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Was ist Training?

Training ist schlecht für Sie! Training gefolgt von Erholung und richtiger Ernährung hingegen ist gut für Sie und sorgt dafür, dass Sie besser vorbereitet in den Wettkampf gehen werden, für den Sie trainieren. Ich möchte von Anfang an den Fokus, der sich in der Welt des Sports gemeinhin auf den physischen Akt des Trainings verengt, bewusst ein wenig verlagern. Ich richte die Aufmerksamkeit lieber auf das Endprodukt, also darauf, dass Sie hinterher in jeder Hinsicht – mental und physisch – besser für Ihren Sport gerüstet sind, als Sie es derzeit sind. In anderen Worten: Sie sollten Ihre Trainingseinheiten immer nur als einen von mehreren verschiedenen Schritten auf dem Weg zu Ihrer Verbesserung als Radsportler betrachten.

Ich habe bei vielen Sportlern erlebt, dass ihr großer, vorbildlich erscheinender Trainingseifer letztlich nur zu Erschöpfung und verminderter Leistungsfähigkeit geführt hat – und mitunter auch zu Verletzungen und Krankheit. In der Wissenschaft gibt es einen Fachbegriff dafür: das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags, der Punkt, ab dem die Investitionen die Einnahmen übersteigen. Trainingsfleiß mag durchaus etwas Bewundernswertes sein, und in vielerlei Hinsicht drücken sich in ihm Hingabe, Arbeitsmoral und Ehrgeiz aus. Und dennoch: Bei jeder Gelegenheit so hart und so lange zu arbeiten, wie man nur kann, ist bestimmt eine tolle Sache, wenn man ein Haus bauen möchte oder ein Unternehmen führen muss, aber nicht, wenn Sie in Bestform in den Wettkampf gehen wollen, für den Sie trainieren. Dennoch kenne ich etliche Leute, die mit dieser Einstellung trainieren, und ich weiß genau, wie schwer es ist, eine solche Grundhaltung umzukehren. Gerade deshalb steht diese Botschaft gleich am Anfang des ersten Kapitels meines Trainingshandbuchs. Sie lässt sich gar nicht oft genug betonen.

Halten wir also fest: Arbeitsmoral und Ehrgeiz sind zwar etwas Positives, aber nur, wenn diese ein konkretes Ziel verfolgen und in solchen Situationen zur Anwendung kommen, in denen Sie jene hohen Belastungen erzeugen müssen, die erforderlich sind, um eine Leistungssteigerung hervorzurufen. Um diese neue Einstellung wirklich zu Ihrem Vorteil ausspielen zu können, benötigen Sie eine weitere Qualität, ohne die sich eine echte Verbesserung nicht einstellen wird. Die Rede ist von Selbstvertrauen. Sie müssen vollkommen darauf vertrauen, dass es genau richtig ist, so zu trainieren, wie Sie es tun, oder an einem bestimmten Tag auch mal mit dem Training auszusetzen. Sie müssen diese Überzeugung auch dann aufbringen, wenn die eigene Arbeitsmoral, vermeintliche Logik oder Ihre Freunde Ihnen etwas anderes einreden wollen. Solche Stimmen werden fraglos kommen. Die allgemein akzeptierte Sicht ist es nun mal, dass die Ergebnisse umso besser ausfallen, je mehr man in eine Sache investiert. Und ganz gleich, ob es um die berufliche Karriere oder um Klavierunterricht geht: Es widerspricht der Intuition, dass weniger auch mehr sein kann. In Kapitel 6 werde ich mich dem Thema Selbstvertrauen detaillierter widmen. Vorerst genügt es, dass Sie an das neue Konzept glauben: daran, dass der physische Akt des Trainierens innerhalb des gesamten Prozesses der Leistungssteigerung beinahe nur eine unangenehme Notwendigkeit darstellt.

