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Raum – Körper – Sprechen

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Zunächst müssen auf einer metaphorischen Ebene Staat und Herrschaft als Raum verstanden werden, durchdrungen von männlicher Dominanz. Die Geschlechterforschung verweist seit Langem auf die enge Verbindung von staatlicher Ordnung, gesellschaftlichem Selbstverständnis und Geschlecht.30 Für demokratische und partizipative Ordnungen ist das aus historischer Sicht bisher eher am Rande untersucht worden. Dabei ist die Frage nach Geschlecht und Identitätserzählungen gerade für Demokratien zentral, denn hier wird die für Herrschaft unverzichtbare Frage nach Legitimität, um mit Max Weber zu reden, »rational« behandelt, was beträchtliche Probleme aufwirft.

Als Legitimationsstifter ersten Ranges wirkt Maskulinität:31 sowohl im Herrschaftskonzept intellektueller Eliten und ökonomischer Oberschichten als auch in der Arbeiterbewegung, in Monarchien, in denen viele der Frauenrechtlerinnen operierten, ebenso wie in Demokratien. Die historische Dimension dieses Mechanismus ist tief in nationalstaatlichen Strukturen verankert. So weist die Historikerin Karen Hagemann nach, wie eng sich in Deutschland National- und Geschlechtsidentität in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts miteinander verbanden. Das als unruhig, revolutionsgeschüttelt geltende Frankreich hielten viele Deutsche für den Inbegriff weibischer Wankelmütigkeit. Die demokratisch gesinnten Turner hingegen rühmten sich ihrer intensiven Männlichkeit und bezichtigten ihre Gegner des weibischen Luxus.32 Auch der »Männlichkeitskult« der Sozialisten im 19. Jahrhundert gründete, wie der Historiker Thomas Welskopp darlegt, tief in patriarchalischen Gesellschaftsvorstellungen.33 Für die Historiker und Staatsrechtslehrer des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts konnte es keinen Zweifel geben: »Unser Staat ist männlichen Geschlechts« (so der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl 1855 in einer vielgerühmten Studie mit hoher Auflagenzahl),34 und Heinrich von Treitschke sekundierte: »Obrigkeit ist männlich«, Weiblichkeit hingegen finde in »schamhafter Stille« einer Königin Luise ihre Vollendung.35 Der Jurist und Staatstheoretiker Johann Caspar Bluntschli begründete 1870 den Ausschluss der Frauen in einem Deutschen Staatswörterbuch mit der »herkömmliche[n] Sitte aller Völker, welche den Staat, der unzweifelhaft ein männliches Wesen ist, auch als die Aufgabe und Sorge der Männer betrachtet«. Er wies darauf hin, dass »die unmittelbare Theilnahme an den Staatsgeschäften unweiblich, für den Staat gefährlich und für die Frauen verderblich wäre«.36 Männliche Legitimationskraft wirkte auch ex negativo: Wer seine Gegner delegitimieren wollte, identifizierte sie mit Weiblichkeit. Weibliche Herrschaft galt in modernen Staaten des 19. Jahrhunderts als Inbegriff des dekadenten, irrationalen Ancien Régime.37 Und zur Verunglimpfung demokratischer Herrschaft behaupteten ihre Feinde einen besonders großen Einfluss von Frauen auf das Staatsgeschehen.38 – Die Logik von legitimierender Männlichkeit und delegitimierender Weiblichkeit bewies indes schon lange vor dem 19. Jahrhundert ihre Gewicht: Die Frau auf dem Thron wurde, wie Barbara Stollberg-Rilinger erläutert, als Staatsgebrechen und Monstrosität betrachtet, ein Umstand, der im Notfall erduldet werden musste; und die Herrscherin tat gut daran, sich symbolisch explizit als männlich zu präsentieren.39 Zu Recht sind Opfergeschichten in die Kritik geraten, aber diese Bedenken sollten nicht über die Selbstverständlichkeit und Habitualisierung der Exklusion von Frauen hinwegtäuschen, über die Bedeutung der »gender longue durée« (John Tosh).40

Die neuen republikanischen oder plebiszitären Herrschaftsformen sahen sich womöglich in einem noch stärkeren Ausmaß auf den Legitimationseffekt von Männlichkeit angewiesen, weil sie keine Rückgriffmöglichkeiten auf den traditionalen Legitimationsbestand von Gottesgnadentum und Geburtsprivilegien hatten.41 In Frankreich pflegte das revolutionäre Heer eine intensiv maskuline Kultur, und Napoleons Code civil räumte den Ehemännern großzügig juristische und physische Gewalt gegenüber der Ehefrau ein, die nicht als Individuum zählte, sondern als ein unmündiger Teil der Familie.42 Den Gipfel des Männlichkeitskultes aber erreichten im 19. Jahrhundert zweifellos die jungen Vereinigten Staaten, deren Selbstbegeisterung sich gleichermaßen an ihrer Freiheit und an ihrer Männlichkeit berauschte. Im dichotomischen Weltbild vieler Amerikaner (in dem die neue Welt der Freiheit gegen das tyrannische Europa stand) zählte Luxus zur Sphäre der Frauen, diesmal als Ausdruck weibischeuropäischer Aristokratie, die im Gegensatz zum kernigen Republikanismus stehe.43 Die renommierte Democratic Review erläuterte: »Das große konservative Element unserer Regierung besteht im Ausschluss der Frauen von einer aktiven Teilnahme an den politischen Gremien der Nation.« Die Monarchien hingegen seien vor einem weibisch schwachen Thronfolger oder gar vor einer Frau auf dem Thron nicht gefeit. Da in Amerika ausschließlich Bildung und Leistung zählten, blieben Frauen – »disqualified by nature« – in der angemessenen Unterordnung.44 Überhaupt bestätigte die Vorstellung von Demokratie als der »natürlichen« Staatsform den Anspruch der Männerherrschaft. Dass in Frankreich immer wieder revolutionäre Unordnung herrsche, lag auch nach Überzeugung vieler Amerikaner an dem widernatürlichen Einfluss der Frauen auf die Regierung.45 Der Akt der Stimmabgabe bei den Wahlen gewann gerade in den Vereinigten Staaten durch seine Identifizierung mit Männlichkeit an Bedeutung und Attraktivität.46

