bestellte man

Eine Barke und ein Schifflein,

Und brachte Vorrath hinein

An Nahrung und an Speise,

Und an Bedarf zur Reise.

Da ward mit vielen Klagen

Tristan hineingetragen

So heimlich und so leise,

Daß von des Armen Reise

Niemand wust in aller Welt

Als Die man auch dahin bestellt.

Seinem Oheim befahl

Er da getreulich manchesmal

Sein Gesind und all sein Ding,

Daß seines Gutes nicht ein Ring

Von dem andern käme

Bis man von ihm vernähme

Unzweifelhafte Märe

Wie es ergangen wäre.

Seine Harfe ließ er kommen;

Die wurde mitgenommen

Und seiner Habe sonst nichts mehr.

Hiemit so stießen sie ins Meer

Und fuhren bald von dannen

Allein mit acht Mannen.

Die hatten ihm ihr Leben

Zur Bürgschaft gegeben

Und versichert mit Eiden,

Aus dem Willen der Beiden

Mit keinem Fuß zu treten.

Als sich die Segel blähten,

Marke sah Tristanden nach.

Seine Freud und sein Gemach

Waren beide wohl gering.

Zu Herzen und zu Beine gieng

Ihm dieses bittre Scheiden,

Obwohl es ihnen Beiden

Noch zu gutem Ende kam.

Als nun des Landes Volk vernahm,

Tristan sei gen Salerne

Gefahren, in der Ferne

Von seinem Übel zu genesen, –

Wär er ihr Aller Kind gewesen,

So hätte sie sein Leid nicht mehr

Betrüben mögen als nunmehr.

Sie wusten auch, sein böses Heil

Ward ihm in ihrem Dienst zu Theil:

So mehr bedauerten sie ihn.

Nun, Tristan fuhr noch rastlos hin,

Ja schier über seine Macht

So den Tag als die Nacht

Den geraden Weg gen Irland,

Wohin ihn seines Steurers Hand

Gar wohl geleiten konnte.

Als nun das Schiff begonnte

Dem Ziele sich zu nahen,

Daß sie das Land ersahen,

Den Steurer bat da Tristan,

Daß er auf die Hauptstadt an

Lenke, gegen Develin,

Wo die weise Königin

Isot, wie er wohl wuste,

Ihre Wohnung haben muste.

Des Endes wandt er da den Kiel,

Und kam so nahe bald dem Ziel,

Daß er sie deutlich vor sich sah.

»Seht, Herr!« sprach er zu Tristan da,

»Ich seh die Stadt: was rathet ihr?«

Da sprach Tristan: »So sollen wir

Hier ankern und verbleiben,

Den Abend hier vertreiben

Und auch ein Theil der Nacht hier sein.«

Da warfen sie den Anker ein

Und ruhten sich den Abend dort.

In der Nacht jedoch hieß er sie fort

Fahren, auf die Hauptstadt an.

Als auch das nun war gethan

Und sie so nahe kamen,

Daß sie den Standort nahmen

Kaum von der Stadt halbmeilenweit,

Da begehrte Tristan ein Kleid,

Das allerärmlichste Gewand,

Das sich in der Barke fand.

Das eilte Tristan umzuthun

Und ließ sich aus der Barke nun

In das Schifflein bringen ganz allein

Und ließ sich auch die Harfe drein

Und so viel Speise geben,

Daß er davon zu leben

Drei Tage hätte oder mehr.

Nun war nach seinem Begehr

Dieß geschehen allzumal.

Da berief er seinen Curvenal

Und die Schiffer all mit ihm,

Und sprach: »Freund Curvenal, nun nimm

Das Schiff und all das Volk in Hut;

Mir zu Lieb verpfleg es gut

Immerdar wie sich gebührt,

Und wenn euch Gott nach Hause führt

Sei ihnen solcher Lohn bereit,

Daß sie unsre Heimlichkeit

Getreulich mit uns tragen

Und Niemand hiervon sagen.

Kehrt nun ohne Säumen heim.

Grüße meinen Oheim

Und thu ihm kund, daß ich noch lebe:

Ich fänd auch wohl, so Gott es gebe,

Noch ferner Leben und Gedeihn:

Er soll' um mich nicht traurig sein.

Sag ihm auch, daß ich fürwahr

Heimkäme noch in diesem Jahr,

So ich Genesung fände:

Wenn mir das Heil erstände,

Das macht' ich ihm alsbald bekannt.

Dem Hofe sag und all dem Land,

Ich hätt auf unsrer Fahrt den Tod

Gefunden über dieser Noth.

Mein Gesind, das ich noch habe dort,

Laß nicht aus meinem Dienste fort:

Sieh, daß sie meiner warten

Bis sie die Zeit erharrten,

Von der ich früher sagte.