Hier eine kleine Analogie, die ich für diesen Sachverhalt gerne verwende: Nehmen wir an, Sie wollten sich im Gärtnern versuchen und beginnen damit, eine riesige Fläche umzugraben. Am Ende des ersten Tages haben Sie Blasen an den Händen, dennoch schuften Sie verbissen weiter, im Glauben, je mehr Sie graben, umso mehr würden sich auch Ihre Hände an die Arbeit gewöhnen. Doch nach ein paar Tagen sind Ihre Hände vollkommen zerschunden, die Blasen sind so schlimm, dass an ein schnelles Verheilen nicht mehr zu denken ist. Und nun nehmen wir mal an, ein identischer Doppelgänger von Ihnen hätte dasselbe gemacht, nur dass er oder sie immer nur dann weitergegraben hätte, sobald die Hände wieder verheilt wären. Das Ergebnis wären Hände, deren Haut sich viel besser an die Arbeit angepasst hätte – und das mit weniger Graben! Stellen Sie sich vor, bei diesem Experiment ginge es nicht darum, wie lange man hart arbeiten kann, sondern das Ziel wären einfach widerstandsfähige Hände, die der konkreten Herausforderung des Umgrabens bestmöglich gewachsen sind. Dann ist klar, dass in diesem Fall weniger eindeutig mehr ist.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt des Trainings, für den diese Analogie Aussagekraft besitzt. Ein Radrennfahrer würde sich durch das Umgraben eines kompletten Gartens bestenfalls geringfügig verbessern. Die größte Verbesserung, die durch all die Strapazen erzielt werden konnte, besteht vielmehr in einer Leistungssteigerung bei der Tätigkeit des Umgrabens an sich. Oder anders gesagt: Umgraben trainiert man mit Umgraben. Das mag allzu naheliegend erscheinen, aber übertragen wir das Ganze doch mal auf die Sphäre des Sports: Wenn Sie z. B. regelmäßig auf einem Gymnastikball herumrollen, wie man es häufig als Empfehlung in Radsportzeitschriften liest, macht Sie dies in erster Linie besser darin, auf einem Gymnastikball herumzurollen. Seien Sie sich stets bewusst, dass die Unternehmen der Branche ein enormes kommerzielles Interesse daran haben, immer wieder neue und angeblich verbesserte Trainingsmethoden und -produkte an den Mann zu bringen. Und vergessen Sie nicht, dass auch Magazine oder Ratgeberautoren davon profitieren, solche Dinge in positivem Licht erscheinen zu lassen, um selbst über den Reiz des Neuen für Leser attraktiver zu wirken. Was ich sagen möchte: Seien Sie skeptisch bei allen Artikeln und dergleichen, die Ihnen einreden wollen, dass Sie unbedingt dieses oder jenes neue Produkt bräuchten. Oft ist der wirtschaftliche Vorteil für den Anbieter weitaus größer als der wahrscheinliche Vorteil für den Käufer. Zugegeben, auch dieses Buch ist natürlich ein kommerzielles Produkt, aber ich glaube, mit Fug und Recht behaupten zu können, dass nichts in diesem Buch in irgendeiner Weise durch Sponsoring beeinflusst wäre. Ich versichere Ihnen, dass ich Ihnen in den folgenden Kapiteln nach bestem Wissen und Gewissen alle Erkenntnisse genau so vermitteln werde, wie diese sich laut meinen Erfahrungen und Analysen darstellen und wie ich sie auch in meiner eigenen Karriere mit Erfolg genutzt habe. Mit einem Erfolg, der sich bestimmt nicht in der Weise eingestellt hätte, hätte ich auf die damals aktuellen Ratschläge gehört, die darauf hinausliefen, so viele Kilometer zu fressen wie möglich.


Ich räume gerne ein, dass Übungen mit dem Gymnastikball auch das Leistungsvermögen eines Radsportlers in einem gewissen Maße steigern, ebenso wie dies auch für das Umgraben des Gartens oder das Abreißen von Tapeten gelten mag – zumindest im Vergleich zu absolutem Nichtstun. Wenn ich Tennisspieler wäre und darauf hoffte, mich durch Billardspielen zu verbessern, wäre da gewiss auch eine marginale Steigerung bei der Hand-Auge-Koordination zu verzeichnen. Nichtsdestotrotz würden mir Übungen auf dem Gymnastikball vermutlich mehr bringen. Und nicht zu vergessen: Die beste Möglichkeit, um sich als Tennisspieler zu verbessern, ist: Tennisspielen.