Moderne Wahlen, also solche mit einem prinzipiellen Anspruch auf ein allgemeines Wahlrecht, definierten paradoxer- und logischerweise den Ausschluss der Frau explizit. Das betraf etwa das preußische Wahlrecht nach der Städteordnung von 1808, den britischen Reform Act von 1832 oder die Einzelstaaten der USA – wo die Republikaner im Jahr 1868 die Wahlqualifikation »male« sogar in die Bundesverfassung schrieben. Carole Pateman kommentiert: »Das schiere Frausein bedeutet die Disqualifizierung für Staatsbürgerschaft.«47 Gisela Bock hat die These aufgestellt, dass die extrem späte Einführung des Frauenwahlrechts in den Ländern mit einer besonders lauten und alten republikanischen Rhetorik kein Zufall sei: in Frankreich 1944 und in der Schweiz 1971; vielmehr habe die Verbindung von Männlichkeit und Republik hier so tiefe Wurzeln schlagen können, dass Veränderungen auf besonders heftigen Widerstand stießen.48

Wie es Frauen – mit Mühen, Witz und politischem Sachverstand – nach und nach gelingen konnte, in diesen in jederlei Hinsicht mit Männlichkeit durchdrungenen Bereich hineinzugelangen, untersuchen Marion Röwekamp, Birgitta Bader-Zaar, Barbara von Hindenburg und Kerstin Wolff in ihren Beiträgen im ersten Teil des Bandes über den Raum. Zuerst gelang das bereits im 19. Jahrhundert auf lokaler Ebene. Im Jahr 1869 etwa erhielten britische Frauen das kommunale Wahlrecht und US-amerikanische Frauen das Stimmrecht im Bundesstaat Wyoming. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts eröffneten sich immer mehr Partizipationsmöglichkeiten in sozialen Institutionen, in Kirchen oder in Städten.

Birgitta Bader-Zaar, Birte Förster und Barbara von Hindenburg diskutieren die vielfältigen Partizipationsrechte, die Frauen besaßen, bevor sie das nationale Wahlrecht erhielten. Dabei handelte es sich zum Teil um frühneuzeitliche Privilegien, wie das Gemeindestimmrecht verwitweter Grundbesitzerinnen; teilweise handelte es sich um neu erworbene Rechte, wie etwa das Wahlrecht in sozialen Einrichtungen. Legen aber diese Befugnisse nicht doch die Einsicht nahe, dass der Ausschluss von Frauen keineswegs kategorisch gewesen sei? Jedoch waren diese Wahlberechtigungen in der Regel ein Überbleibsel, das erneut zeigt, dass die ständische Ordnung zwar weibliche Herrschaft kannte, sie aber als notwendiges Übel erachtete: Frauen durften in diesen frühneuzeitlichen Verfahren ihre Stimme nicht selbst abgeben, denn der Herrschaftsraum gehörte den Männern; die wahlberechtigte Frau war gezwungen, einen männlichen Stellvertreter zur Stimmabgabe zu schicken. Bezeichnenderweise verloren viele Frauen im 19. Jahrhundert mit der Purifizierung und der Ausformulierung von Politik als männlicher Domäne das Recht auf ihre Stimme, teilweise ging jedoch auch nur das Wissen um ihr Stimmrecht verloren. Diese Gemengelage nun nutzten einige Frauenrechtlerinnen um die Wende zum 20. Jahrhundert, so Barbara von Hindenburg und Birte Förster in ihren Studien. Die Aktivistinnen gaben dem alten Recht eine neue Bedeutung: Das obsolete weibliche Stimmrecht, in dem die Frau beispielsweise nur als Witwe Gültigkeit besaß und als Ersatz für den verstorbenen Ehemann diente, interpretierten Frauenrechtlerinnen um in ein individuelles Recht. Sie suchten die wahlberechtigten Frauen auf, erinnerten sie an ihre Möglichkeiten, fanden bei Bedarf Männer, die sich zur Stellvertreterwahl bereit erklärten, und schufen damit für sich und ihre Anliegen eine neue Öffentlichkeit. In Hessen-Nassau machten im Jahr 1911 mit 415 Frauen immerhin ein Drittel der Wählerinnen von ihrem Wahlrecht Gebrauch; in Schlesien waren es teilweise bis zu hundert Prozent. Eine solche Partizipation konnte auch für konservative Frauen zu einem Symbol weiblicher Ermächtigung werden, blieben sie damit doch innerhalb des traditionalen Rahmens.49

Als einer der wichtigsten Aktionsräume in der Transformationszeit um 1900 diente der kommunale Raum. Hier konnten sich traditionale und emanzipative Vorstellungen vermengen und die weiblich private Sphäre und die männlich öffentliche Sphäre schleichend vermischen.50 Da Frauen zumeist für den sozialen Bereich arbeiteten, ließ sich das kommunale Wahlrecht bei Bedarf gar als »unpolitisch« beschreiben (was konservative Frauen als Argument für das weibliche Kommunalwahlrecht nutzten und Sozialistinnen als Argument dagegen). Mit ihrer Propagierung der sozialen Arbeit – im Sinne von Paula Bakers »domestication of politics« – und mit der Thematisierung des Privaten im Öffentlichen vertraten die Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtler ein weiter gefasstes Konzept von citizenship, das Kathleen Canning als »participatory citizenship« definiert.51 Entsprechend herrschte in den meisten Ländern unter einer Mehrheit der Frauenrechtlerinnen die Auffassung vor, dass sich das Frauenwahlrecht nicht von den anderen Rechten, Reformen und Forderungen der Bewegung trennen ließe. Wie Marion Röwekamp in ihrem Aufsatz zeigt, nutzten Frauen andere Reformforderungen oft unterschwellig, um damit zugleich das Frauenwahlrecht zu plausibilisieren und zu befördern.

Dass das Wahlrecht gleichwohl auf nationaler Ebene lange Zeit für eine überwältigende Mehrheit weiterhin nicht infrage kam, unterstreicht seine identitätsstiftende und legitimierende Bedeutung für die Nation, die sich ohne grundstürzende Änderungen schlicht nur männlich denken ließ.52 In einigen Ländern saß das Misstrauen der Regierungen gegen ein nationales Frauenwahlrecht so tief, dass die Gesetzgeber bei seiner Einführung zur Reinhaltung der Wählerschaft besondere Kautelen einfügten, die einiges über die identitätsstiftenden Implikationen des nationalen Wahlrechts aussagen: Österreich und Italien etwa schlossen Prostituierte von den Wahlen aus – nicht jedoch die Freier –, und Belgien exkludierte mit der Erweiterung des Wahlrechts 1920 alle Frauen, die keine Mütter waren oder uneheliche Kinder hatten.