Doch wenn es Gott behagte,

Daß dieses Jahr verliefe

Und mein Heil noch immer schliefe,

So dürft ihr mein euch wohl begeben:

Befehlt den Geist dem ewgen Leben

Und sucht das eigne Wohl zu wahren.

Mit meinen Leuten magst du fahren

Heim gen Parmenîe wieder;

Da laß dich dann bei Rual nieder.

Meinem lieben Vater sag von mir,

Er solle deiner Treue dir

Durch seine Treue lohnen,

Dich bei ihm laßen wohnen

Und ehren, wie er ehren kann.

Sag auch dem getreuen Mann,

Einer Bitte noch zuletzt

Mög er mich gewähren jetzt:

Die bisher in meinem Dienst sich mühten,

Denen möcht er Müh und Zeit vergüten,

Einem Jeden wie es billig sei.

»Nun lieben Leute«, fügt' er bei,

»Hiemit will ich euch Gott ergeben;

Fahrt eures Wegs und laßt mich schweben.

Ich muß auf diesen Pfaden

Erharren Gottes Gnaden;

So habt auch ihr Zeit, daß ihr fahrt

Und Leib und Leben bewahrt:

Sieh, es nahet schier dem Tage.«

So zogen sie mit mancher Klage

Und mit großem Jammer hin;

Mit vielen Thränen ließ man ihn

Schweben auf der wilden See.

Ihnen that kein Scheiden je so weh.

Ein jeglicher getreue Mann,

Der je getreuen Freund gewann

Und weiß, wie man den meinen soll

In Treuen, der betrübt sich wohl

Über Curvenals Beschwerde.

Wie schwer ihm aber werde

Und wie betrübt sein Herz und Sinn,

So fuhr er doch des Weges hin.

Tristan verblieb alleine dort

Auf dem Meere schwebend fort und fort

In Jammer und in Sorgen

Bis an den lichten Morgen,

Wo endlich Die von Develin

Das steuerlose Schifflein ziehn

Sahn, ein Spiel der Wellen.

Sie sandten zwei Gesellen,

Daß sie das Schifflein fiengen.

Die Ausgesandten giengen

Und eilten ihm zu nahen,

Obwohl sie Niemand sahen,

Doch hörten sie von drüben her

Süß, nach Wunsch und Begehr,

Eine süße Harfe klingen

Und zu der Harfe singen

Einen Mann so süß und hold

Als ob er sie begrüßen wollt:

Ein freundlich Abenteuer!

Sie saßen still am Steuer,

Dieweil er ihnen harft und sang.

Die Lust zwar währte schwerlich lang,

Die erst sein Sang und Klang verhieß,

Denn was er sie da hören ließ

Mit Händen oder Munde,

Das gieng ihm nicht vom Grunde:

Denn sein Herz war nicht das dritte.

Es ist bei diesem Spiel nicht Sitte,

Daß es Einer lange thu,

Es steh ihm denn das Herz dazu.

Und spielt auch Einer noch so viel,

So heißt es doch kein rechtes Spiel,

Das man so außen hin nur thut

Ohne Herz und ohne Muth.

Die Jugend wars wohl dieses Mal,

Die Tristanden befahl,

Mit Mund und mit Händen

Die Töne zu verschwenden;

Dem Märtrer könnts in seiner Pein,

Sonst nur Pein und Marter sein.

Sobald er ab mit Spielen ließ,

Der andre Kahn ihm näher stieß:

Sie legten an sein Schifflein bei,

Neugierig spähend, wer es sei.

Betroffen nahmen sie es wahr,

Wie fahl und bleich der Sänger war

Und wie armselig sein Kleid.

Sie trugen Leid mit seinem Leid,

Da er doch mit Mund und Hand

Die Kunst der Töne verstand,

Und grüßten ihn, als einen Mann,

Der guten Gruß verdienen kann,

Mit Mund und mit Händen,

Und baten den Elenden,

Daß er ihnen Märe

Sagte, Wer er wäre.

»Das sag ich euch«, sprach Tristan:

»Ich war ein höfscher Spielmann,

Und konnte wohl zu meiner Zeit

Kunst genug und Höfischkeit:

Sprechen und Schweigen,

Leiern und Geigen,

Harfen und Rotten,

Scherzen und Spotten,

Das Alles konnt ich also wohl

Als solchen Volkes Einer soll.

Damit gewann ich so genug,

Daß ich über die Schnüre schlug

Und mehr gewinnen wollte

Als ich besitzen sollte.

Ich wollt ein Kaufmann sein: der Rath

Ists, der mich verrathen hat.

Einen Kaufmann hatt ich mir gesellt,

Reich genug an Gut und Geld:

Wir Zwei beluden einen Kiel

Mit Allem, was uns wohlgefiel,

Und fuhren von Hispanien

Meerüber gen Britanien.

