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Karl Griep DER UNTERTAN – ROMAN UND FILM

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Im Jahr 1918 erschien erstmals Heinrich Manns Roman »Der Untertan«, den er bereits im Juli 1914 beendet hatte. Es sollte sein berühmtestes Buch werden, vielleicht neben »Professor Unrat« (1905), das Josef von Sternberg mit DER BLAUE ENGEL (1929/30) bereits in der Weimarer Republik filmisch umgesetzt hatte.

Im Jahr 1951 hatte in der DDR ein DEFA-Film Premiere, der Manns Roman adaptierte, DER UNTERTAN von Regisseur und Co-Autor Wolfgang Staudte.

Beide Autoren, Heinrich Mann wie Wolfgang Staudte, waren unabhängige Geister, die in ihrer Arbeit und ihrem Leben konsequent vertraten, was sie meinten, sich und der Gesellschaft ihrer Zeit schuldig zu sein.

Heinrich Mann, geboren 1871, kritisierte die wilhelminische Gesellschaft, bekannte sich nach dem Ersten Weltkrieg ausdrücklich und engagiert zur Weimarer Demokratie. Er war einer der prominentesten Vertreter der expressionistischen Literatur, 1931 wurde er Präsident der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Seine Bücher brannten am 10.5.1933. Im August 1933 wurde er aus dem nationalsozialistischen Deutschland ausgebürgert, bis 1940 konnte er in Südfrankreich bleiben. Danach musste er über Spanien und Portugal in die USA fliehen. Dort, in Santa Monica, verstarb er 1950, kurz nachdem er 1949 zum Präsidenten der ost-berliner Deutschen Akademie der Künste gewählt worden war. Seine Urne wurde 1961 in die DDR überführt und nach einem Festakt in der Akademie der Künste in einem Ehrengrab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt.

Wolfgang Staudte, geboren 1906, kam Anfang der 1930er Jahre zum Film, er war die Stimme von Franz Kemmerich in der deutschen Synchronfassung von ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (1929/30, Lewis Milestone, IM WESTEN NICHTS NEUES). Dieser Film soll Staudte sehr geprägt haben. 1933 wurde ihm wegen »progressiver Betätigung« die Arbeitserlaubnis als Schauspieler entzogen, er arbeitete dann als Synchronsprecher und Rundfunksprecher von Märchen und Werbesendungen. Ab 1935 bekam er die Chance, Werbefilme zu drehen. In den 1930er Jahren war er mit über 30 Filmen gut beschäftigt. Er war auch wieder Schauspieler, neben Filmen der leichten Unterhaltung auch in Karl Ritters POUR LE MÉRITE (1938) und Veit Harlans JUD SÜSS (1940), ein Umstand, der ihn Zeit seines Lebens sehr belastet haben soll. Für die Tobis Filmkunst inszenierte er nach zwei internen kurzen »Studio-Filmen« ab 1942 mehrere unterhaltsame Spielfilme. Doch sein dritter Film, die anti-bürokratische Satire DER MANN, DEM MAN DEN NAMEN STAHL, wurde Anfang 1945 verboten. Dennoch bestand Heinrich George darauf, dass Staudte bei seinem Film FRAU ÜBER BORD Regie führte, nur dies verhinderte Staudtes Abkommandierung zur Front. Das Kriegsende erlebte Staudte im Volkssturm.

1945 war er im Auftrag des sowjetischen Filmverleihs für die deutsche Synchronfassung von IVAN GROZNYJ (1943/44, Sergej Eisenstein, IWAN, DER SCHRECKLICHE) verantwortlich. Nach vergeblichen Versuchen bei den westlichen Besatzungsmächten überzeugte er den sowjetischen Kulturoffizier Alexander L. Dymschitz (Dymšic), sein Projekt DIE MÖRDER SIND UNTER UNS! zu fördern. Staudte wurde zu Vorgesprächen der DEFA-Gründung hinzugezogen, arbeitete aber auch in den Westzonen.

Seine Filme DIE MÖRDER SIND UNTER UNS! (1946), ROTATION (1948/49), DER UNTERTAN (1951) – alle für die DEFA – sowie ROSEN FÜR DEN STAATSANWALT (1959 für Kurt Ulrich Film GmbH, Berlin/West) entstanden innerhalb von wenigen Jahren in zwei deutschen Staaten und finden sich seit 1995 auf der Liste der 100 wichtigsten deutschen Kinofilme, die vom Deutschen Kinematheksverbund durch eine Umfrage bei Hunderten Filmkritikern und anderen Filmfachleuten ermittelt wurde.1 Seine Filmografie umfasst ebenso viele Fernseh- wie Kinoarbeiten. 1984 starb er bei Dreharbeiten im Ausland, seine Asche wurde der Nordsee übergeben.