Der symbolische Raum der Politik und des Staates verband sich mit konkreten physischen Räumen. Als 1908 das alte Vereinsrecht in Preußen fiel, das den Frauen politische Versammlungen untersagt hatte, erschien das vielen Akteurinnen und Akteuren vor allem als ein symbolischer Sieg. Frauen hatten längst Mittel und Wege gefunden, das rechtliche Relikt zu umgehen; sie durften ohnehin offiziell an politischen Treffen teilnehmen, jedoch in einem separaten Raum, für dessen Markierung oft ein Strick diente. Als das Recht fiel, feierten in Breslau die Frauenrechtlerinnen die Befreiung des Raums: Sie rollten die »drollige« schwarzweiße Schnur »als ein Symbol vergangener Tage« ein, wie sie festhielten.53 Durch Leseräume und Beratungsräume für Frauen, durch Redaktionsstuben für Frauenzeitschriften und Büros der Frauenorganisationen, durch bessere Mädchenschulen und die Öffnung der Universitäten: Der Raum der Frauen weitete sich hinein in die Öffentlichkeit. Tobias Kaiser und Malte König verdeutlichen in ihren Beiträgen, wie Frauen bereits in den Vorkriegsjahren bei den Demonstrationen in Großbritannien oder den USA, aber auch in kleinerem Umfang in Deutschland oder Frankreich Platz und Raum in der Öffentlichkeit reklamierten. Und schließlich hielten Frauen mit dem Wahlrecht auf den Podien der Parlamente und der Gerichtssäle Einzug.

Der Einsatz für Frauenrechte war für viele Reformerinnen und Frauenrechtlerinnen gleichbedeutend mit dem Kampf gegen Gewalt und für mehr Wohlfahrt, wie Hedwig Richter in ihrem Beitrag untersucht. Diese Diskurse lassen sich als eine spezifische Ermächtigung der Frauen verstehen: als Aneignung ihres Körpers – womit wir beim zweiten Gesichtspunkt wären. Denn während für die moderne staatliche Ordnung konstitutiv war, dass das souveräne Subjekt, der Mann, seinen Körper (die »grundlegendste Form des Eigentums«)54 bezähmt, galt die Frau durch die Möglichkeit der Mutterschaft als von ihrem Körper beherrscht – so die Analyse der Politologin Gundula Ludwig.55 Für die Frage nach der Beharrungskraft der Geschlechterordnung, aber auch nach den Veränderungsmöglichkeiten ist also eine Analyse des Körpers zentral, wie in den Beiträgen von Tobias Kaiser, Malte König und Hedwig Richter im zweiten Teil des Bandes deutlich wird. Pierre Bourdieu beschreibt die »Somatisierung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse«: »Der gesellschaftlich geformte biologische Körper ist also ein politisierter Körper oder, wenn man das vorzieht, eine inkorporierte Politik«.56 Die Minderwertigkeit der Frau, ihre Inkompetenz für Herrschaft – und damit das Geschlecht von Politik – waren nicht nur mental tief verankert, sondern in die »Körper eingeschrieben«.57

Im 19. Jahrhundert begannen Frauen Mutterschaft umzudefinieren und besetzten sie positiv als elementare gesellschaftliche Aufgabe. Emmeline Pankhurst gab als wesentliche Ursache für ihren Kampf die mütterliche Sorge um uneheliche Kinder an, um die sich »nur die Frauen wirklich kümmern«.58 Die Probleme dieser Welt, die soziale Frage, Alkoholismus, Kinderarmut, Gesundheitsprobleme, schlechte Arbeitsbedingungen – dafür brauche die Gesellschaft eben: Frauen. Männer hingegen galten in dieser differenzfeministischen Argumentation als unbeherrscht und aggressiv.59 So entwickelten sich Prostitution und Alkohol zu zwei der am häufigsten diskutierten Themen der Jahrhundertwende.60 Sie standen für jene destruktive Männlichkeit, die es zu zähmen galt. Frauen griffen international das Thema der Prostitution auf, wie Malte König in seinem Beitrag entfaltet, und nutzten es als Diskurs, anhand dessen sie von einem moralisch geradezu unangreifbaren Standpunkt aus Männer attackieren und ihre Souveränität einfordern konnten. Die verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung engagierten sich auf dem weiten Themenfeld der »Sittlichkeit«, reklamierten ihre Kompetenz – und verknüpften sie mit der Stimmrechtsfrage. Die »Domestizierung der Politik« griff immer mehr um sich.61

Der Kampf gegen Gewalt war für die Frauenrechtlerinnen nicht ein Thema unter vielen, sondern ihre vermeintlich von der Natur gegebene Gewaltfreiheit galt ihnen als Ausweis ihrer besonderen Befähigung zur Politik und zur Neugestaltung der Gesellschaft. War Souveränität durch Körperbeherrschung zuvor mit physischer Gewalt verbunden (etwa der waffenfähige Mann oder der Ehemann, der seine Frau züchtigt), so beschrieben Frauen körperliche Souveränität zunehmend als die Fähigkeit zur Friedfertigkeit. Nur eine Minderheit der Frauenrechtlerinnen entschied sich dann auch dafür, Gewalt als Mittel ihres Kampfes zu nutzen. Nach Ansicht vieler Frauenrechtlerinnen leisteten diese radikalen Aktionen der britischen Suffragetten keineswegs Überzeugungsarbeit für die Frauenrechte, sondern verunglimpften die Frauenbewegung und wirkten auf die mit der weiblichen Differenz argumentierende Strategie der Frauenbewegung kontraproduktiv. Der in Tobias Kaisers’ Beitrag untersuchte Black Friday am 18. November 1910 in London mit den Ausschreitungen gegen die Suffragetten entsetzte zwar die Öffentlichkeit wegen der polizeilichen Gewalt und sorgte für Aufmerksamkeit, doch schienen die brutalen Enthemmungen für viele Beobachterinnen und Beobachter ein Ausdruck dafür zu sein, dass die richtige Ordnung gestört war – und wieder hergestellt werden müsse. John Stuart Mill hingegen forderte das Wahlrecht der Frauen mit dem Hinweis auf häusliche Gewalt, auf »die Anzahl der Frauen, die jährlich von ihren männlichen Beschützern zu Tode geprügelt, zu Tode getreten, zu Tode getrampelt werden«. Wie könne man im Ernst behaupten, Ehemänner seien prinzipiell dafür geschaffen, ihre Frauen zu repräsentieren, fragte er die Männer im Parlament?62