Uns begegnet' aber auf dem Meer

In einem Schiff ein Räuberheer:

Das nahm uns Alles, groß und klein,

Und erschlug den Kaufgefährten mein,

Und Alles was lebendig war.

Nur mich verschonten sie, obzwar

An dieser Wunde fährlich krank:

Das sag ich dieser Harfe Dank,

Denn die gab ihnen Bericht

(Ich selber auch verhehlt' es nicht),

Ich sei ein Spielmann eigentlich.

Mit großer Noth erbettelt' ich

Von ihnen dieses Schifflein

Und so viel Speise darein,

Daß ich bis heute mochte leben.

So must ich auf dem Meere schweben

Mit Marter und mit großer Plage

Wohl vierzig Nächt und vierzig Tage,

Wohin die Winde mich schlugen

Und die wilden Wellen trugen,

Jetzo her und jetzo hin,

Und kann nicht wißen, wo ich bin,

Noch weniger, wohin ich soll.

Nun thut, ihr Herr, an mir so wohl,

Gott im Himmel wird es lohnen,

Und helft mir hin, wo Leute wohnen.«

»Geselle«, sprachen da die Boten,

» Deiner süßen Stimm und deiner Noten

Sollst du bei uns genießen,

Auf dem Meer nicht länger fließen

Ohne Trost und ohne Rath.

Was dich auch hergewiesen hat,

Gott oder Waßer oder Wind,

Wir bringen dich, wo Leute sind.«

Das thaten sie: sie führten ihn

Und den Kahn auch mit sich hin

Der Stadt zu, wie er sichs erbat,

Banden das Schifflein ans Gestad

Und sprachen zu ihm: »Sieh, Spielmann,

Nimm wahr und sieh die Burg dir an

Und diese schöne Stadt dabei.

Weist du, welche Stadt es sei?«

»Nein, Herr, ich weiß nicht was es ist.«

»So sagen wir dir denn, du bist

Zu Develin in Irland.«

»Des lob ich meinen Heiland,

Daß ich doch unter Leuten bin.

Denn Jemand find ich wohl darin,

Der ein gutes Werk an mir begeht

Und mir als Arzt zur Seite steht.«

Die Boten fuhren nun dahin

Und huben an in Develin

Von dieses Spielmanns Sachen

Das Wunder groß zu machen.

Sie sagten, ihnen wäre

Gar seltsame Märe

Widerfahren an dem Mann;

Nach seinem Aussehn möge man

Sich nimmer Des zu ihm versehn.

Sie hätten, und so wars geschehn,

Schon eh sie hingekommen,

Aus der Ferne vernommen

Also süßen Harfenklang

Und zu der Harfe solchen Klang,

Gott möcht ihn gerne hören

In seinen Himmelschören;

Und sagten: »In dem Schifflein saß

Ein armer Märtrer leichenblaß,

Ein todwunder Spielmann:

Geht hin, ihr seht es ihm wohl an,

Er stirbt morgen oder heute noch,

Und in der Marter hat er doch

Sich so frischen Muth bewahrt,

Wenn ihr durch alle Reiche fahrt,

Ihr findet doch wohl nicht den zweiten,

Der so viel Widerwärtigkeiten

Erträgt mit so gelaßnem Sinn.«

Nun, die Bürger eilten hin

Und trieben mit Tristanden viel

Gespräches, wie es eben fiel,

Und fragten ihn die Kreuz und Quer:

Und wie die Boten vorher

Und mit denselben Reden

Beschied er einen Jeden.

Auf ihre Bitte harft' er ihnen,

Und fliß sich Jeglichem zu dienen

Und zu thun, was man ihn hieß;

Mit gutem Willen that er dieß,

Und wie ers mocht erzielen

Mit Singen oder Spielen,

Ihre Gunst sich zu gewinnen,

Das war sein Trachten und sein Sinnen.

Und als der arme Spielmann

Über seine Kraft begann

In sein Harfen und sein Singen

Süßigkeit zu bringen,

Da must er sie erbarmen.

Da ließen sie den Armen

Aus seinem Schifflein tragen

Und einem Arzte sagen,

Daß er ihn zu sich nähme

Und was ihm wohlbekäme,

Damit sollt' er ihn letzen:

Sie wollten ihm ersetzen

Die Kosten, und die Müh bezahlen.

Nun dieß geschah auch allzumalen;

Doch als er ihn heimbrachte

Und da zu heilen dachte

Und Alles auf ihn wandte

Was er nur wust und kannte,

Da wollt es all nicht frommen.

Diese Kunde ward vernommen

In der ganzen Stadt zu Develin;

Man sah sie scharenweise ziehn

Und sein Ungemach beklagen.

