Читать книгу Arabidopsis – ein Leben ist nicht genug - Gottfried Zurbrügg - Страница 11
5. KAPITEL
ОглавлениеScherrer bat am nächsten Morgen zu einer Besprechung in sein Büro. Meyer war auch anwesend. „Haben Sie gut geschlafen?“, begrüßte Scherrer Anne. „Ich habe Sie heute Morgen in der Bahn nicht gesehen.“
Anne lächelte. „Ja, Herr Professor, ich habe gut geschlafen und dabei von den ägyptischen Gottheiten geträumt. Dann bin ich besonders früh aufgestanden und gleich ins Labor gefahren. Die Forschungen lassen mich nicht los.“
„Das kann ich verstehen“, sagte Scherrer. „Es ist auch zu interessant, was Sie vermuten. Ich habe mich im Internet kundig gemacht. Noch niemand hat Arabidopsis auf ein Todesgen untersucht. Wir betreten Neuland.“ Der Stolz war ihm anzuhören.
„Sie vermuten ein Todesgen in Arabidopsis?“, fragte Meyer. „Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich so um meine Pflanze gekümmert haben, Frau Neidhardt.“
Anne nickte in seine Richtung. „Sie waren ganz enttäuscht, Herr Meyer, als ich die Pflanze dann in der Hand hielt und über den festgelegten Lebenszyklus nachdachte. Da kam mir die Idee eines möglichen Todesgens.“
Meyer sah sie mit seinen durchdringenden schwarzen Augen an, und Anne konnte sich eines unheimlichen Eindrucks nicht erwehren. „Haben Sie noch lebende Zellen vorgefunden? Sie wissen doch, dass Pflanzenzellen potentiell unsterblich sind“, fragte er.
„Eigenartig, dass Sie mich das fragen“, antwortete Anne. „Erstens sind wir noch nicht sicher, dass wirklich von Zelle zu Zelle der Befehl zum Tode gegeben wird, zweitens habe ich tatsächlich bei der Untersuchung winzige Zellbereiche gefunden, die nicht abgestorben waren. Ich habe die Zellen für eine Kalluszüchtung vorbereitet. Aber ob es unsterbliche Zellen sind, können wir natürlich noch nicht sagen.“
Meyer nickte nachdenklich.
Scherrer hustete. Wie am Vorabend wurde der Hustenreiz stärker und stärker und löste sich endlich in einem krampfartigen Husten. Er sprang auf und wankte zu seinem Schreibtisch hinüber, das Taschentuch vor den Mund gepresst. Anne sah entsetzt, wie er sich vergeblich bemühte, Atem zu holen. „Soll ich einen Arzt rufen?“, fragte sie.
Scherrer schüttelte trotz des schweren Anfalls den Kopf und keuchte ein „Nein!“ heraus. Als er endlich wieder Luft bekam, atmete er tief durch. Nach wenigen Minuten hatte er sich gefangen und nahm erneut am Tisch Platz. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung“, sagte er. „Seit einiger Zeit plagt mich dieser Husten. Nachher werde ich zum Arzt gehen.“
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Anne.
„So weit ja“, nickte ihr Scherrer zu. „Bitte beginnen Sie mit Ihren Ausführungen.“
„Ich möchte zunächst den Mechanismus des Todes in der Pflanze kennenlernen. Zu diesem Zweck möchte ich eine große Anzahl Arabidopsispflanzen unterschiedlichen Alters bestellen. Ich denke, Tübingen wird uns bei der Beschaffung behilflich sein können.“
Anne sah Scherrer fragend an, aber Meyer antwortete: „Ich habe mich schon darum gekümmert. Wir werden die Lieferung im Laufe dieses Tages oder spätestens morgen bekommen.“
„Sie sind aber schnell“, warf Scherrer ärgerlich ein.
„Herr Professor, Sie wissen, dass wir nicht mehr viel Zeit haben“, sagte Meyer.
„Danke, Dr. Meyer, aber Sie hätten mich über die Bestellung informieren müssen“, erklärte Scherrer.
„Ich vermute“, fuhr Anne fort, „dass der Gehalt an Katalase für den Zelltod verantwortlich ist.“
„Ähnliche Forschungsergebnisse sind im Internet veröffentlicht“, bestätigte Scherrer.
„Die Berichte darüber liegen mir vor“, bestätigte Anne.
Meyer nickte anerkennend. „Erst wenn der Mechanismus klar ist, können wir versuchen das Todesgen zu finden.“