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Das Ende der Geschichte – zwei Fassungen
ОглавлениеDer Untertan (1951, Wolfgang Staudte)
Heinrich Manns Erzählung endet fast unmittelbar nach dem Desaster der Einweihungszeremonie des Denkmals für Wilhelm I. Sturm und Gewitter, Blitz und Donner, heftigster Regen haben alle Zuschauer, die Ehrengäste, die Militärs, die Zivilisten und die Kapelle vertrieben. Kaum dass man noch daran dachte, Diederich Heßling den für ihn vorgesehenen Orden zu überreichen. Diederich erinnerte »sich seines Ordens: ›Der Wilhelms-Orden, Stiftung Seiner Majestät, wird nur verliehen für hervorragende Verdienste um die Wohlfahrt und Veredelung des Volkes … Den haben wir!‹ sagte Diederich laut in der leeren Gasse. ›Und wenn es Dynamit regnet!‹«28 Die Exzellenz hatte ihn auf der Flucht vor dem Unwetter an den Präsidenten von Wulkow weitergereicht, der ihn wiederum an einen Schutzmann übergab. Der fand schließlich Diederich »unter dem Rednerpult, im Wasser hockend. ›Da hamse’n Willemsorden‹, sagte [der Schutzmann] und machte, daß er weiterkam, denn gerade schlug ein Blitz ein, so nahe, als sollte er die Verleihung des Ordens verhindern.«29 »Der Umsturz der Macht von Seiten der Natur war ein Versuch mit unzulänglichen Mitteln gewesen. Diederich zeigte dem Himmel seinen Wilhelms-Orden und sagte ›Ätsch!‹ – worauf er ihn sich ansteckte, neben den Kronenorden vierter Klasse.«30
An dieser Stelle trennen sich die Erzählstränge von Roman und Film. Im Roman folgt zum Abschluss der Tod des alten Herrn Buck: Nach dem chaotischen Ende seiner Rede zur Einweihung des Denkmals macht sich Diederich auf den Weg, ohne Hut, mit Wasser in den Schuhen und »in der rückwärtigen Erweiterung der Beinkleider trug er eine Pfütze mit sich herum.«31 Auf dem Heimweg kommt Diederich am Haus des alten Herrn Buck vorbei. Die Haustür steht offen, Diederich empfindet einen seltsamen Schauer, als er sich ins Haus schleicht. Vom dunklen Flur aus sieht er in das Sterbezimmer, in dem der alte Herr Buck im Bett sitzt, mit dem Blick in eine andere Welt. Um ihn herum seine Kinder und Schwiegerkinder, die aber Diederich von ihren Plätzen aus nicht sehen können. Das Gesicht des Sterbenden spiegelte Erscheinungen wider, die durch ihr »Kommen dies geisterhafte Glück hervorrief(en) in den Zügen des alten Buck? Da erschrak er, als sei er einem Fremden begegnet, der Grauen mitbrachte: erschrak und rang nach Atem. Diederich, ihm gegenüber, machte sich noch strammer, wölbte die schwarzweißrote Schärpe, streckte die Orden vor, und für alle Fälle blitzte er. Der Alte ließ auf einmal den Kopf fallen, tief vornüber fiel er ganz, wie gebrochen. Die Seinen schrien auf. Vom Entsetzen gedämpft, rief die Frau des Ältesten: ›Er hat etwas gesehen! Er hat den Teufel gesehen!‹ Judith Lauer stand langsam auf und schloß die Tür. Diederich war schon entwichen.«32
Im Film dagegen bezieht Staudte für seinen Schluss die Zeitgeschichte seit 1933 mit ein, insbesondere die Folgen des Zweiten Weltkriegs. Damit fügte er die vermutlich wichtigste und deutlichste Änderung, eine Ergänzung und Fortführung Heinrich Manns hinzu: die Weiterführung der Geschichte in die Aktualität. Am Schluss sieht man das im Film gerade erst eingeweihte Denkmal Kaiser Wilhelms im zerbombten Netzig.33
Nach Diederichs Rede zur Einweihung des Denkmals verzeichnet die Montageliste:
Einstellung | Bildinhalt | Stimme | Toninhalt | Meter (35 mm) |
---|---|---|---|---|
506. | Der leere Festplatz, Diederich hat sich unter der Plane hervorgearbeitet, geht zum Denkmal, stellt sich davor | |||
507. | Das Denkmal im Regen, von unten gegen den Himmel aufgenommen | 0,7 | ||
508. | Nähere Einstellung. Diederich vor dem Denkmal, verneigt sich, richtet sich auf und blickt zum Denkmal herauf | 2,7 | ||
509. | Das Denkmal gegen den Himmel aufgenommen, wird vom dunklen Rauch ganz eingehüllt | Musikalische Untermalung [»Lieb Vaterland magst ruhig sein …«, »Die Fahne hoch …« und die Fanfare der Deutschen (Kriegs-) Wochenschau] | 11,0 | |
510. | Blendet (völlig ab) auf Totale – Denkmal. Im Hintergrund die zerstörten Häuser von Netzig. Überall liegen Trümmer, Frauen räumen Schutt in Loren und fahren über den Platz | Diederich: | Eine solche Blüte erreicht ein Herrenvolk aber nicht in einem schlaffen, faulen Frieden. – Nein! Nur auf dem Schlachtfeld wird die Größe einer Nation mit Blut und Eisen geschmiedet. | 18,6 |
Sprecher: | So rief damals Diederich Heßling und riefen nach ihm noch viele andere – bis auf den heutigen Tag. | |||
Abblende bis schwarz | 1,8 |