Nun geschahs in diesen Tagen,

Daß ein Pfaffe zu ihm kam

Und seine große Kunst vernahm

Im Spielen und im Singen;

Er selbst war in den Dingen

Nicht so ohne Meisterschaft:

Denn er versuchte seine Kraft

An jeglichem Saitenspiel

Und konnt auch fremder Sprachen viel.

An Kunst und höfischem Fug

Hatt er seiner Zeit genug

Verwandt und allen feinen Sinn.

Er war Isold, der Königin,

Meister und ihr Ingesind

Und hatte sie schon früh als Kind

Gewitzigt nach Begehren

In allen guten Lehren,

Und manche fremde Wißenschaft

Hatt ihr sein Unterricht verschafft.

Auch lehrt' er ihre holde

Tochter Isolde,

Die erwünschteste Magd,

Von der die Welt viel Wunder sagt

Und von der auch diese Mären sind.

Sie war ihr einziges Kind:

Drum hatte sie von Anbeginn

Auf sie verwendet Fleiß und Sinn,

Daß sie mit Hand und Munde

Erlerne gute Kunde;

Die hatt er auch in seiner Pflege

Und gab ihr Unterricht allwege

In Büchern und im Saitenspiel.

Als der an Tristan so viel Fug

und höfsche Kunst ersah,

Sein Ungemach erbarmt' ihn da

Von ganzem Herzen inniglich.

Da säumt' er auch nicht länger sich,

Er gieng die Königin an

Und sagt' ihr, wie ein Spielmann

Bei einem Arzt verkehre,

Der recht ein Märtrer wäre

Und lebendgen Leibes todt

Und doch so heiter in der Noth

Und in allen Künsten auserkoren

Wie je ein Mann vom Weib geboren.

»Doch«, sprach er, »edle Königin,

Brächt ichs mit Bitten doch dahin,

Daß wir darauf gedächten,

Wie wir dahin ihn brächten,

Wohin ihr schicklich kämet

Und das Wunder vernähmet,

Daß ein sterbender Mann

Noch so lieblich spielen kann

Und süße Lieder singen,

Und nichts doch will gelingen

Was man zu seinem Heil ersinnt,

Denn er ist des Todes Kind.

Der Arzt, in dessen Haus er lag

Und der sein pflag bis diesen Tag,

Der hat ihn aufgegeben,

Denn er fristet ihm das Leben

Nicht mit allem Fleiß und Sinn.«

»Sieh«, sprach die weise Königin,

»Ich will den Kämmerlingen sagen

(Kann er anders es vertragen,

Wenn Hände ihn berühren

Und von der Stelle führen),

Daß man ihn zu uns bringe,

Ob bei dem Stand der Dinge

Vielleicht noch Hülfe fromme,

Daß er zu Kräften komme.«

Dieß ward gethan und dieß geschah.

Als da die Königin ersah,

Wie es um sein Übel stand,

Und der Wunde Farbe hatt erkannt,

Da sah sie wohl das Gift daran.

»Ach, armer Spielmann«, hub sie an.

»Von Gifte bist du also wund.«

»Ich weiß nicht«, sprach des Kranken Mund:

»Ich kann nicht wißen, was es sei;

Doch da mir alle Arzenei

Nicht helfen mag, daß ich entrinne,

So weiß ich nicht was ich beginne

Als daß ich mich Gott ergebe

Und so lang ich möge, lebe.

Wer aber Gnad an mir begeht,

Da es so ängstlich um mich steht,

Dem lohne Gott. Hülf ist mir Noth:

Ich bin lebendgen Leibes todt.«

Die Weise sprach ihm wieder zu:

»Sag an, Spielmann, wie heißest du?«

»Frau, ich heiße Tantris.«

»Tantris, so wiße für gewiss,

Daß meine Hand dich heilen soll.

Sei fröhlich und gehab dich wohl,

Ich selbst bin deine Ärztin.«

»Dank dir, süße Königin:

Deine Zunge grüne immer,

Dein Herz ersterbe nimmer,

Deine Weisheit möge ewig leben,

Den Hülflosen Hülfe geben;

Dein Name mög auf Erden

Allzeit gefeiert werden.«

»Tantris«, sprach zu ihm Isot,

»Wärs dir möglich in der Noth,

Da du so sehr entkräftet bist,

Wie kein Wunder an dir ist,

So hört ich gerne Harfenspiel;

Des kannst du, hör ich sagen, viel.«

»Nein, Herrin, sprechet also nicht:

Wie sehr mir auch die Kraft gebricht,

Doch thu und kann ich Alles wohl,

Womit ich euch gefallen soll.«

Nach seiner Harfe ward gesandt,

Auch besandte man zuhand

Die junge Königin Isot,

Der Minne Siegel frisch und roth,

Mit dem seitdem versiegelt

Sein Herz ward und verriegelt

Vor der Welt insgemein,

Nur vor ihr nicht ganz allein.