Der körperlichen Herrschaftsaneignung, der Besetzung des staatlichen Raums entsprach das öffentliche Sprechen. Das verdeutlichen die Analysen von Susanne Schötz, Birte Förster, Lutz Vogel und Harm Kaal im dritten Teil des vorliegenden Buches. Das öffentliche Reden galt für Frauen als unangemessen, so Mary Beard in ihrer Interpretation republikanischer Traditionen, während sie den Mann geradezu definierten.63 Wenn sich jedoch der Impuls, Frauen zum Schweigen zu bringen, als ein grundlegendes Muster in der Geschichte ausmachen lässt, wie Beard darlegt, warum wurde es dann doch möglich, dass Frauen in die Politik eintraten und schließlich legitimiert öffentlich reden konnten? Die Geschichte der schreibenden Frauen erreichte bereits in der Aufklärung einen ersten Höhepunkt. Susanne Schötz zeigt das Engagement und die vielfältigen Publikationstätigkeiten von Louise Otto-Peters, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzten. Doch um 1900 erreichten die Frauen mit ihren Schriften und Reden ein völlig neues Ausmaß an Öffentlichkeit. Sie gründeten vermehrt eigene Zeitschriften und Zeitungen, und ihr Anliegen fand auch außerhalb der Frauenbewegung unter herrschenden Männern Anklang. Immer mehr Frauen bestiegen die Rednertribünen. Aktivistinnen wie Helene Stöcker waren international gefragte Expertinnen. Helene Lange trug zu einem Prachtband über Das deutsche Volk zur Jahrhundertwende mit einem Text über die »Frauenbewegung« bei, und eine Seite mit Fotos und Kurzbiografien widmeten die Herausgeber den Frauenrechtlerinnen und Reformerinnen.64 Als die Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine, Marie Stritt, während des Internationalen Frauenkongresses in Berlin im Jahr 1904 auf dem Titelblatt der Berliner Illustrirten Zeitung prangte, musste gerade auch dem antifeministischen Lager klar geworden sein, wie sehr die alte Geschlechter- und Gesellschaftsordnung unter Beschuss stand. Während dieses Kongresses in Berlin wurde unter Mitwirkung deutscher Frauenrechtlerinnen wie Marie Stritt oder Anita Augspurg die International Woman Suffrage Alliance gegründet.65 1909 schrieb August Bebel zur 50. Auflage von Die Frau und der Sozialismus über den Kampf um die Gleichstellung der Frauen: »Es dürfte kaum eine zweite Bewegung geben, die in so kurzer Zeit so günstige Resultate erzielte […]. Wir leben bereits mitten in der sozialen Revolution.«66 Diese Erfolge brachten auch die Gegner und Gegnerinnen auf den Plan, und in allen Ländern entstanden antifeministische Strömungen. In Deutschland etwa erhielt der Publizist Paul Julius Möbius für seine misogynen Schriften großen Beifall, doch sorgte er damit auch für so viel Empörung und Spott, dass er die weiteren Auflagen vor allem mit vielseitigen Verteidigungen anfüllte.67

In den europäischen Ländern und in Nordamerika berichteten die Zeitungen mit Interesse und meistens mit Sympathie von den Aktionen der Frauenrechtsbewegung. In Großbritannien erhoben Frauen schon in der Vorkriegszeit ihre Stimmen auch im Parlament: Sie störten die Parlamentsreden der Männer mit Zwischenrufen von der Ladies’ Gallery. Und in den Räumen des deutschen Reichstags tagten bereits in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Gruppierungen der Frauenbewegung, wie der Verband fortschrittlicher Frauenvereine, und reklamierten ihren Anspruch auf Mitsprache im Parlament. Malte König verdeutlicht auch den Epochenwechsel, der sich durch den Einzug der Frauen auf die Parlamentsbänke vollzog: Die männlichen Delegierten verhandelten Politik nicht mehr unter sich, sondern mussten für ihre Äußerungen gegenüber ihren weiblichen Parteiangehörigen einstehen. Der Ton im Parlament, so Malte König, änderte sich.

Frauenrechtlerinnen redeten im Chor der öffentlichen Stimmen mit, bevor der Erste Weltkrieg dem ein Ende setzte: Sie erklärten selbstbewusst und zumeist im fortschrittsoptimistischen Ton der Reformzeit ihre Berufung zur Weltverbesserung, verwiesen auf die weibliche Friedfertigkeit, auf die Differenz von Frauen, auf ihren angeblich natürlichen Hang zur Fürsorge und Mutterliebe. Helene Lange sprach es 1896 offen aus: »Der rein männliche Staat in seiner starren Einseitigkeit hat sich eben nicht bewährt.«68 Und Bertha von Suttner beschwor 1906 in ihrer Ansprache zur Verleihung des Nobelpreises die Notwendigkeit, »die ganze militärisch organisierte Gesellschaftsordnung« neu zu strukturieren. Dafür sahen diese Frauen die Zeit gekommen.69