Mit dem in den USA lebenden Heinrich Mann hatte die DEFA über die Rechte von »Der Untertan« erfolgreich verhandelt. Ein anderes Projekt der DEFA war die Verfilmung des Romans »Das Beil von Wandsbek« von Arnold Zweig. Falk Harnack bat am 3.8.1950 den DEFA-Vorstand, diesen Film als sein Regiedebüt übernehmen zu dürfen, dem wurde stattgegeben. Staudte hatte an dem Drehbuch gearbeitet und war für die Regie ursprünglich vorgesehen gewesen, er interessierte sich aber auch sehr stark für »Der Untertan«.

In der Nachfolge seiner Filme DIE MÖRDER SIND UNTER UNS! und ROTATION – beide gegen Krieg, Willkür und Militarismus argumentierend – wollte Staudte den Roman verfilmen, mit dem Mann schon vor dem Ersten Weltkrieg den preußischen Untertanengeist gegeißelt hatte. Albert Wilkening formulierte, Harnack und Staudte hätten sich in einem Gentlemen Agreement über die Aufteilung der Projekte geeinigt.2 Zusammen mit seinem Vater Fritz entwickelte Staudte das Drehbuch. Die visuelle Umsetzung wurde wesentlich durch den Kameramann Robert Baberske mitbestimmt. Darüber hinaus war die Wahl des Hauptdarstellers, Werner Peters, ein für die Überzeugungskraft des Films überaus positiver Faktor. Staudte lag daran, eine schlüssige Geschichte in der Nachfolge Manns zu schaffen und dennoch die notwendige Verdichtung zu vollziehen, um aus dem in der Erstauflage 529 Seiten starken Buch einen 108-minütigen Film zu machen.

Bei der Beschreibung der Varianz der Mittel des filmischen Konzepts Vollständigkeit anstreben zu wollen, wäre vermessen. Aber eine Auswahl von Beispielen aus beiden Werken, dem Roman von Heinrich Mann und dem Film von Staudte, sollte hinreichen, um Gemeinsamkeiten in Auffassungen und Methoden, aber auch die Unterschiede darzustellen, begründet auch durch die unterschiedliche historische Situation während der jeweiligen Entstehung.

Als Einstieg in das Thema von Buch und Film ist kaum etwas geeigneter als die Buch-Rezension von Kurt Tucholsky vom März 1919 in Die Weltbühne:3 »Dieses Buch Heinrich Manns, heute, gottseidank, in aller Hände, ist das Herbarium des deutschen Mannes. Hier ist er ganz: in seiner Sucht, zu befehlen und zu gehorchen, in seiner Roheit und in seiner Religiosität, in seiner Erfolganbeterei und in seiner namenlosen Zivilfeigheit. Leider: es ist der deutsche Mann schlechthin gewesen; wer anders war, hatte nichts zu sagen, hieß Vaterlandsverräter und war kaiserlicherseits angewiesen, den Staub des Landes von den Pantoffeln zu schütteln. Das Erstaunlichste an dem Buch ist sicherlich die Vorbemerkung: ›Der Roman wurde abgeschlossen Anfang Juli 1914.‹ […] überraschend ist die Sehergabe, so haarscharf ist das Urteil, bestätigt von der Geschichte [… Die] Parallele mit dem Staatsoberhaupt [dem Kaiser] ist erstaunlich durchgearbeitet. Diederich Heßling gebraucht nicht nur dieselben Tropen und Ausdrücke, wenn er redet wie sein kaiserliches Vorbild – am lustigsten einmal in der Antrittsrede zu den Arbeitern (›Leute! Da ihr meine Untergebenen seid, will ich euch nur sagen, daß hier künftig forsch gearbeitet wird.‹ Und: ›Mein Kurs ist der richtige, ich führe euch herrlichen Tagen entgegen.‹) [… Zwei] Charaktereigenschaften sind an Heßling, sind am Deutschen auf das subtilste ausgebildet: sklavisches Unterordnungsgefühl und sklavisches Herrschaftsgelüst. Er braucht Gewalten, Gewalten, denen er sich beugt, wie der Naturmensch vor dem Gewitter, Gewalten, die er selbst zu erringen sucht, um andere zu ducken. […] Und noch eins scheint mir in diesem Werk, das auch noch die kleinen und kleinsten Züge der Hurramiene mit dem aufgebürsteten Katerschnurrbart eingefangen hat, auf das glücklichste dargestellt zu sein; das Rätsel der Kollektivität. […] Neuteutonen und Soldaten und Juristen und schließlich Deutsche – es sind alles Kollektivitäten, die den einzelnen von jeder Verantwortung frei machen, und denen anzugehören Ruhm und Ehre einbringt, Achtung erheischt und kein Verdienst beansprucht. Man ist es eben, und damit fertig.«

Kellerkinder und Stacheltiere

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