Das lässt sich natürlich noch weiter präzisieren: Tennisspielen im Allgemeinen kommt auch Ihrem Aufschlag zugute, dennoch verbessern Sie Ihren Aufschlag am effektivsten, indem Sie immer wieder Ihren Aufschlag trainieren. Damit nicht genug: Der beste Weg, um den Aufschlag im Wettkampf zu verbessern (denn darauf kommt es ja letztlich an), ist es, in wettkampfspezifischer Umgebung an Ihrem Aufschlag zu arbeiten. Um die Sache auf den Punkt zu bringen, lässt sich also festhalten: Training ist etwas, was man unternimmt, damit sich während der folgenden Regeneration die Leistungsfähigkeit in der spezifischen Aktivität verbessert, die man unternommen hat. Darüber hinaus ist es der erste Schritt in einem Prozess der physischen und mentalen Anpassung an die spezifische Intensität, Dauer und Art der während der Trainingsaktivität erfolgten Belastung. In Bezug auf den Radsport heißt das (und lässt sich nicht eindringlich und oft genug wiederholen): Mit Radfahren verbessern Sie, sobald die erforderliche Regeneration erfolgt ist, jeden Aspekt Ihrer Leistungsfähigkeit als Radfahrer. Aber Radfahren mit der Intensität, Trittfrequenz, Übersetzung und Dauer des Wettbewerbs, für den Sie trainieren, ist der effektivste Weg, um sich in Ihrer jeweiligen Teildisziplin des Radsports zu verbessern. Der zentrale Lehrsatz für die Leistungssteigerung im Sport lautet also: Spezifisches Training für spezifische Ergebnisse. Alles andere ist nebensächlich und weniger effektiv.

Unabhängig vom Betätigungsfeld – sei es nun Musik, Sport oder was auch immer – verstehe ich Training jeweils als eine Aktivität, die, sobald sie einschließlich der folgenden Regeneration abgeschlossen ist, dazu führt, dass jemand in besagter Aktivität besser geworden ist als vor dem Training. Zudem bezeichnet Training aber auch einen langfristigen Prozess aus physischer Anstrengung und Regeneration, der sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt und mittels einer Reihe kleiner, schrittweiser Verbesserungen insgesamt zu einer deutlichen Steigerung führt.

Für viele Menschen ist das Trainieren eine Art bewusst gewählter Lebensstil, fast wie ein Hobby an sich. Das erlebe ich regelmäßig, vor allem bei Radfahrern, die am liebsten immer in der Gruppe oder im Verein trainieren, also in einer Umgebung, in der Trainingseinheiten üblicherweise im Voraus geplant und anhand von Wochentagen terminiert werden. Dies jedoch ist aus mehr als nur einem Grund nicht gerade die beste Möglichkeit, um das meiste aus seinem Potenzial zu machen.

Erstens nimmt die Routine fester wöchentlicher Trainingstermine keine Rücksicht auf Ihre individuelle Regeneration seit der letzten Trainingsausfahrt. Haben Sie sich beispielsweise noch nicht wieder vollständig erholt, können Sie nicht härter oder länger trainieren als beim letzten Mal. Folglich verpassen Sie nicht lediglich die Gelegenheit, sich zu verbessern. Vielmehr wird sich Ihre Erschöpfung vertiefen und Sie werden um mehrere Tage zurückgeworfen, bevor Sie wieder zu einem Training aufbrechen können, das wirklich eine optimale Leistungssteigerung bringt.

Zweitens neigt Training in der Gruppe im Allgemeinen dazu, nicht allzu spezifisch auf Zielwettkämpfe ausgerichtet zu sein. Die individuellen Ziele der Beteiligten vermischen sich tendenziell zu einem Gruppendurchschnitt, der letztlich keinen wirklich weiterbringt. Hinzu kommt, dass die stärkeren Fahrer bei Gruppenausfahrten meist nicht angemessen gefordert werden, weil Rücksicht auf die schwächeren Begleiter genommen wird.

Die positiven Aspekte des Trainings in der Gruppe sind die Geselligkeit und der Enthusiasmus, den diese Gruppen besitzen, insbesondere im Verein. Ich selbst bin stets Mitglied eines örtlichen Radsportclubs gewesen und habe, selbst als ich zur Weltspitze gehörte, immer Wege gefunden, mein eigenes Training zu optimieren, ohne dabei den Kontakt zu meinen Vereinskollegen zu vernachlässigen. Obschon sich also einiges unternehmen lässt, um individuelle Trainingsbedürfnisse in Gruppenausfahrten zu integrieren, gibt es fraglos Zeiten, in denen man sich entscheiden muss: entweder eine Trainingsfahrt mit optimalem Trainingsnutzen oder die Kameradschaft einer Vereinsausfahrt.

