Читать книгу Economists4Future - Группа авторов - Страница 9
EINE ANDERE GESELLSCHAFT IST MÖGLICH
ОглавлениеEs ist also kein Zufall, dass die etablierten Wirtschaftswissenschaften in Bezug auf die Forderungen von Fridays for Future schweigen oder gar mit Spott reagieren. Doch das muss nicht so bleiben. Denn das Gegenteil trifft zu: Mehr denn je sind nun die Wirtschaftswissenschaften aufgefordert, sich selbst neu zu erfinden. Weil sie es sind, die die Vorstellungskraft befeuern können, welche anderen Zukünfte gesellschaftlicher (Re-) Produktion unter welchen Bedingungen möglich sind. Das Augenmerkt bleibt auf der »Suche«: Zukunft bleibt stets »im Kommen« und »4future« zu sein sagt noch nicht aus, um welche konkrete Zukunft es sich für wen handelt. Fragen von Zukunftsgestaltung münden – bei aller Eindeutigkeit, in der naturwissenschaftliche Feststellungen medial vorgetragen werden – eben nicht in Tatsachen. Befunde wie das Artensterben sind reale Bedingungen, die es anzuerkennen gilt. Aber von dort aus kann es so oder anders weitergehen. Denn infrage steht nicht allein eine sichere Versorgung mit Mobilität, Nahrung, Wohnraum, Energie und so weiter. Es geht jeweils auch um einen souveränen Umgang damit. Sicherheit und Souveränität als Zusammenspiel zeigen an, dass nicht allein das Überleben, sondern mit ihm auch das bessere Leben zur Diskussion steht. Ein Ergebnis lässt sich weder abstrakt und allgemein fassen noch formal bestimmen. Es ist so vielfältig und widersprüchlich wie die Menschen, die darüber debattieren.
In diesem Zuge kommt demokratische Politik ins Spiel, die eine Verständigung dieser Vielfalt der Verschiedenen organisieren muss. Doch darf sie dort nicht stehenbleiben. Sie muss einen »realen Einfluß auf die Wünsche und Phantasien der Menschen« nehmen, wie Chantal Mouffe es fasst. Das ist fast zynisch, weil die Krisen der Gegenwart, die ganze Existenzen bedrohen, somit zu Weckrufen und Veranlassungen werden für eine neue, im deutlichen Sinne des Wortes demokratischere Gesellschaft. Dennoch: Auf dem Weg dorthin sollten neue Denkformen auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften in diese demokratische Gestaltung eingebracht werden. Economists4future ermöglichen daher eine bessere Gesellschaft: #befähigung. Sie reflektieren offen die normativen Dimensionen kultureller Orientierungen, indem sie diese Wünsche und Fantasien auf ihre Bedingungen, Barrieren und Möglichkeiten hin kritisch analysieren, die Konsequenzen in den Blick nehmen und eine Öffentlichkeit für sie schaffen. Sie begreifen Zukunft als einen gestaltbaren Raum. Das ist die Chance und zugleich die Aufgabe dieser Zeit, in der wir leben. Ob die Lösungswege zum Ziel führen, bleibt ungewiss. Gewiss hingegen ist, dass das Aussitzen gesellschaftlicher Schieflagen, wie sie durch die Klimakrise oder die Corona-Pandemie ausgelöst werden, nur dazu führt, dass jene, die gesellschaftspolitisch ohnehin bereits am längeren Hebel sitzen, weiterhin die Gestaltung der Gesellschaft übernehmen. Denn trotz aller Unverfügbarkeit und Undurchdringbarkeit von Natur wird Geschichte letztlich nicht von Sachzwängen oder abstrakten Prinzipien aus Religion, Philosophie oder Ökonomie-Lehrbüchern geschrieben, sondern von Menschen und ihrem praktischen Tun. Weil Gesellschaften sich permanent selbst gestalten, also an ihrer Gestalt arbeiten, bedarf es der Mündigkeit, sich dem auch offen zu stellen. Das gilt auch und erst recht für Wissenschaftler*innen.
Wenn ein demokratisches »4future« also einen deutlichen Sinn aufweisen soll, dann kann das im Grunde nur bedeuten, die akademische Überheblichkeit abzulegen, die darin besteht fremdes Leben zu verurteilen, bloß weil es aus einer bestimmten Blickrichtung einem willkürlich gesetzten Ideal, wie Effizienz, Gewinnstreben oder technischer Beherrschbarkeit, nicht entspricht. Statt solches Zusammenleben im Namen wissenschaftlicher Autorität zu bevormunden, wäre es würdevoller und auch demokratischer, sich der Welt mit einem Möglichkeitssinn zuzuwenden und einen Raum zu öffnen: Die Bildungs- und Einbildungskraft befeuern, wie wir als Gesellschaften unser Zusammenleben organisieren wollen und können, Möglichkeiten abklopfen, Sprachfähigkeit herstellen, zur Gestaltung befähigen – all das könnte es heißen, economists4future zu sein.