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3.1 Sigmund Freud (1856–1939)

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Freud steht für die älteste und damit längste Tradition der modernen professionellen Beschäftigung mit Träumen.12 Er blickte als Arzt auf den Traum und nahm ihn vorwiegend in seinen Bezügen zur seelischen Krankheit wahr. Das Verständnis der Träume ist bei Freud Teil des von ihm entwickelten Gesamtkonzeptes der Psychoanalyse. In diesem Gesamtrahmen stellte er die Entstehung, Funktion und Bedeutung von Träumen auf eine theoretische Grundlage.

Freud war der Ansicht, dass der Ursprung der Träume die halluzinatorische Erfüllung unbewusster sexueller Wünsche wäre. Der Traum würde dafür Symbole verwenden, die den Träumenden die ganze Unerfreulichkeit all ihrer primitiven sexuellen und aggressiven Triebe verbergen wollten. Um die Träumenden vor der Dynamik der verbotenen andrängenden sexuellen Triebe zu schützen, fungiert, Freud zufolge, der Traum, der im Vorbewussten zwischen den triebhaften Teilen des Unbewussten und dem Bewusstsein liegt, als „Hüter des Schlafes“. So bietet der Traum die von Scham besetzten Wünsche nur verschlüsselt dar. Dabei kommt es im Traum zu Symbolbildung, Dramatisierung, Verschiebung (eine Person in der Realität kann durch eine andere ersetzt werden), Verdichtung (zwei getrennte Situationen/Personen können durch eine einzige repräsentiert werden), Umkehrung (ein Mann kann z. B. durch eine Frau dargestellt werden oder umgekehrt) und zur Umwertung von psychischen Werten. Ein Symbol kann also für etwas ganz anderes, ja sogar Gegenteiliges stehen und so den Träumer täuschen. Vor diesem Hintergrund unterscheidet Freud zwischen dem manifesten, also offenkundigen, und dem latenten, also verborgenen Trauminhalt, wobei für ihn der latente Trauminhalt das eigentliche Traumthema enthält, das jedoch unbewusst bleibt. Im manifesten Traum erscheint der latente Trauminhalt zensiert, also von der unbewussten Traumzensur unkenntlich gemacht.

Kennzeichnend für die psychoanalytische Traumdeutung ist die freie Assoziation: Der Träumer soll spontane Einfälle zum Thema und zu den Gestalten des Traums äußern. Auf diese Weise vermag Freud auch Details der Träume in der Deutung zu erfassen. Er leitet so zur Begegnung der Träumenden mit ihrem Traum von innen her an. In der Assoziation und ihrer Deutung durch den Therapeuten ereignet sich die Spurensuche vom manifesten zum latenten Trauminhalt; das ist für Freud die eigentliche Traumarbeit als „Via Regia“ (Königsweg) zum Unbewussten.

Was ist nun zum psychoanalytischen Umgang mit Träumen zu sagen?

Der auf den einzelnen Träumer zentrierte Ansatz hat in jedem Fall seine volle Berechtigung; er ermöglichte einen grundlegend neuen Umgang mit Träumen. Das Verständnis des menschlichen Seelenlebens wurde dadurch enorm vertieft. Freud hat das Verständnis für das Unbewusste angestoßen.

Nehmen wir die Grenzen dieses Ansatzes in den Blick, so sind fünf zu nennen:

– Für Freud bleibt der Träumer auf den Fachmann angewiesen. Ohne die „detektivische“ Arbeit des Psychoanalytikers ist das tiefere Anliegen des Traums kaum zu erkennen. Dabei kann ein heikles Machtgefälle entstehen: Der Träumer ist dem deutenden Fachmann in gewisser Weise ausgeliefert und es entsteht eine Abhängigkeit zum Experten, wenn der Träumende die „richtige“ Deutung seines Traumes erfahren will.

– Der sogenannte manifeste Traum hat nach Freuds Lehre zumeist eine andere Bedeutung als der sogenannte latente Trauminhalt: Dagegen zeigt es sich in der Praxis der Traumdeutung, dass der von Freud als manifest bezeichnete Trauminhalt gerade der eigentliche Inhalt ist. Die Theorie der Verhüllung in Traumbildern hatte geradezu einen schädlichen Einfluss auf den Umgang mit Träumen, weil sie die Vorstellung verbreitete, Träume seien darauf aus, uns zu täuschen. Wie starr das psychoanalytische Verständnis des Traumes werden kann, zeigt die Äußerung Fritz Morgenthalers: „Das, was im manifesten Traum erinnert wird, kann niemals der Ausdruck des Unbewussten sein.“13 Mit einer solchen starren Theorie tut man den Träumen Gewalt an. Der Traum verbirgt nicht das, was er sagt, sondern er „entbirgt“ es in seinen Symbolen und Szenen; er täuscht nicht, sondern offenbart Wahrheit. Verschleierung ist eher eine Funktion der wachen Psyche, nicht die des Traumes.

– Fragen ergeben sich auch im Hinblick auf eine von Freud intendierte einseitige sexuelle Auslegung der Träume: Sicher kommen sexuelle Symbole immer wieder zur Sprache. Aber die Traumdeutung einseitig auf die Verdrängung sexueller Wünsche hin auszurichten, ist für viele Träume unangemessen.

– Freud hat die kausale Annäherung an Träume ins Zentrum seines Interesses gerückt, weil seine ganze psychologische Theorie sich auf das Es konzentriert. Das führt leicht dazu, den möglichen prospektiven, den auf das Zukünftige gerichteten Aspekt in den Träumen zu übersehen. Dieser ist häufig im Hinblick auf Entwicklungsmöglichkeiten der Träumenden sehr fruchtbar.

– Zu den Grenzen des freudschen Umgangs mit Träumen gehört schließlich seine Einstellung zur Religion. Diese Grenze ist gerade vor dem Hintergrund der seelsorglichen Fragestellung dieses Buches zu erwähnen. Es ist, wie weiter unten dargelegt werden wird, sehr angemessen, für religiöse Aspekte in den Träumen bewusst offen zu sein.

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