Von 1906 bis 1932 führten rund 40 Nationalstaaten das Frauenwahlrecht ein. Warum wird diese grundstürzende Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Welt so erstaunlich selten in die allgemeine Geschichte aufgenommen? Neben der Tatsache, dass Demokratiegeschichte vielfach die Frage nach dem Geschlecht ausblendet, mag eine weitere Ursache darin liegen, dass nur wenige Jahre später der Nationalsozialismus und faschistische Ideologien die Welt erneut veränderten und schließlich der Zweite Weltkrieg begann. Tatsächlich schienen sich die positiven Auswirkungen des Wahlrechts, auf die Feministinnen gesetzt hatten, in Grenzen zu halten. Auch nachdem Frauen wählten, wirkte Geschlecht vielfach stärker als die politischen Unterschiede, wie Harm Kaal für die Niederlande konstatiert. Frauen wurden weiterhin zum Schweigen gebracht (solange sie ihrer Garderobe mehr Beachtung als der Politik schenkten, sollten sie sich nicht in Politik einmischen, erklärten Männer den Niederländerinnen), und Frauen wurden als unmündige Wesen behandelt, die man nicht mit rationalen Argumenten überzeugen konnte. Birte Förster beschreibt in ihrem Text den zähen, aggressiven Widerstand gegen die Gleichberechtigung von Frauen in juristischen Berufen; und der Landtagspräsident der Hessischen Volkskammer wies die DDP-Abgeordnete Karoline Balser zurecht, als sie beklagte, dass keine einzige Parlamentarierin in die entscheidenden Ausschüsse gewählt worden sei. Die Frau, ihre Stimme erhebend und mit Macht ausgestattet im öffentlichen Raum, blieb eine Provokation, und die Warnung vor einer Vermännlichung von Richterinnen, Anwältinnen und anderen Frauen im Staatsdienst wurde wieder lauter. Lutz Vogel zeigt in seinem Aufsatz über Sachsen die Verdrängung der Frauen aus einflussreichen politischen Positionen. In Deutschland sank der Anteil der Parlamentarierinnen auf Reichsebene von 1919 bis 1933 von bemerkenswerten neun Prozent auf vier Prozent; erst 1980 würden die neun Prozent wieder erreicht werden. Marion Röwekamp legt die Hemmnisse gegen eine Reform des Familienrechts dar, das wesentlich zu einer Gleichstellung der Frau beigetragen hätte. Die Kontinuitäten der Repression blieben bestehen – trotz der Einführung des neuen Wahlrechts.

Die Kunde davon, dass Frauen politische Subjekte sein könnten, und die praktische Umsetzung dieses Wissens und seine Einübung: All das erwies sich als ein längerer und hochkomplexer Prozess, dessen Folgen umstritten blieben und der nicht zuletzt durch die Nationalsozialisten partiell annulliert wurde – eine Entwicklung, die wir in diesem Band vom 19. Jahrhundert bis tief ins 20. Jahrhundert analysieren. Wenn wir mit einem weiteren Begriff von Politik und Demokratie arbeiten, werden aber nicht nur die Misogynie demokratischer Traditionen deutlich, sondern auch die Aufbrüche. Fast nirgendwo ließ sich das Frauenwahlrecht im 20. Jahrhundert tatsächlich wieder annullieren, vielmehr breitete es sich auch weiterhin kontinuierlich aus. Frauen konnten sich neu definieren. Politikerinnen und Politiker etablierten in der Zwischenkriegszeit den Sozialstaat und vertieften ihn, indem sie viele der von den Reformerinnen und Frauenrechtlerinnen geforderten Besserungen umsetzten. Der Vergleich von der Zeit vor und nach der Einführung des Frauenwahlrechts zeigt, wie in den betroffenen Ländern die Frauenemanzipation zu einer signifikanten Erhöhung der Sozialausgaben führte.70 So entwickelte sich in ganz Europa ein altes Anliegen der Frauenbewegung zu einem zentralen Thema, das dann insbesondere nach 1945 vielfach ins Zentrum der Politik rückte: der Schutz der menschlichen Würde.71

1Prototypisch für diese Erzählung: Sean Wilentz, Rise of American Democracy. Jefferson to Lincoln, New York u. a. 2005, S. xix.

2Hayden White, Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt am Main 1991.

3Ute Frevert/Heinz-Gerhard Haupt (Hg.), Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, Frankfurt am Main/New York 2005; Thomas Mergel, Kulturgeschichte der Politik, Version: 2.0, in: Docupedia Zeitgeschichte, http://docupedia.de/zg/Kulturgeschichte_der_Politik_Version_2.0_Thomas_Mergel [29. 3. 2018]; Barbara Stollberg-Rilinger, Einleitung. Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: dies. (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, Berlin 2004, S.9–24.

4Vgl. etwa Edmund S. Morgan, Inventing the People. The Rise of Popular Sovereignty in England and America, New York 1989; Caroline Daley/Melanie Nolan (Hg.), Suffrage and Beyond. International Feminist Perspectives, New York 1994; Margaret L. Anderson, Lehrjahre der Demokratie. Wahlen und politische Kultur im Deutschen Kaiserreich, Stuttgart 2009; Joanna Innes/Mark Philip (Hg.), Reimaging Democracy in the Age of Revolutions. America, France, Britain, Ireland 1750–1850, Oxford 2015. Zur Transnationalität der Frauengeschichte vgl. beispielhaft Anja Schüler, Frauenbewegung und soziale Reform. Jane Addams und Alice Salomon im transatlantischen Dialog, 1889–1933, Stuttgart 2004; Dawn Teele, Forging the Franchise. The Political Origins of the Women’s Vote, Princeton 2018; Malcolm Crook, L’Avènement du suffrage féminin dans une perspective globale (1890–1914), in: Landry Charrier (Hg.), Circulations et réseaux transnationaux en Europe (XVIIIe–XXe siècles), Berlin 2013, S. 57–68. Allerdings halten sich gerade im angelsächsischen Raum nach wie vor Sonderwegerzählungen, vgl. etwa Jad Adams, Women & the Vote. A World History, Oxford 2014, S. 261–277.

5Vgl. etwa Carole Pateman, The Disorder of Women. Democracy, Feminism, and Political Theory, Stanford 1989; Barbara Holland-Cunz, Feministische Demokratietheorie, Opladen 1998; Gundula Ludwig/Birgit Sauer/Stefanie Wöhl (Hg.), Staat und Geschlecht. Grundlagen und aktuelle Herausforderungen feministischer Staatstheorie, Baden-Baden 2009; Jean L. Cohen/Andrew Arato, Civil Society and Political Theory, Cambridge, Mass. 1992.

6Paula Baker, The Domestication of Politics. Women and American Political Society, 1780–1920, in: The American Historical Revue 89/3 (1984), 620–647.

7Vgl. aus der reichhaltigen Forschung etwa Kerstin Wolff, »Stadtmütter«. Bürgerliche Frauen und ihr Einfluss auf die Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert (1860–1900), Königstein i.Ts. 2003. Angelika Schaser, Frauenbewegung in Deutschland 1848 bis 1933 (= Geschichte kompakt, Bereich Neuzeit), Darmstadt 2006; Gro Hagemann u. a. (Hg.), Women’s Politics and Women in Politics. In Honor of Ida Blom, Oslo 2000; Gisela Bock/Pat Thane, Maternity and Gender Politics. Women and the Rise of the European Welfare States, 1880s–1950s, London/New York 1991.

