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DIE WIEDERBELEBUNG SPONTANEN ERKENNENS

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Die Geologie des Erkennens verneint ein solches, rein gewöhnliches Erkennen nicht. Sie bleibt aber nun – im Gegensatz zur Standardökonomie – dort nicht stehen und öffnet auf diese Weise neue Spielräume für die ökonomische Bildung. Die grundlegende Differenz zur Standardökonomik und ihres impliziten Erkenntnisparadigmas besteht darin, Formen des Erkennens, die relational zu gegenwärtigen Erfahrungen sind, nicht mehr länger zu ignorieren und ins vollständig Dunkle des vermeintlich nicht Erkennbaren zu versenken. Zunächst macht sie dafür eine Form des Erkennens stark, wie sie insbesondere in akuten Notfällen – so etwa der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie – immer wieder augenfällig wird, gleichwohl aber gerade von Ökonom*innen entweder vollständig übergangen oder aber argwöhnisch beäugt wird: das spontane Erkennen, das Menschen in unmittelbaren Erfahrungsbezügen nicht nur reagieren, sondern tatsächlich agieren lässt.

Charakteristisch für das spontane Erkennen sind die Aktivitäten des Gemeinsinns. Dieser meint die Fähigkeit, alte Urteile und Vorurteile vollumfänglich fallenzulassen und so deren handlungslenkende Wirkungen auszusetzen. Stattdessen werden angesichts konkreter Erfordernisse der Gegenwart neue Imaginationen generiert. Der Gemeinsinn erlaubt, die Lebenswelt wahrzunehmen, bevor mentale Stereotypen oder berechnende Kalküle sie im Licht bloß vergangener Erinnerungen bewerten. Dafür fügt er konkrete Sinneswahrnehmungen zu reflektierten Einheiten zusammen und arbeitet an der tiefsten Stelle des unteren Erkenntnismantels. Dort löst er alte Gewohnheiten des Erkennens auf und lässt sie ins Magma des Erkenntniskerns einsinken. Zugleich spürt der Gemeinsinn – jenseits der Wirkmächtigkeit des begrifflichen Verstands – neue potenziell sinnhafte Strukturen auf und stabilisiert sie anfänglich in improvisierendem Handeln. Dabei ist er nicht nur ein genuin kreativer, sondern auch ein moralischer Sinn, da er Bedürfnissen situationsadäquat und selbstlos begegnen kann.

Wichtig ist an dieser Stelle, dass das spontane Erkennen sich jeder operationalisierenden Form der Bildung entzieht. Es agiert gewissermaßen ex negativo, es gleicht der Negation aller Bildungsprozesse, die im Bereich des begrifflichen Verstandes bloß Stereotype oder im Bereich der abstrakten Vernunft allein Kalküle antrainieren. Stattdessen fordert der Gemeinsinn Freiräume in konkreten Erfahrungssituationen, sodass sich das Handeln angesichts von unmittelbaren Notwendigkeiten selbst professionalisieren darf. Gerade das Feld der Sorgearbeit scheint hier außerordentlich wichtig zu sein, damit Gestaltungsarbeit im Bereich der unmittelbaren wechselseitigen Abhängigkeiten von Menschen als Bedingung ihrer Existenz direkt erfahrbar und gestaltbar wird.

Während der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie hoffen viele Menschen, dass aus spontanem Gemeinsinn dauerhaft neue Gewohnheiten des Denkens und Handelns erwachsen mögen. Doch ist dies illusorisch, da der Gemeinsinn für sich genommen stets nur in unmittelbaren Handlungs- und Erfahrungsvollzügen wirksam ist. Eine »Corona-Dämmerung des Neoliberalismus«, wie die taz sie etwa beschwört, wird er deswegen nicht heraufziehen lassen können. Vielmehr droht ein Rückfall in alte Gewohnheiten, sobald die drängendsten Notlagen vorüber sind.

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