Читать книгу Ein anständiger Mord - Gretelise Holm - Страница 8

Samstag, 9. Juni

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Chefredakteur Werner Christoffersen hielt gleichaltrige Frauen für physisch abstoßend und psychisch furchteinflößend.

Er wusste genau, aussprechen würde er so etwas nie, denn das wäre gleichbedeutend mit einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Er musste sich wegen dieses Themas auch nicht outen, denn er nahm Tag für Tag zahlreiche kleine Signale wahr, die darauf schließen ließen, dass viele so dachten wie er. Beispielsweise schien es in der Fernsehbranche ein stillschweigendes Abkommen zu geben, dass ein gutes Moderatorenpaar aus einem Mann in den Fünfzigern und einer Frau in den Zwanzigern bestand. Und in der Öffentlichkeit sah man praktisch keine Bilder von Frauen über fünfzig, es sei denn, es handelte sich um Werbung für Mittel gegen Sodbrennen.

Natürlich konnten die älteren Frauen nichts dafür, dass sie unansehnlich wurden, aber sie hätten sehr viel mehr tun können, um sich etwas von der Zartheit und Anmut ihrer Jugend zu bewahren, meinte Christoffersen. Und das gelang ihnen richtig schlecht – zumindest in seiner Branche.

Wie zum Beispiel Astrid – dieser alte Drache, der ihn gestern in der Redaktion lächerlich gemacht hatte.

Astrid war die siebenundfünfzigjährige Layouterin der Zeitung. Sie hatte einen Stoß Fotos für die neue Lifestyle-Beilage in der Hand gehalten. Eines der Fotos zeigte einen steinreichen Verleger mit seiner neuen, sehr jungen Geliebten.

Sie hatte das Bild in die Höhe gehalten und geradezu durch den Raum geschrien: »Wollen wir das hier nehmen? Los, jeder weiß doch, dass Männer mit kleinen Pimmeln ein Faible für junge Mädchen haben!«

Einige lachten, und er hatte gefühlt, wie ihm das Blut in seinen achtundfünfzigjährigen Kopf gestiegen war. Es war so peinlich, dass er einfach fort musste. Etwas später glaubte er in seinem verrammelten Arbeitszimmer hören zu können, wie das Gelächter durch die Korridore des Zeitungshauses hallte.

Es war lange her, dass Christoffersen seinen Penis in voller Länge hatte bewundern können, denn er war schon im Alter von fünfundzwanzig Jahren impotent geworden. Trotzdem meldete sich hin und wieder die Lust. Die Lust gestreichelt zu werden und zu streicheln. Auf seine Weise recht unschuldig, pädophil war er jedenfalls nicht, wie er sich häufig selbst versicherte. Im Gegenteil, er war stets sorgfältig darauf bedacht, dass sie älter waren als 15. In Zweifelsfällen ließ er sich den Ausweis zeigen. Nur in einem Fall war das schief gegangen, weil das Mädchen gelogen hatte. Das hatte ihn einiges gekostet und war ihm eine heilsame Lehre gewesen.

Christoffersen war zu stolz und zu schamhaft, um mit seinem Problem, das womöglich mit einem unbedeutenden chirurgischen Eingriff zu lösen gewesen wäre, einen Arzt zu konsultieren. Er war nämlich mit einer starken Vorhautverengung auf die Welt gekommen, die Erektion und Beischlaf so schmerzhaft machte, dass Körper und Seele sich mit Impotenz verteidigten. Das hatte ihn die Ehe gekostet, und sein sexuelles Interesse hatte sich allmählich auf Partnerinnen konzentriert, die weniger anspruchsvoll waren als erwachsene Frauen. Kinder beobachtete er gern, und er vertrat die Meinung, auf Pädophile werde eine Hetzjagd veranstaltet. Er selbst beschränkte sich auf die gesetzlich sanktionierte Seite: »Sie muss mindestens 15 sein, aber sie darf gern jünger aussehen«, sagte er, wenn er seine Bestellung aufgab. Meist lief das im Ausland, er hatte jedoch auch ein Etablissement in Kopenhagen gekannt, wohin er sich allerdings nicht mehr wagte. Irgendjemand hatte ihn erkannt, und in diesen Zeiten der Hatz musste er um alles in der Welt auf seinen guten Namen und seinen Ruf achten.