Als die Königin gekommen war,

Da nahm sie fleißiglich wahr

Wie Tristan saß am Harfenspiel.

Da harft' er auch noch beßer viel

Als er je zuvor gethan,

Denn ihm verhieß ein lieber Wahn

Seines Unheils baldges Ende.

Er sang und harfte so behende,

Nicht wie ein lebloser Mann.

Er fieng es lebenskräftig an

Und wie der Wohlgemuthe thut,

Und macht' es vor den Zwein so gut

Mit Händen und mit Munde,

Daß er in kurzer Stunde

Ihre Huld so völliglich gewann,

Daß ihm ward, worauf er sann.

Doch, wurden sie des Spieles froh

Hier sowohl als anderswo,

So blieb die leidge Wunde doch,

Die so unerträglich roch,

Daß vor der Widerwärtigkeit

Niemand aushielt lange Zeit.

Wieder sprach die Königin:

»Tantris, kommt es erst dahin,

Daß es also mit dir steht,

Daß der Geruch an dir vergeht,

Und Jemand bei dir bleiben kann,

So befehl ich dir an

Isolden hier, die junge Maid.

Sie hat viel Müh verwandt und Zeit

Auf Bücher und auf Saitenspiel,

Und kann von beiden ziemlich viel.

Gemäß der Zeit und kurzen Frist

Die sie dabei gewesen ist:

Hast du nun größre Meisterschaft

In Kunst oder Wißenschaft

Als ihr Meister oder ich,

Die lehre sie, so freust du mich.

Dafür will ich dir Leben

Und Leib zu Lohne geben,

Daß sie gesund und blühend sei'n:

Das kann ich geben und verleihn,

Beides steht in meiner Hand.«

»Ja, ist es also bewandt«,

Sprach der sieche Spielmann,

»Daß ich mich also fristen kann,

Und durch mein Spiel genesen soll,

Ob Gott will, so genes ich wohl.

Herrin, selge Königin,

Wenn euch also der Sinn

Steht, wie ihr mir habt gesagt,

Und eurer Tochter, der Magd,

So getrau ich wohl noch zu genesen.

Der Bücher hab ich gelesen

In solcher Maß und also viel,

Daß ich mir getrauen will,

Ich dien euch wohl zu Dank an ihr.

Dazu so weiß ich auch an mir,

Daß meines Alters kaum ein Mann

Mehr edler Saitenspiele kann.

Was sonst noch euer Wunsch geruht,

So wie ihr mirs zu wißen thut

Ist es alsobald gethan,

Mich hindre denn die Unmacht dran.«

Da beschied man ihm ein Kämmerlein

Und schuf ihm alle Tage drein

All das Gemach und all die Pflege,

Die er nur wünschen mocht allwege.

Nun sah er erst sich kommen

Zu Statten und zu Frommen

Die Klugheit, die er nach dem Streite

Bewies, als er den Schild zur Seite

Hieng und barg die Wunde,

Daß sie nicht erkunde

Das Volk der Iren allzumal,

Bevor es schied von Cornewal:

So konnten sie daheim mit Nichten,

Daß er verwundet ward, berichten.

Denn hätte man zu jener Zeit

Erfahren, wie er schied vom Streit,

So wohl als Allen war bekannt

Wie es um die Wunden stand,

Die Morold mit dem Schwerte schlug,

Das er in allen Nöthen trug,

Es wär Tristanden nimmer ja

So wohl geschehn als ihm geschah

Nun half ihm zu genesen,

Daß er so klug gewesen.

Erkenne Jeder nun hieran,

Wie seine Sachen oft ein Mann

Mit gutem Vorbedenken

Zu gutem Ziel mag lenken,

Ist ihm zu rechter Stunde

Die Fürsicht nur im Bunde.

Isot, die weise Königin,

Wandte allen Fleiß und Sinn

Und alle Wißenschaft darauf,

Daß sie dem Manne wieder auf

Helfe, wider dessen Leben

Sie doch gern ihr Leben geben

Möchte, ja die Ehre gar.

Sie must ihn stärker fürwahr

Haßen als sich selber minnen,

Und doch, was sie nur konnt ersinnen,

Sein Sterben zu verhindern

Und seine Qual zu lindern,

Darauf war sie bei Tag und Nacht

Allein beflißen und bedacht.

Das ist kein Wunder wie es scheint,

Denn sie erkannte nicht den Feind.

Doch konnte sie es wißen,

Für Wen sie war beflißen

Und Wem sie half aus Todesnoth,

Gäb es Ärgres als den Tod,

Sie hätt es ihm gegeben

Viel lieber als das Leben.

Nun wuste sie von ihm nur Gutes

Und war ihm gut und holdes Muthes.

