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Asylant

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Aus Asyl (Zufluchtsort) und der Endung -ant als Bezeichnung für eine Person gebildet, ist das Wort Asylant nicht unbedingt semantisch negativ beladen. Es könnte schlicht eine Person bezeichnen, die an einem Zufluchtsort lebt. Doch dem Begriff haftet etwas Abwertendes an. Grammatisch ist das kaum zu erklären: Die hin und wieder ins Feld geführte negative Konnotation, die mit der Endung -ant einhergeht, ist nicht konsequent erkennbar. Zwar stehen Simulant, Querulant oder Dilettant in einem schlechten Licht, aber Lieferant oder Musikant durchbrechen diese Systematik.

Dennoch sollte zumindest den Menschen, die vor 1985 geboren wurden, die (deutsche) mediale und politische Verwendungsgeschichte von »Asylant« präsent sein. Ab den späten 1970ern wurden Menschen, die einen Antrag auf Asyl stellten, Asylanten genannt; mit der Bezeichnung kam eine Parallelform zu Flüchtling auf. Nun wurde nicht mehr (wie nach dem Zweiten Weltkrieg) auf den Grund von Migration abgestellt, die Flucht, sondern das Ziel wurde markiert: Menschen wollten in Deutschland Asyl, vielleicht sogar dauerhaft. Zudem waren mit Asylanten nicht allgemein Ausländer gemeint, sondern vor allem Migranten aus armen Ländern − nicht Franzosen oder US-Amerikaner, sondern Rumänen, Russen, Vietnamesen.

Kurz nach 1989 brachen sich Rassismus und Fremdenhass Bahn: Die frühen 1990er waren besonders im Osten geprägt von neonazistischen Morden und Gewalttaten. Der Gipfel war das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992. Über Monate hatten Medien den Begriff Asylant mit Metaphern zu hetzerischen und Panik verbreitenden Schlagzeilen kombiniert, so etwa die Bild im April 1992: »Fast jede Minute ein neuer Asylant. Die Flut steigt − wann sinkt das Boot?« Politiker sprachen vom »ungebremsten Zustrom von Asylanten«, dem nur mit »einer neuen Mauer« Einhalt geboten werden könne ( Mauer). 1993 wurde das Asylrecht stark eingeschränkt, das Wort Asylant verschwand aus Politik und Medien. Nun war die Rede von Asylbewerbern − ein Begriff, der auf den ersten Blick positiver klingt, aber in dem steckt, dass sich Menschen um Asyl bewerben müssten. Ein Umstand, der gerade mit der Abschaffung des allgemeinen Rechts auf Asyl, wie es die Genfer Flüchtlingskonventionen und die Menschenrechte fordern, einen Beigeschmack hat.

Besorgten ist diese Wortgeschichte schnurz. Oder sie sprechen bewusst weiterhin von (Merkel-)Asylanten, die ihnen die Arbeit wegnehmen, Frauen schänden, das Land madig machen ( Danke, Merkel!). Auch in anderen Komposita mit Asyl zeigt sich der fremdenfeindlich besorgte Kern: Mittlerweile gehen Wortungetüme wie Asylforderer oder -anspruchsteller um, die jeweils die angebliche Dreistigkeit der Geflohenen betonen. Die AfD tut sich schwer, einfach von Asyl zu reden. In ihrem Parteiprogramm findet sich häufiger Asylzuwanderung, die kaum verhehlen kann, dass Zuwanderung hier als Problem verstanden wird. Den »rechtstreuen Asylbewerbern« stehen die »irregulären Migranten« gegenüber. Vermutlich hatte die AfD gute Medienberater, die sich an die 1990er erinnern können. Ausweichmanöver und Wortschöpfungen sollen die Xenophobie verdecken. [ng]

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