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Bürger

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Besorgte sind immer auch Bürger − ausschließlich. Sie sind keinesfalls etwas anderes, beispielsweise Neonazis, Landtagsabgeordnete oder Rassisten, sind »weder rechts, noch links« ( Mitte), »weder für die eine, noch für die andere Seite«. Nach ihrem Selbstverständnis verkörpern sie eine neutrale Zone innerhalb allen politischen Geschehens und äußern aus diesem zentral gelegenen Vakuum lediglich ihre Sorgen und Ängste. Nun ist der Standort zwar recht bequem, sich mit »gesundem Menschenverstand« selbst aus jeglichem Kontext herauszunehmen und von einer behaupteten neutralen Position aus zu sprechen, das bleibt aber Verschleierungsstrategie oder schlichtweg idiotisch.

Das Wort Idiot leitet sich vom altgriechischen Begriff für eine Privatperson ab, die zwar öffentliche Ämter wahrnehmen könnte, es aber nicht tut. Ihr Gegenstück war der polites − eine Figur, auf die bis heute Überlegungen zur Stellung des Bürgers in einer demokratischen Gesellschaft zurückgreifen. Die idiotische Sphäre war die des oikos, also der Wirtschaft im Sinne der Reproduktion und Überlebenssicherung. Als gäbe es eine begriffsgeschichtliche Kontinuität vom Idioten der griechischen Polis zum besorgten Bürger, begründen auch letztere ihren aufgewühlten Gemütszustand mit der Sorge ums alltägliche Überleben und verweisen auf die Cent-Stücke ( D-Mark), die vom vielen Umdrehen bereits abgegriffen sind. Im Zustand ihrer seelischen Aufwallung bemerken sie jedoch nicht, dass sie sich das Politische zueigen machen und es gleichzeitig ablehnen − und so zu dialektisch oszilierenden Subjekten werden.

Dass der Bürger von seiner Begriffsherkunft den Verteidiger eines befestigten Zufluchtsorts bezeichnet, dürfte mehr zum besorgten Selbstverständnis passen, da man sich im Belagerungszustand wähnt ( Invasionsarmee). Hinderlich dagegen: Bereits im 12. Jahrhundert vollzog sich eine semantische Verschiebung hin zum Burgbewohner statt des Verteidigers. Darin spiegelt sich das Hauptdilemma der besorgten Rhetorik: Bürgerschaft setzt, im Gegensatz zur Herrschaft, ein Verständnis der Horizontalität voraus. Sie ist eine Assoziation der Freien und Gleichen, in welcher sich aus Herkunft, Gewohnheit und Tradition keine Vorteile ableiten lassen, ebenso wenig wie die Ungleichbehandlung jener, die aus vertrauten Mustern herausfallen. In ihrem Avantgarde-Anspruch (»Wacht endlich auf!«, Aufwachen), der allen Kritikern die politische Unmündigkeit und Korrumpiertheit attestiert, schlägt sich dagegen vielmehr ein patriarchales Herrschaftsdenken nieder. [rs]

Wörterbuch des besorgten Bürgers

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