Sagt' ich euch nun noch so viel

In langen Reden ohne Ziel

Von meiner Frauen Meisterschaft,

Und wie wunderbare Kraft

Zu des Siechen Gedeihen

Lag in ihren Arzeneien,

Das wär doch allzumal verloren.

Viel beßer klingt in edeln Ohren

Ein Wort, das schön zur Sache stimmt

Als das man aus der Büchse nimmt.

Sofern ich es vermeiden kann

Will ich mich hüten auch fortan,

Daß ich nicht Worte möge sagen

Die euern Ohren missbehagen

Und euern Herzen widerstehn.

Ich schweige, wills nicht anders gehn,

Lieber still von einer Sache,

Eh ich euch zuwider mache

Und unleidlich meine Märe

Mit Rede, die nicht höfisch wäre.

Von meiner Frauen Heilkunde

Und wie davon genas der Wunde

Will ich in der Kürze sagen:

Sie half ihm binnen zwanzig Tagen,

Daß man gerne bei ihm blieb

Und die Wunde Niemand vertrieb,

Kam er anders gern dahin.

So gieng die junge Königin

Nun stäts zu seinem Unterricht,

Und Fleiß und Zeit gereut' ihn nicht

Auf seine Schülerin zu wenden.

Die Fertigkeit in den Händen

Sowohl als schulgerechtes Spiel,

Was ich nicht schärfer sondern will,

Zeigt' er gern ihr allzumal,

Daß sie nach eigener Wahl

Daraus zur Lehre nähme

Was ihr zu Statten käme.

Isot. die schöne, war wohl klug,

Ihr war das Beste gut genug,

Was sie unter seinen Künsten fand:

Des unterwand sie sich zuhand

Und wandte Fleiß bei Allem an

Was sie in der Welt begann.

Auch mocht ihr wohl frommen

Was sie früher vernommen

Und von Künsten hatt erfahren

Und höfischem Gebahren.

Sie war geschickt mit Mund und Hand.

Das schöne Mägdlein verstand

Ihre Develiner Sprache fein,

Dazu Französisch und Latein;

Sie konnt in welscher Weise

Fiedeln laut und leise;

Mit den Fingern konnte

Isot, wenn sies begonnte,

Gar wohl die Leier rühren

Und auf der Harfe führen

Den Ton, daß er das Herz beschlich;

Auf und ab behendiglich

Ließ sie die Noten gleiten;

Auch sang sie in die Saiten

Gar wohl aus süßem Munde.

Jedoch zu all der Kunde

Mocht ihr noch sehr zum Frommen

Des Spielmanns Lehre kommen,

Ihr Kunst und Wißen mehren.

Unter allen diesen Lehren

Hielt er sie zu Einer an,

Die man Moral benennen kann:

Sie lehrt uns schöne Sitten.

Sich der zu fleißen bitten

Soll man die Jungfraun allzumal.

Die süßen Lehren der Moral

Sind so selig und rein,

Daß sie mit Gott so viel gemein

Haben als mit dieser Welt.

Wer der Moral Gebote hält

Mag der Welt und Gott gefallen.

Sie ist den edeln Herzen allen

Zu einer Amme gegeben,

Daß sie Nahrung und Leben

Schöpfen aus ihrer Lehre,

Denn sie haben Gut noch Ehre,

Wenn sie Moral nicht unterweist.

Der Lehre fliß sich zumeist

Isot die junge Königin:

Damit schulte sie den Sinn

Und die Gedanken immerdar,

Bis sie gar wohl gesittet war,

Rein ihr Herz und schön ihr Muth

Und ihr Gebahren süß und gut.

So kam die junge süße Maid

Zu solcher Vollkommenheit

In Wißen und Betragen

In des halben Jahres Tagen,

Daß von ihrer Seligkeit

Das Land erfüllt war weit und breit,

Und ihr Vater daran

Sich höchlich zu erfreun begann;

Auch die Mutter freut' es inniglich.

Nun fügt' es unterweilen sich,

Wenn ihr Vater fröhlich war,

Oder fremder Ritter Schar

Zu Hofe vor dem König saß,

Daß Isot in den Pallas

Vor ihrem Vater ward gesandt.

Was da der Schönen war bekannt

Von schöner Kunst und Höfischkeit,

Damit kürzte sie die Zeit

Ihm und dem ganzen Kreiß der Leute:

Denn womit sie ihren Vater freute,

Des freuten sie sich all zugleich.

Hoch und Nieder, Arm und Reich

Hatten an ihr beide

Eine selge Augenweide,

Der Ohren wie der Herzen Lust:

Außer- und innerhalb der Brust

War ihre Lust Isolde.

Die reine, die holde,

Sie schrieb und las, sie sang und spielte:

Der Andern Freude nur erzielte

Sie mit den Melodieen.

