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FÜR EINE REFLEXIVE BIODIVERSITÄT DES ERKENNENS: DAS BASHO-FRAMEWORK

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Natürlich geht es mir nicht darum, das rationale und das gewöhnliche Erkennen einfach auf den Scheiterhaufen der Geschichte zu befördern. Vielmehr entwerfe ich eine neue Vision reflexiver Biodiversität des Erkennens, die verschiedene Habitate umfasst und die sich an das basho-Framework anlehnt, welches auf der Abbildung unten gezeigt wird. Basho ist ein japanischer Begriff, der so viel wie »konkrete Aufenthaltsorte« oder »Wirkungsstätten« meint und in der japanischen Philosophie gerade auch die Vorstellung von Habitaten des Erkennens beinhaltet. Das basho-Framework kennt – genau wie die von mir vorgeschlagene Imagination der Geologie des Erkennens – nun nicht mehr bloß zwei, sondern fünf solcher Habitate: Rechts befindet sich das rationale Erkennen, das die neoklassische Theorie und die Theorie rationaler Erwartungen zur Monokultur erhoben hat. Auf der gleichen Seite liegt auch das gewöhnliche (oftmals unbewusste) Erkennen, das die Verhaltensökonomik gemeinsam mit dem rationalen Erkennen zur alleinherrschenden Duokultur stilisiert hat. Ergänzt (aber nicht ersetzt!) finden sich diese beiden nun durch das sinnstiftende, das spontane sowie das – mittig abgebildet – radikal-imaginäre Erkennen.


3 basho-Framework

Die Geologie des Erkennens, wie in der Abbildung auf Seite 30 gezeigt, schafft eine neue Vorstellung dafür, wie das spontane und das sinnstiftende Erkennen sowohl das gewöhnliche als auch das rationale Erkennen mitformen, zugleich aber von ihnen fest umschlossen und eingeschnürt werden: Spontanes und sinnstiftendes Erkennen können sich ihren Weg an die Oberfläche gesellschaftlicher Wahrnehmung und Gestaltung im Normalfalle nicht bahnen, sondern werden, obwohl sie im wahrsten Wortsinn fundamental sind, durch Formen epistemischer Gewalt verschwiegen, ignoriert und unterdrückt.

Mithilfe des basho-Frameworks möchte ich demgegenüber eine neue Oberfläche des Erkennens visualisieren, die nun nicht mehr allein vom rationalen, sondern von allen fünf Formen des Erkennens besiedelt und damit von mehreren Habitaten des Erkennens geprägt ist. Starke tektonische Kräfte in den Tiefen erfahrungsrelationalen Erkennens machen dies möglich: Sie können neue kreative Normalitäten ausbilden, sodass der begriffliche Verstand in neue Entscheidungsarchitekturen eingelassen wird und sein vormals starres Gerüst Bruchstellen erleidet. In der Folge weist auch das rationale Erkennen kein bruchloses Fundament mehr auf, sondern vermag ebenfalls aufzubrechen. Doch statt sich nur in Gestalt katastrophaler Eruptionen oder verheerender Erdbeben wandeln zu können, wird es von tektonischen Kräfte, die aus Dynamiken der tieferen Erkenntnisschichten herrühren, wie eine Kontinentalplatte in einen strikt begrenzten Teil der Erkenntnisoberfläche verschoben. In den so freigewordenen Bereichen können nun das gewöhnliche, das sinnstiftende und das spontane Erkennen ihrerseits an die Oberfläche treten und so eigene Habitate ausbilden. Die Dynamik, die der Gesamtoberfläche ihre Gestalt neu verleiht, ergibt sich aus dem Wirken des Gemeinsinns am Rande hin zur radikalen Imagination. Denn genau durch ihn beginnen sich die Tragfähigkeit als auch die Flexibilität der Erkenntnisschichten zuallererst auszubilden. Das basho-Framework ist für mich deswegen auch Sinnbild einer neuen Gemeinsinn-Ökonomie. Dabei stellt es ausdrücklich kein neues, erfahrungsunabhängiges Modell der Ökonomie dar, sondern eine sinnstiftende Imagination. Als solche soll es Menschen nicht erneut in ihrer Kreativität des Erkennens einschränken, sondern neue Spielräume schaffen, um dieser visuell und sprachlich Ausdruck zu verleihen.

In diesem Raum tritt nun auch das radikal Imaginäre offen zutage: Von den jeweils inneren Verwerfungslinien aller Erkenntnisweisen vermag der Blick frei und unverstellt in dessen dynamische Tiefe zu gleiten. Dies meint, dass jede Erkenntnisweise – statt sich zur Monokultur aufzuweiten – ausdrücklich vermittelt, dass sie selbst nur ein spezifisch Gewordenes darstellt, bereits mehr oder weniger gegenüber den stets dynamischen Erfahrungen der Gegenwart verhärtet. Wie in geologischen Aufschlüssen lässt sich dabei an den Bruchlinien jeder Erkenntnisform erforschen, wie die je spezifischen Verhärtungen einst in vergangenen dynamischen Tätigkeiten ihren Ursprung nahmen.

Zugleich lässt sich durch Bewegungen zwischen den einzelnen Bereichen des Erkennens antizipieren, wie sich diese Verhärtungen in Gegenwart und Zukunft auch wieder auflösen und umgestalten können. Gewiss fällt der Übergang des radikal Imaginären hin zum spontanen Erkennen dabei am flachsten aus – im basho-Framework verdeutlicht durch die durchlässige Linie –, vermag der Gemeinsinn doch hier jeden Tag aufs Neue nah an den Erfordernissen der dynamischen Wirklichkeit zu wirken. Zugleich braucht es die Einsicht, dass sich dessen Fläche stets nur als flexibel, ja geradezu labil erweist und deswegen keine dauerhaften Veränderungen von Denk- und Handlungsgewohnheiten begründen kann. Demgegenüber erweist sich das Habitat des sinnstiftenden Erkennens bereits als deutlich stabiler, da es Gewohnheiten zu verfestigen ebenso wie zu verflüssigen versteht und so strukturellen Wandel dessen, was Normalität genannt wird, im Strom der Zeit ermöglicht. Die Bereiche des unbewussten und vor allem des rationalen Erkennens dagegen fallen wie von hohen und steilen, felsenartigen Klippen jäh zum radikal Imaginären hinab. Hier bietet sich kein seichter Übergang, denn die postulierte Unabhängigkeit des Erkennens von gegenwärtiger beziehungsweise überhaupt aller Erfahrung erlaubt diesen Übergang nur im Sinne eines Absturzes.

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