Der gesamte Prozess des Trainings zielt auf eine physiologische und psychologische Adaptation ab. Der Großteil dieser Anpassung spielt sich natürlich auf physiologischer Ebene ab, aber ich möchte darauf hinweisen, dass durch Training auch die Gedankenprozesse, die für bestimmte körperliche Anstrengungen erforderlich sind, gestärkt werden. Die Rede ist von den Nervenzellen und -bahnen, über welche die Muskeln erfahren, dass und wann sie sich bewegen sollen. Ebenso ist zu betonen, dass eine Trainingsausfahrt erst dann ein wirkliches Training darstellt, wenn das Maß an körperlicher Belastung groß genug ist, um überhaupt eine physiologische Adaptation auszulösen. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich streng genommen lediglich um eine mehr oder minder schnell absolvierte Radtour. Und das ist in der Praxis das Schlechteste, was man im Sinne einer Trainingsphilosophie machen kann, die auf eine Steigerung des Leistungsvermögens abzielt. Einfach draufloszufahren, ist eine tolle Sache, was den Erwerb der notwendigen Fahrtechnik, Radbeherrschung und allgemeinen körperlichen Fitness betrifft, wenn man gerade erst mit dem Sport begonnen hat. Aber: Wenn Sie nicht dafür sorgen, dass eine Trainingseinheit Sie im Hinblick auf Ausdauer oder Tempo wirklich fordert, ist sie verschenkte Zeit: eine verpasste Chance, sich wirklich zu verbessern. Und schlimmer noch: Derlei Halbherzigkeit kann dafür sorgen, dass Sie dann am Tag darauf nicht zu einer richtig intensiven Runde in der Lage sind und so auch diese nächste Ausfahrt ihrer vollen Wirkung berauben.

Die Kunst der Wiederholung:

Training ist repetitiv.

Während meiner Karriere habe ich viele warme Sommerabende lieber zu Hause auf dem Indoor-Trainer verbracht, anstatt zusammen mit anderen eine Ausfahrt zu unternehmen. Das bringt mich zum nächsten wichtigen Punkt: Training ist – vielleicht mehr als alles andere – eine äußerst repetitive und monotone Angelegenheit. Weil sich eine wirkliche Verbesserung nur mittels kleiner, schrittweiser Steigerungen einstellen kann, führt daran leider kein Weg vorbei. Und das ist umso mehr der Fall, wenn es darum geht, spezifisch für ein bestimmtes Rennen oder Ergebnis zu trainieren.

Ein solches, auf ständiger Wiederholung beruhendes Training ist auch eine Frage des Kopfes: Ihr Geist muss bereit sein, eine streng reglementierte Abfolge von Trainingsbelastungen zu absolvieren. Motivationsverluste durch Langeweile und Monotonie sind eine der wichtigsten Ursachen von Minderleistung. Allein aus diesem Grund muss ein Trainingshandbuch wie dieses auch die Psyche berücksichtigen und auf das Training der eigenen Trainingsmentalität eingehen. Das passiert in Kapitel 6.

Der menschliche Körper ähnelt in vielerlei Hinsicht einem elektronischen Gerät. In diesem Sinne stärkt der Prozess des Trainings zum einen die Teile der Schaltzentrale (Gehirn), die die Muskelbewegungen steuern, zum anderen auch die Qualität der Signalübermittlung (das Nervensystem). An diesen Fähigkeiten können Sie übrigens auch arbeiten, wenn Sie gerade nicht auf dem Rad sitzen. Auch dies ist ein Punkt, auf den ich in späteren Kapiteln näher eingehen werde.

Die physiologische Anpassung der Muskeln und des Energiesystems vollzieht sich als Resultat dessen, was passiert, nachdem eine angemessene Trainingsbelastung erfolgt ist. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal unterstreichen, dass Sie jede Trainingseinheit immer nur als ersten Schritt bei der Steigerung Ihrer körperlichen Fähigkeiten betrachten sollten. Und ich möchte Ihr Augenmerk auf einen wichtigen Fakt richten, der für jede beliebige Trainingsanstrengung gilt: Unmittelbar nach einer Trainingseinheit fällt Ihr Leistungsvermögen geringer aus als vor dieser Belastung. Jeder, der mal ernsthaft Sport getrieben hat, wird das bestätigen können: Wenn man gerade eine fordernde Trainingsanstrengung beendet hat, fällt es nun deutlich schwerer, diese auf der Stelle nochmals zu wiederholen. Denn die Muskeln sind müde, und die Energievorräte haben gelitten. Wie ich bereits gleich zu Beginn dieses Kapitels erwähnte: Training ist schlecht für Sie – zumindest, was die unmittelbaren Auswirkungen auf Ihre Fähigkeit zu neuerlichen Belastungen betrifft.