8Patemen, Beyond Suffrage, S. 343; Hedwig Richter, Transnational Reform and Democracy. Election Reform in New York City and Berlin around 1900, in: Journal of the Gilded Age and Progressive Era 15 (2016), S. 149–175.

9Sandra Stanley Holton, Feminism and Democracy, Women’s Suffrage and Reform Politics in Britain, 1900–1918, London 2003, S. 130; Ute Planert, Nation und Nationalismus in der deutschen Geschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 39 (2003), S. 11–18, hier S. 18; auch mit weiterer Forschung: Angelika Schaser, Zur Einführung des Frauenwahlrechts vor 90 Jahren am 12. November 1918, in: Feministische Studien 1 (2009), S.97–110, hier S. 107.

10Michael Geyer/Charles Bright, World History in a Global Age, in: The American Historical Review 100 (1995), S. 1034–1060, hier S. 1044–1047.

11Beispielhaft sei hier auf zwei Aufsätze mit Forschungsüberblick verwiesen: Ida Blom, Structures and Agency; Agency. A Transnational Compairison of the Struggle for Women’s Suffrage in the Nordic Countries During the Long 19th Century, in: Scandinavian Journal of History 27/5 (2012), S.600–620; Crook, L’Avènement du suffrage féminin; vgl. generell zur Forschung über das Frauenwahlrecht den Literaturüberblick im Beitrag von Kerstin Wolff und in der Einleitung.

12Vgl. Literatur in Fußnote 4; Daniel Rodgers spricht von einer »atlantischen Ära der Sozialpolitik« für die Zeit von 1870 bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Daniel T. Rodgers, Atlantiküberquerungen. Die Politik der Sozialreform, 1870–1945, Stuttgart 2010, S. 14f.

13Adam Tooze, Ein globaler Krieg unter demokratischen Bedingungen, in: Tim B. Müller/Adam Tooze (Hg.), Normalität und Fragilität. Demokratie nach dem Ersten Weltkrieg, Hamburg 2015, S. 37–70; C. B. Macpherson, The Life and Times of Liberal Democracy, New York 1977, S. 64–69.

14Andrea Maihofer, Geschlecht als Existenzweise. Macht, Moral, Recht und Geschlechterdifferenz, Frankfurt am Main 1995; Iris Marion Young, Das politische Gemeinwesen und die Gruppendifferenz. Eine Kritik am Ideal des universalen Staatsbürgerstatus, in: Herta Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Jenseits der Geschlechtermoral. Beiträge zur feministischen Ethik, Frankfurt am Main 1993, S. 267–304.

15Vgl. Herrad-Ulrike Bussemer, Frauenwahlrecht, in: dies.u. a. (Hg.), Debatte um das Frauenwahlrecht in Deutschland, Hagen 1992, S. 5–19; Amy Hackett, The German Women’s Movement and Suffrage, in: Robert J. Bezucha (Hg.), Modern European Social History, Lexington 1972, S. 354–386; Barbara Holland-Cunz: Die alte neue Frauenfrage, Frankfurt am Main 2003, S. 43–49 et passim; vgl. die detaillierte Widerlegung deutscher Sonderweggeschichten für das Frauenwahlrecht mit umfassender Literatur bei Gisela Bock, Das politische Denken des Suffragismus. Deutschland um 1900 im internationalen Vergleich, in: dies., Geschlechtergeschichten der Neuzeit. Ideen, Politik, Praxis, Göttingen 2014, S. 168–203.

16Ute Planert, Wie reformfähig war das Kaiserreich? Ein westeuropäischer Vergleich aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Sven Oliver Müller/Cornelius Torp (Hg.), Das Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse, Göttingen 2009, S. 165–184, hier S. 172.

17Dabei betonte beispielsweise schon die Frauenrechtlerin Ika Freudenberg, die zahlreiche Probleme bearbeitete, mit denen Frauen zu kämpfen hatten, dass man »das politische Wahlrecht der Frau, ihren vollen Anteil an der Gesetzgebung ihres Volkes, als den Kernpunkt der ganzen Frauenbewegung« anzusehen habe – so die Wiedergabe ihres Vortrags anlässlich des Internationalen Frauenkongresses in Berlin 1904 bei Marie Stritt, Der Internationale Frauenkongress in Berlin 1904, Berlin 1905, S. 520.

18Das erklärt auch, warum die stark parteipolitisch geprägte Sicht der Sozialdemokratin Marie Juchacz aus der ersten Rede einer Abgeordneten im deutschen Parlament vielfach als historische Tatsache zitiert wird: »[I]ch möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, daß es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat.« Rede Marie Juchacz, Stenographischer Bericht, Nationalversammlung, 11. Sitzung, 19. 2. 1919, S. 177.

19Ius Suffragii – International Woman Suffrage News 4 (1919), S. 1.

20Vgl. etwa Richard Bensel, The American Ballot Box in the Mid-Nineteenth Century, Cambridge 2004.

21»The study of the historic texts is an important part of political theory but most standard interpretations of the texts still overlook the fact that virtually every theory is formulated around men as political actors«, Patemen, Beyond Suffrage, S. 337.

22Vgl. Tim B. Müller/Hedwig Richter (Hg.), Demokratiegeschichten. Deutschland (1800–1933) in transnationaler Perspektive. Themenheft Geschichte und Gesellschaft, im Erscheinen.

23Vgl. dazu die umsichtigen Ausführungen von Tim B. Müller, Nach dem Ersten Weltkrieg. Lebensversuche moderner Demokratien, Hamburg 2014, S. 22–30, insbes. S. 29.

24Vgl. dazu pointiert Christoph Möllers, Demokratie – Zumutungen und Versprechen, Berlin 2008, S. 7–26; Müller, Nach dem Ersten Weltkrieg, S. 22–30.

25Vgl. Joan W. Scott, Gender. A Useful Category of Historical Analysis, in: The American Historical Review 91/5 (1986), S. 1053–1075; Young, Das politische Gemeinwesen, S. 267–304.

