Читать книгу Wörterbuch des besorgten Bürgers - Группа авторов - Страница 14
Altmedien
ОглавлениеDer Begriff meint eine »Pfründegemeinschaft«, deren Merkmal die »inhaltliche Gleichschaltung« und ihre »gemeinschaftliche Status-quo-Fixierung« sei, so Björn Höcke, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. Nein, das Wort »Lügenpresse« habe er (seines Wissens) nie in den Mund genommen, den Begriff »Lückenpresse« würde Höcke indes gerne »seiner Verwendung zuführen«. Aber er sagt lieber »Altmedien«. Klingt vornehmer − Höcke ist immerhin beurlaubter Gymnasiallehrer −, meint aber nichts anderes: den an Selbstbereicherung interessierten, verkommenen Haufen von Journalisten mit falschem »volkspädagogischem Anspruch«.
Deshalb erklärt Höcke »die Zeit des Rechtfertigens für beendet« und schreitet weiter auf dem Weg seiner Partei, den er als »unkonventionell« beschreibt. Mit Günther Lachmann, dem Pressesprecher seiner Fraktion im Thüringer Landtag, an seiner Seite.
Der kommt aus den Altmedien. Das allein wäre aus Höckes Perspektive unkonventionell genug, aber er setzt noch einen drauf. Lachmann musste das Altmedium Die Welt verlassen, weil er neben seiner Redakteurstätigkeit eine Pfründegemeinschaft mit der AfD gründen wollte. Er soll Höckes damaliger Parteikollegin Frauke Petry angeboten haben, sie für 4.000 Euro im Monat zu beraten. Nebenbei, denn er wollte für Die Welt weiter der zuständige AfD-Berichterstatter bleiben. Der Deal kam nicht zustande, Lachmann musste nach den Bestechlichkeitsvorwürfen das Blatt verlassen.
Aber quo vadis ohne Altmedien? Gerade als jemand wie Höcke, der sicherheitshalber eine Deutschlandfahne mit in die Talkshow nimmt, um auf jeden Fall Schlagzeile zu machen. Als Mitglied einer Partei, deren Spitzenpersonal den Dreiklang »provozieren − relativieren − dementieren« überhaupt als Kommunikationsstrategie erfunden hat. Sie würde ohne die Altmedien, die altbacken an der Routineformel »Es gilt das gesprochene Wort« festhalten, nicht funktionieren.
Auf dem Gipfel der Empörung »bedauert« Höcke, dass seine rassentheoretische Rede über den »lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp« ( Afrikaner), der auf »den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp« treffe, zu »Fehldeutungen« geführt habe. Parteikollege Alexander Gauland konnte sich zunächst nicht erinnern, Jérôme Boateng im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung überhaupt erwähnt zu haben. Stunden später räumte er dann doch ein, »dass die Leute einen Boateng« nicht als Nachbarn haben wollten. Das hätte er aber nicht als Person Gauland, sondern quasi als Medium der Leute gesagt. Er kolportiere also nur die Stimme des Volkes. Die Altmedien zerbrachen sich den Kopf: Darf man jemanden verurteilen, weil er sagt, was seiner Meinung nach die Leute denken? Unklar. Ein weiteres Meisterstück der Verwirrung gelang AfD-Chef Jörg Meuthen: »Wenn die NPD vernünftige Vorschläge macht«, würde die AfD nicht gegen sie stimmen. Schon am nächsten Tag behauptete er die klare Abgrenzung zu »allen extremistischen Positionen und Parteien« ( Extremismus).
Gäbe es die Altmedien nicht, würde dieser Wahnsinn kaum auffallen. Thomas etwa ist Gegner der wirklichkeitsverzerrenden »Altmedien« und feiert in seinem Blog sein zehntes Jahr ohne Altmedien mit den Worten: »Keine Sorge, ich schaffe es auch ohne stundenlange Berieselung, meinen Tag zu füllen. Problemlos auch mit sinnlosem Scheiss«. [jest]