Ich habe diesen Aspekt deshalb mit so viel Nachdruck betont, damit ich nun den Teil des Trainingsprozesses beleuchten kann, der wirklich gut für Sie ist und Ihre Fähigkeiten als Radsportler tatsächlich steigert. Und zwar ist dies die physiologische Adaptation, die nach absolviertem Training erfolgt, sofern dabei die Bedingungen richtiger Erholung und Ernährung gegeben sind.

Es ist für alle höherentwickelten Lebewesen eine Grundvoraussetzung für ihr Überleben, dass sie sich als Reaktion auf die Umweltbedingungen, denen sie ausgesetzt sind, und auf die Belastungen, die daraus resultieren, physisch anpassen. Diese Adaptation sorgt nicht nur für eine Wiederherstellung der körperlichen Ausgangsverfassung nach Strapazen, vielmehr kann ein Organismus – eine adäquate Zeitspanne nach der Belastung vorausgesetzt – anschließend sogar stärker und besser gerüstet sein als zuvor. Dieser Kompensationseffekt vollzieht sich jedoch stets nur in Hinblick auf die spezifischen Belastungen, die während der Anstrengung erfolgt sind.

Das Allerwichtigste, was Sie im Training mobilisieren müssen, ist das Vertrauen in das, was der eigene Körper Ihnen sagt.

Beim Radfahren besteht die spezifische einwirkende Belastung während Ihrer Trainingseinheiten darin, dass Sie eine ganz bestimmte Zeit lang mit einer ganz bestimmten Kadenz und Übersetzung die Pedale bewegen. Die Adaptationsphase umfasst dann die anschließende Zeitspanne, in der Ruhe und richtige Ernährung es Ihrem Körper ermöglichen, sich über seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit hinaus zu steigern. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber darauf, dass sich nach vollständig erfolgter Regeneration auch wieder ein gradueller Verlust an Leistungsfähigkeit vollziehen wird, sollte jener Trainingsreiz, der die Anpassung ausgelöst hat, nicht erneut einwirken.

Halten wir also zwei entscheidende Dinge fest: 1.) Nach dem körperlichen Training gibt es jeweils eine Zeitspanne, in der ein Radsportler auf jedweden Versuch verzichten sollte, eine weitere Anpassung zu stimulieren, weil dies die laufende, noch nicht abgeschlossene Adaptation hinauszögern würde (lockere Ausfahrten während dieses Zeitraums sind okay, sofern die Intensität ausreichend gering ausfällt). 2.) Nach einer gewissen Zeit, nämlich sobald die ausgelöste Adaptation vollständig erfolgt ist, setzt sogleich auch wieder ein Rückgang der Leistungsfähigkeit ein, und es ist nun ein weiterer Reiz (also eine weitere spezifische Trainingsbelastung) erforderlich, um die langfristige Steigerung des sportlichen Leistungsvermögens fortzusetzen.

Womöglich fragen Sie sich bereits, wann genau der richtige Moment für eine neuerliche Trainingsanstrengung gekommen ist. Eine berechtigte Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist – und schon gar nicht pauschal. Die Antwort kann sich von Person zu Person und auch nach Art des Trainings erheblich unterscheiden. Selbst für ein und denselben Athleten kann sie von Woche zu Woche völlig unterschiedlich ausfallen. Ich selbst zum Beispiel schaffe es mal, mich in zweieinhalb Tagen vollständig zu regenerieren, während ich in der nächsten Woche womöglich vier volle Tage benötige. Auf all das werde ich später noch detaillierter eingehen. Vorerst sollten Sie verinnerlichen, dass der Effekt des Trainings vom spezifischen Trainingsreiz abhängt und dass eine vollständige Regeneration unverzichtbar ist, um eine Steigerung des Leistungsvermögens zu gewährleisten (Überkompensation).