26Hilda Sabato, Citizenship, Political Participation and the Formation of the Public Sphere in Buenos Aires 1850s–1880s, in: Past and Present 136 (1992), S. 139–163; Alexander Keyssar, Voting, in: Michael Kazin/Rebecca Edwards/Adam Rothman (Hg.), Princeton Encyclopedia of American Political History, Princeton 2009, S. 854–863; Ruth B. Collier, Paths toward Democracy. The Working Class and Elites in Western Europe and South America, Cambridge 1999; vgl. auch den Forschungsüberblick in Hedwig Richter/Hubertus Buchstein, Eine Neue Geschichte der Wahlen, Einleitung, in: dies. (Hg.), Kultur und Praxis der Wahlen. Eine Geschichte der modernen Demokratie, Wiesbaden 2017, S. 1–27.

27Paula Bartley, Votes for Women 1860–1928, London 2003.

28Um nur einige der neueren einschlägigen Arbeiten zu nennen: Blom, Structures and Agency, S. 600–620; Angela K. Smith, Suffrage Discourse in Britain During the First World War, New York 2016; Sandra F. Vanburkleo, Gender Remade. Suffrage, Citizenship, and Statehood in the New Northwest, 1879–1912, Cambridge 2015; Zoé Kergomad, An die Urnen, Schweizerinnen! Die Erfindung der Wählerin im eidgenössischen Wahlkampf von 1971, in: Richter/Buchstein (Hg.), Kultur und Praxis der Wahlen, S. 237–265.

29Siehe zu dem Fragenkatalog: Carole Pateman, Beyond Suffrage. Three Questions About Woman Suffrage, in: Daley/Nolan (Hg.), Suffrage and Beyond, S. 331–348.

30Ulla Wischermann, Frauenbewegungen und Öffentlichkeiten. Netzwerke, Gegenöffentlichkeiten und Protestinszenierungen einer sozialen Bewegung um 1900, Königstein i.Ts. 2003; Robert Connell, The State, Gender and Sexual Politics, Theory and Appraisal, in: Theory and Society 19 (1990), S.507–544; Ben Griffin, The Politics of Gender in Victorian Britain. Masculinity, Political Culture and the Struggle for Women’s Rights, Cambridge 2012; Gabriele Metzler/Dirk Schumann (Hg.): Geschlechter(un)ordnung und Politik in der Weimarer Republik, Bonn 2016, (Schriften der Stiftung Reichspräsident Friedrich-Ebert-Gedenkstätte 16); Kirsten Heinsohn, Konservative Parteien in Deutschland 1912 bis 1933. Demokratisierung und Partizipation in geschlechterhistorischer Perspektive, Düsseldorf 2010.

31Pierre Bourdieu, Die männliche Herrschaft [1997], in: Irene Dölling/Beate Krais (Hg.), Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktion in der sozialen Praxis, Frankfurt am Main 1997, S. 153–217, hier S. 158 et passim.

32Karen Hagemann, Nation, Krieg und Geschlechterordnung. Zum kulturellen und politischen Diskurs in Preußen in den Jahren der antinapoleonischen Erhebung, 1806–1815, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), 4, S. 562–591, hier S. 571; Daniel A. McMillan, »… die höchste und heiligste Pflicht …«. Das Männlichkeitsideal der deutschen Turnerbewegung 1811–1871, in: Thomas Kühne (Hg.), Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im Wandel der Moderne, Frankfurt am Main 1996, S. 89f.

33Thomas Welskopp, Das Banner der Brüderlichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie vom Vormärz bis zum Sozialistengesetz, Bonn 2000, S. 145 u. S. 335–337.

34Wilhelm Heinrich Riehl [1855], Die Familie, Stuttgart 1861, in: http://gutenberg.spiegel.de/buch/die-familie-1206/3 [16. 12. 2017], S. 5.

35Zitiert nach Ute Planert, Antifeminismus im Kaiserreich, Göttingen 1998, S. 36; zu Treitschkes Idealisierung Königin Luises s. Birte Förster, Der Königin Luise-Mythos. Mediengeschichte des »Idealbilds deutscher Weiblichkeit«, 1860–1960, Göttingen 2011, S. 143–147; vgl. auch Ute Frevert, »Unser Staat ist männlichen Geschlechts«. Zur politischen Topographie der Geschlechter vom 18. bis frühen 20. Jahrhundert, in: dies., »Mann und Weib, und Weib und Mann«. Geschlechter-Differenzen in der Moderne, München 1995, S. 112.

36Johann Caspar Bluntschli (Hg.), Deutsches Staats-Wörterbuch. Bd. 11, München 1870, S. 130.

37Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie, München 2017, S. XVII.

38In Karikaturen über Wahlen etwa malten die Demokratiegegner Frauen, vgl. etwa »Acts for better maintaining of the purity of elections«, 1844, American School, (19th century)/American Antiquarian Society, Worcester, Massachusetts, USA; »The Great Suffrage Question. Colored Gentlemen, Strong-Minded Women, Minors and Distinguished Foreigners – We all want to vote!«, 1865; eine Zeichnung der Wahlen in New York zeigt kontrastierend den würdevollen Ablauf der Wahlen in einem wohlhabenden Viertel ausschließlich mit männlicher Besetzung, während sich in dem ärmeren Viertel neben prügelnden Kerlen einige Frauen zeigen, Election Day in New York, The Illustrated London News, 3. 12. 1864.

39Stollberg-Rilinger, Maria Theresia, S. 68–71 u. 88–115 u. 123.

40John Tosh, Hegemonic Masculinity and the History of Gender, in: Dudnik/Hagemann/Tosh (Hg.), Masculinities, S.41–60, hier S.48; vgl. dazu Silvia Bovenschen, Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen, Frankfurt am Main 2003, S. 66.

41Gisela Bock, Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2000, S. 183; vgl. Tosh, Hegemonic Masculinity, S.41 u. 47–48.

42Michael J. Hughes, Forging Napoleon’s Grande Armée. Motivation, Military Culture, and Masculinity in the French Army, 1800–1808, New York 2012; Ninon Maillard, La Femme, le mari et le juge: étude sur la procédure à fin d’autorisation d’ester en justice, in: Revue historique de droit français et étranger 87/4 (2009), S. 599–613; Christoph Sorge, Die Hörigkeit der Ehefrau. Entstehungsgeschichte und Entwicklungslinien von Art 213 Code civil 1804 sowie Kritik der französischen Frauenbewegung, in: Stephan Meder/Christoph-Eric Mecke (Hg.), Reformforderungen zum Familienrecht international, Bd. 1: Westeuropa und die USA (1830–1914), Köln u. a. 2015, S. 126–187.