Sie fiedelt' ihre Stampenieen,

Ihre Leich' und fremden Nötelein,

Die nicht fremder konnten sein,

In französischer Weise

Sanz und St. Denis zu Preise;

Der Leiche wuste sie gar viel.

Ihr Leier- und ihr Harfenspiel

Schlug sie zu beiden Seiten hin

Mit den Händen blank wie Hermelin,

Daß alle Welt sie priese:

In Lut und in Thamise

Schlugen Frauenhände nie

Die Saiten süßer als sie.

La duze Isot la bele

Sang ihre Pastorele,

Ihr Rotruwansch, Rundate,

Schanzun, Refloit, Folate

Wohl und wohl und allzu wohl,

Denn viel der Herzen wurden voll

Mit sehnlichem Trachten:

Viel Trachten ward und Schmachten

Von ihrem Spiel hervorgebracht,

Und Gedanken wunderviel gedacht,

Wie ihr wohl wißet, daß geschieht,

Wo man ein solches Wunder sieht

Von Schönheit und von Höfischkeit

Wie an Isold der schönen Maid.

Wen soll ich ihr vergleichen,

Der schönen, wonnereichen,

Als der Sirenen eine,

Die mit dem Wundersteine

Die Kiele ziehen zu sich?

So zog Isolde, dünket mich,

Viel Herzen und Gedanken an,

Die sich sicher schon, o Wahn!

Deuchten gegen Liebesschlingen.

Auch sind wohl in Vergleich zu bringen

Kiel' ohne Anker auf der Flut,

Und der Männer loser Muth.

Selten wißen die Beiden

Sich des Wegs zu bescheiden,

Schweben so oft auf fremdem Meer:

Die Woge wirft sie hin und her

Mit Wanken und mit Schwanken.

Der Männer irrende Gedanken,

Sie möchten minnen ohne Ziel,

Wie ein ankerloser Kiel

Reist ohne Ziel der Reise.

Isot, die höfsche, weise,

Die junge süße Königin,

Zog also die Gedanken hin

Aus manches Herzens Schiffe,

Wie der Magnet zum Riffe

Die Barke bei Syrenensang.

Ihr Singen in die Herzen drang

Laut und offen durch das Ohr

Und heimlich durch der Augen Thor.

Jener offene Gesang,

Mit dem sie allerwärts bezwang,

Das war ihr süßes Singen,

Ihr sanftes Saitenklingen,

Das laut zu offnen Thoren

Durchs Königreich der Ohren

Nieder in die Herzen klang;

So war der heimliche Gesang

Ihre wunderbare Schöne,

Die mit bethörendem Getöne

Heimlich und verborgen sich

Durch der Augen Fenster schlich

In manches edeln Herzens Schrein

Und stellt' ihr Zaubernetz hinein,

Das die Gedanken zuhand

Fieng und mit Stricken band

Des Sehnens und sehnlicher Noth.

So ward die schöne Magd Isot

Seit sie in Tristans Lehre war

Gefördert in dem halben Jahr:

Rein und schön war nun ihr Muth

Und ihr Gebahren süß und gut.

Sie konnte fertig schönes Spiel,

Sie konnte Fertigkeiten viel,

Briefe und Schanzonen dichten,

Die Gedichte sauber schlichten,

Sie konnte schreiben und lesen.

Nun war auch Tristan genesen

Seines Übels ganz und gar,

Daß seine Farbe wieder klar

Und lauter ward sein Angesicht.

Da ließ von ihm die Sorge nicht,

Daß Einer aus dem Heere

Erkennte wer er wäre;

Und lag ihm stäts im Sinne,

Wie er es nun beginne,

Daß er Urlaub nähme

Und aus den Sorgen käme.

Er dachte, würden sie es innen,

Ihm möchten beide Königinnen

Schwerlich jemals Urlaub geben,

Und wuste also, daß sein Leben

Stäts in der Ungewissheit Noth

Bangen müße vor dem Tod.

Da gieng er zu der Königin

Und begann der Rede Sinn

So schön zu zieren dorten

Als stäts vorher mit Worten.

Er kniete vor sie hin und sprach:

»Frau, die Hülf und das Gemach,

Die eure Gnade mir erwies,

Die laß euch Gott im Paradies

Zu Statten kommen immerdar.

Ihr habt so seliglich fürwahr

An mir gehandelt und so wohl,

Daß es Gott euch immer lohnen soll

Und ichs euch stäts gedenken will

Bis an meines Lebens Ziel,

Wo und wie ich armer Mann

Nur eure Ehre fördern kann.

Mag es, selge Köngin, rein

Nun mit euern Hulden sein

So kehr ich heim zu meinem Land,

Denn so ists um mich bewandt,

Daß ich nicht länger bleiben kann.«

Da lachte ihn die Herrin an:

»Wie dein Mund auch schmeichelnd spricht«,

Sprach sie, » Urlaub wird dir nicht.