Ob es Ihnen während der Erholung nach einer unmittelbar »schädlichen« Trainingsbelastung gelingt, sich wieder auf das vorherige Leistungsniveau oder darüber hinaus zu steigern, hängt davon ab, ob Sie die notwendige Geduld und das Selbstvertrauen aufbringen, ausreichend lange im Regenerationsmodus zu verbleiben. Die meisten Radsportler, die ich kenne, haben ständig Angst, zu spät dran zu sein. Sie glauben, bereits eine vollständige Regeneration und somit die Phase des Nachlassens der Leistungsfähigkeit erreicht zu haben, und brechen infolgedessen verfrüht zu einer weiteren Trainingseinheit auf. Das Resultat liegt auf der Hand: Weil die betreffenden Athleten sich nicht vollständig erholt haben, können sie in diesem neuerlichen Training auch keine härteren Belastungen fahren als zuvor. Das beraubt sie der Möglichkeit, ein neues persönliches Leistungsniveau zu erreichen. Schlimmer noch: Sofern sich dieses Verhalten fortsetzt, wird sich früher oder später ein Plateau-Effekt einstellen, bei dem langfristig überhaupt keine Leistungssteigerungen mehr erzielt werden. Es ist ein weit verbreitetes Phänomen bei Sportlern mit großer Arbeitsmoral und starkem Fokus auf ihr Training, dass sie in einer solchen Situation anfangen, die harten Trainingsbelastungen auszudehnen, wenn sie sehen, dass ihr Leistungsniveau stagniert. Das macht die Sache nur noch schlimmer. Ich kenne einen Fahrer, bei dem am Ende einer solchen Entwicklung anhaltende Erschöpfungszustände und Mangelernährung diagnostiziert wurden.

Die größte Herausforderung, mit der Sie im Training konfrontiert werden, besteht in meinen Augen darin, dem zu glauben und zu vertrauen, was der eigene Körper Ihnen sagt. Einfacher gesagt als getan. Auf dem Papier mag das nur allzu logisch klingen, aber im richtigen Leben, wenn die Sonne scheint und man an den großen Tag des Rennens denkt, für das man trainiert, gibt es für uns als motivierte Sportler kaum etwas Schwierigeres, als die Entscheidung zu treffen, es noch einen weiteren Tag locker angehen zu lassen.

Die folgende Abbildung illustriert grob den Zyklus der Regeneration nach einem harten Training. Den Input, also den Trainingseinsatz, habe ich dabei bewusst weggelassen. Aus der Kurve ist deutlich ersichtlich, dass es eine Zeitspanne gibt, in der man eine neue Trainingsausfahrt auf höherem Niveau angehen kann. Der anschließende Leistungsabfall ist flacher, als man gemeinhin vielleicht denkt. In anderen Worten: Wenn Sie durch familiäre, berufliche oder sonstige Verpflichtungen eingeschränkt sind, ist es besser, einen Tag zu spät dran zu sein und dann einen richtig guten neuen Trainingsreiz zu setzen, als es einen Tag zu früh zu versuchen.

Ebenso lässt sich aus der Abbildung erkennen, dass es für eine bestmögliche Leistungssteigerung in kürzester Zeit jeweils einen optimalen Zeitpunkt gibt, um wieder mit voller Kraft zu trainieren. Auf diesen Sachverhalt werde ich später noch detaillierter eingehen, doch eines kann ich bereits an dieser Stelle unterstreichen: Wenn die meisten Athleten denken, heute ist es so weit – dann ist es morgen.


DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Training ist eine Aktivität, die Sie unternehmen, um Ihr Leistungsvermögen zu steigern. Die richtige Balance zwischen Training und Regeneration zu finden, ist unabdinglich, damit Sie als Sportler Ihr volles körperliches Potenzial ausschöpfen können oder diesem Ziel zumindest so nah wie möglich kommen. Darüber hinaus sollten Sie stets bedenken, wofür genau Sie trainieren, und Ihre Trainingsanstrengungen präzise auf die spezifische Belastung zuschneiden, die in diesem Wettkampf gefordert ist.

 Training ist ein langfristiger Prozess.

 Training ist repetitiv.

 Training umfasst auch eine psychologische Ebene.

 Sorgfältige Regeneration ist die Grundvoraussetzung für eine Steigerung des Leistungsvermögens.

 Um Ihre individuelle Spitzenleistung erreichen zu können, ist es von großer Bedeutung, dass Sie gut auf Ihren Körper hören und dessen Signale respektieren.

Radsporttraining mit der Methode Obree

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