43Michael Kimmel, Manhood in America. A Cultural History, New York u. a. 1996, S. 19 u. 28, S. 59–61; vgl. dazu Washington Irving, A Tour on the Prairies, 1835, http://www.telelib.com/authors/I/IrvingWashington/prose/touroftheprairies/index.html [10. 12. 2017], Kap. 10.

44Female Influence in the Affairs of State, in: Democratic Review 43 (1859), S. 175f. u. 177.

45The Homes of America the Hope of the Republic, in: Democratic Review 38/11 (1856), S. 292–298; Female Influence in the Affairs of State – Politics not Woman’s Sphere, in: Democratic Review 43 (1859), S. 178–185; vgl. auch Six Weeks in the Moon, in: Democratic Review 1 (1853), S. 513–523.

46David Grimsted, American Mobbing, 1828–1861. Toward Civil War, New York 1998, S. 181; mit einem Überblick über die neuere Forschung Hedwig Richter, Moderne Wahlen. Eine Geschichte der Demokratie in Preußen und den USA im 19. Jahrhundert, Hamburg 2017, S. 137–228.

47Patemen, Beyond Suffrage, S. 336.

48Gisela Bock, Wege zur demokratischen Bürgerschaft: transnationale Perspektiven, in: dies., Geschlechtergeschichten der Neuzeit, S. 204–240.

49Vgl. zum diffizilen Beitrag konservativer Frauen zur Frauenemanzipation Heinsohn, Konservative Parteien in Deutschland 1912 bis 1933, Planert, Antifeminismus im Kaiserreich.

50Wobei die Forschung schon länger darauf hingewiesen hat, dass diese Trennung in der Praxis keineswegs so absolut war, wie in der Theorie angenommen, Ute Planert, Vater Staat und Mutter Germania. Zur Politisierung des weiblichen Geschlechts im 19. und 20. Jahrhundert, in: dies. (Hg.), Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne, Frankfurt am Main 2000, S. 15–65, hier S. 25 u. 30.

51Kathleen Canning, Citizenship vs. National Identity in Modern Germany, in: Geoff Eley/Jan Palmowski (Hg.), Citizenship and National Identity in Twentieth-Century Germany, Stanford, Ca. 2008, S. 214–231; vgl. auch dies., Claiming Citizenship. Suffrage and Subjectivity in Germany After the First World War, in: dies./Kerstin Barndt/Kristin McGuire (Hg.), Weimar Publics/Weimar Subjects. Rethinking the Political Culture of Germany in the 1920s, New York 2010, S. 116–137.

52Pateman, Beyond Suffrage, S. 331.

53Vgl. den Beitrag von Barbara von Hindenburg.

54Philipp Sarasin, Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765–1914, Berlin 2001, S. 76.

55Gundula Ludwig, Zur Dekonstruktion von »Frauen«, »Männern« und »dem Staat«, Foucaults Gouvernementalitätsvorlesungen als Beitrag zur Weiterentwicklung feministischer poststrukturalistischer Staatstheorie, in: femina politica 2 (2010), S. 39–49, hier S.42f. u. 46.

56Bourdieu, Die männliche Herrschaft, S. 173 u. 186.

57Ebd., S. 159; vgl. zur Konstruktion des disqualifizierenden Verhältnisses der Frauen zu ihren Körpern: Ludwig, Dekonstruktion, S.42f.

58Emmeline Pankhurst, Suffragette. Die Geschichte meines Lebens, Göttingen 2016, S. 31.

59Christoph Kucklick, Das unmoralische Geschlecht. Zur Geburt der Negativen Andrologie, Frankfurt am Main 2015.

60Vgl. zur neuesten Forschung Kerstin Wolff, Anna Pappritz (1861–1939). Die Rittergutstochter und die Prostitution, Sulzbach i.Ts. 2017.

61Vgl. dazu auch Wischermann, Frauenbewegungen.

62John Stuart Mill, Speech on the Admission of Women to the Electoral Franchise. Spoken in the House of Commons, 20. 5. 1867, S.826, http://hansard.millbanksystems.com/commons/1867/may/20/clauses-3-4-progress-may-17#S3V0187P0_18670520_HOC_83 [31. 3. 2018].

63Mary Beard, Women & Power, London 2017, insbes. S. 17; Josephine Hoegaerts, Masculinity and Nationhood, 1830–1910. Constructions of Identity and Citizenship in Belgium, Genders and Sexualities in History, Houndmills 2014; Josephine Hoegaerts, Speaking Like Intelligent Men. Vocal Articulations of Authority and Identity in the House of Commons in the Nineteenth Century, in: Radical History Review 121 (January 2015), S. 123–144; vgl. dazu auch Theo Jung, »Schweigen«, in: Daniel Morat/Hansjakob Ziemer (Hg.), Handbuch Sound: Geschichte – Begriffe – Ansätze, Stuttgart/Weimar, im Druck.

64Das Goldene Buch des Deutschen Volkes an der Jahrhundertwende, Leipzig o. D. [1900], Teil »Wirtschaftsleben«, S. 9 und 13.

65Der »Weltbund für Frauenstimmrecht«, so der deutsche Name, wurde später in »International Alliance of Women« umbenannt; vgl. Stritt, Der Internationale Frauenkongress, S. 520.

66August Bebel, Die Frau und der Sozialismus [50.Aufl., 1909]. Mit einem einleitenden Vorwort von Eduard Bernstein, Berlin/Bonn 1985, S. 36.

67Paul Julius Möbius, Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes, Halle an der Saale 1908.

68Helene Lange, Intellektuelle Grenzlinien zwischen Mann und Frau/Frauenwahlrecht, Berlin 1899, S. 34.

69Bertha von Suttner, Nobelvorlesung, gehalten vor dem Nobel-Comité des Storthing zu Christiania am 18. 4. 1906, Nobelprize.org, https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/1905/suttner-lecture-ge.html [5. 1. 2018].

70Teele, Forging the Franchise, S. 274f.

71Müller, Nach dem Ersten Weltkrieg; Laura Beers, Frauen für Demokratie. Möglichkeiten und Grenzen des zivilgesellschaftlichen Engagements, in: Müller/Tooze, Normalität und Fragilität, S. 111–132; Jeppe Nevers, Demokratiekonzepte in Dänemark nach dem Ersten Weltkrieg, in: ebd., S. 379–391.

Frauenwahlrecht

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