Du kommst von hinnen fürwahr

Nicht ehe sich erfüllt das Jahr.«

»Nein!« sprach er, »edle Königin,

Seht gnädig an in euerm Sinn,

Wie es um Gottes Ehe

Und Herzensliebe stehe!

Daheim hab ich ein ehlich Weib,

Die minn ich wie den eignen Leib,

Und weiß, daß sie gewisslich glaubt

Und kaum zu zweifeln sich erlaubt,

Ich sei gestorben längst und todt;

Das schafft mir Angst und große Noth:

Denn wird sie anderm Mann gegeben,

So ist mein Trost und mein Leben

Und all die Freude dahin,

Nach der sich sehnt mein Herz und Sinn,

Und werd ich nimmer wieder froh.«

»In Treuen«, sprach sie, » steht es so,

Tantris, das ist ehhafte Noth:

Es soll nach Gottes Gebot

Solche Liebe Niemand scheiden.

So gnade Gott euch Beiden,

Deinem Weibe denn und dir.

Gar ungern laß ich zwar von dir,

Doch will ich dein um Gott entbehren.

Ich muß dir Urlaub gewähren

Und bleibe dir geneigt und hold.

Ich und die junge Isold

Wir geben dir zur Reise

Und zu deines Leibes Speise

Zwei Mark von rothem Golde:

Die nimm dir von Isolde.«

Da dankt' er für die Spende

Und faltete die Hände

(Des Leibes und der Sinnen)

Den beiden Königinnen,

Der Mutter und der jungen Magd.

»Euch Beiden«, sprach er, »sei gesagt

Ehr und Dank von Gott und mir.«

Da säumt' er auch nicht länger hier:

Er fuhr alsbald gen Engelland

Und von England allzuhand

Wandt er sich gen Cornwal heim.

Als Marke nun, sein Oheim,

Und all das Volk im Land vernahm,

Daß er genesen wiederkam,

Sie wurden alle zumal,

So weit der König befahl,

Von Herzen froh und freudenreich.

Sein Freund der König fragt' ihn gleich

Wie es ihm ergangen wäre;

Da sagt' er ihm die Märe

Aus dem beredtem Munde

Von Oben bis zu Grunde.

Des nahm sie Wunder Alle

Und begannen in der Halle

Zu scherzen und zu lachen

Und ein großes Fest zu machen,

Aus seiner Fahrt nach Irland,

Und wie ihn seiner Feindin Hand

Gesund müßen machen

Und von allen Sachen,

Die ihm begegnet waren.

Sie hätten nie erfahren

So ergetzliche Geschichte.

Nach diesem Berichte,

Da seine Heilung, seine Reise

Sattsam belacht war in dem Kreise,

Da waren sie zu wißen

Auch von Isot beflißen.

Er sprach: »Isot ist eine Magd,

Was alle Welt von Schönheit sagt

Ist gegen sie nur eitel Wind.

Isot, die lichte, ist ein Kind

So schön von Leib und von Geberden,

Kein Maid noch Knabe wird je werden

So lieblich und so auserkoren,

Und ward auch nimmer noch geboren;

Die lichte, lautere Isold

Ist lauter wie arabisch Gold.

Wenn ich zu wähnen mich vermaß,

Weil ich es in den Büchern las,

Die ihr zu Lob geschrieben sind,

Aurorens Tochter und ihr Kind,

Tyndarides, die hehre,

An ihr alleine wäre

Die Schönheit aller Frauen

In einem Kranz zu schauen,

Von dem Wahn bin ich gekommen:

Isot hat mir den Wahn benommen.

Ich muß ab von dem Glauben stehn,

Die Sonne komme von Mycen:

Der Schönheit Füll ertagte nie

In Griechenland, sie tagte hie.

Aller Männer Sinnen sollen

Nur nach Irland schauen wollen:

Da finden Augen Wonne,

Sehn sie die neue Sonne

Nach ihrem Morgenrothe,

Isote nach Isote

Sich von Develin erheben

Und allen Herzen Freude geben.

Die lichte, wonnereiche,

Erleuchtet alle Reiche.

Was sie da Lob von Frauen sagen,

Von Frauen sich mit Mären tragen,

Gilt Alles vor Isolden nicht.

Wer Isolden schaut ins Angesicht,

Der fühlt geläutert Herz und Muth

Wie die Glut dem Golde thut:

Ihm wird erst werth das Leben.

Beschämt wird Keine neben

Isolden und vernichtet,

Wie Mancher falsch berichtet:

Ihre Schöne verschönt,

Mit ihren Tugenden krönt

Sie den Namen aller Frauen;

Man soll nicht neidisch nach ihr schauen.

Tristan und Isolde

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