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Michael Töteberg EIN MAULKORB FÜR DEN FÜHRER Satire im »Dritten Reich«: Der Fall Heinrich Spoerl
ОглавлениеAm 6.2.1935 erschien im Film-Kurier ein Feuilleton von Heinrich Spoerl, das aufhorchen ließ. »Die Angst vor dem Witz« war es überschrieben.1 »Zunächst sei festgestellt: Der Witz ist keine jüdische Erfindung. Auch kein Instrument des Satans. Witz ist Würze und Waffe. Auch heroische Zeiten können ihn nicht entbehren.« Mit der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten waren »heroische Zeiten« angebrochen. In wenigen Monaten war aus der liberalen Weimarer Republik eine stramm auf den »Führer« ausgerichtete Diktatur geworden. Für Andersdenkende gab es nichts mehr zu lachen. Humor und Ironie waren nicht gefragt, da klang das offene Plädoyer für den Witz fast schon wie der Aufruf zu Subversion. »Witz hat allerdings eine unsoldatische Eigenschaft: Er läßt sich nicht kommandieren.« Ein Witz lasse sich nicht unterdrücken. »Wenn man ihn als Unkraut jätet, sprießt er in verborgenen Nischen um so heftiger und wird giftig.«
Das waren die sogenannten Flüsterwitze, die überall kursierten und trotz Strafandrohung nicht zu unterbinden waren. Angeblich handelte es sich um ausländische Feindpropaganda. Spoerl setzte dagegen: »Witze sind zollfrei. Aber das ist kein Grund, unsere Witze aus dem Ausland zu beziehen. Ich halte dafür, daß wir unsere Witze künftig wieder selber machen. Auch die politischen. Die erst recht.«
Das kleine Feuilleton wurde zur Visitenkarte des Autors. Heinrich Spoerl stellte es 1937 an den Anfang eines Bandes mit Plaudereien, dem er den programmatischen Titel »Man kann ruhig darüber sprechen« gab. Dort wurden Dinge angesprochen, über die man im »Dritten Reich«, wollte man nicht Gefängnis und Verfolgung riskieren, lieber nicht sprach. Spoerl verstand es, wider den Stachel zu löcken, ohne wirklich anzuecken.
Sein Meisterstück in dieser Hinsicht lieferte er mit dem Roman »Der Maulkorb« (1936), einer Satire auf Obrigkeitsgläubigkeit und Untertanengeist, angesiedelt im zeitlosen Nirgendwo, doch mit unverkennbar kritischen Zeitbezügen. »Die Komplexe sind auf das genaueste proportioniert«, lobte die Lichtbild-Bühne die Verfilmung von 1938, »der Film sagt an vielen Stellen deutliche Wahrheiten, ohne wehe zu tun.«2 Dieses Kunststück machte Spoerl während der Nazi-Zeit zum mit Abstand erfolgreichsten Unterhaltungsschriftsteller sowie zu einem von Wolfgang Liebeneiner wie von Joseph Goebbels geschätzten Filmautor.