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Hans-Dieter Furrer Fata Morgana

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Um die Mittagszeit rasteten wir im Wadi Tarfaui im Schatten eines mächtigen Felsbrockens.

„Sihdi, da drüben ist der Schott!“ Halef deutete nach Osten, in die Ebene hinaus, wo etwas glitzerte und glänzte wie flüssiges Blei.

„Mein lieber Halef, von hier aus kann man den Schott el Dscherid noch nicht sehen. Es muss sich um eine Fata Morgana handeln, eine Sinnestäuschung. Du wirst sehen, der Salzsumpf wird sich, wenn wir ihn erreichen, in Luft aufgelöst haben.“

Da es ohnehin meine Absicht war, das Wadi zu verlassen und nach Osten abzubiegen, ritten wir eine Stunde später direkt auf die Erscheinung zu. Doch je näher wir dieser glänzenden und gleißenden Luftspiegelung kamen, umso genauer konnte ich erkennen, dass es gar keine Fata Morgana war. Unzählige wannenförmige Spiegelflächen blitzten in langen Reihen vor uns im Sonnenlicht. Und kurz vor dem rätselhaften Spiegelfeld scheute mein kleiner Berberhengst, stellte sich auf die Hinterbeine und hätte mich beinahe abgeworfen.

Auch Halef bekundete große Mühe, seine Stute zu beruhigen. „Was ist das, Sihdi? Ich glaube, wir sollten uns einen anderen Weg suchen.“

Doch meine Neugier war geweckt, mein Entschluss gefasst. Ich stieg ab, riet Halef das Gleiche, und wir führten unsere unruhigen Pferde am Zügel weiter.

Da! – Es fühlte sich an, als ob man durch einen unsichtbaren Vorhang aus Spinnweben treten würde. Ich blieb stehen und entdeckte die seltsamen Radspuren. Sie mussten von einem Gefährt mit breiten Rädern stammen, die regelmäßige Zackenmuster in den Sand gedrückt hatten.

Halef machte große Augen. „Sihdi, kannst du diese Spuren lesen? Mir erscheinen sie wie die von Riesenschlangen aus der Dschehenna.“

„Ich glaube nicht, dass uns diese Spuren geradewegs in die Hölle führen“, beruhigte ich meinen treuen Begleiter. „Doch wir werden ihnen folgen und herausfinden, wovon sie stammen.“

Wir ritten dem Spiegelfeld entlang, und nach wenigen hundert Metern hatten wir das gesuchte Objekt vor uns, ein weiß lackiertes, mannhohes Ungetüm auf vier breiten Rädern, mit dunklen Fenstern und der Aufschrift SOLAR POWER BY DESERTEC.

Was bedeutete das? Wir stiegen ab und näherten uns vorsichtig dem seltsamen Gefährt.

„Was zum Teufel macht ihr hier?“ Ein großgewachsener Mann, ganz in weißes Tuch gekleidet, kam zwischen den Spiegelwannen auf uns zu. „Wie seid ihr überhaupt hier hereingekommen?“

„Es selâm alejkum“, grüßte ich. „Mein Name ist Kara Ben Nemsi. Und das hier ist mein Begleiter Halef.“

Der Mann starrte uns verwundert an. Unser Aufzug schien ihn zu verblüffen. Ich hatte meinen Henrystutzen und den schweren Bärentöter umgehängt und Halef seine langläufige Flinte.

„Sie müssen dieses Werksgelände verlassen! Sie befinden sich hier im größten solarthermischen Kraftwerk der Sahara. Wir beliefern halb Europa mit elektrischem Strom.“ Ich musste ihn völlig verständnislos angeblickt haben. Er zog ein flaches, handtellergroßes Ding aus der Tasche und tippte kurz darauf herum. „Hier, schauen Sie!“

Auf dem kleinen Gerät war eine farbige Landkarte zu sehen. Von der Sahara führte eine rote Linie durchs Mittelmeer und verzweigte sich in die Länder Europas. „Mit der Sonnenenergie betreiben wir Dampfturbinen, die elektrischen Strom erzeugen.“

Fasziniert schaute ich auf das kleine Gerät. Ich versuchte zu verstehen. In was für eine Welt waren wir geraten? Und dann entdeckte ich rechts unten das Datum:

JUNE:14:2036.

Die Erkenntnis ließ mich in der Gluthitze frösteln. Wir befanden uns in der Zukunft. Hatte uns der unsichtbare Vorhang in eine zukünftige Welt geführt?

Ich blickte mich nach Halef um, der abwartend hinter mir stand. Es gab nur einen Weg! Wir mussten zu der Stelle zurück, wo die Wagenspuren begannen, um dieser seltsamen Fata Morgana zu entkommen!

Wie zur Bekräftigung meiner Fluchtgedanken war jetzt über uns ein dröhnendes Geräusch zu hören. Zwei ungeheure fliegende Maschinen, die aussahen wie riesige Heuschrecken, donnerten über unsere Köpfe hinweg und gingen in rund fünfzig Metern Entfernung in einer wirbelnden Sandwolke zu Boden. Halef war beim Anblick der fliegenden Ungeheuer bereits auf sein Pferd gesprungen und losgeprescht, und ich tat es ihm nun gleich. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie vier Gestalten aus der Sandwolke gerannt kamen.

In gestrecktem Galopp erreichten wir das Ende des Spiegelfeldes und den Spinnwebenvorhang. Dann waren wir draußen und unsere Pferde wieherten vor Aufregung. Erst nach einem schnellen Ritt über rund zwei Kilometer wagte ich mich umzublicken.

Die Fata Morgana war verschwunden!

Erleichtert stiegen wir ab und ließen unsere Tiere ausruhen.

Durch die Wüste ritten wir dann gleichentags weiter nach Seddada. Am nächsten Tag führte uns Sadek, ein Freund von Halef, über den lebensgefährlichen Schott el Dscherid.

Auf phantastischen Pfaden

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