Er selbst konnte in seiner Neigung nichts Schlechtes sehen. Er schadete niemandem und war überzeugt, dass die jungen Mädchen schmusten und leckten, weil sie das gern taten und weil sie ihn mochten. Er war ihnen sehr dankbar und äußerst großzügig.

Er holte einige seiner Lieblingsfotos heraus und verspürte einen unwiderstehlichen Drang. Nur ein einziges Mal, ein letztes Mal. Er griff nach dem Telefon und hatte Erfolg. Die Frau, die sich in dem Massagesalon meldete, antwortete in gebrochenem Dänisch, das lasse sich arrangieren. Sie hatte ein unheimlich süßes junges Mädchen, ja, 16 Jahre alt. Es sprach kein Dänisch, aber sprechen wollten sie ja auch nicht. Aus Thailand, ganz neu, ja.

Aus Thailand, dann war es mindestens achtzehn. Aber das war gleichgültig, denn die sind so feingliedrig, zart und süß, dachte er, als er auf dem Weg nach Kopenhagen in seinem Auto saß.

Drei Stunden später fuhr er gestärkt in Richtung Heimat, so gestärkt, dass er von der Polizei angehalten wurde und für zu schnelles Fahren eine Geldbuße von 1200 Kronen bekam.

Am selben Abend war Redaktionsleiter Adam Lorentzen nebst Gattin zu einem recht ungezwungenen Grillabend beim Vorstandsvorsitzenden der Zeitung, Gutsbesitzer Erik Juhl, eingeladen. Außer ihm waren auch noch Vorstandsmitglied Klaus Sommer und seine Ehefrau Ellen anwesend.

Während die Damen die Rosen im Park bewunderten, plauderten die drei Herren über die Zukunft des Blattes. Niemand würde Adam dazu bekommen, sich illoyal zu verhalten oder ein böses Wort über seinen Chef zu sagen, wenn aber die beiden anderen es so offen aussprachen, ja, dann war es schon so, dass man den Eindruck hatte, Stoffer habe die Leitung des Hauses irgendwie nicht mehr in der Hand. Und, ja, Adam konnte sich durchaus vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen. Er hatte in der Tat einige Ideen in Sachen Umstrukturierung, Einsparungen und konstruktive Investitionen in die neuen Medien, sagte er eifrig.

Die beiden andern Herren waren sich einig, dass für eine erfolgreiche Medienarbeit Entwicklungsperspektiven und Kreativität nötig waren, und dann machte man Adam mit der äußerst vertraulichen Neuigkeit bekannt, dass der Vorstand in der Endphase von Verhandlungen mit einem großen deutschen Medienhaus war, das die Aktienmehrheit der Zeitung erwerben wolle. Absolut notwendig für die Modernisierung und Weiterentwicklung des Betriebs, die große Investitionen erforderlich machten.

Adam nickte. Er habe schon geahnt, dass sich so etwas anbahne, sagte er.

»Wir brauchen einen aufgeweckten jungen Kapitän für das Schiff, aber wir wollen dich bitten, absolutes Stillschweigen darüber zu wahren, bis die Sache unter Dach und Fach ist«, sagte Juhl.

Adam begriff völlig. Seine Ernennung war für die nächste Vorstandssitzung in einem Monat geplant, dann würde Stoffer mit einem goldenen Händedruck verabschiedet, um den Rest seiner Tage in Bangkok zu verbringen, falls es ihn dorthin zog, sagte Klaus Sommer. Der Gutsbesitzer, dem der Dorfklatsch unbekannt war, machte einen etwas erstaunten Eindruck.

Noch einmal wurde absolute Diskretion vereinbart, was später auch auf die Frauen ausgedehnt wurde. Im Ort sollte über dieses gesellschaftliche Ereignis – die abendliche Zusammenkunft auf dem Gut – nicht geredet werden.

Ein anständiger Mord

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